Christel Rische

Robinson und die Möwe

Platsch! machte es und die Kiste, in der Robinson schlief, klatschte ins Wasser. Robinson, der graue Tigerkater, erschreckte sich sehr. Igitt, Wasser!. Für ihn gab es fast nichts schlimmeres als nass zu werden und jetzt so was. Er setzte sich erst einmal vorsichtig hin, denn das Ding schaukelte ganz fürchterlich.
Es war alles ziemlich dunkel, schließlich war es fast Mitternacht und die Lampen waren schon lange aus. Nur der Mond schien trübe hinter einer Wolke. Als Robinson endlich über den Rand seiner Kiste schaute, war er schon ein ganzes Stück vom Ufer abgetrieben.
Schwimmen? Er überlegte ein wenig, aber das wollte er nun doch nicht. Die Kiste war ja dicht und schwamm recht gut. Und schließlich hieß er ja Robinson und ein Abenteurer war er auch. Außerdem wartete ja keiner auf ihn.
Die Kiste dümpelte jetzt gemächlich durch das Wasser. Das leichte Schaukeln und die Dunkelheit ließen ihn sehr müde werden und schließlich einschlafen. Von einem Klopfen wurde er wach. Er öffnete die Augen und sah einen großen weißen Vogel auf dem Rand seiner Kiste sitzen.
"Wer bist du denn?" fragte der Vogel. "Ich heiße Robinson," antwortete er "und wer bist du?" "Mein Name ist Caruso." sagte der Vogel. "Und was für ein Vogel bist du? Ich habe noch nie so einen großen Vogel gesehen." sagte Robinson. "Ich bin eine Seemöwe," antwortete Caruso. "Hast du etwa noch nie eine Möwe gesehen?"
"Nein, ich bin doch ein Stadtkater. Aber sag mal., wo bin ich hier überhaupt?" "Du bist hier im Hafen von Seeburg," sagte Caruso, "und warum sitzt du überhaupt in dieser Kiste?" "Ach, weißt du," erzählte Robinson "ich habe hier drin geschlafen, weil ich kein Zuhause habe. In der Nacht ist die Kiste ins Wasser gefallen und weil ich nicht schwimmen mag, bin ich in der Kiste sitzen geblieben." "Und weil du wieder eingeschlafen bist, weiß du jetzt nicht mehr wie du hierher gekommen bist, stimmts?" vollendete Caruso die Geschichte. "Genau!" sagte Robinson.
"Nun," fing Caruso an, "der Fluss hat dich hierher getrieben, denn er fließt ja aus dem Land ins Meer. Das machen die meisten Flüsse nämlich. Und am Ende dieses Flusses liegt der Hafen von Seeburg. Von hier aus fahren kleine Kutter zum Fischfang und auch ganz große Schiffe starten hier ihre Reise über das Meer in das ferne Land."
"Warst du schon mal in diesem fernen Land?" wollte Robinson wissen. "Nein, ich noch nicht. Aber der bunte Papagei, der auf dem blauen Fischkutter wohnt, der hat früher dort gelebt," erzählte Caruso.
Robinson war auf einmal sehr durcheinander. Er befand sich jetzt in einer völlig neuen Welt. Alles roch ganz anders und sah auch ganz aus. Aber er fand es sehr gut und konnte sich vorstellen hier zu bleiben. Schließlich war er ein freier Kater und konnte tun und lassen, was er wollte.
Etwas anderes beschäftigte ihn jetzt aber plötzlich. Sein Magen knurrte und ihm fiel auf, dass er ja schon seit vielen Stunden nichts gefressen hatte. "Sag mal, Caruso" fing er an, "kannst du mir weiterhelfen, ich habe nämlich Hunger?" "Klar, doch! Ich hole dir einen Fisch," sagte Caruso und startete. Wenig später kam er mit einem Fisch im Schnabel wieder. Und während Robinson fraß, fragte er: "Was willst du jetzt eigentlich machen? Du kannst doch ewig in dieser Kiste bleiben.?"
Mittlerweile trieb die Kiste zwischen den Schiffen und Robinson sah sich um. Die Schiffe schaukelten viel weniger als seine Kiste. "Du hast doch vorhin von diesem Papagei erzählt, der auf einem Schiff lebt. Meinst du, die Menschen lassen mich auch auf so einem Schiff leben?" Robinson fand die Schiffe sehr interessant. "Ich denke schon," sagte Caruso, "auf vielen Schiffen leben Katzen. Die Fischer mögen sie und genug zu fressen gibt es auch immer."
Die Kiste stieß gerade an einen roten Kutter, und in diesem Moment schaute ein Mann mit einem dicken weißen Bart über die Reling. "Ja, was ist das denn?" Er schaute etwas verdutzt auf die Kiste, verschwand wieder und kam mit einem großen Haken zurück. Robinson bekam erst mal einen Schreck und dachte, jetzt werde ich bestimmt nass.
Aber der alte Mann zog die Kiste mit geübtem Griff aus dem Wasser an Deck. "Du bist ja ein richtiger Seekater. Hast du denn auch einen Namen?" fragte der alte Mann. Robinson überlegte kurz. "Ich heiße Robinson," sagte er und im gleichen Moment fiel ihm ein, dass die Menschen ihn ja nicht verstehen konnten. Aber da sagte der alte Mann auch schon: "Weißt du was, ich werde dich Robinson nennen und wenn du möchtest, kannst du hier bleiben."
Robinson hätte am liebsten einen Luftsprung gemacht. Er strich dem alten Mann um die Beine und der streichelte ihn eine ganze Weile. Dann ging er unter Deck und Robinson saß auf seiner Kiste. Da hörte er Caruso: "Na Robinson, hast du dich schon mit dem alten Jakobsen anfreundet?" "Ja, und du wirst es nicht glauben, er hat sogar meinen Namen gewusst! Und er hat gesagt, dass ich bleiben kann." Robinson war ganz aus dem Häuschen und tanzte auf dem Deck herum. "Das freut mich sehr. Jakobsen ist eine guter Mensch. Er nennt auch mich bei meinen Namen und ich denke fast, dass er uns verstehen kann," sagte Caruso.
Es wurde langsam dunkel und Caruso flog zu seinem Schlafplatz. Robinson ging zu Jakobsen unter Deck. Er legte sich neben Jakobsen und schlief glücklich ein. Er hatte heute einen Freund und seinen Menschen gefunden und er würde sicherlich noch viel mit ihnen erleben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.09.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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