Thorsten Peters

Der Postscanner (Geschichten eines Postboten)

Ich läute bei HEIDBRINK.
Sie macht die Tür auf und sieht mich vor ihr stehen
mit dem Paket.
“Deutsche Post. Ein Paket für Heidbrink.“
Sie bückt sich über das Paket und betastet es.
“Ein Paket?“
“Ja, für Heidbrink.“
“Hans-Werner!“
Sie schaut in ihre Reihenhauswohnung - ein dunkler Kontrast zum hellen Tages-
licht draußen. Hinter der ledernen Sitzecke im Wohnzimmer ist ein kleiner grüner
Garten mit großen Hecken, die das Territorium abgrenzen. Ihr Mann kommt.
“Werner Heidbrink?“
“Ja.“
Ich reiche ihm den Scanner zur Unterschrift. Der Scanner ist ein elektronisches
Gerät - eine Art Game Boy für Unterschriften. Mit etwas Verzögerung erscheint die
Unterschrift in schwarzen dünnen Linien, und kaum zu erkennen, auf dem Display:
()//((h
“Wohin die Unterschrift?“, fragt Heidbrink, den Schreiber in der rechten Hand
haltend.
“In der Mitte ungefähr“. Und er greift nach dem Scanner, will ihn zu sich her-
ziehen. Ich halte den Scanner fester, damit er nicht ganz in die Hände von
Heidbrink gelangt. Man kann nie wissen, besonders bei Älteren - deshalb muß man
vorsichtig sein. Der Scanner sollte immer mit einer Hand vom Packer festgehalten
werden. Es ist teures Gerät. So machen das die Anderen auch.
“Kann man kaum sehen. Sehr schlecht“, sagt Heidbrink und zeigt mir sein Gekritzel:
/(/)()(nk
Die Ehemänner brauchen öfter als ihre Frauen Anweisung.
Auch ältere Leute wissen oft nicht, zu was der Scanner gut ist. Aber auch die-
jenigen die es wissen meinen alle, daß die Oberfläche des Geräts zu dunkel sei,
und daß sie nichts lesen könnten von dem was sie schreiben. Wenn die Leute dies
sagen, habe ich immer schon die Standardantwort bereit: “Das haben Die wohl absichtlich
so gebaut“. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.08.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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