Philomena Capricorn

Lovers like to tease each other

,,Oh nein! Nein nein nein! Was ist das?!“ Eilig hieb Alexandra auf den Knopf der Sprechanlage. ,,Maisie?“ ,,Was kann ich für sie tun, Mrs Knight?“ ,,Erinnern Sie sich noch an Christian?“ ,,Grey?“ ,,Nein, natürlich nicht! Christian Almound, dieser ungehobelte, nutzlose, distanzlose, schmierige, arrogante ...“ ,,Ach, den Journalisten meinen Sie?“ ,,Wen sonst?“, knurrte Alexandra. ,,Haben Sie schon die Zeitung von heute gelesen? Ganz vorne auf der Titelseite, ein Artikel über ihn, Überschrift: Eiskalt und steinhart wie ein Diamant, das ist Alexandra Knight, die wohl jüngste Milliardärin und begehrteste Junggesellin ganz Amerikas. Doch was verhalf ihr zu ihrem Erfolg? Wie schaffte sie es, in so jungen Jahren ein Milliarden- Imperium aufzubauen?Wer steht hinter ihr? Wer inspiriert sie? Wird der berühmte und berüchtigte Journalist Christian Almound es als erster vor allen anderen schaffen Antworten auf diese Fragen zu finden? Haben Sie das gehört, Maisie? Man hetzt mir diesen Teufel von einem Mann auf den Hals, um mich auszuspionieren! Und das gerade jetzt! Ich stehe kurz davor, einen Milliarden- Deal zu machen und ich kann es mir nicht leisten, wenn mir so ein Amateur und Casanova jetzt in die Quere kommt und mir ins Handwerk pfuscht.“ Alexandra verstummte kurz, um einmal tief Luft zu holen. ,,Maisie, ich will, dass Sie Don Juan von mir fernhalten und wenn Sie dazu mit einem Aktenordner auf ihn einschlagen müssen, dann tun Sie´s!“ ,,Ähm, Mrs Knight?“ Maisie klang unsicher. ,,Was ist denn?“, blaffte Alexandra gereizt. ,,Waren meine Anweisungen nicht klar genug?“ ,,Nun, das schon, Mrs Knight. Aber vielleicht etwas verspätet.“ Ein leises, höfliches, aber definitiv amüsiertes Räuspern ließ Alexandra erstarren. Wie in Zeitlupe legte sie auf und drehte sich um. ,,Oh mein Gott!“, entfuhr es ihr, ehe sie es verhindern konnte. Christian Almound! sa&szli g; kaum fünf Meter von ihr entfernt lässig in einem der eleganten Ledersessel, das eine Bein so übergeschlagen, dass der rechte Knöchel auf dem linken Knie ruhte, die Arme auf den Seitenlehnen aufgestützt, ein laszives Lächeln umspielte seine Lippen. Auf andere Frauen hätte es sicher eine aphrodisierende Wirkung gehabt, in Alexandra weckte es nur Abscheu. Jetzt stand er elegant auf, schlenderte auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. ,,Ich weiß, ich werde oft mit ihm verwechselt, aber Sie können ruhig Christian zu mir sagen.“ Seine Unverfrorenheit verschlug Alexandra für ein paar Sekunden die Sprache. Dann ging sie, seine dargebotene Hand demonstrativ ignorierend, um ihren Schreibtisch herum, ließ sich auf ihrem Stuhl nieder und lehnte sich so weit wie möglich von ihm weg. ,,Ich kann mich nicht erinnern Sie eingeladen zu haben.“ Ihre Stimme war eisig. Spöttisch und keineswegs beeindruckt zog er eine Augenbraue hoch. ,,Es freut mich auch Ihre Bekanntschaft zu machen.“ ,,Nun, das beruht sicher NICHT auf Gegenseitigkeit“, konterte Alexandra kalt. ,,Eiskalt und steinhart wie ein Diamant“, sinnierte Almound und strich sich gespielt grüblerisch über das Kinn. ,,Warum nur kommt alle Welt gerade auf diesen Vergleich, wo doch Schönheit und Reinheit ebenso naheliegend sind.“ ,,Haben Sie mit Ihrem Pseudo- Charme bisher immer Ihr Ziel erreicht, Mr Almound?“, fragte Alexandra sarkastisch. Er grinste anzüglich und zwinkerte ihr zu. ,,Das hat bisher immer ganz gut geklappt. Glauben Sie mir, Alexandra, meinem Charme konnte bisher noch niemand widerstehen.“ Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. ,,Sie werden sich an mir die Zähne ausbeißen, Christian, und wenn Sie mich noch einmal Alexandra nennen, werde ich Sie so ruinieren, dass Sie hinterher nicht einmal mehr genug Geld haben, um sich Zahnersätze zu leisten.“ Sie lächelte zuckersüß. Almo! und schi en es für einen Moment die Sprache verschlagen zu haben, dann brach er in schallendes Gelächter aus. ,,Sie sind eine richtige Wildkatze, Alex... Verzeihung, Mrs Knight. Sie gefallen mir.“ ,,Wie schön, dass sich damit mein Lebensziel erfüllt hat“, spottete Alexandra. ,,Mr Almound, da Ihr Ego anscheinend so groß ist, dass für Geist und Verstand kein Platz mehr ist, werde ich mich so ausdrücken, dass selbst Sie es verstehen können: Sie behindern mich beim Arbeiten und ich kann Sie nicht leiden, also wären Sie bitte so freundlich und würden umgehend mein Büro verlassen und nie wiederkommen?“ Almound öffnete den Mund zu einer Antwort, doch Alexandra drückte den Knopf für die Sprechanlage. ,,Sicherheitsdienst?“ Während sie sprach, sah sie Almound mit einem maliziösen Lächeln an. ,,Mr Almound wollte gerade gehen. Würden Sie ihn bitte zur Tür geleiten? Das wäre wirklich reizend. Ach und sollte er sich wehren, tun Sie mir den Gefallen und nehmen es auf und stellen es auf YouTube? Und wenn Sie schon dabei sind sich sinnvoll zu betätigen: Schicken Sie doch eine Tiefbaufirma in den Central Park. Mr Almounds Niveau muss da irgendwo vergraben liegen.“ Sie legte auf und sah Almound mit einem künstlichen Lächeln an. In dessen Gesicht spiegelten sich sowohl Fassungslosigkeit als auch Belustigung, was Alexandra schon wieder ärgerte. ,,Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Mr Almound. Mögen Sie auf Ihrem Heimweg nicht überfahren werden, in offene Gullies fallen oder von herabfallenden Blumentöpfen erschlagen werden.“ Almound besaß tatsächlich die Frechheit charmant zu lächeln und ehe Alexandra es sich versah, hatte er ihre Hand zu einem hauchzarten Kuss an seine Lippen geführt. ,,Ut sementem feceris, ita metes.“ Dann schlenderte er lässig zur Tür. Im Türrahmen drehte er sich ein letztes Mal um. ,,Ci! ao ciao bella.“ Dann verschwand er und Alexandra starrte ihm entgeistert nach, während sie ihren Handrücken geistesabwesend mit einem Feuchttuch abwischte.

 

Als Alexandra am Abend nach Hause kam, wunderte sich, dass das Tor nicht wie sonst von einem ihrer persönlichen Sicherheitsmänner bewacht wurde. Nachdem sie den Wagen geparkt hatte, zog sie hastig ihre Schuhe aus. Erleichtert den zehn Zentimeter Absätzen entkommen zu sein, wackelte sie mit den Zehen und genoss das befreiende Gefühl. Die Handtasche in der einen Hand, die Schuhe in der anderen, eilte sie, so gut der hautenge Rock ihres Kostüms es ihr ermöglichte, über den fein säuberlich gestutzten Rasen zum Unterstand des Sicherheitsdienst, welcher dem Schutz vor Regen, Sturm oder anderen schlechten Witterungsbedingungen diente. Doch heute schallten ihr Lärm und Gelächter entgegen. Missbilligend hob sie eine Augenbraue und fragte sich, ob nicht ein Hamster einen besserer Personenschutz abgeben würde. Sie zog die Tür auf und betrat die Stube, in der die Männer an einem Tisch saßen und in aller Ruhe Karten spielten. ,,Gentlemen, ich möchte Sie bitten die Sicherheitsvorkehrungen die nächsten Wochen zu verstärken. Vermutlich ist dies nur für ein paar Tage nötig, bis dahin hat Don Juan vermutlich eh schon mit eingeklemmtem Schwanz die Flucht ergriffen, doch bis dahin, meine Herren, will ich nicht, dass Christian Almound sich meinem Grundstück auf fünfhundert Meter Entfernung nähert. Falls Sie kein Bild von ihm vor Augen haben, Sie werden ihn an seinem geistlosen Humor, seiner billigen Anmache und daran erkennen, dass er mit allem flirtet, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.“ Eine Weile herrschte Schweigen, dann begann der Sicherheitsmann, der Alexandra den Rücken zudrehte und – wie sie nun merkte – als einziger nicht aufgestanden war, als sie ihre Ansprache gemacht hatte, zu lachen. Und nicht nur irgendein Lachen. Sie kannte dieses Lachen. Es war Christian Almounds Lachen. ,,Oh, Sie Schuft!“ Wütend und wenig professionell warf sie einen ihrer Schuhe nach ihm. ! Er prall te an Almounds Rücken ab. Dieser schien es nicht mal richtig bemerkt zu haben. Er lachte noch immer und zu ihrer Verärgerung bemerkte Alexandra, dass seine dreiste Heiterkeit drohte ihre Sicherheitsmänner mit anzustecken. Sie atmete tief durch und kämpfte gegen ihren Zorn an. ,,Mr Almound, würden Sie mich auf einen Spaziergang begleiten?“, fragte sie mit mühsam erzwungener Freundlichkeit und Ruhe. ,,Sieht so aus, als müsste ich euch verlassen, Jungs. Dieser liebreizenden Lady kann man einfach keinen Wunsch abschlagen. Gutes Spiel.“ Almound erhob sich geschmeidig, warf sich seine Jacke lässig über die Schulter und Alexandra einen provozierend- gewitzten Blick zu. Sie starrte vernichtend zurück. ,,Madame.“ Mit einer galanten Geste bot er ihr seine Hand an. Alexandra ergriff sie und zerrte ihn wenig sanft nach draußen und mehrere Meter von der Hütte fort. ,,Hatte ich mich nicht klar ausgedrückt, Mr Almound?“ Ihre Stimme bebte kaum merklich vor Zorn. Sein mokantes Lächeln trieb sie zur Weißglut. ,,Sie hatten mich klar und deutlich, sogar vor Zeugen, zu einem Spaziergang eingeladen, doch nun stehen wir hier nur herum, dabei verfügen Sie über ein wunderschönes Grundstück, wie ich bereits feststellen durfte.“ Er schlenderte über den Rasen davon. Alexandra starrte ihm kochend vor Wut nach. Der Mann war gut. Verdammt gut. Sie unterdrückte den Drang, ihm ihren zweiten Schuh hinterher zu werfen. ,,Ganz ruhig, Knight!“, murmelte sie. ,,Du schaffst das! Mach dieses verlogene, aufgeblasene Miststück fertig!“ Sie holte tief Luft, dann eilte sie Almound hinterher, der an einem Blumenbeet stehen geblieben war und die Rosen betrachtete. ,,Und? Was verrät Ihnen diese Rose über mich, was die Welt noch nicht wusste? Ich hoffe die Betrachtung meiner Blumenbeete hilft Ihnen dabei, neue, interessante Dinge über mich zu erfahren, die Ihren Artikel voranbringen we! rden.&ld quo; ,,Überaus“, erwiderte er spöttisch und wandte sich von den Blumen ab. ,,Ich hoffe, Sie waren bei der Suche nach meinem Niveau erfolgreich.“ ,,Selbst mit den neusten Errungenschaften der Technik ist es uns derzeit leider noch nicht möglich, so tief zu graben.“ Er lachte leise. ,,Es wird mir Spaß machen, mit Ihnen zu arbeiten.“ ,,Es wird mir Spaß machen, Ihre Abeit zu ruinieren. Es sei denn, meine Rosen erzählen Ihnen doch etwas interessantes, frevelhaftes, berührendes oder was auch immer Sie hören wollen über mich, denn von mir werden Sie nichts erfahren.“ ,,Ihre Rosen sagen mir nicht annähernd so viel über Sie, wie jemand, der seinen Schuh nach mir wirft.“ ,,Darf ich darauf hinweisen, dass SIE unerlaubter Weise in meinen Grund und Boden eingedrungen sind.“ ,,Tja, das kann ihn zweierlei Dinge sagen: Entweder ist mein Charme doch nicht so geistlos und billig, wie Sie offenbar denken oder jeder Goldfisch könnte Sie besser beschützen, als Ihr gesamter Sicherheitsdienst.“ ,,Meine Männer sind darauf trainiert Bekloppte und Irre und Geldgierige und Stalker von mir fernzuhalten. Nicht bekloppte irre geldgierige Stalker“, konterte Alexandra. ,,Sie scheinen ja eine hohe Meinung von mir zu haben.“ ,,Nein nein, das ist nichts persönliches. Geldgierige, sensationsgeile, skrupellose, rücksichtslose, distanzlose, unverfrorene, oberflächliche Womanizer mag ich grundsätzlich nicht.“ Er schnaubte. ,,Sie scheinen ja eine ganze Menge über mich zu wissen.“ ,,Mehr als Sie über mich und ich habe nicht vor, dass zu ändern, geschweige denn meine Geschäfte zu gefährden, weil Sie mich belästigen, also lassen Sie es mich noch einmal klarstellen: Halten Sie sich von mir fern. Ich will nichts mit Ihnen zu tun haben und ich kann es mir nicht leisten, dass Sie mir ins Handwerk pfuschen und versuchen fantasielose Skandale über mich zu v! erö ffentlichen. Wenn ich gewollt hätte, dass die ganze Welt mein Tagebuch liest, hätte ich es veröffentlicht. Aber das habe ich nicht und ich lege große Wert auf meine derzeitige Anonymität. Denn das hat mir zu Erfolg verholfen. Und das OHNE, dass ich Menschen durch peinliche Stories bloßstellen musste. DAS nennt man Erfolg, Mr Almound, SIE wollen nur Geld machen. Verlassen Sie sich darauf: Wenn irgendwann mal irgendjemand erfahren soll, welche meine Lieblingseissorte ist, dann kümmere ich mich schon selber darum.“ Sie schenkte ihm ein unverbindliches Lächeln. ,,Auf Wiedersehen, Mr Almound. Höchst unangenehme Albträume wünsche ich Ihnen. Den Ausgang kennen Sie ja.“

 

Natürlich ließ er sie nicht in Ruhe.

 

Es fing damit an, dass jemand die Luft aus den Reifen ihres Wagens gelassen hatte, als sie am nächsten Morgen ins Büro fahren sollte. ,,Almound!“, brüllte sie. ,,Ist das Ihr Ernst? Was klischeehafteres ist Ihnen wohl nicht eingefallen!“

Maisie empfing sie mit hochgezogenen Augenbrauen, als Alexandra zum ersten Mal in ihrer Laufbahn als CEO eines der größten Unternehmens Amerikas aus einem gewöhnlichen gelben New Yorker Taxi stieg. ,,Kein Wort“, knurrte Alexandra. ,,Ihr Kaffee, Mrs Knight.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln reichte ihre Sekretärin ihr einen Pappbecher. ,,Zwei Drittel Kaffee, ein Drittel Milch, ein Hauch von Zimt, etwas Schockoraspel mit 65% Kakaoanteil.“ ,,Sie sind Schatz, Maisie.“ Seufzend nahm Alexandra den Becher entgegen und betrat das Gebäude. Unwillkürlich warf sie verstohlene Blicke um sich, halb in der Erwartung, Almound würde hinter der nächsten Ecke hervorspringen. Doch sie erreichte ihr Büro ohne unangenehme Zwischenfälle und ließ sich erleichtert auf ihren Stuhl sinken. ,,Sie haben eine Telefonkonferenz in einer halben Stunde und um halb zwei ein treffen im Rixon´s mit dem Chef dieser Marketing- Kampagne.“ ,Stephenson?“ ,,Ja, genau der. Außerdem wird Ihre Anwesenheit bei der Zeugnisvergabe der Abschlussabsolventen der Brown University erwartet.“ ,,Danke, Maisie. Ich kümmere mich drum.“ Maisie empfahl sich mit einem höflichen Lächeln und Alexandra widmete sich den Bergen an Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. Sie griff nach ihrem Kaffee, trank einen Schluck … und schnellte mit einem Entsetzensschrei in die Höhe. Der Becher fiel auf ihren Schreibtisch und Kaffee spritzte über all ihre Unterlagen und ihre makellos weiße Bluse. Hektisch schnappte sie nach Luft und wedelte sich Luft zu. Irgendjemand musste Chilipulver in ihren Kaffee getan haben. Und sie ahnte, wer dieser jemand war. Aufgeschreckt von dem Schrei, stürzte Maisie herein und starrte ihre Chefin entsetzt an. ,,Was ist passiert, Mrs Knight?“ ,,Was passiert ist?“, knurrte Alexandra. ,,Christian Almound ist passiert!“ Sie holte tief und zitternd vor Zorn Luft. ,,Wären S! ie so ne tt, mir ein sauberes Kostüm zu besorgen?“ ,,Natürlich, Mrs Knight.“ Pflichtschuldig eilte Maisie davon und Alexandra ließ sich zurück in ihren Stuhl sinken. Mit vor Wut zitternden Händen umklammerte sie die Armlehnen so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Da bemerkte sie etwas am Becher. Sie drehte den Becher und las: Na? Spaß bei der Arbeit? Ciao ciao bella. Alexandras Hände krampften sich so fest um den Becher, dass er aufplatzte und sich auch noch der restliche Kaffee über die Tischplatte verteilte. Unkonzentriert widmete sie sich wieder ihrer Arbeit, während sie im Geiste bereits Mordszenarien durchspielte.

 

Es war bereits später Nachmittag, als Alexandra die Werkstatt erreichte, in die ihr Auto gebracht worden war. Immerhin hatte Almound den Anstand gehabt die Reifen nicht zu zerstechen, sondern nur die Luft rauszulassen. Alexandra war schlecht gelaunt. Der Tag war ganz und gar nicht nach Plan verlaufen. Almound und seine fiesen kleinen Tricks waren ihr nicht aus dem Kopf gegangen und sie hatte kaum das erreicht, was sie hatte erreichen wollen. Es war allein ihrem Charme und ihrer Professionalität zu verdanken, dass mehrere Geschäfte heute nicht aus dem Ruder gelaufen, Deale nicht geplatzt waren. Und das hatte sie alles diesem hinterhältigen Widerling zu verdanken. Als sie die Werkstatt betrat, stand ihr Wagen auf der Hebebühne und die Reifen waren zu ihrer Freude schon wieder aufgepumpt. Der Mechaniker kam ihr entgegen, wischte sich die öligen Hände an einem schmutzigen Tuch ab. ,Mrs Knight.“ Er schüttelte ihr die Hand. ,,Ihr Wagen ist fertig. Sie können ihn gleich mitnehmen.“ Alexandra nickte und begann den Wagen zu begutachten, betrachtete ihn von allen Seiten. ,,Was tun Sie da, Mrs Knight?“, fragte der Mechaniker verwirrt. ,,Haben Sie alles doppelt und dreifach kontrolliert? Keine gekappten Bremsen? Keine durchgeschnittenen Schläuche? Niemand, der das Öl herausgelassen oder den Sprit gegen Wasser ausgetauscht hat?“ ,,Mrs Knight, ich bin verwirrt … ich verstehe nicht ...“ Der Mechaniker schien ratlos. ,,Es ist so, dass ...“ Ein Geräusch ließ Alexandra verstummen. ,,Wie fährt man dieses Ding runter?“ Restlos verwirrt deutete der Mann auf einen Hebel. Prompt legte Alexandra ihn um. Langsam fuhr die Hebebühne herab. Auf Schulterhöhe brachte Alexandra sie zum stehen. Sie trat an den Wagen heran und spähte hinein. Almound lag in ihrem Wagen quer über der Rückbank, die Knöchel übereinander geschlagen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er grinste Ale! xandra u nverschämt schelmisch an, als diese ihn wütend anstarrte. ,,Sie auch hier, Alexandra? Was für ein Zufall! Kaffee gefällig?“ Er hielt einen Pappbecher hoch. Seine Augen funkelten. Alexandra widerstand dem Drang ihm den Kaffee ins Hemd zu gießen nur mit Mühe. ,,Mr Almound, was für eine … unangenehme Überraschung“, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Mit einem zuckersüßen Lächeln wandte sie sich an den Mechaniker, der das Spektakel mit einer Mischung aus Verwirrung und Belustigung beobachtete. ,,Offenbar leidet mein Wagen unter einem Parasitenbefall. Können Sie mir ein gutes Mittel empfehlen?“ Der Mechaniker sah zwischen ihr und Almound hin und her. Dann warf er ihr die Autoschlüssel zu. ,,Regeln Sie das unter sich. Aber lassen Sie meine Werkstatt heil und schließen Sie ab, bevor Sie gehen.“ Er ging und Alexandra sah ihm kopfschüttelnd nach. ,,Tja, jetzt sind wohl nur noch wir beide da.“ Almounds Stimme hatte einen gefährlich tiefen und samtigen Unterton. ,,Nein, nur noch Sie.“ Alexandra schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, legte den Hebel um und fuhr die Hebebühne bis zum Anschlag in die Höhe. Mit einem triumphierenden Lächeln schlenderte sie betont langsam aus der Werkstatt, ignorierte Almounds Protestgeschrei und schloss ab.

Sobald sie Zuhause war, rief sie Maisie an. ,,Maisie? Ich bin´s. Kriegen Sie raus, wo Christian Almound wohnt. Ja, jetzt sofort. Und besorgen Sie mir blaue Tönung. Ja, Sie haben mich schon verstanden. Gut. Danke. Auf Wiederhören.“ Mit einem diabolischen Lächeln legte Alexandra auf, schenkte sich ein Glas Rotwein ein und wartete. Kaum eine halbe Stunde später rief Maisie sie zurück, teilte ihr Name und Adresse des Hotels mit und, dass Almound bis jetzt noch nicht zurück sei. Dankend legte Alexandra auf. ,,Rufen Sie mir ein Taxi“, wies sie den Sicherheitsmann an, der ihr eine Papiertüte reichte. ,,Und tun Sie mir den Gefallen und holen meinen Wagen morgen früh aus der Werkstatt ab, sodass ich morgen damit zur Arbeit fahren kann. Und lassen Sie ihn vorher noch einmal durchchecken.“ Ihr Taxi näherte sich mit quietschenden Reifen. Sie nannte dem Fahrer die Adresse und lehnte sich mit einem Gefühl der Genugtuung gegen die falschen Lederpolster. Als das Taxi vor dem gewünschten Hotel hielt, drückte sie ihm rasch einen Dollarschein in die Hand und stieg aus. ,,Ich hätte gerne den Schlüssel zu Zimmer 312“, informierte sie den Rezeptionist. Dieser musterte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue. ,,Sind Sie Mrs Alexandra Knight?“ ,,Haben Sie mein Foto in der Zeitung gesehen?“, fragte Alexandra seufzend. ,,Mr Almound hat vor Kurzem hier angerufen und gesagt, dass Sie kommen würden. Er hat Anweisungen gegeben, Sie auf gar keinen Fall in sein zimmer zu lassen.“ Alexandra schnalzte missbilligend mit der Zunge, dann hellte sich ihre Miene auf. Sie warf dem Rezeptionisten ein verführerisches Lächeln zu und klimperte ihn unter langen dichten Wimpern an. Mit zwei Fingern griff sie in ihren unerhört tiefen Ausschnitt und zog ein Bündel Dollarnoten hervor. ,,Er muss ja nie erfahren, dass ich jemals hier gewesen bin“, schnurrte sie. ,,Nein, natürlich nicht, Ma´am.&ldqu! o; Gieri g griff der Mann nach dem Geldbündel und reichte ihr den Schlüssel. ,,Tztztztz“, machte Alexandra triumphierend. ,,Männer sind so berechenbar.“ Sie fand die richtige Zimmertür und schloss auf. Wie zu erwarten war sein Apartment nicht gerade eine Ausgeburt an Ordentlichkeit. Kopfschüttelnd stieg sie über Bücherstapel, Zeitungen und herumliegende Jeans hinweg zum Badezimmer. Ohne die Tür aus den Augen zu lassen, griff sie nach der Flasche mit dem Shampoo und goss es bedächtig in den Ausguss. Dann zog sie die blaue Haartönung hervor und füllte sie bedächtig in die Shampooflasche, verschloss sie und stellte sie wieder zurück, als hätte sie niemals jemand weggenommen. ,,Ut sementem feceris, ita metes“, zitierte sie Almound. ,,Wer sät, der erntet, mein Freund.“

 

Der Mechaniker staunte nicht schlecht, als er Alexandras Sicherheitsmann am nächsten Morgen die Werkstatt aufschloss und Almound aus dem Wagen hechtete, sobald die Hebebühne sich herabgesenkt hatte. Ohne ein Wort zu sagen und mit einem derart finsteren Blick, dass die beiden Männer ihm schleunigst aus dem Weg gingen, sprintete er davon.

Erst unter der heißen Dusche lockerten sich seine verkrampften Muskeln wieder. Teufel, diese Frau hatte es in sich! Noch nie hatte ihm jemand das Leben so sehr zur Hölle gemacht! Er dachte an ihr Firmenmotto: Hinter jeder erfolgreichen Frau steht sie selbst. Wohl war, Alexandra Knight hatte wirklich Haare auf den Zähnen und war die Sorte Frau, mit der man sich lieber nicht anlegen sollte. Doch genau das würde er tun. Genau das war sein Job. Sein Stolz ließ nicht zu, dass er sich durch ihre Gemeinheiten geschlagen gab und ihr Widerstand, ihr Kampfgeist reizte ihn, wie er - wenn auch ungern - zugeben musste. Seufzend schloss er die Augen. Er hatte noch nie aufgeben und es würde nicht an dieser Frau scheitern. Entschlossen griff er nach der Shampooflasche, schäumte das Gel zwischen den Händen auf und massierte es lange und gründlich in sein Haar ein. Er gab dem Shampoo ein bisschen Zeit, um einzuwirken, dann hielt er den Kopf unter den brausenden Strahl und ließ sich das Gel genüsslich heraus spülen. Wesentlich besser gelaunt als vor dem Bad stieg er aus der Dusche und schlang sich ein Handtuch um die Hüfte. Der Spiegel war milchig- weiß beschlagen und Almound benutzte seine Handfläche um ihn frei zu rubbeln. Als er in den Spiegel sah, stieß er einen gellenden Entsetzensschrei aus. ,,Jetzt bist du zu weit gegangen, Knight!“

 

Der Gedanke daran, wie Almound die Augen aus dem Kopf fallen würden, wenn er mit frisch gewaschenen beziehungsweise frisch getönten Haaren in den Spiegel sah, hatte Alexandra angenehme Träume beschert. Gut gelaunt und fröhlich vor sich hin pfeifend verließ sie am Morgen ihr Haus und nickte ihrem Sicherheitsmann dankend zu, der ihr die Schlüssel für ihren frisch überholten Wagen zuwarf. Zufrieden ließ sie sich in die Lederpolster sinken und griff nach ihrer Peer Gynt CD, die wie immer ganz oben auf dem Stapel lag. Während sie den Wagen auf die Straße steuerte und sich in den Verkehr einfädelte, drehte sie die Lautstärke voll auf und legte dann die CD ein. Gab es ein Stück, dass die friedliche, milde, morgendliche Stimmung so gut wiedergab, wie Edvard Griegs Morgenstimmung? Entspannt lehnte sie sich zurück und drückte auf Play. Ihr ohrenbetäubender Schrei übertönte fast das Radio, aus dem alles andere dröhnte, als Morgenstimmung. ,,I´M ON THE HIGHWAY TO HELL!“, brüllte eine sehr raue, sehr tiefe und seeehr laute Stimme und vor Schreck riss Alexandra den Wagen herum, bretterte erst eine Reihe von Mülltonnen und dann einen Bretterzaun um, ehe sie in einer Rosenhecke zum Stehen kam. Mit rasendem Herzschlag, das Blut in den Ohren hämmernd, die Finger schweißnass um das Lenkrad geklammert, saß sie noch eine Weile wie erstarrt da und ließ AC/DC weiter grölen, ehe sie sich so weit von dem Schock erholt hatte, dass sie die CD stoppen konnte. Während sie die Nachbarn für den umgenieteten Bretterzaun entschädigte, schlug der Schreck ganz langsam in eiskalte Wut um. ,,Jetzt bist du zu weit gegangen, Almound!“, knurrte sie, rauschte aus der Hecke heraus und gab Gas.

 

Als Alexandra mit quietschenden Reifen vor dem Gebäude hielt, zuckte Maisie erschrocken zusammen. Immer noch kochend vor Wut knallte Alexandra die Fahrertür zu und stakste wortlos an ihrer Sekretärin vorbei. Perplex folgte Maisie ihr. ,,Kaffee, Mrs Knight?“, fragte sie vorsichtig, als sie im Aufzug nach oben fuhren. ,,Sehe ich so aus?“, knurrte Alexandra. ,,Sie wirken gereizt, Mrs Knight. Kann ich irgendetwas für Sie tun?“ ,,Ich bin die Ruhe selbst!“ In diesem Moment ruckelte der Fahrstuhl und blieb stehen. Alexandra stürzte hinüber zur Aufzugtür, hieb auf die Sprechanlage ein und brüllte: ,,Das ist nicht witzig, Almound!“ Maisie wich mit verängstigter Miene vor ihrer Chefin zurück. In den Lautsprechern knackte es. ,,Ähm, Mrs Knight? Hier spricht Geoffrey, der Techniker. Vielleicht erinnern Sie sich. Jemand ist aus Versehen an den Nothalt gekommen. Tut mir leid wegen der Störung“, ertönte es blechern. Alexandra atmete tief durch. ,,Danke, Geoffrey.“ Sie sah Maisie mit einem gezwungenen Lächeln an. ,,Nun schauen Sie nicht so verschreckt. Hatten Sie nicht was von Kaffee gesagt?“

In ihrem Büro angekommen, rührte Alexandra so lange in ihrem Kaffee, bis er kalt geworden war und ärgerte sich darüber, dass Almound sie so aus dem Konzept brachte. Sie hatte längst begriffen: Diesen Mann konnte sie nicht loswerden. Er war ein Profi. Und so geldgierig und sensationsgeil er auch sein mochte, so entschlossen, energisch und zielstrebig war er auch und gegen ihren Willen imponierte ihr das. Er würde nicht nachgeben. Sie auch nicht. Ihr Leben gehörte ihr und sie würde nicht zulassen, dass Christian Almound es zerstörte und ihre Privatsphäre ans Licht zerrte. Das Telefon klingelte. Alexandra nahm ab. ,,Ja?“ ,,Mrs Knight? Hier ist ein Abgesandter von Sparks Enterprises. Er bittet um einen Termin, um die Rahmenbedingungen für den Deal auszuhandeln.“ ,,Sparks? Sagten Sie Sparks Enterprises? Schicken Sie den Mann umgehend in mein Büro. Alexandra schob nervös ihre Unterlagen zu einem ordentlichen Stapel zusammen und beförderte den leeren Kaffeebecher mit einem gezielten Wurf in den Papierkorb. ,,Nun, Mrs Knight, da gibt es ein Problem.“ Maisie klang, als würde sie flüstern. ,,Was ist denn?“, fragte Alexandra ungeduldig. ,,Mr Turner sagt, er würde gerne mit Ihnen sprechen. Mit Ihnen und Ihrem Ehemann.“ Alexandra brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten. ,,Meinem was?“ ,,Ihrem Ehemann.“ ,,Ich habe keinen Ehemann!“ ,,Ich weiß! Aber das musste ich sagen. Als er kam meinte er nämlich, dass Mr Sparks sich sehr freuen würde, Sie und Ihren Ehemann am Wochenende in seinem Privathaus in Ashland empfangen zu dürfen. Und da hielt ich es für das Beste zu behaupten, Sie hätten einen Ehemann.“ Alexandra schwirrte der Kopf. ,,Das war das einzig Richtige, Maisie“, meinte sie schließlich abwesend. ,,Dieser Deal ist zu wichtig, um von einer solchen Lappalie zerstört zu werden.“ ,,Aber Mrs Knight … Sie ha! ben doch gar keinen Ehemann!“ ,,Das weiß ich doch auch!“, zischte Alexandra. ,,Was wollen Sie jetzt tun?“ ,,Beten und hoffen, dass der Richtige vom Himmel fällt.“ ,,Mrs Knight, Mr Turner fragt, ob er denn jetzt zu Ihnen durchgelassen wird.“ ,,Halten Sie ihn auf, Maisie, so lange es geht. Ich muss nachdenken.“ ,,Aber ...“ Doch Alexandra hatte bereits aufgelegt und den Kopf in den Händen vergraben. ,,Scheiße!“, murmelte sie. ,,Verdammt verdammt verdammt! Wo kriege ich denn jetzt einen Ehemann her! Familie wird ja so was von überschätzt!“ Sie begann in ihrem Büro auf- und abzulaufen. Sie stand kurz davor einen Milliarden schweren Deal abzuschließen mit einem der größten Unternehmen der USA. Sie hatte über Jahre hinweg Nächte lang durchgearbeitet, hatte Beziehungen hergestellt, ihren Namen, ihr Können, nicht zuletzt ihr Vermögen spielen lassen, um diesen Deal möglich zu machen und sie würde nicht zulassen, dass er jetzt ins Wasser fiel, nur weil es ihr an einem Ehemann mangelte. Das Telefon klingelte erneut. Fahrig griff sie danach. ,,Er wird ungeduldig, Mrs Knight.“ Maisie klang drängend. ,,Ich weiß, aber ...“ ,,Er ist aufgestanden, Mrs Knight, er kommt. Gleich wird er bei Ihnen sein, es tut mir leid.“ ,,Verdammt!“, fluchte Alexandra, legte auf und strich rasch ihr Kostüm glatt. Die Tür ging auf und ein gepflegter Mann in maßgeschneidertem Anzug, Mitte vierzig, mit ausdrucksloser Miene betrat den Raum. Mit einem aufgesetzten Lächeln schüttelte Alexandra ihm die Hand. ,,Mrs Knight.“ ,,Mr Turner, ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen. Bitte nehmen Sie doch Platz.“ Sie deutete auf eine Sitzgruppe von drei Sesseln. ,,Sehr freundlich“, erwiderte Turner mit einem professionellen Lächeln. ,,Ist einer der Stühle Ihrem Mann vorbehalten? Er wird doch sicher gleich zu uns stoßen.“ ,,Selb! stverst& auml;ndlich.“ Eine Spiegelung in der blank gewienerten Holzwand verriet Alexandra, dass ihr Lächeln mehr wie ein Zähnefletschen aussah. Rasch ließ sie sich ihm gegenüber in einem der Sessel nieder. ,,Also, wollen wir beginnen?“ ,,Ich würde es für angebracht halten auf Ihren Mann zu warten. Dann muss ich mich nicht wiederholen“, erklärte Turner mit blasierter Miene. Erneut fletschte Alexandra die Zähne zu einem Lächeln, während sie innerlich tief Luft holte, um sich zu beruhigen. ,,Ganz wie Sie wollen. Ich richte mich natürlich nach Ihren Wünschen.“ Sie warteten schweigend. Ab und zu lächelte Alexandra Turner unverbindlich an, während sie im Geiste die Liste männlicher Bekannter durchging, die einen potentiellen Heiratskandidaten abgaben. Ihr fiel sowohl auf, dass sich weder einer eignete noch, dass sie irgendwen überhaupt richtig kannte, denn all ihre männlichen Bekanntschaften waren Kollegen oder Angestellte. Nach etwa zehn Minuten räusperte Turner sich höflich. ,,Wann sagten Sie, wollte Ihr Mann kommen? Wissen Sie, ich muss nachher noch zu einem Meeting und habe leider nicht ewig Zeit.“ Er schenkte ihr ein gekünstelt entschuldigendes Lächeln. ,,Er muss jeden Moment da sein“, antwortete Alexandra, krampfhaft bemüht ihre Nervosität zu verbergen. Turner hob eine Augenbraue, schwieg aber. Nach weiteren drei Minuten klingelte das Telefon. Mit einem entschuldigenden Lächeln nahm Alexandra ab. ,,Mrs Knight?“ Maisies Stimme klang panisch. ,,Da ist etwas, das Sie vielleicht interessiert.“ ,,Nicht jetzt, Maisie!“, zischte Alexandra mit einem unruhigen Blick zu Turner, der sich anschickte aufzustehen. ,,Ich habe im Moment wirklich größere Probleme!“ ,,Ich sehe mich gezwungen zu gehen, Mrs Knight. Meine Zeit ist begrenzt und Ihr Mann anscheinend unpässlich. Man wird sich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden.&ldquo! ; Alexan dra starrte ihn mit offenem Mund an, suchte verzweifelt nach der richtigen Antwort. ,,Mrs Knight!“, drängte Maisie. ,,Es geht um ...“ Doch Alexandra legte auf und eilte zur Tür. ,,Mr Turner, ich bitte Sie nur noch etwas Geduld zu haben.“ Ihre Stimme klang flehender al sie wollte. ,,Mein Mann ...“ In diesem Moment wurde die Tür zu ihrem Büro aufgerissen und Christian Almound stürmte herein. Sein Haar war wirr und zerzaust und obwohl er es offensichtlich sehr lange und sehr gründlich gewaschen hatte, hatte es noch immer einen unzweifelhaft blauen Schimmer. Er musterte erst Alexandra und dann Turner, öffnete den Mund, um etwas zu sagen und brachte Alexandra auf die vermutlich dümmste, unüberlegteste, verrückteste Idee, die sie je gehabt hatte. ,,... wird gleich da sein“, beendete sie ihren Satz für Turner und setzte ein strahlendes Lächeln auf. ,,Wie schön, dass du da bist, Schatz.“ Ehe Almound wusste, wie ihm geschah, hatte Alexandra die Arme um ihn geschlungen und zog ihn dicht an sich. Er war so perplex, dass er kein Wort hervorbrachte. ,,Spiel um Gottes Willen mit!“, zischte sie ihm ins Ohr, ehe sie wieder von ihm abrückte und sein Revers glatt strich. Er blinzelte sie an, vollkommen sprachlos. Turner hatte das ganze mit hochgezogenen Augenbrauen beobachten. ,,Nun, die Zeit werde ich mir wohl noch nehmen können.“ Er klang skeptisch, ließ sich jedoch wieder auf seinem Sessel nieder. ,,Wir sind Ihnen sehr dankbar.“ Sie packte Almound, der immer noch zu einer Salzsäule erstarrt war, an der Hand und verfrachtete ihn in ihren Nachbarsessel. ,,Setzt dich, Schatz.“ Sie lächelte Turner unverbindlich an, obwohl ihr Herz wie verrückt raste und ihre kleine innere Göttin immer wieder ihren Kopf gegen die Wand schlug. Zu ihrem Entsetzen wandte Turner sich an Almound. ,,Sie sind also der Ehemann?“ Alexandra versuchte ihre Panik zu unterdrücken und ! flehte s tumm alle großen und kleinen Mächte des Universums an, dass der Mann jetzt bloß nichts falsches sagte. Almound zögerte. Dann nickte er ganz langsam. Alexandra fiel ein Stein vom Herzen. ,,Wie ich sehe trägt keiner von Ihnen einen Ring.“ ,,Es ist so, dass … äh Christian und ich erst seit Kurzem verlobt sind. Wir wollen so schnell wie möglich heiraten.“ Sie sah Almound durchdringend an. ,,Nicht wahr, Schatz?“ Sie konnte den Blick in seinen Augen absolut nicht deuten. Wieder raubte sein Zögern ihr fast den letzten Nerv. ,,Unbedingt“, meinte er dann gedehnt. ,,Eine solch tief empfundene Liebe wie die unsere, entgegen aller Wiedersätze, aller Erwartungen, eine solche Liebe kann man nicht aufhalten.“ ,,Da ist er ja wieder, der alte Christian Almound“, dachte Alexandra und verdrehte innerlich die Augen. Sie zuckte zusammen, als sie auf einmal Almounds Hand auf ihrem Bein fühlte. ,,Findest du nicht auch, Baby?“ Nur mit Mühe unterdrückte sie ein empörtes Nachluftschnappen. Er grinste sie herausfordernd an. Sie legte ihre Hand auf seine und grub ihre Fingernägel in seine Haut. ,,Fass mich nicht an!“, zischte sie. ,,Und wehe, du nennst mich noch einmal Baby!“ Sein Grinsen vertiefte sich noch, doch er zog die Hand weg und mit Befriedigung sah Alexandra, wie er sich den Handrücken massierte. ,,Nun, Mr Sparks bat mich Ihnen folgende Einladung auszurichten: Er läd Sie beide über das Wochenende in sein Privathaus nach Ashland, Oregon ein, wo die Verhandlungen über den Deal stattfinden werden. Er ist ein Mann, der viel Wert auf Ethik und Moral legt und sich niemals auf einen Deal einlässt, ohne von seinen Partnern vollends überzeugt zu sein. Ihr beruflicher Werdegang ist beeindruckend, Mrs Knight, doch er möchte sich gerne ein eigenes Bild von Ihnen und natürlichem Ihrem Mann machen. Er schätzt Familie sehr, wie Sie wissen müssen. Sollten Si! e diesen Bedingungen zustimmen, habe ich hier Ihre Flugtickets. Ihr Flug nach Ashland geht morgen.“ Er hielt Alexandra einen Briefumschlag hin, den diese automatisch annahm. ,,Und nun, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.“ Turner stand auf, Alexandra und Almound folgten ihm reflexartig und schüttelten ihm geistesabwesend die Hand. Als Turner durch die tür verschwunden war, ließ Alexandra sich zurück in ihren Sessel sinken. ,,Oh mein Gott!“, murmelte sie. Almound drehte sich ganz langsam zu ihr um. ,,Was war das, Alexandra?“, fragte er gefährlich langsam. ,,Setz dich bitte“, murmelte Alexandra. ,,Ich will mich aber nicht setzen!“ Almounds Stimme gewann an Lautstärke und Schärfe. ,,Erst sperren Sie mich über Nacht in eine Garage, dann färben Sie mir die Haare blau und jetzt stellen Sie mich auf einmal als Ihren EHEMANN vor?“ Alexandra runzelte missbilligend die Stirn. ,,Es ist ja nicht so, als wären Sie die Unschuld in Person. ,,Sie sind unerlaubt in meinen Grund und Boden eingedrungen, haben Chili in meinen Kaffee getan und Ihretwegen hätte ich fast einen Unfall gebaut, bei dem Menschen hätten verletzt werden können. Außerdem ist es ja nicht so, als hätte ich eine Wahl gehabt. Glauben Sie mir, es gibt keinen Mann auf der Welt, mit dem ich weniger zu tun haben will, als mit Ihnen.“ ,,Danke für die Blumen.“ ,,Jetzt halten Sie mal für fünf Minuten die Klappe und hören mir zu!“, fauchte Alexandra. Überrascht verstummte Almound und setzte sich jetzt doch. ,,Wir sitzen beide im selben Boot, okay? Jonathan Sparks ist einer der mächtigsten und reichsten Männer Amerikas. Ich habe Jahre gebraucht, um diesen Deal vorzubereiten, tausende Stunden Arbeit investiert, Nächte durchgearbeitet, Beziehungen zu Leuten aufgebaut, die ich nie kennenlernen wollte, mit Geld um mich geworfen und meine ganzes Können, meine ganze Aufmerksamkeit in dies! en Deal gesteckt. Er wird jetzt nicht platzen, weil Sparks ein Familienmensch ist und ich seit Jahren nicht mal mehr ein Date hatte, aber jetzt auf einmal einen Ehemann brauche, klar? Und Sie wollen Ihren Artikel. Tja, jetzt haben Sie die perfekte Chance dazu. Sie werden Tag und Nacht bei mir sein, mich auf Schritt und Tritt begleiten und mir nicht mehr von der Seite weichen. Sie bekommen alles, was Sie brauchen und Sie werden der erste sein, der die ach so spannenden Wahrheit über Alexandra Knight enthüllt. Aber nur, wenn Sie mich heiraten.“ Sie sah ihn herausfordernd an. ,,Also?“ ,,Wie kommen Sie darauf, dass der Artikel mir das wert ist?“ ,,Erstens, weil Sie es mit Ihrem Stolz und Ihrer Arroganz nicht vereinbaren könnten mich aufzugeben. Sie haben sich noch keine Chance entgehen lassen und es widerspräche Ihren Prinzipien mich einfach so gehen zu lassen. Zweitens, weil Sie Ihren Job nur aus Grund eins haben. Vermutlich sind Sie durch Ihre Art weder dort noch beim gemeinen Volk sonderlich beliebt, jeder Grund Sie zu feuern wird Ihnen recht sein und wenn Sie diesen Job vermasseln wäre das ein ziemlich guter Grund. Drittens, weil ich nur so lange mit Ihnen verheiratet sein werde, wie es sein muss, um Sparks von meiner Tauglichkeit als Geschäftspartner zu überzeugen.“ Er blinzelte überrascht. Dann seufzte er sehr tief. ,,Okay. Okay, ich mach´s. Aber ich bin nur so lange Ihr Mann, wie es sein muss.“ ,,Glauben Sie, ich will Sie länger als unbedingt nötig in meiner Nähe haben?“, spottete Alexandra. ,,Ich kann unwiderstehlich sein, wenn ich will.“ Er schenkte ihr ein mokantes Grinsen. ,,Dass Sie unAUSstehlich sein können, haben Sie mir schon bewiesen“, konterte Alexandra. Sie griff zum Telefon. ,,Maisie. Bringen Sie mir einen Bourbon. Einen Doppelten. Nein, gleich zwei. Ja, es ist alles in Ordnung. Ja, ich weiß das Almound hier ist, ich hatte ihn schon bemerkt, danke.“ Seufzend legte sie auf u! nd fuhr sich durch das Haar. Dann fiel ihr Blick auf Almound, der sich, wie bei ihrer ersten, nicht minder unerfreulichen Begegnung, in den Sessel vor ihrem Schreibtisch gefläzt hatte. ,,Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie genervt. ,,Ich warte.“ ,,Und worauf?“ ,,Auf meinen Whiskey und Ihren Antrag.“ ,,Ihren was?“ Sie starrte ihn entgeistert an. ,,Sie wollen, dass ich Sie heirate, also fragen Sie mich. So viel Anstand muss sein, finden Sie nicht.“ Er durchbohrte sie mit einem herausfordernden Blick. ,,Träumen Sie weiter“, schnaubte Alexandra. ,,Okay.“ Elegant schnellte er aus dem Sessel hoch. ,,Man sieht sich. Ciao ciao bella.“ ,,Moment! Wo wollen Sie hin?“ ,,Ich gehe.“ ,,Oh nein! Sie bleiben schön hier! Sie hängen mit in dieser Sache drin!“ ,,Wenn Sie wollen, dass ich bleibe, dann knien Sie vor mir nieder und halten Sie um meine Hand an.“ Alexandra biss die Zähne so fest aufeinander, dass die Muskeln in ihrem Kiefer zuckten. Ganz langsam stand sie auf und kniete mit verbissener Miene und sehr umständlich in ihren High Heels vor Almound nieder. Wenig galant hielt sie ihm ihre Hand hin. ,,Willst du mich heiraten?“, knurrte sie. ,,Wer könnte so einer Grabesstimme und diesem tödlichen Blick nur widerstehen“, spottete er. ,,Aber die Antwort lautet Nein.“ ,,Wie bitte?“ ,,Dein Willst du mich heiraten klingt wie Ich wünsche dir einen langsamen und qualvollen Tod.“ ,,Ups, das war gar nicht meine Absicht“, konterte Alexandra sarkastisch. ,,Mehr Gefühl. Sag es, als würdest du es auch so meinen.“ ,,Mein Gefühl sagt mir, dass ich meine Schuhe nach Ihnen werfen sollte und ich kann mich nicht erinnern, Sie zum Duzten aufgefordert zu haben.“ ,,Wir sind verlobt. Und jetzt mach schon.“ Alexandra holte tief Luft. Der Mann besaß echt Nerven. Als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, setzte sie ein künstliches L&a! uml;chel n auf und sah ihm direkt in die Augen:

,,Liebe ist nicht einfach.

Das ist sie nie.

Sie kann das Schönste auf der ganzen Welt sein

oder das, was dir am meisten wehtut.

Und es wird Tage geben, da werden wir zögern und zweifeln,

da werden wir bereuen, was gestern war

und fürchten, was morgen sein wird.

Aber die Vergangenheit ist Geschichte,

die Zukunft ein Mysterium,

doch jeder Augenblick mit dir ist ein Geschenk

und jedes Mal, wenn ich mich frage, ob ich das Richtige getan habe,

dann ist die Antwort Ja,

denn ich weiß, dass ich es für den Rest meines Lebens bereuen werde,

wenn ich dich je wieder gehen lasse.“

Alexandra war immer leiser geworden, verstummte, gefangen von dem seltsamen Ausdruck in Almounds Augen. Ein Ausdruck, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Sie konnte ihn nicht deuten. Als er blinzelte verschwand der Ausdruck. Er räusperte sich knapp. ,,Na, das war ja schon viel besser.“ Irrte sie sich oder war seine Stimme kurz gebrochen? Sie schüttelte den Kopf, um die seltsamen Gedanken zu vertreiben. Ihr Hirn war verwirrt, müde und überanstrengt. ,,Ich habe das noch nie gemacht“, verteidigte sie sich und mühte sich ab wieder hochzukommen. Verdammte High Heels und Bleistiftröcke! ,,Vielleicht bist du ja ein Naturtalent.“ Erstaunt hob Alexandra eine Augenbraue. Wo war der spöttische oder sarkastische Unterton? Doch seine Stimme hatte seltsam ehrlich geklungen und er hatte ihr den Rücken zugewandt, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie musterte ihn eine Weile schweigend. Er war schlank, doch nicht schlaksig. Muskulös ohne bullig zu wirken. Großer als sie, selbst in High Heels, doch nicht die Sorte Mann, die sich den Kopf am Türrahmen stießen oder mit ihren langen Armen wie Gorillas aussahen. Unter dem maßgeschneiderten Anzug, sah sie seine breite Schultern, die schmale Taille und die langen muskulösen Beine. Das Haar schimmerte bläulich im weißgrauen Vormittagslicht, blau wie der Nachthimmel, blau wie das Meer, blau wie eisige Winterhimmel. Kurz schoss Alexandra durch den Kopf, dass er vermutlich der einzige Mensch war, bei dem diese Tönung nicht total bescheuert aussah, doch schnell verdrängte sie diesen Gedanken wieder. Ein Klopfen an der Tür ließ beide herumwirbeln. Es war Maisie. Auf einem Tablett trug sie zwei Gläser Bourbon. ,,Danke, Maisie.“ Alexandra riss ihr das Tablett förmlich aus der Hand und schloss eilig die Tür vor Maisies verdutztem Gesicht. Sie stellte das Tablett auf ihren Schreibtisch, griff nach einem der Gläser und trank e! s mit ei nem Zug halb aus. ,,Cheers“, meinte Almound trocken und hob das zweite Glas zum Trost. ,,Worauf stoßen wir an?“ ,,Auf unsere baldige Scheidung?“ ,,Es bringt Unglück von einer Scheidung zu sprechen, wo wir noch nicht einmal verheiratet sind.“ Alexandra verdrehte die Augen und stürzte ihren Whiskey auf Ex herunter. ,,Es wäre schön, wenn Sie ...“ ,,Da wir verlobt sind, halte ich es für angebracht, dass wir endlich anfangen uns zu duzten“, unterbrach Almound sie. Alexandra seufzte, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, um zu diskutieren. ,,Okay, Christian, ich würde es begrüßen, wenn unsere Verlobung nicht früher als nötig an die Öffentlichkeit gerät.“ ,,Das wird sie spätestens, wenn wir es amtlich gemacht haben.“ Almound bewegte demonstrativ die Finger. Alexandra seufzte. ,,Ich weiß. Erinnere mich nicht daran.“ Almound wandte sich zum Gehen. ,,Wohin gehst du?“ Er grinste. ,,Angst, dass ich nicht zurückkomme?“ ,,Ja“, antwortete sie offen und wahrheitsgetreu. Das schien ihm die Sprache zu verschlagen. ,,Ich gehe packen“, sagte er dann. ,,Wir fliegen morgen nach Oregon, schon vergessen?“ ,,Wie könnte ich.“ ,,Dann sehen wir uns morgen beim Flughafen.“ ,,Wird sich nicht vermeiden lassen.“ Er schmunzelte. ,,Ciao ciao bella.“ Dann verschwand er und Alexandra starrte ihm nach. Sie fühlte sich wie betäubt. Morgen würde sie mit dem Mann, den sie am meisten auf der Welt verabscheute, auf die andere Seite des Kontinents und einem ihrer wichtigsten Geschäftspartner überhaupt nicht nur vorgaukeln, dass sie verlobt waren, sondern auch heiraten würden. Wie hatte ihr Leben in einer halben Stunde nur so aus den Fugen geraten können? Sie drückte den Knopf für die Sprechanlage. ,,Maisie?“ ,,Ja?“ Maisie klang besorgt. ,,Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Mrs Knight? Almound hat gerad! e Ihr B& uuml;ro verlassen. Lebend.“ ,,Was Sie nicht sagen“, erwiderte Alexandra und unterdrückte ein weiteres Seufzen. ,,Ich mache Schluss für heute, Maisie. Ich muss packen. Sparks hat mich auf seinen Landsitz eingeladen. Ich fliege morgen nach Oregon.“

 

Die Nacht hatte Alexandra keine Erholung gebracht. Stundenlang hatte sie sich in ihrem Bett hin- und her gewälzt und doch keine Erlösung gefunden und als sie dann in den frühen Morgenstunden doch endlich eingenickt war, hatte ihr Wecker sie wieder aus dem Schlaf gerissen.

Ermüdet zerrte sie ihren Koffer durch die Eingangshalle des New Yorker Flughafens und sah sich nach Almound um. Er lehnte lässig an einem Werbeaufsteller, hatte die Knöchel übereinander geschlagen und hielt einen Becher Kaffee in der Hand. Noch immer schimmerten seine Haare leicht bläulich. Als er sie kommen sah, blitzten seine Augen auf. Genervt blieb Alexandra neben ihm stehen und rammte den Griff zurück in ihren Koffer. Er musterte sie überrascht. ,,Und ich dachte, Frauen bräuchten je einen Koffer für Kosmetik, einen für Kleidung und dann noch einen für die wirklich wichtigen Sachen.“ Alexandra schnaubte. ,,Was weißt du schon über Frauen? Außerdem bin ich nicht jede Frau.“ Er hob eine Augenbraue. ,,Ganz bestimmt nicht.“ Sie war verwirrt. ,,Kaffee?“ Er hielt ihr einen Becher hin. Sie zögerte. ,,Ein Drittel Milch, zwei Drittel Kaffee, ein Hauch von Zimt und etwas Schockoraspel. Den Kakaoanteil konnte ich leider nicht feststellen.“ Jetzt war Alexandra überrascht. ,,Das hast du dir gemerkt?“ Er zuckte mit den Schultern. ,,Es ist kein Chili drin, versprochen.“ Sie nahm den Becher an und zuckte kaum merklich zusammen, als ihre Hand dabei seine streifte. Schnell wandte sie den Blick ab und nahm einen Schluck. Der Kaffee war wirklich gut. Sie merkte, wie er sie von der Seite verstohlen musterte. ,,Du wirkst gereizt. Hast du nicht gut geschlafen?“ ,,Sehe ich so aus?“, knurrte sie ironisch. ,,Jung und frisch, wie ein schöner Maimorgen.“ Sie verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. ,,Was?“ Sie sah sein schelmisches Grinsen, doch irgendwie hatte bei seiner Bemerkung der zynische Unterton in seiner Stimme gefehlt. ,,Hör auf einen auf mitfühlenden Ehemann zu machen“, brummte sie. ,,Du würdest es ja nicht mal merken, wenn ich es ernst meinte.“ Sie zuckte zusammen. Noch nie hatte sie in seiner Stimme diesen Anflug von Verbitterung und Resign! ation ge hört, doch er hatte den Kopf abgewandt und starrte die riesigen Anzeigetafeln an, über die die Flüge flimmerten, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. ,,Tut mir leid“, murmelte sie. ,,Hast du was gesagt?“ Fragend sah er sie an. ,,Nein, nein, schon gut.“ Alexandra lächelte gezwungen. ,,Komm jetzt. Unser Flug geht bald.“

Kurz darauf saßen sie im Warteraum am Gate und warteten auf den Boarding-Aufruf. Nervös trommelte Alexandra mit ihren Fingerspitzen auf ihre Knie. Almound, der halbherzig in einer Science Journal blätterte, sah auf. ,,Könntest du bitte aufhören?“ ,,Tut mir leid“, gab Alexandra mit angespannter Stimme zurück. Er runzelte die Stirn, fragte aber nicht nach. Kurz darauf wurde ihr Flug aufgerufen und sie stellten sich in die lange Schlange der Leute, die zur Gangway strömten. ,,Ich finde, es gibt ein paar Dinge, die ich über dich wissen sollte“, meinte Almound, als sie auf ihren Sitzen saßen und das Gepäck verstaut hatten. ,,Das ist nicht Teil der Vereinbarung. Ich sagte, du wirst mich kennenlernen, weil wir wohl oder übel die nächsten Tage ein Gespann sein werden, nicht, weil du mich verhören darfst.“ ,,Du bist meine Verlobte und zukünftige Ehefrau und ich weiß fast gar nichts über dich.“ ,,Es wird dich überraschen, aber zufällig war genau das mein Ziel.“ Er seufzte. ,,Alexandra, was glaubst du, wie authentisch wir wirken, wenn ich nicht einmal sagen könnte, was deine Lieblingsfarbe ist? Alexandra? Alexandra, was ist denn?“ Das Flugzeug hatte sich in Bewegung gesetzt, rollte auf die Startbahn und Alexandra begann mit leichenblassem Gesicht und zitternden Händen in ihrer Handtasche zu kramen. ,,Verdammt!“, stieß sie mit bebender Stimme hervor. ,,Verdammt verdammt verdammt! Wo sind sie?“ Der Motor der Maschine heulte auf und das Flugzeug nahm an Fahrt auf. ,,Oh Gott!“, stieß Alexandra panisch hervor. ,,Hast du etwa Flugangst? Warum hast du denn nichts gesagt?“ Doch Alexandra reagierte nicht. Sie schnappte nur mit blanker Panik in den Augen nach Luft und krampfte ihre Hände um die Armlehnen. Almound packte sie an den Schultern. ,,Was ist los, Alexandra?“ ,,Ich habe Angst“, presste sie mit gequälter Stimme hervor! . Er gri ff mit einer Hand nach ihren bebenden Händen und drehte mit der anderen sanft aber bestimmt ihr Kinn zu sich. ,,Sieh mich an. Sieh nur mich an.“ Seine Stimme war auf einmal ganz sanft und besorgt. ,,Sag mir was los ist. Dir wird nichts passieren.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Alexandra ihn an. ,,Vor zwei Jahren“, stieß sie hervor. ,,Konferenz auf Zypern. Beim Start sind wir fast mit einem anderen Flugzeug kollidiert. Ein paar Minuten später und wir wären alle tot gewesen. Seitdem hasse ich das Fliegen, besonders das Starten und Landen. Jedes Mal erinnere ich mich wieder an die Todesangst, die mich damals gelähmt hat. Ich hatte solche Angst. Ich dachte nur: Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben! Bitte lass mich nicht sterben! Die letzten Flüge aus geschäftlichen Angelegenheiten habe ich nur halb sediert überlebt, aber ich war heute so durcheinander, dass ich meine Tabletten vergessen haben muss.“ Almound schwieg einen Moment. ,,Alexandra, das tut mir sehr leid.“ Seine Stimme klang aufrichtig und bekümmert. Sie lächelte schwach. ,,Mittlerweile bin ich Gott sei Dank in einer Position, wo ich andere zu mir ordern kann, aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden.“ ,,Sieh aus dem Fenster. Wir haben es geschafft.“ Langsam nahm er die Hand von ihrem Kinn und sie drehte den Kopf, um aus dem Fenster zu sehen. Ihr ganzer Körper bebte, als sie vor Erleichterung seufzte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie noch immer seine Hand umklammert hielt. Seine Haut war warm und glatt, angenehm rau und weich zugleich und sie ertappte sich bei dem Gedanken, den beruhigenden, angenehmen Druck seiner Hand noch länger auszukosten. Errötend zog sie ihre Hände vorsichtig weg. Er räusperte sich und lehnte sich in seinen Sitz zurück. ,,Also.“ Alexandras Stimme klang rau und sie begann noch einmal von vorne. ,,Was wolltest du über mich wissen?“

Irgendwann im Laufe des Flugs musste Alexandra eingeschlafen sein. Nicht einmal der Koffein aus den schrecklichen Bord- Kaffees hatte sie wachhalten können. Genüsslich dämmerte sie vor sich hin, schmiegte sich mit einem wohligen Seufzer noch enger an das Feste, Warme, Weiche an das ihr Kopf gelehnt war. Es fühlte sich irgendwie vertraut und angenehm an … und war definitiv Almounds Schulter - oh Gott! Noch nie war Alexandra so schnell wach geworden. Almound betrachtete sie amüsiert. In seinem Blick lag Belustigung, aber noch irgendetwas anderes, was Alexandra nicht deuten konnte und ihr einen seltsamen Schauer durch den Körper jagte. ,,Gut geschlafen, Baby?“ Irgendwie erinnerte seine Stimme sie mit einem Mal an das tiefe, samtige Schnurren einer großen Raubkatze. Warum war ihr das noch nicht früher aufgefallen? Und warum fiel ihr das gerade jetzt auf?! ,,Überaus“, war das erste, was ihr in den Sinn kam und nicht einmal annähernd so schlagfertig war, wie sie wollte. ,,Ich wäre dir übrigens sehr verbunden, wenn du aufhören würdest, mich Baby zu nennen, Mausebärchen.“ Sie sah ihn herausfordernd an. Er sah aus, als hätte er Mühe ein Lachen zu unterdrücken. ,,Wie du möchtest, Püppchen.“ Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. ,,Danke, Bussibärchen.“ Er brach in schallendes Gelächter aus, krümmte sich in seinem Sitz zusammen, Tränen liefen ihm aus den Augen. Es ärgerte Alexandra, dass sein Gelächter sie anzustecken drohte und sie biss sich heftig auf die Unterlippe, um nicht mit einzustimmen. ,,Bussibärchen?“, japste er. ,,Das klingt wie aus Gute Zeiten, Schlechte Zeiten.“ ,,Ich komme mir eher vor, wie in einer Folge Schlechte Zeiten, Schlechte Zeiten“, murmelte Alexandra. In diesem Moment ertönte die Bordansage: ,,Meine Damen und Herren, in Kürze werden wir den Rogue Valley International- Medford Airport erreichen! .“ Schlagartig wurde Alexandra wieder nüchtern. Sie packte Almound am Revers und schüttelte ihn. ,,Hey, komm zu dir, Schmusebär! Ich dachte, wir müssen nach Ashland?“

Eine halbe Stunde später saß Alexandra in der großen Einflughalle und warteten auf ihr Gepäck, während Almound heftig mit einem Mitarbeiter des Airports diskutierte. Schließlich nickte er geschlagen und kam zu Alexandras Bank zurück. ,,Ashland ist eine kleine Stadt mit gerade Mal zwanzigtausend Einwohnern. Kein Flughafen, keine Bahn- oder Busverbindungen, nur einen Shuttle, der jeden zweiten Tag dahin fährt. Die gute Nachricht ist, heute fährt der Shuttle. Theoretisch. Denn das führt uns zu der schlechten Nachricht: Der Fahrer ist krank und kann deshalb nicht fahren.“ Entgeistert starrte Alexandra Almound an, der nur hilflos mit den Schultern zuckte. ,,Und was machen wir jetzt?“ ,,Du könntest deinen Mr Sparks anrufen. Superreiche wie er haben doch garantiert eine Limousine mit Chauffeur.“ ,,Auf gar keinen Fall!“, widersprach Alexandra entsetzt. ,,Wir werden ihn heute Abend treffen. Und zwar pünktlich. Und wenn es bedeutet, dass wir zu Fuß gehen müssen! Wenn der Mann uns für zu inkompetent hält, rechtzeitig zu einem Treffen zu erscheinen, wird er den Deal platzen lassen.“ ,,Was wirklich sehr tragisch wäre, immerhin hängt unser Eheglück davon ab“, kommentierte Almound. ,,Von diesem Deal, Christian, hängt nicht nur dein oder mein Glück ab, sondern auch das tausender Arbeiter, die ihren Job verlieren könnten, wenn dieser Deal ins Wasser fällt, also stell dich mit deinem Ego hinten an.“ ,,Bedauerlicherweise ist mein Ego in New York geblieben. Es ist schreiend geflohen, als ich ihm erzählt hatte, dass ich mit dir verlobt wäre.“ Alexandra verdrehte die Augen. ,,Wir könnten per Anhalter fahren“, schlug Almound nach einer Weile vor. ,,Klar. Oder wir bedrohen jemanden und klauen sein Auto.“ ,,Hast du eine Waffe`? Oder wirfst du gleich deine Schuhe nach ihm?“ ,,Ich brauche keine Waffe.“ Sie schenkte ihm ein diabo! lisches Lächeln. ,,Ich habe ein Foto von dir.“ Er schnappte empört nach Luft. ,,Darf ich darauf hinweisen, dass mein Typ statistisch gesehen als attraktiv gilt?“ ,,Darf ich darauf hinweisen, dass nicht jeder Mensch auf den Typ großer, muskulöser Adonis steht?“ ,,Ja, du bevorzugst sicher … Moment mal, das war ja gar keine Beleidigung!“ Alexandra verdrehte die Augen und schüttelte mit einem resignierten, mitleidigen Lächeln den Kopf. ,,Ich gehe jetzt da rein.“ Sie deutete auf eine Bar am anderen Ende der Halle. ,,Aber du kannst dich gerne an den Straßenrand stellen und den Daumen raus strecken. Sag Bescheid, wenn einer angehalten hat. Oder ein Einhorn vorbeigekommen ist. Je nachdem, was wahrscheinlicher ist.“ Sie packte ihren Koffer und marschierte energischen Schrittes von dannen. Mit offenem Mund sah Almound ihr nach.

 

Alexandra stand ganz hinten am Tresen, in der dunkelste Ecke der ohnehin schon zwielichtigen Bar. Sie war im americano- western Style gehalten, aus den Lautsprechern tönte irgendeine blecherne, mexikanische Musik, in einer Ecke schlief ein Typ mit Sombrero. Der dunkle Schankraum war zugestellt mit museumsreifen Tischen und Stühlen, flackernde rostige Lampen spendeten dämmriges Licht, in einer Ecke blinken uralte Spielautomaten. Während Alexandra sich bemühte Stress und Sorgen in ihrem zweiten Cosmopolitan zu ertränken, fiel ihr wieder ein, warum sie sich in die höheren Schichten der Gesellschaft hochgearbeitet hatte. Zum Beispiel, um die Bekanntschaft mit den niederen Schichten zu vermeiden, wie die des Typen, der soeben durch die Ladentür gekommen war und sich ihr viel zu zielstrebig und selbstsicher näherte. Unwillkürlich drückte Alexandra sich noch tiefer in die Ecke und stellte ihr Glas auf dem Tresen ab. ,,Na na na, was haben wir denn da für ein entzückendes, kleines Vögelchen?“ Alexandra erstarrte. ,,Was wollen Sie von mir?“ Ihre Stimme klang nicht so fest, wie sie es sich erhofft hatte. ,,Doch eher ein Wildkätzchen als ein Vögelchen.“ Der Mann kam näher. Trotz der Entfernung bemerkte Alexandra den bitter- sauren Gestank von Alkohol und Zigarren. Schlecht geschnittenes Haar, unreine Haut und grobe Bartstoppeln schimmerten im Dämmerlicht. Alexandra sah sich hastig um, doch in ihren Schuhen würde er sie selbst mit einem Betonklotz am Bein einholen. Er setzte sich auf einen Barhocker neben sie und obwohl er ihr schon viel zu nahe war, rückte er noch näher heran. Ihr Atem beschleunigte sich und ihr Herz begann zu rasen. ,,Du bist nicht von hier, nicht wahr, Wildkätzchen?“ Seine schmierige, gierige Stimme und sein lüsterner, begehrlicher Blick jagten ihr Schauer über den Rücken und ließen ihr den kalten Schweiß ausbrechen. ,,Wenn du willst, kann! ich dic h ein bisschen rum führen, Wildkätzchen. Glaub mir, man kann hier viel erleben.“ In seinen trüben Augen brannte ein Feuer, dass Alexandra zutiefst anwiderte. ,,Ich verzichte.“ Sein Lachen klang wie ein Röcheln. ,,Aber aber, Kätzchen. Wir wollen doch nichts überstürzen.“ Er rückte noch näher. ,,Meine Führung gibt’s auch völlig umsonst. Das heißt, fast umsonst.“ ,,Bleiben Sie mir vom Leib!“, verlangte Alexandra, doch in ihre Stimme hatte sich ein flehender Unterton geschlichen. ,,Gehen Sie weg!“ ,,Und wenn ich nicht will?“ Alexandra schnappte nach Luft. ,,Bitte!“, flüsterte sie heiser. ,,Gehen Sie weg!“ Sie wollte sich an ihm vorbei drängen, doch er stand schneller auf, als sie von einem Betrunkenen erwartet hätte und stützte die Arme rechts und links von ihr an die Wand. Von nahem war der Gestank noch schlimmer. ,,Wolltest du etwa schon gehen, Kätzchen?“ Die Panik drohte Alexandra zu überwältigen. ,,Bitte, lassen Sie mich gehen!“, flehte sie. ,,Niemals, Kätzchen. Du bist das einzige, was ich will. Hier und jetzt.“ Alexandra begann zu zittern. ,,Ich bitte Sie ...“ ,,Lassen Sie sie los!“ Vor Erleichterung gaben ihr fast die Knie nach. Schritte näherten sich. Grunzend drehte der Mann sich um. ,,Sie werden jetzt auf der Stelle verschwinden!“ Noch nie hatte sie Almound so sprechen gehört, irgendjemanden so sprechen gehört. Seine Stimme war eiskalt und steinhart und in seinen Augen loderte die blanke Wut. Der Betrunkene betrachtete Almound. ,,Und wer bist du, dass du Anspruch auf sie erhebst?“ Almound kam noch näher. Seine Präsenz schien die gesamte Bar auszufüllen, bedrohlich, furchteinflößend und übermächtig. Er überragte den Betrunkenen um gut einen halben Kopf und in seine unbändigen Wut wirkte er noch größer. Der Mann wich unwillkü! rlich zu rück. ,,Ich bin ihr Verlobter und wenn Sie meine zukünftige Frau noch einmal anrühren ...“ Almound ließ die Drohung unausgesprochen, doch sie wirkte. ,,Nun mach dir mal nicht ins Hemd, Kleiner.“ Brummend verzog der Typ sich. Und Alexandra brach zusammen. Almound fing sie auf, ehe sie auf dem Boden aufschlug und zog sie eng an sich. Sie krallte die Finger in seinen Rücken, vergrub den Kopf an seiner Schulter und brach in Tränen aus. Er hielt sie fest, sein Arm um ihre Taille gab ihr Halt, mit der anderen Hand streichelte er sanft ihre Schultern. ,,Ist ja gut“, murmelte er in ihrem Haar. ,,Ist ja schon gut. Alles gut. Ich bin da. Und so wie es aussieht, werde ich dich auch nie mehr aus den Augen lassen.“ Sie schlang die Arme noch fester um ihn, genoss die Wärme und Feste und Sicherheit seines Körpers, schmiegte den Kopf an seinen Hals und gab sich für einen Moment dem Gefühl der Geborgenheit hin. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so umarmt worden war. Das letzte Mal, das sie sich überhaupt an eine Umarmung erinnerte, war am Vortag gewesen, wo sie Almound mit der Behauptung er wäre ihr Ehemann überrumpelt hatte. Aber das war nur zum Schein gewesen. Und unter Zwang. Das hier war echt und sie genoss es mehr als sie zugeben wollte. Sie merkte, dass sie längst aufgehört hatte zu weinen und sich auch ihr Atem wieder beruhigt hatte. Zweifelsohne musste er das auch gemerkt haben, denn er hatte aufgehört beruhigend vor sich hin zu murmeln und ihr über den Rücken zu streicheln. Dennoch hielt er sie weiterhin fest umschlungen und machte keine Anstalten sich von ihr zu lösen. Alexandras kleine innere Göttin seufzte selig und hatte weder die Lust noch die Kraft sich aus Almounds Umarmung zu befreien. Aus Christians Umarmung.

Doch schließlich fiel ihr ein, wen sie da gerade umklammerte, als hinge ihr Leben davon ab. Den Mann, den sie immer verabscheut hatte. Und immer noch tat. Oder? Ihre Gefühle waren zu verwirrend, um sie richtig deuten zu können. Sie wusste nur, dass sie etwas Abstand brauchte, um wieder klar denken zu können. Vorsichtig aber bestimmt und mit vor Verlegenheit geröteten Wangen löste sie sich aus seiner Umarmung und schlang die Arme um sich. Als sie ein paar Schritte zurückwich, überschatteten sich Christians Augen kurz, doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle und räusperte sich. ,,Ich war eigentlich gekommen, um dir zu sagen, dass ich jemanden gefunden habe, der uns mitnimmt. Also, wenn er immer noch da ist.“

Kurz darauf saßen sie auf dem Rücksitz eines alten, schrottreifen Trucks und holperten in Richtung Ashland. Alexandra fragte sich, wie viel Fantasie man brauchte, um diesen Trampelpfad Straße zu nennen. Obwohl sie heftig hin und her geschleudert wurden, hielt sie so viel Abstand zu Christian wie möglich und krallte sich in die rissigen Polster, aus denen bereits der Schaumstoff quoll, um nicht gegen ihn geschleudert zu werden. Ihre Zähne schlugen bei jedem Schlagloch aufeinander. Sie schwiegen die ganze Fahrt über und Alexandra war froh darüber. Sie wollte sich geistig auf das Treffen mit Jonathan Sparks vorbereiten, doch ihre widerstreitenden Gefühle ließen sie nicht zur Ruhe kommen und Christians Nähe machte das nicht gerade einfach. Die Nähe des Mannes, der ihr noch vor ein paar Tagen Chili in den Kaffee geschüttet und ihre CDs vertauscht hatte. Der Mann, der sie gerade vor etwas bewahrt hatte, an das sie gar nicht denken wollte. Der sie umarmt hatte, wie noch nie jemand zuvor. Der sie gehalten, sie beschützt, ihr ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit gegeben hatte. Und dessen Umarmung sie erwidert hatte, an dessen Schulter sie sich ausgeweint hatte, der ihre Hand während des Starts gehalten hatte. Sie, die ihn über die Nacht in einer Werkstatt eingesperrt und ihm die Haare blau gefärbt hatte. Als der Fahrer hielt, war sie unendlich dankbar über die Abwechslung und die Gelegenheit, ihren eigenen Gedanken zu entkommen. Der Mann hatte sie genau dort abgesetzt, wo Alexandra ihn gebeten hatte. Die Adresse, die ihr Sparks gegeben hatte. Nachdem sie ihre Koffer ausgeladen und den Fahrer entlohnt hatten, fuhr der Mann weiter und Alexandra sah sich etwas ratlos um. Sie standen vor den Stufen eines Hotels und weit und breit war niemand zu sehen. Sollten sie hineingehen? Gerade, als Alexandra den Mund aufmachen wollte, bog ein sehr teuer aussehendes Auto um die Ecke und hielt direkt auf sie zu. Sie straffte sich. ,! ,Bist du bereit, Don Juan?“ ,,Immer doch, Baby.“ Der Wagen hielt direkt vor ihnen und ein Mann in elegantem, maßgeschneidertem Smoking stieg aus. ,,Mr und Mrs Knight?“ ,,Also eigentlich sind wir nur verlobt ...“, begann Christian, doch Alexandra stieß ihm den Ellbogen in die Seite und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. ,,Ja?“ ,,Mr Sparks schickt mich. Wenn Sie so freundlich wären.“ Galant öffnete er ihr die Tür und nahm ihr ihren Koffer ab. Alexandra stieg in den Wagen, dessen Innenraum nach Leder und teurer Politur roch. Christian stieg auf der anderen Seite ein. Er wirkte so entschlossen, als wolle er in einen Kampf ziehen. Der Chauffeur stieg ein und der Motor begann zu schnurren. Sie glitten durch die Straßen. ,,Bringen Sie uns zu unserem Hotel? Ich glaube, es wäre angemessen, wenn wir uns nach     der langen Reise noch etwas frisch machen könnten, ehe wir Mr Sparks treffen.“ ,,Ich bringe Sie direkt zu Mr Sparks´ Anwesen. Er hat die Reservierung im Hotel stornieren lassen. Für ihr leibliches Wohl wird gesorgt sein.“ Alexandra blieb der Mund offen stehen, doch sie machte sich gar nicht erst die Mühe zu widersprechen. Stattdessen lehnte sie sich in die weichen Ledersitze zurück und versuchte, alles um sich herum auszublenden.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Sie verließen die Stadt und fuhren durch blühende Natur über Privatstraßen in die Wildnis hinein, bis sie auf dem Vorhof vor Sparks Privathaus hielten. Christian beugte sich an Alexandra vorbei und stieß einen beeindruckten Pfiff aus. ,,Nette kleine Einzimmerwohnung.“ Als der Chauffeur ihnen mit dem Ausladen der Koffer geholfen hatte, kam ein Mann die Treffen zum Haupteingang hinab. Sein Gesicht war von Falten zerfurcht, sein Haar grau meliert, doch er ging energisch und aufrecht und der maßgeschneiderte Anzug saß perfekt. ,,Mr Sparks!“ Hektisch winkte sie Christian zu sich und eilte auf den Mann zu. ,,Ah, Mrs Knight. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.“ Sie schüttelte ihm die Hand und strahlte ihn an. Sein Händedruck war fest und warm, um seine Augen saßen unzählige kleine Lächelfalten. ,,Ja, vielen Dank, Mr Sparks.“ Christian kam heran. ,,Und das ist dann wohl Ihr Mann?“ ,,Mein Verlobter. Christian Almound.“ Sie flehte zu allen erdenklichen Mächten, dass Sparks noch nicht allzu viel von dem berühmt- berüchtigten Journalisten gehört hatte, doch Sparks schien den Namen gar nicht zu erkennen. Die beiden Männer schüttelten sich die Hand. ,,Mr Almound.“ ,,Mr Sparks.“ ,,Ich freue mich sehr, Sie beide in Sparks Manor begrüßen zu dürfen. Ich würde Sie gerne meiner Familie vorstellen. Ah, da kommen sie schon.“ Eine ältere Frau, etwa in Sparks Alter, zwei junge Männer, eine junge Frau und zwei Kinder, sie sahen sich so ähnlich, dass es Zwillinge sein mussten, verließen das Haus. ,,Darf ich Ihnen meine bezaubernde Frau Grace vorstellen?“ Als Alexandra sah, mit wie viel Liebe und Zuneigung Sparks seine Frau betrachtete, wurde ihr klar, warum er so viel Wert auf Familie legte und mit einem Mal war sie froh angesichts dieser großen Familie nicht ganz alleine zu sein. ,,Das ist ! mein j&u uml;ngster Sohn Gregory“, stellte Sparks ihnen den jüngsten der drei jungen Erwachsenen vor. ,,Bitte nennen Sie ich Greg, Madame.“ Mit einer galanten Geste und einem gewinnenden Lächeln reichte Greg Alexandra die Hand. Ihr hielt sie unnötig lange fest und sah ihr tief in die Augen, Christian ignorierte er völlig. Alexandra zuckte erschrocken zusammen, als Christian ihr auf einmal einen Arm um die Schulter legte und Greg die Hand entgegen streckte. ,,Christian Almound. Ihr Verlobter.“ Er betonte das letzte Wort seltsam deutlich und Alexandra fragte sich, ob sie die einzige war, der auffiel, dass seine Stimme merklich kühler und schärfer klang. Sein Tonfall wischte das Lächeln aus Gregs Zügen und sein Blick wurde kalt. ,,Angenehm, Mr Almound.“ ,,Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Christians Stimme enthielt ein leises, drohendes Knurren und Alexandra sah, wie Greg zusammenzuckte, als würde Christian seine Hand unnötig fest schütteln. Das Verhalten ihres Schein- Verlobten war ihr ein Rätsel, doch es schien niemandem der umstehenden aufgefallen zu sein. Das junge Paar, Alexandra schätzte sie auf Anfang dreißig, trat vor. ,,Hi.“ Die Frau lächelte und Alexandra fand sofort sie und ihren freund sympathisch. ,,Ich bin Kate und das ist mein Freund Ashton. Ich bin froh, dass Sie es nach Ashland geschafft haben. Wenn Tony krank ist, ist die ganze Stadt immer aufgeflogen, andererseits heißt es auch, dass hier nur irre Serienmörder, Zauberwesen und Leute leben, die vor irgendwas weglaufen.“ ,,Dann sind Sie wohl die erste Elfe, die ich je in meinem Leben gesehen habe“, entgegnete Christian charmant. Kate lachte auf, während Alexandra einen seltsamen Stich in der Brust spürte. Zuletzt stellte Sparks ihnen die Zwillinge Irene und Timothy vor. Mit ihren blonden Locken und den strahlend blauen Augen wirkten sie wie zwei Engel. Während Timothy Christian sogleich zum Fu&! szlig;ba ll spielen verpflichtete, wandte Kate sich an Alexandra. ,,Irene und Timothy sind die Kinder unseres ältesten Bruders Owen. Er ist auf Geschäftsreise und die Kleinen sind übers Wochenende hier. Ihre Mutter, Juliet, starb vor einigen Jahren“, raunte sie. ,,Das tut mir sehr leid“, meinte Alexandra ehrlich betroffen. Sparks klatschte laut in die Hände. ,,Jetzt lasst unsere Gäste erst mal ankommen, Kinder.“ Er wandte sich an Alexandra und Christian. ,,Ich werde die Koffer auf Ihr Zimmer bringen lassen. Jetzt kommen Sie. Ich hoffe, Sie haben Hunger. Kate ist eine hervorragende Köchin und konnte es sich nicht nehmen lassen, das Essen selbst zuzubereiten. Ich frage mich, von wem sie das hat. Bestimmt nicht von mir, ich kann nicht einmal ein Spiegelei machen, ohne es zu verbrennen und zu versalzen.“ Er lachte, ein tiefes, dröhnendes, herzliches Lachen. Während die Familie lachend und schwatzend ins Haus zurückströmte, sah Alexandra Christian an. ,,Bereit, Herzblatt?“ ,,Zu allem, Sweetheart“, konterte er mit einem diebisch- verschmitzten Grinsen.

,,Also, Alexandra, Christian, wie haben Sie sich kennen gelernt?“, fragte Kate, als sie kurz darauf an einer reich gedeckten Tafel saßen. Es war ein seltsames Gefühl für Alexandra. Eine Mahlzeit im Familienkreis eingenommen hatte sie das letzte Mal mit … 17? Sieben erwartungsvolle Augenpaare richteten sich auf sie und Christian, der sich vor Schreck fast an seinem Champagne verschluckt hatte. ,,Das würde mich auch interessieren“, meinte Greg neugierig. ,,Erzählen Sie schon!“ ,,Tja … also … das war so“, begann Alexandra nervös und sah Christian hilfesuchend an, doch der zuckte nur mit den Schultern und schob sich ein Stück Brot in den Mund. Alexandra warf ihm einen vernichtenden Blick zu. ,,Also, es war vor … äh … zwei Jahren. Ja, genau, vor zwei Jahren“, fing Alexandra hilflos an. ,,Es war ...“ ,,Auf Zypern.“ Christian schluckte. ,,Es war auf Zypern. Lexy war auf dem Weg zu einer wichtigen Konferenz.“ Jetzt verschluckte Alexandra sich fast. Lexy? ,,Nicht wahr, Liebling?“ Herausfordernd sah Christian sie an. Alexandra lächelte zuckersüß. ,,Ja, genau so war es, Schatz. Auf Zypern also. Ich war gerade auf dem Weg zu besagter wichtiger Konferenz, als ...“ ,,Als es in den Nachrichten kam“, nahm Christian den Faden auf. ,,Es war nämlich so, dass der Leiter des Unternehmens, dass Lexy übernehmen wollte ...“ ,,Erschossen worden war“, vollendete Alexandra und warf Christian einen wütenden Blick zu. Ein Raunen ging um den Tisch. ,,Und jetzt waren sie auf der Suche, nach allein reisenden Touristen“, fuhr Christian fort und warf ihr ein unverschämt freches Grinsen zu. ,,Ich wollte also gerade mein Hotel verlassen und mich auf dem Weg zur Konferenz machen, als die Polizei ins Foyer kam. Sie schleppten einen Mann mit sich.“ ,,Das war ich“, warf Christian schnell ein. ,,Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Er tr! ug Flip Flops, weiße Badeshorts mit Blümchenmuster, ein buntes Hawaiihemd und einen Blumenkranz, der ihm schief ins Gesicht hing.“ Boshaft grinsend sah Alexandra Christian an. Seine Augen loderten auf. ,,Ich sah Lexy auf mich zukommen. Sie sah aus wie Harley Quinn aus Suicide Squad. Die Polizisten waren so entsetzt, dass sie mich losließen.“ ,,Wir beide ergriffen die Gunst der Stunde und taten so, als wären wir ein Paar.“ Alexandra hätte mit dem Blick, den sie Christian zuwarf, töten können. ,,So waren wir gezwungen den ganzen Tag zusammen zu bleiben und als wir dann abends zu Bett gegangen sind ...“ ,,Sind wir eingeschlafen und waren von da an unzertrennlich“, endete Alexandra schnell, ehe Christian irgendetwas von wilden Sex- Orgien erzählen konnte. ,,Tja, es war wohl Liebe auf den ersten Blick.“ Mit einem gezwungenen Lächeln blickte sie in die Runde, in der Hoffnung, dass Familie Sparks ihnen diese wahnsinnige Geschichte abkaufte. ,,Ja, manchmal schickt Gott uns genau zur richtigen Stunde genau den richtigen Menschen“, meinte Grace schließlich, die ernsthaft gerührt klang. Alexandra verbarg ihr trockenes, fast schon hysterisches Lachen hinter einem Husten. Christian malträtierte ihren Rücken mit unnötig harten Schlägen. ,,Nur verschluckt“, erklärte er hilfreich. ,,Lass das, Schatz!“, knurrte Alexandra. ,,Alles wieder in Ordnung, Zuckerbärchen?“, fragte er scheinheilig und provozierte fast einen neuen Hustenanfall herauf. ,,Mehr als das, Schnuckiputz.“

Den Rest der Mahlzeit sah Alexandra zu, wie die anderen lachte und schwatzten und scherzten. Sie selbst sagte nicht viel, antwortete nur, wenn sie gefragt wurde und hing ihren Gedanken nach. Es war seltsam, hier mit dieser Familie am Tisch zu sitzen. Fremd und vertraut zugleich und irgendwie fühlte es sich richtig an. Sie fühlte sich wohl in dieser großen, fröhlichen Runde und schaffte es für einen Moment zu vergessen, dass sie hier mit ihrem hoffentlich zukünftigen Geschäftspartner und ihrem Schein- Verlobten und bald Schein- Ehemann saß.

Nach dem Essen stand Grace auf. ,,Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“ Alexandra und Christian erhoben sich und folgten ihr durch das riesige Haus. In einer der oberen Etagen öffnete Grace ihnen die Tür zu einem weitläufigen Raum, mit Balkon und einer wundervollen Aussicht auf die Stadt, einen See und die unberührte Natur der umliegenden Berge. ,,Beeindruckend“, meinte Christian. ,,Es ist wunderschön“, pflichtete Alexandra ihm bei. ,,Vielen Dank, dass wir bei Ihnen wohnen dürfen“, fügte sie pflichtschuldig hinzu. ,,Es ist immer schön, junges Leben im Haus zu haben“, meinte Grace mit einem Anflug von Wehmut und Alexandra fragte sich, ob sie sich manchmal in den riesigen Luxusvillen ihres Mannes, die ein Leben wie er führte mit sich brachte, einsam fühlte. Sparks und sie führten annähernd dasselbe Leben, Ein Leben, in dem für Familie und Freizeit nur wenig Platz blieb. ,,In diesem Schrank sind Handtücher und zusätzliche Decken. Das Bad ist dort drüben durch die Tür, in die Schränke dort drüben können Sie Ihre Sachen legen und hier ist das Bett. Da Sie ja verlobt sind macht es Ihnen sicher nichts aus im selben Bett zu schlafen.“ Alexandra öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, war Christian ihr ins Wort gefallen: ,,Nein, überhaupt nicht. Es ist wunderbar. Nicht wahr, Liebling?“ Er stieß sie an und Alexandra klappte den Mund zu, setzte ein leicht gequältes Lächeln auf und nickte. ,,Ich lasse Sie dann erst mal auspacken.“ ,,Ja, Grace. Danke für alles“, rief Alexandra ihr nach. In diesem Moment ertönte Kindergeschrei und Timothy stürmte ins Zimmer. ,,Kommst du jetzt mit mir Fußball spielen?“ Er hängte sich an Christians Arm und sah ihn mit großen, flehenden Kinderaugen an. Christian zögerte, sah zu Alexandra. ,,Ist es okay, wenn ich ...“ Er besann sich. ,,Ich komme ja! schon, kleiner Mann.“ Alexandra sah ihnen nach und der Raum kam ihr auf einmal merkwürdig einsam vor. Sie schlang sich die Arme um den Körper und setzte sich auf´s Bett. Es fiel ihr schwer, die ganzen neuen Eindrücke zu verarbeiten. In den letzten beiden Tagen hatte sich alles überstürzt, alles war so verwirrend und neu und widerstreitend. Es klopfte. Alexandra sah auf. Sparks stand in der offenen Tür. ,,Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören. Ich dachte nur, wir könnten die Zeit nutzen und uns den geschäftlichen Gründen Ihres Aufenthalts zuwenden.“ ,,Ja, natürlich.“ Rasch stand Alexandra auf und strich ihren Rock glatt. Sparks trug zwar eine faltenfreie Leinenhose mit steiler Bügelfalte, doch sein Hemd war weit, die Ärmel leicht hochgekrempelt und er wirkte viel lockerer und entspannter als die Männer, mit denen sie sonst verhandelte. Es musste an der vertrauten Atmosphäre liegen. In ihrem makellosen, faltenfreien Kostüm kam Alexandra sich seltsam overdressed vor. Sie griff nach ihrer Tasche und folgte Sparks dann in sein Arbeitszimmer.

 

Es war schon später Nachmittag, als sie ihre Verhandlungen für den heutigen Tag abbrachen. Obwohl Sparks ein angenehmer Verhandlungspartner war, war Alexandra erschöpft. Sie hatten stundenlang geredet und diskutiert, einander ihre Standpunkte, Ziele, Arbeitsweisen- und methoden dargelegt und noch vieles mehr und Alexandra brummte der Schädel. Zur Kaffeezeit hatte Grace ihnen ein Tablett mit Tee und Gebäck hereingebracht und Alexandra hatte fast schon gerührt beobachtet, wie zärtlich das alte Ehepaar miteinander umging. Fast wünschte sie sich, sie hätte ein Leben wie Sparks. Arbeit UND Familie. Eine liebende Ehefrau, gesunde Kinder und bezaubernde Enkel. Doch so ähnlich sie sich auch waren, als Alexandra Knight war ihr so ein Leben nicht möglich. Zu viel Verantwortung lastete schon auf ihren Schultern, Leben und Wohlstand tausender, wenn nicht hunderttausender Menschen weltweit hingen von ihr ab und sie konnte es sich nicht leisten, dass irgendetwas oder irgendjemand ihr Urteilsvermögen trübte oder sie von ihrem Job abhielt. Wenn ihre ganze Liebe und Leidenschaft nicht ihrer Arbeit galt, wenn sie nicht all ihre Anstrengungen und ihre ganze Konzentration darauf richtete, würde früher oder später jemand darunter leiden. Doch jetzt, wo warmes, goldenes Abendlicht durch die Fenster drang, wo von draußen fröhliches Kindergeschrei und Gelächter ertönte, kamen ihr zum ersten Mal in ihrem Leben leise Zweifel. Hastig verdrängte sie diese Gedanken. Sparks war gerade dabei Unterlagen und Dokumente zu sortieren, als die Tür aufgerissen wurde und Irene hineinstürzte. ,,Komm endlich, Großvater! Wir spielen Limbo!“ Sparks lachte. ,,Ich komme ja schon.“ Er zwinkerte Alexandra zu. ,,Sie müssen wissen: im Limbo macht mir keiner was vor.“ Nachdem er gegangen war, ging Alexandra zurück in ihr Zimmer, versuchte den Lärm auszublenden und klappte ihren Laptop auf. Sie hatte n! och zu a rbeiten. Sie hob den Kopf, als jemand ohne anzuklopfen das Zimmer betrat. Es war Christian. Er hatte sein Jackett ausgezogen, an seiner Hose klebte Gras und seine Hemdärmel waren hochgekrempelt, sodass sie seine gebräunten Unterarme entblößten. Er wirkte irgendwie … gelöst. ,,Was machst du hier?“, fragte er ehrlich erstaunt und leicht außer Atem. ,,Arbeiten?“ Mit großen Schritten kam er durch den Raum und schlug den Laptop zu. ,,Hey!“ ,,Komm schon, Lexy, die werden auch mal einen Tag ohne dich überleben. Und du musst dich auch mal entspannen. Du bist immer so gereizt und verspannt.“ ,,Natürlich bin ich gereizt, wenn mich jemand bei der Arbeit unterbricht“, knurrte Alexandra und griff nach ihrem Laptop, doch Christian zog ihn blitzschnell weg und hielt ihn außer Reichweite. ,,Ich bin nicht verspannt!“ ,,Bist du doch!“ ,,Bin ich nicht! Und jetzt gib mir meinen Laptop wieder, das ist kindisch!“ Mit einem Seufzen gab ihr ihr den Laptop zurück. ,,Bitte, Alexandra. Komm nach draußen.“ Christian klang aufrichtig und ehrlich und in seiner Stimme schwang Resignation mit. ,,Und zieh dir was anderes an. In diesem Outfit wirst du dir irgendwas brechen“, rief er ihr im Gehen zu und schlug die Tür hinter sich zu. Seufzend klappte Alexandra den Laptop wieder auf. Und zögerte. Und schlug ihn mit einem genervten Stöhnen wieder zu.

Als sie die Veranda betrat, schlug ihr milde Sommerluft entgegen. Die Sonne stand so tief, dass sie blendete und übergoss die Berge und Wälder mit goldenem Licht. Die Vögel zwitscherten, die Grillen zirpten, Schwalben schossen durch die Luft. Der Friede, die stille Besonnenheit war beinahe greifbar und in der Luft lag ein Geruch, den Alexandra seit ihrer frühsten Kindheit nicht mehr gerochen hatte, wo sie mit ihren Eltern immer zu den Großeltern auf´s Land gefahren war. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten mal Grillenzirpen gehört hatte. In New York gab es das alles nicht. Da gab es nur Tauben und den Lärm der Großstadt und den Geruch von Fast Food, Abgasen und den Ausdünstungen der Millionen von Menschen. Alexandra hatte immer gedacht, sie gehöre in diese Welt, doch jetzt in diesem Moment genoss sie einfach nur die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrer Haut und versuchte sich diese Atmosphäre für immer einzubrennen. ,,Es ist schön hier, nicht wahr?“ Beim Klang von Kates Stimme öffnete sie die Augen. Kate stand mit einem eisgekühlten Drink neben ihr und betrachtete versonnen ihre Familie, die sich in dem riesigen, parkähnlichen Garten vergnügte. ,,Wunderschön“, stimmte Alexandra ihr zu. Sie ließen sich auf den Stufen der Veranda nieder. ,,Es ist so friedlich und still“, meinte Alexandra. ,,So muss es dir vorkommen. Ich hingegen könnte mir gar nicht vorstellen in so einer gigantischen Stadt wie New York zu leben. Es muss da doch total laut und eng und gedrängt sein.“ ,,Ist es auch. Es ist wie eine ganz eigene Welt und da sind tausende und abertausende von Menschen um dich herum und obwohl du schon dein ganzes Leben da wohnst, kennst du immer noch niemanden. Manche haben vielleicht das Gefühl in den Massen zu ersticken, das Gefühl, als wäre das Schicksal des Einzelnen völlig unbedeutend, aber New York kann auch wunderschön sein,! wenn si ch im Herbst die Blätter im Central Park alle golden färben oder wenn im Frühling die ganzen Paare und Familien auf den Wiesen picknicken. Nicht zu vergessen die Weihnachtsmärkte mit den riesigen Eislaufbahnen. Die unfassbar vielen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen. Es gibt Straßen, da steht eine Kirche neben einer Moschee und daneben eine Synagoge und ein indischer Tempel. Du könntest dein ganzes Leben durch die Straßen von New York streifen und hättest doch nie alles gesehen.“ Kate nickte langsam. ,,Vielleicht sollten wir doch mal nach New York kommen. Wir hatten das sogar mal überlegt, Ashton und ich, aber dann ist Juliet gestorben, die Frau meines Bruders Owen und wir haben all unsere Pläne abgesagt und vergessen. Ashton kommt aus Redding, Kalifornien und ich aus Bella Vista. Kaum zu glauben, aber das ist noch kleiner als Ashland.“ Sie lachte. ,,Und wir haben Sie sich kennen gelernt? Sie und Ashton?“ Kate lachte bei dem Gedanken daran. ,,Das war vor sechs Jahren. Ich war gerade mit meinen Freundinnen unterwegs. Die Trennung von meinem letzten Freund war erst einen Monat her und hatte mich ziemlich mitgenommen. Die Mädels wollten mich aufmuntern, nachdem sie es nach drei Wochen endlich geschafften hatten mich dazu zu bewegen, aus meinem Zimmer zu kommen und mit der Heulerei aufzuhören. Wir gingen also gerade die Straße entlang, als auf einmal ein Typ auf ´ner Mofa vorbeiraste und mir meine Handtsche aus der Hand riss. Ich bin ihm hinterher gerannt und als ich um die ecke gebogen bin voll in Ashton rein gerannt. Ich hatte so viel Schwung, dass ich uns beide umgerissen habe. Ich lag auf ihm drauf, hatte meine Handtasche völlig vergessen und wusste nicht, was ich sagen sollte. Er hätte sauer sein können, aber das war er nicht. Im Gegenteil. Er meinte: du bist umwerfend und da habe ich zum ersten Mal seit einem Monat wieder gelacht.“ Alexandra war seltsam gerührt. Eigentlich war sie ! nicht de r Typ, der stundenlang Liebesgeschichten erzählte oder sich anhörte. Genauer gesagt war sie als Teenager immer unfassbar genervt gewesen, wenn ihr jemand von einem süßen Jungen vorschwärmte, den sie zufällig im Vorbeigehen gesehen hatte. Aber diese Geschichte war echt, das war die sagenumwobene ,,Liebe auf den ersten Blick“ gewesen und Alexandra spürte ein seltsames Ziehen im Bauch. War das etwa Neid? Energisch verdrängte sie den Gedanken. Sie hatte alles, warum sollte sie neidisch sein? ,,Sie haben Glück, dass Sie Christian haben.“ Das riss Alexandra umgehend aus den Gedanken. ,,Habe ich das?“ ,,Charmant, witzig, attraktiv. Allein wie er Sie anschaut.“ Alexandra starrte Kate an, doch diese winkte gerade Ashton zu, der gegen Greg in einer Partie Vier gewinnt angetreten war und gewonnen hatte, und beachtete sie gar nicht. ,,Ich hole mir mal was zu trinken“, murmelte Alexandra und stand auf. Ohne richtig hinzugucken kippte sie irgendwelche Flaschen zusammen, schaufelte eine handvoll Eiswürfel hinein und lehnte sich an den Tisch mit den Getränken. Sie beobachtete Christian, der sich gerade im Limbo gegen Sparks, Grace und Irene zu behaupten versuchte. Irene himmelte ihn mit der offenen, reinen Zuneigung einer Zehnjährigen an und als Alexandra klar wurde, dass sie das kleine Mädchen missbilligend betrachtete, kniff sie sich strafend in den Arm. Was zum Teufel tat sie da? Sparks hatte nicht zu viel versprochen. Er schlug die anderen um Längen und Alexandra fragte sich, wie ein so alter Mann so gelenkig sein mochte. Wieder wanderte ihr Blick zu Christian. In der Sonne glänzte sein Haar in einem schimmernden Blauton. Sie umriss seine große, schlanke Gestalt mit goldenweißem Licht, sodass er zu glühen schien und zeichnete dunkle, weiche Schatten in sein Gesicht. Selbst aus der Ferne konnte sie die scharfen Konturen von Kinn und Wangenknochen sehen, den weichen Schwung seiner Wimpern und Lipp! en, den Ansatz seiner Schlüsselbeine am Hemdkragen. Das Hemd betonte seine Figur, die breiten Schultern, die muskulöse Brust, die schmale Taille und – Herrgott, was tat sie da? Mit glühendem Gesicht wandte sie den Blick ab und hätte am liebsten den Kopf in den Eiskübel gesteckt. Als auf einmal ein Schatten auf sie viel und eine samtig- tiefe Stimme wie die eines Löwen: ,,Alexandra?“, sie ansprach, schrie sie vor Überraschung auf und kippte Christian aus Versehen den gesamten Inhalt ihres Glases über das Hemd. Perplex und tropfend starrte er sie an. ,,Christian, ich ...“, stotterte Alexandra und hasste sich sofort dafür, dass ihre Stimme vor ihm brach. Noch immer glühten ihre Wangen und sie wagte es nicht ihn anzusehen. ,,Gib zu, das hast du mit Absicht gemacht!“ Seine Stimme klang eher amüsiert als verärgert. ,,Was?“, begehrte sie auf. ,,Nein! Ich … du hast mich erschreckt!“ Er grinste schelmisch. ,,Wenn du willst, dass ich mein Hemd ausziehe, hättest du das nur zu sagen brauchen.“ Ihr Kopf musste inzwischen die Farbe einer reifen Tomate angenommen haben. ,,Ich … ich wollte nicht … was tust du da?“ Christian hatte begonnen sein Hemd aufzuknöpfen. ,,Ich ziehe mein Hemd aus.“ ,,Aber warum?“ ,,Weil ich Stripteaseshows liebe … hey, DU hast mir dein Eiswasser übers Hemd geschüttet.“ ,,Ja, aber, du kannst doch nicht ...“ ,,Die anderen sind eh schon neidisch auf meinen umwerfenden Typ.“ Seine Augen funkelten. ,,Bescheidenheit ist auch eine Tugend“, murmelte Alexandra, die nicht wusste, wo sie hinsehen sollte. ,,Ach und du gibst ´nen Hunderter Trinkgeld, weil du zu faul zum Zählen bist?“ Alexandras Augen glühten auf. ,,Nein.“ Herausfordernd sah sie zu Christian auf. ,,Weil ich es kann.“ Er brach in schallendes Gelächter aus. ,,Ich auch“, raunte er ihr dann mit einem verwegenen, lasziven ! Funkeln in den Augen zu und zog sich das Hemd über den Kopf. In dem Moment, in dem Alexandra fast der Kiefer herabfiel, wusste sie, dass sie nicht hätte hinsehen sollen. Der Anblick von Christians warmer, golden schimmernder Haut ließ sie instinktiv zurückweichen, sodass sie fast auf dem Getränketisch saß. Sie meinte seine Hitze bis hier zu spüren und konnte den Blick nicht von den weichen Schatten abwenden, die das laue Abendlicht auf seine Haut warf, die die Konturen seiner Muskeln und Sehen nachzeichneten, wie mit dunkler Tusche, die harten Linien seines Schlüsselbeins, die weichen Konturen der Hüftknochen, die am Anzug seiner Hose hervorlugten. Großer Gott, warum konnte dieser Typ sich nicht was anziehen? ,,Ich … ich muss ...“, stammelte Alexandra, drängte sich an Christian vorbei in dem verzweifelten Versuch ihn bloß nicht zu berühren und ergriff die Flucht. Er holte mühelos auf. ,,Verfolgst du mich?“, murmelte sie und versuchte ihn aus den Augenwinkeln nicht anzusehen. ,,Flüchtest du vor mir?“, konterte er. ,,Man beantwortet eine Frage nicht mit einer Gegenfrage?“ ,,Nicht?“ ,,Ich fliehe nicht vor dir. Das wäre ja lächerlich!“ ,,Vor allem in diesen Schuhen. Ich habe doch gesagt, du solltest sie ausziehen. Du wirst dir irgendwas brechen in den Dingern.“ ,,Also ich kann sehr gut darin laufen.“ ,,Ja, bis du dir den Knöchel gebrochen hast. Und glaub ja nicht, ich trage dich dann zurück.“ ,,Ich würde lieber kriechen, als mich von dir tragen zu lassen.“ ,,Würdest du nicht.“ ,,Würde ich doch.“ ,,Aber dann würdest du dir deine piekfeinen Klamotten ruinieren. Ich wette, du trägst selbst zum Schlafen ein Kostüm.“ ,,Natürlich nicht!“ Alexandra schnaubte entrüstet. Am liebsten hätte sie Christian irgendwas vor die Latz geknallt, aber dazu hätte sie stehen bleiben müssen. ,,Ich w! ette, du liegst selbst wenn du krank bist mit Blazer im Bett.“ ,,Es wird dich vielleicht erstaunen zu hören, aber ich war während meiner gesamten Arbeitszeit noch nie krank.“ ,,Cyborgs werden auch nie krank.“ ,,Ich bin kein Cyborg, Mr-ich-habe-das-Feingefühl-eines-Rasenmähers, ich bin einfach gut in dem was ich tue.“ ,,Bescheidenheit ist auch eine Tugend“, zitierte er sie und sie konnte hören, wie er hinter ihr grinste. Inzwischen hatten sie den Garten fast einmal umquert. ,,Außerdem bist du ja wohl so subtil wie Toastbrot.“ ,,Sagte der Typ, der mehr Frauen das Herz gebrochen hat, als manche Städte Einwohner haben“, konterte sie. ,,Aha, darum geht es also!“ Fast wäre sie stehen geblieben. ,,Worum?“ ,,Du bist eifersüchtig!“ ,,Auf ein Toastbrot?“ ,,Auf meine Ex- Freundinnen.“ ,,Ja klar, ich würde mich irre gerne in die Schlange am Boden zerstörter, weinender, einsamer, verzweifelter, verlassener Eroberungen einordnen. Endlich hast du es begriffen.“ Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. Er lachte nur. ,,Von all meinen Eroberungen war keine so starrköpfig wie du, Liebling.“ ,,Ich bin ja auch keine deiner Eroberungen, Schatz.“ ,,Stimmt, du bist meine Verlobte und zukünftige Ehefrau.“ ,,Wir drehen uns ständig im Kreis!“ ,,Du könntest ja stehen bleiben.“ ,,Das meinte ich nicht. Und ich laufe nicht vor dir weg!“ ,,Mit deinen kurzen Beinchen wäre das wohl auch kaum möglich.“ ,,Meine Beine sind nicht kurz, Spargel- Tarzan! Es kann ja nicht jeder aussehen wie ein Storch.“ Jetzt blieb sie doch stehen und zwar hinter der riesigen Garten- Version von Vier gewinnt. Vor Überraschung blieb Christian auch stehen. Durch das blaue Plastikgitter konnte Alexandra ihn immer noch erkennen. Und zwar viel zu gut. Sie ließ einen gelben Plastikchip in das Gitter fallen. Christian machte einen Schritt auf sie zu. ,,Stopp! Bl! eib auf deiner Seite!“ Er hob eine Augenbraue. ,,Was wird das denn hier? Mein Tanzbereich, dein Tanzbereich? Also von mir aus können wir gerne tanzen, ich bezweifle allerdings, dass du Zeit hattest einen Tanzkurs zu machen. Vermutlich warst du zu sehr damit beschäftigt kleine, unschuldige Kinder zu fressen.“ Alexandra warf einen Plastikchip nach ihm. Lachend wehrte Christian ihn ab. ,,Du kämpfst wie ein Hamster.“ Blitzschnell bückte Alexandra sich und zog ihm unter dem Gitter hindurch die Beine weg. Mit einem überraschten Laut fiel Christian auf den Rücken. Langsam trat Alexandra neben ihn und blickte auf ihn herab. ,,Wo du schon da unten bist kannst du ja gleich nach deinem Niveau Ausschau halten.“ Mit einem diebischen Grinsen zog er ihr die Beine weg, sodass sie neben ihn ins Gras fiel. ,,Hilf mir doch suchen“, murmelte er dicht an ihrem Ohr. Sie erschauderte heftig. ,,Dir ist nicht mehr zu helfen“, murmelte sie. Auf einmal tauchte Christians Gesicht über ihr auf. Er stützte sich auf seinen Ellbogen. ,,Große Worte von jemandem, der Niveau bestimmt für eine Hautcreme hält.“ Sie sah zu ihm auf und spürte ihr Herz heftig gegen ihren Brustkorb schlagen. Er war zu nahe. Definitiv zu nahe. Doch sein Blick hielt sie gefangen und sie erinnerte sich an das, was Kate gesagt hatte: Allein wie er Sie anschaut. Ein seltsames Gefühl schnürte ihr die Kehle zu und hastig rollte sie sich weg. ,,Ich lege Wert auf einen gesunden Sicherheitsabstand“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen. ,,Sicherheitsabstand?“ Ungläubigkeit schwang in seiner Stimme mit. ,,Kennst du die Geschichte von der Frau, die ihren zukünftigen Ehemann um einen Sicherheitsabstand bat?“ ,,Nein.“ ,,Weil das auch keine Frau je von ihrem Verlobten verlangt hat!“ ,,Schein- Verlobter“, berichtigte Alexandra. ,,Und jetzt tu nicht so, als würde ich dir etwas bedeuten, schließlich hättest du ohne mit! der Wim per zu zucken zugesehen, wie ich einen Unfall gebaut hätte, in dem ich hätte umkommen können.“ Sie stand auf und kehrte ohne sich noch einmal umzusehen zu den Sparks zurück.

Beim Abendessen, das sie im Garten einnahmen, saßen sie schweigend nebeneinander und Alexandra mied seinen Blick. Der einzige Grund, warum sie immer näher an ihn heran rutschte war Greg, der von der anderen Seite immer näher an sie heran rutschte. Die Blicke, mit denen er sie bedachte, erinnerten Alexandra an den Betrunkenen aus der Bar und verursachten ihr Unbehagen, obwohl sie wusste, dass Greg ihr nichts tun würde. Er war nur ein harmloser junger Mann, der auf einen Flirt aus war und sich von ihren Abweisungen nicht beeindrucken ließ. Als er an ihr vorbei zum Salat griff und dabei ihre Wange streifte, zuckte Alexandra zurück und stieß dabei an Christians Schulter. Zum ersten Mal seit Beginn der Mahlzeit sah er sie an. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. War das Kummer? Schmerz? Sie spürte einen seltsamen Stich in ihrer Magengegend. ,,Alles in Ordnung?“, fragte er leise. Alexandra öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort über die Lippen. Schließlich nickte sie nur und rückte wieder ein Stück von ihm ab. Sie war heilfroh, dass niemand die Spannung zwischen ihnen zu bemerken schien. Nur am Rande bekamen sie mit, wie die anderen die Pläne für den kommenden Tag besprachen, wie Irene Christian von der anderen Seite des Tisches her anschmachtete, wie Kate und Ashton miteinander flirteten wie frisch Verliebte und wie Grace in ihre Richtung sah und den Mund bewegte. Die Worte kamen erst Sekunden später bei Alexandra an. ,,Entschuldige, Grace, ich habe Sie leider nicht verstanden.“ ,,Geht es Ihnen gut, Alexandra?“, wiederholte Grace. ,,Sie wirken so abwesend.“ Alexandra zwang sich zu einem Lächeln. ,,Mir geht’s gut. Es ist nur … es war ein anstrengender Tag.“ Grace lächelte mitfühlend. ,,Das kann ich verstehen.“

Nach dem Essen half Alexandra Grace und Kate beim Abräumen. Als sie wieder nach draußen ging, schwebten ihr Gitarrenklänge entgegen. Zu ihrer Überraschung war Christian es, der die Gitarre spielte und die anderen saßen in einem Kreis um ihn herum und lauschten ihm. Christian schlug ein paar Takte an, die Alexandra als die ersten Akkorde von Country Roads erkannte und dann begann Christian zu ihrem Erstaunen zu singen. ,,Almost heaven ...“ Alexandra lehnte sich an das Geländer der Veranda, schloss die Augen und lauschte. Christians Stimme wie das dunkle, sanfte Schnurren eines Löwen, eine sanfte, laue Brise, die mit ihrem Haar spielte, in der Luft der Geruch von Sommer und dem Zwitschern der Schwalben und Nachtigallen. Mit einem letzten gesungenen Country Roads verklang Christians Gesang und Alexandra öffnete fast schon wehmütig die Augen. Christian sah sie an, mit klaren, tiefen, reinen Augen, in denen keine Spur von Spott oder Hohn lag, sondern ein Ausdruck, der so sehr schmerzte, als hätte man ihr ein Messer ins Herz gerammt. Alexandra schnappte nach Luft, so stark zerrte der Schmerz an ihr, ihr ganzer Unterleib verkrampfte sich. Verwirrt, wütend über sich selbst und auf unerklärliche Weise zutiefst betroffen und traurig, stürzte sie davon. Sie rannte über den Rasen, immer weiter und weiter, bis ihre Seiten brannten und sie stehen bleiben musste, um nach Luft zu schnappen. Ganz in der Nähe stand eine riesige bunte Zielscheibe, an einem Beistelltischchen lehnte ein Köcher mit Pfeilen und der Bogen, mit dem Timothy am Nachmittag geschossen hatte. Aus einem inneren Impuls griff Alexandra nach dem Bogen. In ihr rangen die Gefühle miteinander. Sie war wütend. So wütend. Auf sich selbst. Weil sie nicht wusste, was auf einmal mit ihr los war, warum sie sich so seltsam verhielt. Sie war verwirrt. Verwirrt über die Gefühle, die auf einmal in ihr aufstiegen, in Christians Nähe in ihr aufstie! gen. Er war ihr Feind? Oder nicht? Sie hatte ihn gehasst, abgrundtief. Aber tat sie das immer noch? WOLLTE sie das überhaupt noch? Warum brachte er sie so aus dem Konzept, verwirrte sie so sehr? Woher kam diese unerklärliche Traurigkeit und Sehnsucht? Sie hatte doch alles, was man sich nur wünschen konnte. Einen festen Job. Erfolg. Bekanntheit. Reichtum. Sie sollte wunschlos glücklich sein. Warum war sie es nicht? Nicht mehr, so wurde ihr klar, nicht mehr, seit sie hier war. Etwas hatte sich verändert und obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte, machte diese Veränderung ihre Angst. Sie wusste nicht, ob sie gut oder schlecht war, wie sie damit umgehen sollte, was sie tun sollte. Mit einem lauten, frustrierten Seufzen ließ Alexandra den Pfeil von der Sehne schnellen. Er bohrte sich weit von der Zielscheibe entfernt ins Gras. Genau wie die anderen, die sie unwissentlich und unwillkürlich schon verschossen hatte. Seufzend lief sie los, um die Pfeile wieder einzusammeln. Sie nahm einen, legte ihn an, zog die Sehne zurück, entschlossen sich dieses Mal besser zu konzentrieren und die ganzen lästigen Gedanken auszublenden. ,,Warte!“ Beim Klang von Christians Stimme zuckte sie heftig zusammen. Langsam ließ sie den Bogen sinken und drehte den Kopf, obwohl sie das Gefühl hatte, es wäre keine gute Idee. Sie bereute es fast sofort. Er hatte das feuchte Hemd, das er aus reiner Höflichkeit während des Essens wieder übergezogen hatte, wieder ausgezogen und sein Anblick trug nicht gerade dazu bei, dass sie mit ihren Gedanken und Gefühlen ins Reine kam. ,,Jetzt sag nicht, du bist einer von diesen lästigen Typen, die nicht nur gut aussehen, sondern auch noch alles können.“ Er lachte leise. ,,Das hast du jetzt gesagt. Aber Bogenschießen kann ich tatsächlich. Ich habe mal für einen authentischen Artikel drei Monate lang unter Lakota gelebt.“ ,,Wie schön, wenn du so in deinem Job aufgehst“,! witzelt e Alexandra, doch als er noch näher kam, verging ihr das Lachen ganz schnell wieder und ihr Herzschlag beschleunigte sich. ,,Ich könnte dir zeigen, wie es richtig. Der Rasen hat schon genug gelitten.“ ,,Von mir aus“, murmelte Alexandra und bemühte sich verzweifelt seine Körperwärme auszublenden, als er so dicht hinter sie trat, dass sie sich nur ein paar Zentimeter zurückbeugen müsste, um an seiner Brust zu lehnen. Als er nach ihrer linken Hand griff und sie mit seinen Fingern umschloss, versteifte sie sich. ,,Entspann dich“, murmelte er so dicht an ihrem Ohr, dass sie seinen warmen Atem auf ihrer Haut spürte. ,,Und vergiss nicht zu atmen.“ ,,Klappe, Don Juan“, murmelte Alexandra. Fest und zärtlich zugleich umschloss seine Hand die ihre und sie erinnerte sich, wie er ihre Hand beim Flugzeugstart am Morgen gehalten hatte. Kaum zu glauben, dass das nur ein paar Stunden her war. Es kam ihr vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen. ,,Atme mal tief durch und entspann dich“, raunte er. ,,Du bist total verspannt.“ ,,Ich bin die Ruhe in Person“, fauchte Alexandra. ,,Natürlich.“ Sein leises, tiefes Lachen klang wie ein dunkles, grollendes Schnurren. Trotzdem schloss Alexandra die Augen und versuchte sich zu entspannen. ,,Lachst du etwa über mich?“ ,,Das würde ich nie tun.“ Sie konnte nicht erkennen, ob das ironisch oder ernst gemeint war. ,,Arm und Schulter weiter runter. Benutz´ deinen Mund als Stütze.“ Als er sich streckte, um ihre andere Hand zu erreichen, wurde Alexandras Rücken gegen seine feste, warme Brust gepresst. Ein Seufzen entrang sich ihrer Kehle und ein bittersüßer Schmerz durchzuckte ihren Unterleib. Als Christian seine Hand über die ihre legte und die Sehne zurückzog, streiften seine Finger ihre Lippen. Ein elektrisierender Schauer durchfuhr Alexandra und sie bekam eine Gänsehaut. Ihr ganzer Rücken war der Länge na! ch an Ch ristian geschmiegt. Sie spürte die kräftigen, geschmeidigen Muskeln durch den dünnen Stoff ihrer Bluse, spürte, wie seine Brust sich rhythmisch hob und senkte, die Wärme seiner Haut. Überall dort, wo er sie berührte, schien sie in Flammen zu stehen. Und sie hatte nicht die geringste Lust sich wieder von ihm zu lösen. ,,Ich wusste, ich hätte es eh nicht geschafft“, murmelte er an ihrem Haar. ,,Was nicht geschafft?“, murmelte Alexandra kaum hörbar. Sie kämpfte mit aller Macht gegen den Drang an, ihren Kopf gegen die Brust jenes Mannes zu lehnen, den sie eigentlich verabscheuen sollte, und einfach nur die Augen zu schließen. Statt einer Antwort zog er die Sehne noch weiter zurück, dann ließen sie den Pfeil los. Zitternd und bebend blieb er direkt im Schwarzen stecken. ,,Oh!“, entfuhr es Alexandra seltsam ergriffen. ,,Und? Wie hat sich das angefühlt?“ Seine Stimme dicht an ihrem Ohr, sein warmer Atem auf ihrem Hals rissen sie prompt aus ihrer Euphorie und in die verwirrende Wirklichkeit zurück. ,,Das war sehr … das war sehr schön.“ Ihre Stimme bebte leicht. Als sie mit einer rechten Hand nach dem Bogen griff, bemerkte sie, dass noch immer seine Finger über linken Hand lagen. Sie atmete zittrig ein. Bleib wo du bist!, keifte ihre kleine innere Göttin. Wehe, du gehst weg! Doch da hatte Alexandra sich auch schon losgemacht und war ein paar Schritte zurückgewichen. Ihre kleine innere Göttin trat ihr mit voller Wucht mental gegen das Schienbein und begann Zeter und Mordio zu kreischen. Die Verwirrung und der … Schmerz?, die für einen Sekundenbruchteil in Christians Augen aufblitzten, versetzten Alexandra einen scharfen Stich. ,,Was tust du hier? Ich … ich wollte alleine sein.“ Ihre Stimme klang schroffer, als sie beabsichtigt hatte. ,,Ich … ähm.“ Christian schüttelte den Kopf. ,,Du wirktest so aufgelöst und wütend ! und ich wollte nur sehen, ob mit dir alles in Ordnung ist und ...“ ,,Mir geht es gut“, unterbrach Alexandra ihn scharf. ,,Ich bin mein Leben lang gut alleine zurecht gekommen und ich brauche jetzt niemanden, der mich beschützt. Schon gar nicht meinen Pseudo- Verlobten.“ Jetzt gelang es Christian nicht länger Verwirrung und Schmerz zu verbergen. Ihn so tief betroffen zu sehen riss tief in Alexandra etwas in zwei, aber ehe sie es sich anders überlegen konnte, sprach sie weiter. ,,Ich tue das hier nicht, weil es mir Spaß macht, sondern weil es mein Job ist.“ Der Kummer darüber ihn so erschüttert zu sehen schlug in Wut um. Warum tat er das? Er konnte sie schließlich auch nicht leiden! Ihm ging es nur ums Geld, ihr ums Geschäft. Sie waren beide hier, weil sie aufeinander angewiesen waren, mehr nicht. Warum spielte er jetzt den besorgten, mitfühlenden, verletzten Verlobten? Wollte er sie verwirren? Und warum verdammt, war es ihr nicht völlig egal, dass ihre Worte ihn verletzten. Es SOLLTE ihr egal sein. Mit dem Gefühl sie würde gleich explodieren, drehte Alexandra sich um und stürzte davon.

Sie war so durch den Wind, dass sie sich beinahe mit der Zahnbürste das Haar gekämmt hätte und ihren Schlafanzug dreimal falsch herum anzog. Ihre Finger zitterten, als sie ihre Bluse aufknöpfte und ihr ganzer Körper bebte vor Spannung und in der ängstlichen Erwartung, Christian würde jeden Moment zur Tür hereinkommen. Schließlich kroch sie unter die riesige weiche Decke und flehte um Schlaf und Vergessen. Doch noch immer vibrierten ihre Nervenenden und die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf umher und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Jedes noch so leise Geräusch ließ sie zusammenzucken, halb in Furcht, halb in Hoffnung. Doch es dauerte eine Ewigkeit, ehe sich endlich leise die Tür öffnete. Rasch stellte Alexandra sich schlafend. Christians Atemzüge kamen schnell und kurz, als wäre er gerannt. Sie hob die Lider gerade soweit, dass sie seinen schemenhaften Umriss erkennen konnte. Sein Haar war feucht, ein feiner Schweißfilm ließ seine Haut in den letzten Strahlen der Abendsonne, die durch das Fenster fielen, golden schimmern. War er gerannt? Hatte er versucht, seine Frust durch Anstrengung zu vertreiben? Und war es ihre Schuld, dass er so frustriert war? Dieser Gedanke ließ Übelkeit und Verzweiflung in ihr aufsteigen. Christian stand genau am Fuße ihres Bettes, dass Hemd in der Faust, die so fest geballt war, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Es kam Alexandra seltsam intim vor, dass er sie scheinbar schlafend beobachtete. Ihr Blut brodelte und kribbelte wie Säure und es gelang ihr kaum still zu liegen. Schließlich stieß Christian einen tiefen Seufzer aus, schleuderte sein Hemd zu Boden und Alexandra hörte, wie er im Bad verschwand und die Dusche aufgedreht wurde. Die Tatsache, dass sie nur durch ein paar Meter Entfernung und eine hölzerne Tür getrennt waren, ließ Alexandras Herz heftig schlagen und erfüllte sie mit nie gekannten Gedanken und! Gef&uum l;hlen, die sie erröten ließen. Gott, was war nur los mit ihr? Ihre kleine innere Göttin räusperte sich vielsagend und warf ihr einen wissenden, amüsierten Blick zu. Alexandra knurrte sie innerlich an. Die Tür zum Bad öffnete sich und Alexandra hörte es rascheln, als Christian eine Decke auf dem Boden ausbreitete. Sie linste vorsichtig in seine Richtung. Herrgott, konnte der Mann sich nicht mal was überziehen? Christian richtete sich auf und sah sich um. Sein Blick fiel auf sie und für einen Moment fürchtete Alexandra, er hätte sie erwischt, ehe ihr aufging, dass er die Kissen ansah, die alle auf ihrem Bett lagen. Er zögerte, dann wandte er sich ab und verschwand aus Alexandras Blickfeld, als er sich auf den Boden legte. Hin- und hergerissen kaute Alexandra auf ihrer Unterlippe herum, dann griff sie sich ein Kissen und warf es in seine Richtung. Ein überraschter Laut, dann ein gemurmeltes Danke, zu kurz und knapp, um irgendwelche Emotionen herauszuhören. Alexandra zog die Beine eng an sich. Das große Bett fühlte sich so leer und einsam an. Erschöpft aber zu aufgewühlt, um zu schlafen, starrte Alexandra an die Decke. ,,Christian?“, flüsterte sie irgendwann. Er antwortete nicht. Sie wusste nicht, ob er schlief oder sie ignorierte. ,,Es tut mir leid.“

 

Als Alexandra am nächsten Morgen von Vogelgezwitscher geweckt wurde, brauchte sie einen Moment, um sich daran zu erinnern, wo sie war. Gähnend schwang sie die Beine aus dem Bett. Sie wollte gerade ins Bad tappen, als ihr Blick auf Christian fiel. Im Schlaf wirkten seine Züge ganz weich und entspannt, viel jünger und jugendlicher. Ihr Blick glitt über die zerzausten, bläulich schimmernden Haare, die scharfen Linien von Kinn und Kiefer, die weicheren Konturen der Wangenknochen bis hin zu seinen leicht geöffneten Lippen. Sie wirkten warm und weich, waren makellos und voll, ohne Risse und Sprünge und weckten in Alexandra eine seltsame Sehnsucht. Als seine Lider flatterten, zuckte sie zurück und stürzte überhastet ins Bad. Doch selbst als das heiße Wasser auf sie einprasselte, konnte sie das Bild seiner Lippen nicht aus ihrem Kopf bannen. Ihr Gesicht glühte sie wusste nicht, ob es an der Hitze des Wasserstrahls oder ihren Gedanken lag. Ihre kleine innere göttin deutete sich räuspernd auf ein Banner mit der Aufschrift: Was sich neckt, das liebt sich. Mit einem Geräusch, halb Stöhnen, halb Knurrend drehte Alexandra ruckartig den Wärmeregler und ließ eiskaltes Wasser auf sich einprasseln. Sie schnappte nach Luft, doch die plötzliche Kälte half ihr ihren Kopf für einen Moment zu klären. Zitternd stieg sie aus der Dusche und sah sich um. Da fiel ihr ein, was sie in ihrer Eile vergessen hatte: ein Handtuch. ,,Verdammt!“, fluchte sie unterdrückt und schlang sich frierend die Arme um den Leib. Sie rang innerlich mit sich, obwohl ihr insgeheim bewusst war, dass sie nur eine Möglichkeit hatte. ,,Christian?“, rief sie zögerlich und dann nochmal lauter und entschlossener: ,,Christian!“ Sie legte ihr Ohr an die Tür und lauschte. Sei hörte, wie eine Decke zurückgeschlagen wurde, ein Gähnen, Schritte, die sich näherten. ,,Alexandra?“ Er klang ver! schlafen . Beim Klang seiner Stimme bekam sie eine Gänsehaut. Doch nicht vor Kälte. ,,Bist du da drinnen?“ Er schien direkt vor dem Bad zu stehen. ,,Ja, bin ich.“ Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. ,,Komm nicht rein! Ich habe nichts an!“ Ein Geräusch, halb lachen, halb schnauben drang zu ihr hinein. ,,Hör auf zu lachen! Gib mir lieber ein Handtuch!“ Jetzt ein leises Lachen, aber seine Schritte entfernten sich. ,,Nicht gucken!“, warnte sie ihn, als er mit dem Handtuch zur Tür kam. ,,Ich kann das Handtuch ja schlecht unter der Tür durchschieben.“ Seine Stimme klang belustigt. Alexandra warf einen raschen Blick zum Türspalt. Er war tatsächlich zu schmal. ,,Dann mach die Augen zu!“, verlangte sie. ,,Und hey, hör auf die Augen zu verdrehen! Ich weiß, dass du die Augen verdreht hast!“ Er lachte. ,,Willst du das Handtuch jetzt haben oder nicht?“ ,,Ja!“, murrte sie. ,,Also, ich komme jetzt und hole es mir. Sind deine Augen zu?“ ,,Ja.“ ,,Ganz sicher?“ ,,Ziemlich.“ ,,Christian!“ Ein Lachen. ,,Ist ja schon gut. Sie sind zu. Auch wen ich mich mittlerweile frage, was du verstecken willst. Hast du ein Tattoo, von dem ich nichts weiß?“ ,,Nein, natürlich nicht!“, schnaubte Alexandra entrüstet. ,,Außerdem gibt es eine ganze Menge Sachen über mich, die du nicht weißt!“ ,,Du könntest mich ja einweihen, Liebling.“ ,,Dazu werden wir später noch genug Zeit haben, Schatz“, erwiderte Alexandra ironisch, obwohl sie innerlich unglaublich froh war, dass er ihr anscheinend weitestgehend verziehen hatte. ,,Ich komme jetzt raus“, wiederholte sie und griff nach der Türklinke. ,,Wehe, du guckst!“ ,,Was willst du machen? Deine Schuhe nach mir werfen? Oder noch besser: Dein Handtuch?“ Sie öffnet die Tür und spähte vorsichtig um die Ecke. Er hatte dem Bad den Rü! cken zug edreht und schien tatsächlich die Augen geschlossen zu haben. ,,Bist du immer so entwaffnend charmant?“, mokierte sie sich augenverdrehend und tappte dann barfuß zu ihm hinüber. ,,Nur samstags. Und wenn schöne Frauen in der Nähe sind.“ Er grinste. Schnell zog sie ihm das Handtuch aus der Hand und schlang es sich wie eine Toga um. Trotzdem konnte sie ein Lächeln nicht unterdrücken. Als sie sah, wie seine Mundwinkel sich noch ein Stückchen haben, schnappte sie empört nach Luft. ,,Hey! Ich habe gesagt: nicht gucken!“ ,,Du hast das Handtuch doch schon um!“ ,,Woher willst du du das wissen? Und ich dachte, du bist ein Gentleman!“ Er lachte und als Alexandra zu ihm auf sah, sah sie, dass er die Augen geöffnet hatte. ,,Tja, eigentlich habe ich da so einen gewissen Ruf.“ ,,Das ist mir mehr als nur bewusst“, murmelte Alexandra, die auf einmal merkte, wie dicht sie vor ihm stand und, dass sie nur bedürftig in ein Handtuch gewickelt war. Er hielt sie in seinem glühenden Blick gefangen und auf einmal fiel es ihr schwer zu atmen. Sie spürte ein seltsames Ziehen in ihrem Unterleib. Einen bittersüßen Schmerz, der nur eines bedeuten konnte, aber das war unmöglich. Als sie sich das letzte Mal nach jemandem gesehnt hatte, war sei fünf gewesen und ihre Eltern hatten sie für drei Wochen zu ihren Großeltern gebracht. Doch das war um die zwanzig Jahre her. Ihre kleine innere Göttin räusperte sich kopfschüttelnd: Du siehst ihn an, wie eine Verdurstende ein Glas Wasser! Alexandra blinzelte und schaffte es endlich ihren Blick abzuwenden. ,,Tja, ich sollte mich wohl mal anziehen“, murmelte sie, raffte ihr Handtuch zusammen und verschwand im Bad. Sie ließ ihr Handtuch los, drehte den Wasserhahn voll auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Als sie in den Spiegel sah, erkannte sie sich mit geröteten Wangen und einem seltsamen, nie gekannten Ausdruck in den! Augen k aum selbst wieder. ,,Verdammt, Knight, was ist los mit dir?“, murmelte sie und vergrub das Gesicht in den Händen. Als ihr Herzschlag und Puls sich wieder normalisiert hatten, sah sie sich nach ihrem Kostüm um, dass sie gestern im Bad abgelegt hatte. Es war weg. ,,Christian?“, rief sie. ,,Wo ist mein Kostüm?“ ,,Ich hab´s versteckt“, rief er ihr durch die geschlossene Tür zu. ,,Sehr lustig. Wo ist es?“ ,,Sag ich nicht. Ich meine es ernst: ich habe es wirklich versteckt. Du kannst doch nicht sieben Tage die Woche, dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr im Kostüm rumlaufen! Weißt du überhaupt, was ein Pullover ist?“ Alexandra stöhnte. ,,Ich bin schon dreihundertsechsundsechzig Tage im Kostüm rum gelaufen. Ich mag das!“ ,,Nein, du kennst es nur nicht anders!“ Die Tür öffnete sich einen Spalt. ,,Hier. Zieh das an.“ Er warf ihr ein Kleidungsstück durch den Türspalt. ,,Christian, das ist ein Unterhemd!“ ,,Das ist ein Top!“ Sie hörte, wie er krampfhaft versuchte ein Lachen zu unterdrücken. ,,Ich laufe doch nicht in Unterwäsche herum!“ ,,Alexandra, nicht jede junge Frau ist mit Mitte zwanzig CEO eines der größten Unternehmen weltweit, Multimilliardärin, Boss von hunderttausenden Arbeitern und allergisch gegen das ganze Spektrum menschlicher Gefühle und Bedürfnisse.“ Alexandra schnappte empört nach Luft. ,,Na warte, du ...“ Er lachte. Schnell stieg Alexandra in das Top, griff nach dem Handtuch und riss die Tür auf. Er schien überrascht, dann breitete sich ein diebisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. ,,Ich bin NICHT allergisch gegen menschliche Gefühle oder Bedürfnisse!“ ,,Dann bist du entweder eine verdammt gute Schauspielerin oder die Eiskönigin in Person.“ Sie schlug mit dem Handtuch nach ihm, doch er wich lachend aus. ,,Ich habe viele Talente!“, knurrte sie. ,,Du b! ist ein Workaholic. Ohne deine Arbeit kannst du nicht leben.“ ,,Quatsch. Ich liebe meine Arbeit halt. Und ich tue das nicht nur, um Geld zu verdienen koste es was wolle, denn davon habe ich weiß Gott genug!“ Sie näherte sich ihm, das Handtuch locker in der rechten Hand. Er wich zurück, bis an die Wand, schien jedoch nicht einmal annähernd beeindruckt. ,,Ach ja? Wann hast du denn das letzte Mal Urlaub gemacht?“ ,,Urlaub? Also vor drei Monaten musste ich mal geschäftlich nach Kreta und ...“ ,,Das ist kein Urlaub! Weißt du überhaupt, was es bedeutet am Strand zu liegen, einen eisgekühlten Drink zu schlürfen und einfach mal nur zu entspannen?“ Alexandra blinzelte. Die Art Urlaub, von der er sprach, hatte sie das letzte Mal im Grundschulalter gemacht. ,,Siehst du?“, rief er triumphierend. ,,Kein Wunder, dass du immer so verspannt bist!“ Schnaubend holte Alexandra nach ihm aus. ,,Ich brauche keine Entspannung! Ich bin die Ruhe in Person!“ Er fing das Handtuch ab und zog sie so schnell an sich heran, dass sie keine Gelegenheit hatte, loszulassen. Seine Augen glühten düster, als er sich zu ihr hinunter beugte. Obwohl er sich ein T- shirt übergezogen hatte, begann ihr Herz erneut zu rasen und ungewollt weiteten sich ihre Pupillen. Sein Atem streifte ihre Lippen und unwillkürlich schluckte sie und leckte sich über die Lippen. ,,Die Ruhe in Person?“, murmelte er, mit einer leisen, tiefen Stimme, die Alexandra durch Mark und Bein ging, ohne sie auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen. ,,Ach ja?“ ,,Ganz genau“, murmelte Alexandra und hasste sich dafür, dass sie ihre Stimme schon wieder nicht unter Kontrolle hatte. ,,Hm“, schnurrte er. ,,Immer unter Kontrolle, Mrs Knight. Aber glauben Sie mir, ich werde herausfinden, was nötig ist, damit Sie einmal nicht Herr über sich selbst sind.“ ,,Ich wünsche Ihnen viel Glück bei dem Versuch, Mr Almound.&ld! quo; Has tig wich Alexandra ein paar Schritte zurück. In ihrem Top fühlte sie sich seltsam verletzlich und schutzlos. Er folgte ihr im geschmeidigen Gang einer Raubkatze. ,,Verfolgen Sie mich etwa, Mr Almound?“ Ein tiefes, dunkles Lachen. ,,Laufen Sie vor mir weg, Mrs Knight?“ Alexandra schluckte. ,,Ich glaube schon.“ Sie drehte sich um und stürzte zum Bett. Christian brauchte ein paar Sekunden, dann nahm er die Verfolgung auf. Mit einem Aufschrei sprang Alexandra auf das Bett und begann Christian mit Kissen abzuwerfen. Er fing sie oder wich ihnen aus, bis Alexandra völlig unbewaffnet war. ,,Oh nein!“ ,,Oh doch!“ Er grinste diabolisch und näherte sich dem Bett, ein Kissen in der Hand. Alexandra sprang von der Matratze, sodass das Bett zwischen ihnen stand. Sie sahen einander an und seine Augen glitzerten. Er legte den Kopf leicht schief, ohne sie aus den Augen zu lassen. ,,Alexandra“, sagte er ganz langsam, kostete jede Silbe aus, ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Südlich ihres Nabels zog sich alles zusammen. Aus seinem Mund klang ihr Name wie eine Liebkosung, so intim, dass es ihr beinahe die Schamesröte ins Gesicht trieb. Sie merkte gar nicht, dass er über das Bett gehechtet war, bis er sie mit sanftem Druck umstieß und auf die Matratze drückte. Er nagelte ihre Handflächen mit den seinen auf dem Bett fest, sodass sie sich nicht rühren konnte und gezwungen war, zu ihm hoch zu sehen. ,,Ich habe dich“, schnurrte er. ,,Du hast geschummelt!“, protestierte Alexandra. ,,Ach ja?“ Er beugte sich zu ihr hinab und verschränkte seine Finger mit den ihren. Sie wehrte sich nicht, starrte nur zu ihm hoch, unfähig den Blick abzuwenden. ,,Und was willst du dagegen tun?“ Sie schluckte heftig und biss sich auf die Unterlippe. ,,Ich … ich weiß es nicht.“ Ein Lachen, wie ein dunkles, samtiges Grollen. ,,Wusstest du, dass Alexandra die Männerabwehrende bedeutet?&ld! quo; ,,N a, das scheint ja nicht so gut geklappt zu haben“, murmelte Alexandra. ,,Überaus bedauerlich, nicht wahr?“ Er beugte sich noch tiefer herab, so tief, dass ihr stoßweise kommender Atem die feinen weichen Härchen an seinen Schläfen zittern ließ. Komm nicht näher!, dachte sie mit einem Gefühl der aufsteigenden Panik, während gleichzeitig ihr Herz zu rasen begann und bittersüßer Schmerz ihre Adern flutete. Wie konnte man etwas gleichzeitig so sehr wollen und so sehr fürchten? Sie blinzelte hektisch und sah, dass er sie aus tiefen, gefühlvollen Augen musterte, als könne er erraten, welchen Kampf sie gerade in ihrem Inneren austrug. ,,Wovor hast du solche Angst?“ Die Frage ließ sie heftig zusammenzucken, obwohl sie noch immer in seinem Griff gefangen war. ,,Ich … ich habe nicht … ich habe keine Angst.“ Sie konnte ihn nicht ansehen, während sie das sagte und wand sich in seinem Griff, um seinem Blick auszuweichen. Er schwieg einen Moment. ,,Ich glaube dir nicht“, sagte er dann und nun sah sie ihn doch wieder an. Er durchbohrte sie geradezu mit seinem Blick. ,,Dann tu´s nicht“, stieß sie hervor. ,,Aber das bringt dich der Wahrheit auch nicht näher.“ ,,Oh, näher als du glaubst“, sagte er mit einem tiefen Lachen. Ihre kleine innere Göttin zerrte eine Tafel herbei, auf der ihre beiden Namen standen und machte einen Strich unter Christians Namen. Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Er hat dich durchschaut. ,,Wenn hier jemand Bindungsängste hat, dann doch wohl du, Mr-ich-hatte-schon-mehr-Affären-als-es-Sterne-am-Himmel-gibt!“, hielt sie dagegen an. Er zog eine Augenbraue hoch. ,,Vielleicht hatte ich das, Mrs-ich-könnte-arme-hilflose-Verehrer-mit-meinr-Zunge-kastrieren-so-scharf-ist-sie, aber immerhin habe ICH es überhaupt versucht und mich nicht hinter einem Eispanzer versteckt. Und vielleicht habe ich auch nur auf die Richt! ige gewa rtet und wusste, dass ich sie noch nicht gefunden hatte. Jeder von uns sollte die Chance haben, seine wahre Liebe zu finden. Ich nicht auch?“ Sein Blick loderte. Alexandra war sprachlos. Und das gefiel ihr gar nicht. Noch nie hatte irgendjemand es geschafft, sie zum verstummen zu bringen, weil ihr schlicht und einfach die Worte fehlten. ,,Und? Warst du bei deiner Suche erfolgreich?“, krächzte sie schließlich. Ein langer, tiefer Atemzug streifte ihre Stirn. Christian zögerte. ,,Wenn ich das nur wüsste“, sagte er schließlich unerwartet leise, gab ihre Hände frei und ging davon. ,,Hey“, rief Alexandra, besorgt über seinem plötzlichen Gefühlsumschwung, vorsichtig. ,,Alles in Ordnung?“ Er zögerte auf halbem Weg zum Badezimmer. ,,Ja“, sagte er dann, ohne sich umzudrehen. ,,Ich glaube dir nicht.“ Sie sah, wie sich seine Schultern lautlos hoben und senkten, er zögerte, als würde er mit sich selbst ringen. ,,Und was willst du dagegen tun?“ Die Bitterkeit in seiner Stimme versetzte Alexandra einen Stich, doch er war schon im Bad verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen.

 

Als Alexandra die Treppen hinabstieg, war es noch vollkommen still in Sparks Manor. Als sie durch eine Tür spähte, sah sie einen riesigen, wunderschönen Flügel in einem der Räume stehen, der ganz in Gold und weiß und creme gehalten war. Vorsichtig drückte sie die Tür auf, doch es war niemand da. Sie ließ sich auf dem Klavierhocker nieder, strich zart über die Tasten und begann dann sachte zu spielen. Es musste Jahre her sein, dass sie zum letzten Mal Klavier gespielt hatte, doch ihre Finger flogen wie von selbst über die schwarzen und weißen Tasten und Alexandra schloss die Augen und merkte, wie sie sich entspannte. Erinnerungen stiegen in ihr auf. Erinnerungen daran, wie sie ihre Eltern verwünscht hatte, als diese sie dazu genötigt hatten ein Instrument zu spielen. Wie sie stundenlang geübt hatte und immer wieder gescheitert war. Wie sie ihre Notenbücher wütend durch den Raum geworfen und mitten aus der Klavierstunde gestürmt war. Und dann, wie der Knoten geplatzt war. Wie aus den grauenhaft schiefen Klängen eine wunderschöne zarte Melodie geworden war. Wie sie stundenlang da gesessen hatte, in ihr eigenes Spiel vertieft und wie sie an den Flügel gestürzt und sich in die Musik geflüchtet hatte, wenn sie wütend oder traurig gewesen war. Wie hatte sie das nur vergessen können? Ein schüchternes Stimmchen riss sie aus ihrer Trance. ,,Kannst du etwas spielen, was ich kenne?“ Alexandra sah auf. Irene sah sie unsicher an. Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf Alexandras Gesicht aus. ,,Was würdest du denn gerne hören?“ Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Irenes Gesicht aus. Sie überlegte. ,,Summertime Sadness!“, rief sie dann, begeistert von ihrem eigenen Vorschlag. Alexandra dachte einen Moment nach, dann griff sie in die Tasten und schlug die ersten Akkorde an. Zu ihrer Überraschung stimmte Irene mit ihrer kindlich! hohen u nd klaren Stimme mit ein: ,,Kiss me hard before you go … summertime sadness ...“ Ein warmes Glücksgefühl durchströmte Alexandra, als sie Irene aus voller Kehle mitsingen hörte und so viel Gefühl in ihre Stimme legte, wie es nur ein Kind mit seinem unschuldigen Vertrauen und seiner ungetrübten Hoffnung in die Welt konnte. Ein Anflug von Melancholie erfasste Alexandra. Wenn sie doch nur auch noch einmal so jung und sorglos sein könnte! Sie schob die tristen Gedanken beiseite und stimmte mit einem Anflug von Verwegenheit mit in ihr Lied ein: ,,Oh my God, i feel it in the air ...“ Sie wollte gerade zur nächsten Strophe ansetzen, als eine neue Stimme ertönte: ,,Kiss me hard before you go … summertime sadness ...“ Ohne ihr Spiel zu unterbrechen, drehte sie den Kopf und sah Grace, einen Kaffeebecher in den Händen, in den Raum kommen. Sie lächelte Alexandra augenzwinkernd zu. Alexandra erwiderte das Lächeln und dann schmetterten sie alle aus vollem Hals den Refrain: ,,I GOT THAT SUMMERTIME, SUMMERTIME SADNESS ...“ Alexandra merkte gar nicht, wie sich aufgeschreckt durch den Lärm, der Rest der Familie zu ihnen gesellte. Timothy war der nächste, der mit seiner hellen, klaren Stimme ein bezauberndes Duett mit seiner Schwester sang, dann stimmten Kate und Ashton mit ein und zuletzt Sparks selbst, mit einem dröhnenden Bass. Eine völlig irrationale Euphorie packte Alexandra, flutete ihre Adern mit einem prickelnden Hochgefühl. Sie fühlte sich so leicht und frei und sorglos- glücklich wie seit langem nicht mehr. Dieses Gefühl von Verbundenheit, von bedingungsloser Zuneigung, von Familie – wann hatte sie das das letzte Mal empfunden? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Schließlich sangen sie im Chor den letzten Vers und dann ließ Alexandra die letzten Töne verklingen und es wurde still. Dann brach Sparks allen voran in Applaus auf. Stolz und Verlegenheit wallt! en in Al exandra auf. ,,Ich wusste gar nicht, dass Sie Klavier spielen?“, erkundigte Sparks sich gut gelaunt. ,,Ich habe als Kind Klavierunterricht genommen. Ich wusste gar nicht, dass ich das noch kann“, erklärte Alexandra ihm, leicht schwindelig und überwältigt. ,,Sie spielen wirklich gut“, lobte Grace. ,,Spielen Sie uns doch noch etwas, Alexandra!“, bat Kate. ,,Chasing Cars?“, schlug Ashton vor. ,,Nein!“, widersprach Kate vehement. ,,Zu traurig!“ Ashton lachte und drückte sie liebevoll an sich. ,,Apologize?“, schlug Kate stattdessen vor. ,,Glaub mir, DAS würde ich dir nie verzeihen“, scherzte Ashton. Der Anblick der beiden, die sich zärtlich neckten, versetzte Alexandra einen Stich. Unwillkürlich hob sie den Kopf und suchte den Raum nach Christian ab, doch er war nicht da. Hastig wandte sie den Blick wieder ab. Schließlich einigten sie sich auf Hollywood Hills und danach spielte Alexandra doch noch Chasing Cars für Ashton, You´ll be in my heart für Kate, Sound of Silence für Timothy und zuletzt Photograph, obwohl die Verse einen bittersüßen Schmerz in ihrem Unterleib wachriefen und ihr Herz sich schmerzlich zusammenkrampfte. ,,Loving can hurt … loving can hurt sometimes …“ Alexandra merkte gar nicht, dass sie die Zeilen fast alleine sang. Ungewollt und unerklärlicher weise füllten Tränen ihre Augen, als sie And i won´t ever let you go sang. Ihre Sicht verschwamm in Tränen. Eine rollte langsam ihre Wange hinab und fiel glitzernd auf die Tasten, wo sie schimmernd, wie eine kristallklare Perle liegen blieb. Alexandra betete, dass niemand merkte, dass sie weinte. Sie zuckte heftig zusammen und hätte sich fast verspielt, als auf einmal eine neue, allzu vertraute Stimme, die ein seltsames Ziehen in ihrer Brust auslöste, die letzte Strophe anstimmte: ,,When I´m away … I will remember how you kissed me ...“ Alexandra sc! hloss di e Augen. Sie spürte Christians Präsenz fast körperlich. Sie zwang sich, das Lied bis zum Ende durchzuspielen und blieb noch ein paar Sekunden wie erstarrt auf ihrem Platz sitzen, während die anderen bereist applaudierten. Langsam drehte sie sich um. Er lehnte im Türrahmen und sie konnte den Blick, mit dem er sie betrachtete, nicht deuten. Die Sparks folgten ihrem Blick. ,,Christian, wie schön, dass Sie da sind!“, begrüßte Grace ihn herzlich. Das Lächeln, das er erwiderte, wirkte seltsam halbherzig. ,,Guten Morgen, Grace, ich wollte nur ...“ Er sah wieder zu Alexandra. Grace folgte seinem Blick und hob mit einem wissenden Lächeln eine Augenbraue. ,,Kommt, Kinder“, sagte sie dann und scheuchte ihre Familie aus dem Klavierzimmer. ,,Das Frühstück muss vorbereitete werden.“ ,,Neineineineinein!“, dachte Alexandra. ,,Lasst mich nicht allein!“ Unfähig sich zu rühren sah sie, wie Christian sich von der Wand abstieß und näher kam. Ruckartig stand Alexandra auf und stürzte hinter den anderen her, Christians verständnislose, nahezu schockierte Miene ignorierend. Im Vorbeirennen streifte sie seinen Arm und die Berührung durchfuhr sie wie ein prickelnder Stromschlag. Sie eilte hinter den anderen her und kam mit hämmerndem Herzen und leicht außer Atem in der Küche zum Stehen. Grace musterte sie überrascht. ,,Alles in Ordnung, Alexandra?“ ,,Ja, ja, klar“, sagte Alexandra schnell. ,,Ich wollte nur … äh … helfen, mich für Ihre Gastfreundschaft erkenntlich zeigen.“ Kate lugte hinter einer offenen Schranktür hervor. ,,Ich wünschte, mein Vater hätte öfter Geschäftspartner wie Sie“, grinste sie. Alexandra erwiderte das Lächeln etwas gequält. Grace schnalzte missbilligend mit der Zunge, doch ihre Augen blickten gütig. ,,Kate!“, rügte sie ihre Tochter mild. ,,Erinnerst du dich no! ch an di esen grauenvollen Mr Connors?“, fragte sie ihre Mutter und wandte sich dann an Alexandra. ,,Ein Widerling! Mein Vater hat ihn auch hier her eingeladen. Er hat sich benommen, als wären wir alle seine Diener, sich aufgeführt wie der Hausherr und mich die ganze Zeit angebaggert!“ Kate erschauderte. ,,Noch am selben Abend hat Vater ihn dem Himmel sei Dank wieder vor die Tür gesetzt. Ins Geschäft gekommen sind sie nicht.“ Kate grinste schadenfroh. ,,Aber Sie mag er“, fuhr sie fort. ,,Sie und Ihren Verlobten. Hut ab, Sie haben sich den bestimmt charmantesten und attraktivsten Typ der Nördlichen Hemisphäre geangelt.“ Sie zwinkerte Alexandra grinsend zu und auch diese konnte ein Grinsen nicht länger unterdrücken. Grace schüttelte nur mit einem halb besorgten, halb amüsierten Gesichtsausdruck den Kopf. In diesem Moment ertönten Schritte. Sofort begann Alexandras Herz erneut zu rasen. ,,Müssen die raus?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, grapschte sie sich den Stapel Teller, den Kate aus dem Schrank geholt hatte, und floh aus der Küche. Kate und Grace blickten ihr erstaunt nach. Draußen balgten Greg und Timothy sich spielerisch im Gras, während Ashton und Sparks blütenweiße Tischdecken über die Tafel von gestern ausbreiteten. Sparks blickte erfreut auf. ,,Ah, Alexandra. Das ist ja nett von Ihnen.“ Alexandra stellte die Teller ab und lächelte schief. ,,Das ist das mindeste, was ich tun kann, um mich zu revanchieren.“ Sie begann die Teller zu verteilen und merkte gar nicht, wie die anderen wieder im Haus verschwanden. ,,Läufst du schon wieder vor mir weg?“ Vor Schreck ließ sie fast den letzten Teller fallen. Als sie ihn abstellte, zitterte ihre Hand leicht. ,,Ich decke den Tisch“, murmelte sie, krampfhaft bemüht bloß nicht in Christians Richtung zu sehen. Als sie sich nähernde Schritte hörte, erstarrte sie. ,,Hast du Angst vor mir?! “ Sie stieß ein Geräusch halb lachen halb Schnauben aus. ,,Du bist der letzte, vor dem ich je Angst haben würde.“ ,,Wenn ich es nicht bin, dann ist es etwas anderes.“ Alexandra sah ihn im Augenwinkel hinter sich stehen und wollte um den Tisch herum fliehen, doch er packte sie am Handgelenk und ihr Schwung wirbelte sie herum, sodass sie jetzt doch direkt vor ihm stand. Sie starrte starr auf den Schwung seines Schlüsselbeins am Hemdansatz. ,,Du kannst nicht weglaufen“, sagte er leise. ,,Dieses Mal nicht. Sie beobachten uns.“ Alexandra warf einen schnellen Blick an ihm vorbei und sah Sparks, Greg, Kate und Grace am Fenster stehen und in den Garten hinabblicken. ,,Ich laufe nicht weg!“, wiederholte sie. ,,Doch, das tust du. Du weichst mir aus, du meidest mich, aber ich bin dein Verlobter, Alexandra, und du kannst mir nicht aus dem Weg gehen.“ Der Ton seiner Stimme ließ sie nun doch zu ihm aufsehen. ,,Nicht, wenn du nicht willst, dass deine Tarnung auffliegt“, fügte er hinzu. ,,Meine Tarnung?“, wiederholte Alexandra. ,,Unsere!“ Ein Schatten verdunkelte seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde. ,,Für dich ist das alles ein Spiel, nicht wahr?“ Alexandra runzelte die Stirn. ,,Für dich nicht?“ Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und für einen Moment wirkte er regelrecht wütend, ehe sich seine Stirn wieder glättete. ,,Alexandra, man spielt Monopoly, man spielt Poker, aber eine Ehe spielt man nicht!“ Alexandra öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch ehe sie ein Wort über die Lippen bringen konnte, hatte Christian sie an sich gezogen. Überrascht schnappte sie nach Luft. ,,Spiel mit“, raunte er ihr ins Haar. ,,Sie sehen uns immer noch zu.“ Langsam befreite Alexandra ihre Arme, die bei der überraschenden Umarmung zwischen ihnen eingeklemmt worden waren, und legte sie um Christian. Sie spürte die harten Muskeln, die sich bei ihrer Berührung! unter d em dünnen Stoff des T- shirts erst anspannten und dann wieder entspannten. Unwillkürlich fuhr sie mit den Fingern zart die Wölbungen der Muskeln nach und sie hörte ihn leise seufzen, als ihre Hand von seiner Schulter zu seiner Taille hinabglitt. Sie keuchte lautlos auf, als er sie noch fester an sich zog und seinen Kopf an ihren lehnte. Ein seltsamer Instinkt ergriff von Alexandra Besitz. Wie von selbst schmiegte sie den Kopf an Christians Hals und atmete den warmen Duft seiner Haut ein, genoss das Kitzeln seiner weichen Haare an ihren Schläfen, den sanften Druck seiner Hände um ihre Taille, das Gefühl absoluter Geborgenheit und Sicherheit. Als er sich schließlich von ihr löste und sie auf Armeslänge von sich schob, fühlte sie sich seltsam kalt und einsam und ihr Instinkt drängte sie, sich wieder an ihn zu lehnen. Doch sie kämpfte ihn gewaltsam nieder und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Hände ruhten noch immer hauchzart auf ihren Schultern. Als er die Arme runter nahm und seine Finger dabei sachte ihre bloßen Oberarme streiften, durchzuckte die Berührung sie wie ein Stromschlag. ,,Tut mir leid“, murmelte er. ,,Ich … ähm … ich konnte einfach nicht anders.“ ,,Ist schon gut“, meinte Alexandra und lächelte schief. ,,Du kannst ja nichts dafür, dass ich so anziehend bin“, neckte sie ihn mit blitzenden Augen. Er sah sie an und sie sah das altbekannte Funkeln in seinen Augen. Ein schelmisches Grinsen hob seine Mundwinkel. ,,Fairerweise muss man sagen, dass du dir nicht besonders viel angezogen hast.“ Alexandra schnaubte empört. ,,Hey, DU hast mein Kostüm versteckt!“ ,,Ja, Gott sei Dank“, lachte er mit einem diebischen Funkeln in den Augen. ,,Wenn du eine von den Frauen willst, die Hosen tragen, die knapper sind als meine Gürtel und deren Oberteile so kurz sind, dass es sich im Prinzip gar nicht lohnt sie überhaupt erst anzuzie! hen, ste ht es dir frei zu gehen!“ Er lachte auf. ,,Du willst doch gar nicht, dass ich gehe, Liebste.“ Alexandras Herz setzte einen Schlag aus. Es war die eine Sache jemanden zum Spaß Liebling oder Schatz zu nennen, aber Liebste war mehr als nur ein spielerischer Kosename. ,,Denkst du, ich würde dich vermissen, Liebster?“, konterte sie, obwohl die Gedanken in ihrem Kopf rasten. ,,Mehr als das“, grollte er. ,,Du brauchst mich.“ Alexandra lachte auf. ,,Tue ich das? Und nun soll ich auf die Knie fallen und dich anflehen zu bleiben?“ Er schlich wie ein Panther auf sie zu. ,,Das wäre doch ein Anfang. Aber wer weiß? Vielleicht bleibe ich sogar freiwillig bei dir.“ Alexandra hob spöttisch eine Augenbraue. ,,Und was soll ich deiner Meinung nach dafür tun?“ seine Augen blitzten auf. ,,Tja, nun, da du herausgefunden hast, auf welche Art Kleidung ich stehe ...“ Ein Geräusch, halb Lachen, halb Schnauben, brach aus Alexandra heraus. ,,Das hättest du wohl gerne!“ ,,Vertrau mir, ich kann sehr überzeugend sein“, schnurrte er mit einem dunklen Glimmen in den Augen, bei dem es Alexandra heiß überlief. ,,Du wirst dir an mir die Zähne ausbeißen, Almound.“ Ein leises, tiefes Lachen. ,,Wer nach einer Rose verlangt, sollte sich nicht davor fürchten, von ihren Dornen verletzt zu werden.“ Ein seltsames Gefühl wallte in Alexandra auf und südlich ihres Nabels zog sich alles zusammen. ,,Flirten Sie etwa mit mir, Mr Almound?“ ,,Ich denke schon, Mrs Knight.“ Er sah ihr tief in die Augen. Alexandras Lächeln vertiefte sich. Sie würde dieses Spiel mitspielen. ,,Ich würde dir ja jetzt sagen, dass ich noch nie jemanden getroffen habe, der so charmant ist wie du, aber dann würdest du denken, ich flirte mit dir.“ Jetzt war es an ihr, ihm tief in die Augen zu sehen. ,,Und damit hättest du recht.“ Seine Augen weiteten sich vor Überraschung! und ein berauschendes Hochgefühl packte sie. Sie hätte nie gedacht, dass Flirten so viel Spaß machen würde. In einem Anflug von Verwegenheit stolzierte sie auf ihn zu, ohne ihn eine Sekunde aus den Augen zu lassen und sie sah mit Vergnügen, wie sich seine Augen angesichts ihres lasziven Hüftschwungs ungewollt weiteten. Sie strich mit den Fingern sanft an seinem Kinn entlang. ,,Ich wusste ja, dass ich atemberaubend bin, aber ich scheine dir ja völlig die Sprache verschlagen zu haben“, schnurrte sie mit einem demonstrativen Wimpernaufschlag. ,,Sie überraschen mich immer wieder, Mrs Knight“, murmelte er mit belegter Stimme. ,,Und Sie starren mich an, Mr Almound.“ Seine Augen glühten auf. ,,Ich genieße nur die Aussicht. Und solange Sie in der Mund-zu-Mund-Beatmung bewandert sind, können Sie mir gerne jederzeit den Atem rauben, Mrs Knight.“ ,,Wer mit dem Feuer spielt, kann sich verbrennen, Mr Almound.“ ,,Glauben Sie mir, es gibt Dinge, die sind deutlich heißer.“ Ein träges, laszives Lächeln umspielte seine Lippen und unter den dichten Wimpern glitzerten seine Augen. ,,Als Gott Sie geschaffen hat, wollte er sicher angeben“, frotzelte Alexandra. Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er sie gepackt und an sich herangezogen. ,,Zum Glück hat mir auch beigebracht, sich zu benehmen“, schnurrte er. ,,Wer weiß, was ich sonst tun würde ...“ Sein Blick glitt über ihren Körper und erneut fühlte Alexandra sich in ihrem dünnen Top seltsam nackt. Sie legte ihm eine Hand auf die Brust, um das letzte bisschen Abstand zu bewahren. ,,Was für unzüchtige Gedanken, Mrs Almound. Sie sind wirklich unerhört!“ ,,Unerhört was? Attraktiv? Charmant?“ Sein intensiver, dunkler Blick ließ Hitze in ihr aufwallen. ,,Muss ich mich für eins von beiden entscheiden?“, murmelte sie, unfähig den Blick abzuwenden. ,,Wer hätte gedacht, d! ass es i nnerhalb von zwei Tagen zwei grundverschiedene Gründe gibt, aus denen Sie mich sprachlos machen.“ ,,Ich habe viele Talente. Aber vielleicht kennen Sie mich auch einfach nicht gut genug.“ ,,Ich bin dabei, das zu ändern. Und ich kriege immer, was ich will.“ ,,Sie scheinen ein gefährlicher Mann zu sein, Mr Almound. Aber bedenken Sie, dass es immer ein erstes Mal gibt.“ ,,Vielleicht sollten Sie sich von mir fernhalten, Mrs Knight. Zu Ihrer eigenen Sicherheit.“ Alexandra warf lachend den Kopf zurück. ,,Hörst du mich, Gefahr? Ich lach´ dir ins Gesicht“, zitierte sie den König der Löwen. Sie wand sich aus seinem Griff und ließ ihre Hand, die er mit der seinen gepackt hatte, um sie an sich heran zu ziehen, mit qualvoller Langsamkeit aus seinen Fingern gleiten. ,,Außerdem würdest du es ohne mich keine Minute aushalten.“ Sie zwinkerte ihm zu, ehe sie wusste, wie ihr geschah. ,,Ich wette nicht, wenn ich weiß, dass ich verliere“, konterte er und nun war sie es wieder, die von seinen Worten überrumpelt wurde. Sie wollte gerade zu einer Gegenantwort ansetzen, als Kate die Treppe zur Veranda hinab und auf sie zukam. ,,Genug geflirtet, ihr Turteltäubchen. Jetzt gibt’s Frühstück und danach könnt ihr liebend gerne wieder übereinander herfallen. Die Zimmerschlüssel liegen in der Kommode im Flur.“ Sie zwinkerte den beiden grinsend zu. Während Christian auf seine typische lässig- charmate Art zurück grinste, errötete Alexandra vor Verlegenheit. Was zum Teufel war nur in sie gefahren? Noch immer war sie wie berauscht, ihr Herz schlug schnell und hart, das Blut rauschte in ihren Ohren, sie war so wach wie selten zuvor und nahm alles überdeutlich war. Als sie merkte, wie ihr Blick schon wieder zu Christian hinüber huschte, wandte sie den Kopf gewaltsam ab und beobachtete stattdessen übertrieben aufmerksam die Sparks, die mit Brotkör! ben und Tabletts die Treppen zur Veranda hinab kamen. Eine glühend heiße Welle rollte durch ihre Adern und brachte ihr Blut zum Sieden, als Christian auf einmal hinter sie trat, so dicht, dass sie sich beinahe berührten. Der Drang sich an ihn zu lehnen, stieg in Alexandra auf, doch sie rang ihn nieder. ,,Es gibt wesentlich interessanter Dinge zu sehen, als jemand, der ein Tablett mit Teetassen trägt“, raunte er ihr ins Ohr. ,,Und du hältst dich für eines dieser interessanten Dinge?“, murmelte Alexandra, krampfhaft bemüht ihn nicht anzusehen. ,,Du nicht?“ Sie hörte das Grinsen in seiner Stimme und spürte, wie sich ihre Mundwinkel ungewollt hoben. ,,Bescheidenheit ist auch eine Tugend, Don Juan.“ ,,Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt sich´s ohne ihr“, witzelte er. Sie stieß ein Geräusch halb Lachen, halb Schnauben aus und stieß ihm spielerisch den Ellbogen in die Rippen. Ihre kleine innere Göttin hob belustigt den Blick von einem Buch mit dem Titel Zehn Anzeichen, an denen du erkennst, dass eine Frau auf dich steht. Alexandra warf ihrem Unterbewusstsein einen vernichtenden, genervten Blick zu. Ihre kleine innere Göttin schüttelte nur mitleidig den Kopf. In diesem Moment kam Irene angelaufen und zog an Alexandras Arm. ,,Kannst du neben mir sitzen?“ ,,Klar doch“, antwortete Alexandra überrascht. ,,Aber ...“, setzte Christian an. Sie grinste ihm neckisch zu. ,,Du wirst es überleben.“ Als sie Irene folgte, fragte sie sich, ob seine unglückliche Miene nur gespielt war.

Das Frühstück lief in gewohnt heiterer Stimmung ab. Sparks schlug vor eine Bootsfahrt auf einem der nahegelegenen Seen zu machen und vor allem von den Kindern wurde der Vorschlag begeistert angenommen. Alexandra ertappte sich dabei, wie sie ständig zu Christian hinüber schielte, der ihr schräg gegenüber saß, doch sobald er in ihre Richtung sah, wandte sie den Blick schnell wieder ab. Jedes Mal, wenn ihre Hände sich zufällig berührten, weil sie gleichzeitig zur Kaffeekanne griffen, durchfuhr ein Schauer Alexandra und sie zuckte zurück, als hätte sie an einen Stromzaun gefasst. Kate, der das als einzige aufzufallen schien, beobachtete das ganze mit offensichtlicher Belustigung. Alexandra, die bis vor ein paar Tagen gar nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt erröten konnte, bemerkte zu ihrer grenzenlosen Verlegenheit, dass ihre Wangen erhitzt glühten und in ihren Augen ein verräterisches Funkeln lag. Mit glühendem Kopf versenkte sie den Blick in der Kaffeetasse und fragte sich, warum ihre Hormone auf einmal verrückt spielten. Als jemand sie antippte, schreckte sie hoch. ,,Wie? Ja, ja, finde ich auch“, war das erste, was ihr spontan einfiel, um so zu wirken, als hätte sie zugehört. Kate, die sie angetippt hatte, hob eine Augenbraue. ,,Sie finden, dass Hannibal Lecter genauso eine Kultfigur ist, wie der Osterhase?“ Alexandra zog verlegen den Kopf ein. ,,Äh … nein nein, natürlich nicht, aber immerhin ist der junge Hannibal Lecter attraktiver als der Osterhase.“ Kate nickte grinsend. ,,Wer zieht denn bitte einen durchgeknallten, menschenfressenden, geistesgestörten Serienmörder einem vernünftigen Typen vor?“, mischte Ashton sich gespielt eifersüchtig ein. Alexandra hob langsam die Hand. ,,Er ist brillant, geheimnisvoll, loyal bis zum Tod, tut alles, für die, die er liebt, ehrlich, ein genialer Psychologe, aber leider schwer traumatisiert, wie es ! vermutli ch alle wären, vor deren Augen die ganze Familie getötet wird.“ ,,Leider ist er nicht nur Psychologe, sondern auch Psychopath, aber Schönheit blendet ja bekanntlicher maßen.“ Christian warf Alexandra einen herausfordernden Blick zu. ,,Eifersüchtig?“, neckte sie ihn. Seine Augen blitzten auf. ,,Immer“, schnurrte er. ,,Angst ersetzbar zu sein?“, fragte Alexandra mit einem diabolischen Lächeln. Er beugte sich so weit zu ihr vor, wie der Tisch es zuließ. ,,Niemals!“, raunte er. ,,Hey, Alexandra.“ Kate beugte sich breit grinsend vor. ,,Wie nennt man einen intelligenten, attraktiven, bescheidenen Mann?“ Alexandra grinste zurück. ,,Ein Gerücht.“ Die beiden Frauen klatschten sich ab. Christian schüttelte mit einem resignierten Lächeln den Kopf und lehnte sich zurück. ,,Gegen so viel Boshaftigkeit komme ich nicht an.“ Ashton grinste und nickte zustimmend. ,,Und das ist der Grund, warum Frauen immer das letzte Wort haben.“ Kate grinste Alexandra verschwörerisch zu. ,,Weil den Männern nichts mehr einfällt.“ ,,Ein Mann ein Wort. Eine Frau ein Wörterbuch“, konterte Ashton. ,,Als Gott die Erde schuf, sagte er, dass der ideale Mann an jeder Ecke zu finden sei.“ Alexandra grinste den beiden jungen Männern auf der anderen Seite des Tisches schelmisch zu. ,,Und dann machte er die Erde rund.“ ,,Ich habe nie behauptet perfekt zu sein“, grinste Christian. ,,Aber ich bin ziemlich nahe dran.“ Seine Augen funkelten verschmitzt. Alexandra lehnte sich vor. ,,Sollen wir das diskutieren, Mr Perfect?“ Christian beugte sich ebenfalls vor, so dicht, dass ihr sein verlockende Duft nach Sommer, frisch gemähtem Gras und Sonnenschein in die Nase stieg. ,,Von mir aus gerne.“ Die langen Schatten, die seine Wimpern warfen, ließen seine Augen noch tiefer und dunkler erscheinen. Ashton lehnte sich mit einem leisen Lachen zu ihm hin&uum! l;ber. , ,Mit Frauen spielt man nicht, Christian. Es sei denn, sie sind ans Bett gefesselt.“ Er zwinkerte Kate, die empört nach Luft geschnappt hatte, neckisch zu. ,,Hier sind Kinder am Tisch, Christian Grey!“, tadelte sie ihn. ,,Laters, Baby“, schnurrte Ashton mit einem übertrieben anzüglichen Grinsen. Kate erröte, doch sie fiel in das Gelächter der anderen mit ein. Zufriedenheit und Wehmut zugleich überkamen Alexandra, überrollten sie völlig unvorbereitet und raubten ihr den Atem. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, während Trauer und Freude in ihr rangen. Erst Grace Worte: ,,Kinder, Kinder, hört auf, euch gegenseitig zu ärgern!“, rissen sie aus ihrer Trance. ,,Aber du weißt doch“, lachte Kate. ,,Was sich neckt, das liebt sich.“ Alexandra zuckte zusammen. Ungewollt zuckte ihr Blick hinüber zu Christian. Die Gefühle in seinen Augen waren undefinierbar. Ruckartig wandte sie den Blick wieder ab.

Sobald Grace die Tafel auflöste, sprang Alexandra auf, begann hektisch schmutzige Teller aufeinander zu stapeln und eilte mit dem Stapel in die Küche, noch bevor Christian überhaupt aufgestanden war. Sie stellte gerade den letzten Teller in den Geschirrspüler, als er, gefolgt von Greg und Ashton, beladen mit einem Tablett, in die Küche kam. Ruckartig richtete sie sich auf und floh um die Kücheninsel herum in den nächsten Raum. Im Augenwinkel sah sie, wie Christian hastig sein Tablett abstellte, um ihr zu folgen. Ohne viel nachzudenken riss sie die Tür zum angrenzenden Zimmer auf und durchquerte einen saalähnlichen Raum im Laufschritt. ,,Alexandra?“ Im Laufen drehte sie sich um und sah Christian in der Tür erscheinen. Sie beschleunigte ihren Schritt und bog blind nach rechts ab, eilte durch einen identischen Raum, ging immer schneller, bis sie rannte. ,,Alexandra!“ Orientierungs- und ziellos stürzte Alexandra durch die Hallen, Flure und Räume von Sparks Manor. Sie brauchte Zeit, um sich über ihre Gedanken und Gefühle klar zu werden, doch in Christians Nähe schien ihr rationaler, gesunder Menschenverstand jedes mal auszusetzen. Als sie schnelle Schritte hinter sich hörte und sich im Rennen umdrehte, wäre sie fast in Grace hineingerannt. ,,Immer mit der Ruhe, Kind!“ Grace hielt sie am Arm fest. ,,Ist alles in Ordnung?“ ,,Ja … ja“, stotterte Alexandra und warf einen nervösen Blick über die Schulter. ,,Ich … ähm … ich musste nur schnell auf die Toilette. Wo war die noch gleich?“ Sie lächelte schief. Grace hob kaum merklich eine Augenbraue und deutete dann über den Gang zu einer Tür. ,,Danke.“ Alexandra machte sich los, riss die Tür auf und verbarrikadierte sie hinter sich, genau in dem Moment, in dem Christian um die Ecke gebogen kam und rutschend vor Grace zum Stehen kam. ,,Oh, Grace, tut mir leid. Ich habe nur … ich bin ! nur ...& ldquo; ,,Ihre Verlobte ist dort hinein gegangen“, unterbrach Grace seine Stotterei mit unüberhörbarer Belustigung in der Stimme. ,,Grace!“, stöhnte Alexandra halblaut und raufte sich die Haare. Vermutlich war ihr seltsames Gehabe für den Rest der Familie zum Schreien komisch. Alexandra hörte, wie sich Grace Schritte entfernten und sie noch: ,,Junge Liebe!“, murmelte, als auch schon jemand – Christian – gegen die Tür hämmerte. ,,Alexandra! Bist du da drinnen?“ ,,Nein!“, knurrte Alexandra, gegen die Tür gelehnt. ,,Was ist los?“ Christian klang regelrecht aufgelöst. ,,Was ist los mit dir? Warum läufst du schon wieder vor mir weg?“ ,,Mit mir ist gar nichts los!“ Alexandra stieß sich von der Tür ab, drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht. ,,Wird das jetzt so ein Running Gag mit dem Weglaufen? Wenn ja: das ist NICHT lustig!“ Mit einem frustrierten Stöhnen lehnte Christian die Stirn an die Tür. ,,Ich verstehe das nicht! In einem Moment spielst du die sexy, coole, smarte, junge Frau, die mit ihrem Charme jedem Mann den Kopf verdrehen könnte und im nächsten Moment bist du wieder die eiskalte, unnahbare CEO, die jeden abblitzen und niemanden an sich heranlässt!“ Alexandra lehnte sich gegen das Waschbecken und spürte den Stein unangenehm doch verdient kalt und hart in ihrem Rücken. ,,Vielleicht liegt das daran, dass ich eine eiskalte, unnahbare CEO bin? Eiskalt und steinhart wie ein Diamant, schon vergessen?“ Er stöhnte. ,,Aber das glaube ich dir nicht!“ Alexandra biss die Zähne zusammen. ,,Und was willst du dagegen tun?“ ,,Alexandra Knight! Du machst mich wahnsinnig!“ Ihr rechter Mundwinkel hob sich unwillkürlich. ,,Ist das gut oder schlecht?“ ,,Tja, ich versuche gerade das herauszufinden. Könntest du bitte aufmachen?“ ,,Das ist eine Toilette!“ ,,Wusstest! du, das s man diese Art Schloss ganz leicht von außen mit einer zehn-Cent-Münze aufmachen kann?“ ,,Wage es nicht!“ Sie eilte zur Tür. ,,Dann komm raus und rede mit mir! Sag mir, was los ist!“ ,,Was los ist?“ Ihr Auflachen klang schon beinahe hysterisch. Sie lehnte sich an die Tür. Allein schon das Wissen, dass er auf der anderen Seite vermutlich genau dasselbe tat und sie nur durch ein paar Zentimeter Holz getrennt waren, vernebelte ihr den Kopf. ,,Ich dachte, dass alles hier wird ganz einfach! Ich dachte, wir kommen hier einfach her, tun so, als wären wir verlobt, ich schließe den Vertrag mit Sparks und dann gehen wir wieder und tun so, als hätten wir uns nie getroffen. Ich dachte, dass alles wird ganz leicht, weil wir quasi versucht haben, einander umzubringen. Ich dachte, wir würden vor den anderen das glückliche, verliebte Pärchen spielen und uns dann, wenn wir alleine sind, keines Blickes würdigen! Aber ich habe mich geirrt! Ich habe mich geirrt, verdammt!“ Alexandra hörte die Verzweiflung in ihrer eigenen Stimme, doch sie konnte nichts dagegen tun. ,,Das läuft alles nicht so, wie ich es geplant hatte! Alle hier sind so nett und so gastfreundlich und zum ersten Mal seit Jahren habe ich irgendwie das Gefühl, Teil einer Familie zu sein, einer echten, großen, glücklichen Familie, die einander zwar ärgern, aber sich trotzdem lieben und vertrauen und dann sind da Sparks und Grace, die seit so vielen Jahren glücklich verheiratet sind und Kate und Ashton, die so glücklich zusammen sind und … und ...“ Tränen verschleierten Alexandras Sicht und sie ließ sich an der Tür zu Boden sinken. Ihre Kehle brannte, ihr Brustkorb war wie zugeschnürt. ,,Ich dachte, im Spiel und in der Liebe wäre alles erlaubt“, flüsterte sie, so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob er es überhaupt verstanden hatte. ,,Das hier ist kein Spiel, Alexandra.“ ! Christia ns Stimme klang so sanft, dass es ihr im Herzen wehtat. ,,Ich weiß.“ Ihre Stimme war kaum mehr, als ein Hauch. ,,Aber was ist es dann?“ Sie lehnte sich an die Wand, hob den Arm und schloss auf. Vorsichtig öffnete Christian die Tür. Als er sie auf dem Boden sitzen sah, wurden seine Miene und sein Blick weich. Langsam und zögerlich, als wäre sie ein schüchternes Tier, das bei der kleinsten, falschen Bewegung fliehen würde, ließ er sich vor ihr nieder. Er machte keine Anstalten sie zu berühren und obwohl ein Teil von Alexandra sich nach einer zärtlichen Berührung sehnte, war sie doch froh darüber. ,,Alexandra“, begann er mit seiner leisen, tiefen Stimme ohne sie aus den Augen zu lassen. ,,Von allen Frauen, die ich je kannte, bist du die stärkste von allen. Du hast so viel, was andere sich wünschen, so viel, um das viele dich beneiden. Dein Job, dein Erfolg, dein Vermögen. So viele wünschten, sie wären wie du.“ ,,Glaub mir, das will niemand“, unterbrach Alexandra ihn mit erstickter Stimme. ,,Lass mich ausreden“, fiel er ihr sanft ins Wort. ,,Du hast dich hochgearbeitet, du hast dein halbes Leben lang nur gekämpft. Immer musstest du stark sein, immer musstest du gerade stehen und lächeln und für die Welt so tun, als wärst du eine Maschine, die keinerlei Bedürfnisse und Gefühle hat, die unerschöpflich ist, unzerstörbar, unnahbar. Aber das bist du nicht und das musst du nicht sein. Du denkst vielleicht, du musst immer stark sein und alles alleine schaffen, aber das musst du nicht! Sei einfach mal ein Mensch. Sei einfach mal die, die du sein willst und nicht die, die die Welt in dir sieht: eine eiskalte, steinharte, unnahbare CEO. Ich glaube, dass du viel mehr bist und ich glaube auch, dass du Angst hast, das zuzulassen, weil du die Kontrolle verlieren würdest, wenn du einmal auf dein Herz hören würdest, anstatt auf deinen Verstand.&ldqu! o; Alexa ndra starrte ihn an, unfähig den Blick abzuwenden. Auch ihre kleine innere Göttin war sprachlos. Unsicher sah Christian sie an, als fürchte er sich vor ihrer Reaktion. Er lächelte zögerlich und streckte vorsichtig seine Hand aus. Alexandra erzitterte. ,,Ich kann nicht“, flüsterte sie tonlos und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr war kalt, doch diese Kälte kam aus ihrem tiefsten Inneren. ,,Alexandra ...“ ,,Bitte!“, flüsterte sie und sah ihn flehend an. Er seufzte tief und sie sah, dass er erneut widersprechen wollte. Zögerlich streckte sie die Hand nach ihm aus und schüttelte den Kopf, um ihn am Sprechen zu hindern. ,,Bitte glaub mir. Ich kann nicht!“ Sie sah Schmerz in seinen Augen aufflackern. Es brach ihr fast das Herz. Sie biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte, in der Hoffnung der physische Schmerz wäre stärker als der psychische. Christian schloss die Augen und atmete tief durch, als müsse er sich fassen. Dann stand er auf und streckte ihr die Hand entgegen. Mit einem schiefen Lächeln ergriff Alexandra sie und ließ sich hochziehen. ,,Alexandra? Christian? Kommen Sie?“, tönte Grace Stimme in diesem Moment durch den Flur. Nur widerwillig ließ Christian Alexandra los, als diese vorsichtig ihre Finger aus seinem Griff löste und Grace´ Stimme in die Küche folgte, wo der Rest der Familie sich bereits versammelt hatte. Sie stiegen in die Limousine, die Sparks hatte kommen lassen. Christian, Alexandra und Irene mussten sich zu dritt auf eine Zweiersitzbank quetschen, sodass Alexandra, die in der Mitte saß, dicht an Christian gepresst wurde. Seine Nähe ließ sie wieder einmal keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es wurde immer schlimmer. Ihre kleine innere Göttin fuchtelte hektisch mit den Händen, um Alexandra dazu zu bewegen näher an Christian heran zu rutschen und schlug sich die Hand vor die Stirn, als Alexandra ihr inne! rlich ei nen Vogel zeigte. Alexandra sah durch die Fenster die Berge und Wälder, grasbewachsene Hügel, Lichtungen und Felder vorbeiziehen. Sie würde diese friedliche, wunderschöne Landschaft vermissen, wenn sie wieder in New York war. ,,Wunderschön“, murmelte Christian dicht an ihrem Ohr, doch er sie an, während er das sagte.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Bald hielten sie an einem wunderschönen, blau schimmernden Bergsee. Ehe der Chauffeur ihnen die Türen öffnen konnte, war Christian ausgestiegen und hielt Alexandra mit einer galanten Geste die Hand hin. ,,Mylady“, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. Alexandra ergriff seine Hand und ließ sich von ihm aus dem Wagen helfen.

,,Das ist der Emigrant Lake“, erklärte Sparks ihnen, während sie zum Ufer hinabgingen, wo mehrere Kanus aufgereiht an Land warteten. ,,Ich hoffe, du kannst schwimmen“, murmelte Christian Alexandra grinsend zu. ,,DU wirst gleich ins Schwimmen geraten, mein Freund“, drohte Alexandra. ,,Vergiss nicht: Da draußen auf dem See sind nur du und ich. Niemand, der dich vor mir beschützen kann.“ ,,Ich freue mich schon“, meinte er mit einem Blick, der sie erschaudern ließ. Kate und Ashton ließen bereits mit geübten Bewegungen ihr Kanu zu Wasser. Sie und Greg waren zwangsverpflichtet worden die Kinder mit zunehmen, die in Protestgeschrei ausbrachen, als Grace verlangte, dass sie Schwimmwesten anzogen. ,,Ich kann schwimmen!“ Wütend verschränkte Timothy die Arme vor der Brust. ,,Kann Christian mich nicht retten, wenn ich ins Wasser falle?“, fragte Irene empört. ,,Nein, kann er nicht!“, erklärte Kate mit einem Anflug von Genervtheit in der Stimme, während Christian still in sich hineingrinste. ,,Na, wie fühlt man sich so als Schwarm aller Frauen der Nördlichen Hemisphäre?“, spottete Alexandra, während die ihm half das Kanu ins Wasser zu schieben. ,,Ich kann ja nichts dafür, dass ich so anziehend auf Frauen wirke“, entschuldigte er sich grinsend. Sie schüttelte nur den Kopf über seine charmante Dreistigkeit. ,,Hat dich eigentlich irgendeine Frau schon mal abgewiesen?“ ,,Eine“, antwortete er ohne zu zögern. ,,Wow“, meinte Alexandra gespielt beeindruckt. ,,Ich muss sie dringend kennenlernen, ihr die Hand schütteln und den nächstbesten Geistlichen bestechen, damit er sie zu einer Heiligen macht. Wer ist sie?“ Er sah sie frustriert an. ,,Ich könnte sie dir beschreiben …. oder dir einen Spiegel geben.“ ,,Oh.“ Er hielt das Kanu fest. ,,Kommst du?“ Sie griff nach einem der Paddel und stieg in den hinteren! Teil de s Bootes. Christian watete durch das flache Wasser und stieg in den vorderen Teil. Alexandra hielt sich am Rand fest, als das Kanu wild schwankte. Sparks und Grace waren bereits ein Stück weit auf den See hinaus gerudert, Kate, Ashton und Irene folgten ihnen, wobei Irene sich aus dem Boot gelehnt hatte und die Hand ins Wasser hielt. Greg und Timothy mühten sich ab vom Ufer wegzukommen. Alexandra hörte, wie Greg dem Kleinen mit wachsender Ungeduld zu erklären versuchte, wie er das Paddel richtig benutzen musste. ,,Wenn du fertig bist, Gregory Sparks anzuhimmeln, könnten wir losfahren“, meinte Christian ironisch. Alexandra schnaubte. ,,Greg ist nicht nur jünger als ich, sondern auch ganz bestimmt nicht mein Typ!“ ,,Ach, stehst du etwa nicht auf die Sorte schmierige Kerle, die sich an verlobte Frauen heranmachen?“ Christians Stimme triefte vor Sarkasmus und obwohl er Alexandra den Rücken zuwandte, hätte sie schwören können, dass er Greg einen vernichtenden Blick zuwarf. ,,Eifersüchtig?“, fragte sie grinsend. Er schnaubte nur. ,,Es gibt Leute die sagen, dass Eifersucht nicht daher kommt, dass man am anderen zweifelt, sondern daran, dass man selbst gut genug ist. Also, Zeit zu beichten: Leidet der große Christian Almound etwa an Minderwertigkeitskomplexen?“, neckte sie ihn. ,,Ich bin nicht eifersüchtig!“, knurrte er. ,,Ich teile nur nicht gerne! Außerdem habe ich genau gesehen wie giftig du Kate angesehen hast, als ich ihr gestern das Kompliment mit der Elfe gemacht habe.“ Alexandra schnaubte. ,,Wenn man einen Löwen eifersüchtig machen will, sollte man nicht auf einen Esel steigen.“ Er lachte. ,,Ich wusste es!“ ,,Du weißt gar nichts, Christian Almound.“ Bei diesen Worten drehte er sich mit einem diebischen Grinsen zu ihr um. ,,Ach nein? Ich kann dich gerne vom Gegenteil überzeugen, wir müssen nur irgendwo eine nette, kleine Höhle finden … ICH! habe ke inen Eid geschworen.“ ,,Hey!“ Empört klatschte Alexandra ihr Paddel auf´s Wasser, sodass eine Tropfenfontäne auf den lachenden Christian hinab regnete.

Sie stießen ihre Paddel ins Wasser, um zu den anderen aufzuschließen, deren Kanus in einiger Entfernung die silbern glitzernden Fluten teilten. Fasziniert betrachtete Alexandra die Spieglung der Sonne auf der Wasseroberfläche, die leicht vom Wind gekräuselt und bewegt wurde. Direkt unter ihnen war das Wasser so tief und blau, dass man den Grund nicht mehr sehen konnte. Unwillkürlich fragte sie sich, was dort wohl in der Tiefe lauerte. Langsam streckte sie die freie Hand aus. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus, als ihre Finger fast das Wasser berührten und Christian genau in diesem Moment in ohrenbetäubender Lautstärke aus dem Nichts die Titelmelodie von der Weiße Hai anstimmte. Er schüttelte sich vor Lachen, die Tränen liefen ihm aus den Augen, während Alexandras Herz immer noch raste und sie sich langsam von dem Schreck erholte. ,,Christian Almound, ich hoffe du erstickst an deinem Lachen!“, knurrte sie, doch sein Gelächter war so ansteckend, dass sich ihre Mundwinkel ungewollt hoben. Japsend rang er um Atem. ,,Kommt drauf an“, stieß er schließlich hervor. ,,Rettest du mich dann?“ ,,Träum weiter!“, schnaubte Alexandra. ,,Ich werde auf deinem Grab tanzen!“ ,,Ich würde dich für den Rest deines Lebens heimsuchen!“, drohte er. ,,Egal, wo du wärst, ich wäre immer da. Ich werde dich beim Schlafen beobachten und beim Essen und beim Duschen ...“ Er streckte ihr grinsend die Zunge raus. ,,Du könntest keinen Schritt mehr ohne mich tun, ich würde dir nie wieder von der Seite weichen … willst du das wirklich?“ Alexandra sah ihn unschuldig an. ,,Ich dachte, das wäre die Definition eines Ehemanns.“ Er schüttelte nur mit ungläubiger Miene den Kopf, während sich seine Lippen langsam zu einem Grinsen verzogen. Alexandra grinste triumphierend. ,,Und jetzt hör auf mich anzustarren, Almound, und ruder´!&ldqu! o;

Mit kräftigen Zügen holten sie zu Kate, Ashton und Irene auf, die sich gemächlich dahintreiben ließen und Grace und Sparks beobachteten, die sich mit Greg und Timothy ein Wettrudern lieferten. ,,Ich verwette zwanzig Dollar darauf, dass Timmy gleich ins Wasser fällt“, meinte Ashton, an den Kate sich gelehnt und die Augen geschlossen hatte und die Sonne auf ihrem Gesicht genoss. Tatsächlich verhakten sich in diesem Moment Gregs und Timothys Paddel und als Greg versuchte sein Paddel zu befreien, riss er Timothy versehentlich aus dem Boot ins Wasser. Mit einem überraschten Aufschrei plumpste der Junge in den See und kam prustend wieder hoch. Greg, der sich über den Bootsrand lehnte, war in schallendes Gelächter ausgebrochen, bis Timothy den Bootsrand packte und das Kanu umstieß. Mit den Armen rudernd und mit einer derart verzweifelten Miene, dass Alexandra in Gelächter ausbrach, stürzte Greg rückwärts in den See. Auch Grace und Sparks, die umgekehrt und zurückgerudert waren, stimmten mit ein. ,,Na, Bruderherz? Ins Schwimmen geraten?“, grinste Kate. Greg schwamm zu ihrem Kanu hinüber und Kate schreckte kreischend zusammen, als er sie nassspritzte. ,,Nun mach dich doch nicht gleich nass, Schwesterchen“, frotzelte Greg. ,,Ich bin´s doch nur.“ Empört tauchte Kate die Hände ins Wasser und spritzte zurück, doch Greg lachte nur. ,,Ähm Leute, ich störe ja nur ungern, aber euer Boot treibt gerade davon“, meldete Ashton sich zu Wort. Sofort stürzte Greg sich in die Fluten und kraulte hektisch dem fliehenden Kanu hinterher.

Die anderen steuerten unterdessen wieder das Ufer an, wo Irene sogleich aus dem Kanu sprang und im Gebüsch verschwand, um ihren Badeanzug anzuziehen. Grace und Sparks begannen am Strand Liegestühle und einen Campingtisch auszuklappen, die der Chauffeur zuvor ausgeladen hatte. Nachdem Christian ausgestiegen war, um beim Aufbau zu helfen, legte Alexandra sich der Länge nach ins Kanu, schloss die Augen, genoss die Sonne auf ihrem Gesicht und ließ sich von den Wellen hin und her schaukeln. Sie ließ einen Arm aus dem Boot hängen und genoss die wohltuende Kühle des Wassers. Die Sonnenstrahlen wärmten sie angenehm, eine sanfte, laue Brise spielte mit ihrem Haar. Sie rekelte sich wohlig und seufzte zufrieden. Vielleicht hatte Christian Recht und sie sollte doch öfters Urlaub machen. Gelächter und Geschrei drangen an ihr Ohr. Auch Kate und Ashton hatten sich umgezogen und lieferten sich mit Irene, Timothy und Greg eine Wasserschlacht. Als das Kanu auf einmal heftig zu schwanken begann, verzogen Alexandras Lippen sich zu einem Lächeln. ,,Ich weiß, dass du mich beobachtest.“ Ein leises Lachen. Alexandra hob ein Lid und sah Christian im hinteren Teil des Kanus sitzen, ein Bein angezogen, den Kopf auf das Knie gestützt. Er betrachtete sie. Nicht so, wie der betrunkene Typ in der Bar am Freitag. Nicht so, wie Greg bei ihrer ersten Begegnung. Nicht so, wie irgendwer, den sie schon einmal getroffen hatte. Er sah sie auf eine Weise an, wie sie noch nie jemand zuvor angesehen hatte. Und das erfüllte sie mit Angst und einem seltsamen Hochgefühl zugleich. Sie wollte gerade wieder die Augen schließen, als sein Mund sich auf einmal zu einem Lächeln verzog. ,,Was? Was ist denn?“ Fragend sah sie ihn an. ,,Es ist nichts. Es ist nur … so siehst du also aus, wenn du mal entspannt bist.“ Alexandra verdrehte die Augen ,,Willst du wissen, was mir wirklich guttut?“ Vorsichtig, um das Boot nicht zum Kentern zu bringen! , richte te sie sich auf und balancierte zu Christian hinüber. ,,Ich bin gespannt“, murmelte er. ,,Ich zeige es dir“, versprach Alexandra. ,,Komm her!“ Ohne zu zögern kam er auf sie zu. ,,Noch näher.“ Sein Grinsen wurde noch breiter. Zwischen ihnen war kein halber Meter mehr Platz. ,,Noch näher.“ Mit funkelnden Augen beobachtete Alexandra, wie er nur zu gerne noch näher rückte. ,,Sieh hier!“ Sie deutete über den Bootsrand ins Wasser. Erstaunt folgte er ihrem ausgestreckten Zeigefinger und beugte sich über den Bootsrand. Sie beugte sich dicht zu ihm und raunte ihm ins Ohr: ,,Sieh genauer hin!“ Und dann gab sie ihm einen sanften Stoß und er stürzte mit einem überraschten Laut ins Wasser. Alexandra schüttelte sich vor Lachen. Prustend tauchte Christian wieder auf, spuckte Seewasser und strich sich das nasse Haar aus der Stirn. ,,Jetzt ist mein Seelenfrieden wieder hergestellt“, lachte Alexandra. ,,Ach ja?“ Christian grinste maliziös. ,,Ich glaube, Sie müssen dringend Ihr Mütchen kühlen, Mrs Knight.“ Mit einer eleganten Bewegung war er am Kanu und packte den Bootsrand. ,,Nein, Christian! Neineineineinein!“ Alexandra krallte sich auf beiden Seiten am Boot fest. ,,Oh doch! Rache ist süß, Baby!“ ,,Wehe!“ Er hangelte sich am Bootsrand entlang. ,,Was willst du tun? Vor mir auf die Knie fallen? Mich anflehen?“ Alexandra schnaubte. ,,Niemals!“ Sein Lächeln vertiefte sich. ,,Christian!“ Er stemmte sich am Bootsrand hoch, sodass das Kanu sich gefährlich zur Seite neigte und Alexandra ihm fast in die Arme fiel. ,,Komm mal her.“ Misstrauisch sah Alexandra ihn an. ,,Nun komm schon! Ich werde dich schon nicht ins Wasser stoßen.“ Zögerlich beugte Alexandra sich zu ihm hinunter. ,,Noch näher“, flüsterte er und sie konnte ihr Spiegelbild in seinen riesigen, dunklen Augen erkennen. Nervös leckte ! sich sic h über die Lippen. ,,Vertraust du mir nicht?“, murmelte er. ,,Ich glaube nicht, dass das der richtige Zeitpunkt ist, das zu fragen“, murmelte Alexandra, die sich krampfhaft bemühte, nicht ständig zu seinen Lippen zu sehen, die gefährlich nahe an den ihren waren. ,,Möglicherweise der einzige.“ Ein Schauer durchlief sie, als sie merkte, dass sein Blick von ihren Augen zu ihren Lippen gezuckt war. ,,Wieso?“ In diesem Moment schnellte er aus dem Wasser, schlang ihr die Arme um den Hals und zog sie mit sich ins Wasser. Alexandra blieb gerade noch Zeit, erschrocken nach Luft zu schnappen und sich an Christian zu klammern, dann sanken sie, aneinander geklammert, in die Tiefe. Vorsichtig löste Alexandra ihren Griff und öffnete langsam die Augen. Christian schwebte unter ihr, in der sonnenstrahlendurchdrungenen Dunkelheit, die immer schwärzer und undurchdringlicher wurde, schwerelos, das Haar sanft von der Strömung bewegt, die Augen auf sie gerichtet, weit offen und dunkel, die Lippen leicht geöffnet. Alexandra war so gebannt von seinem Anblick, dass sie vergaß zu atmen. Sie spürte weder die Kälte des Sees noch Furcht vor seinen unergründlichen Tiefen. Ihr Haar wölbte sich um ihren Kopf wie eine Wolke, von den Sonnenstrahlen, die durch die Wasseroberfläche drangen, wie mit Gold durchsponnen und die Strömung streichelte sanft ihren Körper. Christian streckte langsam die Hand nach ihr aus und ohne zu zögern griff Alexandra danach. Ihre Fingerspitzen verhakten sich und er zog sei an sich heran, während sie immer tiefer sanken. Sie spürte die Hitze seines Körpers durch die dünnen, nassen Kleidungsschichten. Seine Hände um ihre Taille fühlten sich durch den nassen Stoff fast so an, wie auf bloßer Haut. Dann erreichten sie den Seegrund und Sand wirbelte auf, als sie sich abstießen und an die Oberfläche zurückschossen. Spritzend und nach Luft schnappe! nd durch brachen sie die Wasseroberfläche. Alexandra trat hektisch Wasser mit den Beinen, um nicht erneut unterzugehen und strich sich mit einer Hand das nasse, schwere Haar aus der Stirn. Sie war sich Christians Händen auf ihrem Körper nur allzu bewusst. ,,Du!“, prustete sie empört, als sie wieder zu Atem gekommen war. ,,Du hast versprochen ...“ ,,Ich habe nur versprochen, dich nicht ins Wasser zu stoßen. Und das habe ich auch nicht getan.“ Er grinste schelmisch. Schnaubend spritzte sie ihm Wasser ins Gesicht und wand sich aus seinem Griff. Sie schwamm zum Ufer, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte. ,,Alexandra!“, rief Christian ihr nach. ,,Warte!“ Sie richtete sich auf. Das Wasser reichte ihr nun noch bis zur Hüfte. Ihr nasses Top klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper. Er blieb in einiger Entfernung vor ihr stehen. ,,Sei nicht wütend!“, bat er. ,,Nicht wütend?“ Alexandra warf ihm einen vernichtenden Blick zu. ,,Wütend beschreibt es nicht mal annähernd!“ Unverschämter weise breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. ,,Wage es nicht zu lachen!“, knurrte Alexandra. ,,Tut mir leid, aber … du weißt ja gar nicht, wie süß das aussieht, wie du mich so wütend in klitschnasser Kleidung anstarrst.“ ,,Lenk´ nicht ab, Almound! Ich bin immer noch sauer auf dich!“ Jetzt brach er ganz und gar in Gelächter aus und ehe sie sich davon anstecken lassen konnte, stürzte sie sich auf ihn. Lachend watete er vor ihr davon, so gut, wie das Wasser es zuließ. Sie holte ihn ein und stieß ihn um und zusammen gingen sie erneut unter und kamen prustend wieder hoch. Alexandra hatte die Beine um seine Hüfte und die Arme um seinen Hals geschlungen. ,,Ich wusste doch, du hängst an mir“, kommentierte er mit funkelnden Augen. ,,Du bist unausstehlich“, murmelte Alexandra augenverdrehend. Er lachte nur, br! eitete d ie Arme aus und ließ sich rückwärts ins Wasser fallen, sodass Alexandra wild mit den Armen rudernd in den See platschte. Sobald sie Wasser spuckend wieder hochkam, drückte sie Christian unter Wasser, sodass sein Gelächter in einem Schwall Luftblasen erstickte. Doch er befreite sich mit spielerischer Leichtigkeit aus ihrem Griff und hielt ihre Handgelenke mit einer Hand über ihrem Kopf fest, sodass sie sich nicht bewegen konnte. Schwer atmend sah Alexandra ihn an. ,,So umwerfend du auch bist, jetzt sind dir leider die Hände gebunden“, neckte er sie mit einem diebischen Lächeln. ,,Und was willst du jetzt tun?“, fragte Alexandra herausfordernd. ,,Da fällt mir schon was ein“, schnurrte er mit einem sinnlichen Lächeln. ,,Aber aber, Mr Almound“, tadelte Alexandra ihn, obwohl ihre Nervenenden vor Spannung vibrierten. ,,Sie können doch eine arme, wehrlose Jungfrau nicht ausnutzen!“ Er lachte ein leises, gefährliches Lachen, bei dem Alexandra am ganzen Körper erschauderte. ,,Nein, eine arme, wehrlose Jungfrau würde ich niemals ausnutzen. Bei meiner Verlobten, die weder arm noch wehrlos ist und in ihrem Aufzug jeden auf dumme Gedanken bringen könnte, sieht das aber ganz anders aus!“ Er zwinkerte ihr grinsend zu. ,,Hey!“, beschwerte Alexandra sich, obwohl ihr das Atmen schwer fiel. Das nasse T- shirt schmiegte sich um seinen Körper und der dünne, feuchte Stoff betonte die Konturen seiner Muskeln. Ihre kleine innere Göttin rieb mit einem derart erwartungsvollen und gierigen Grinsen die Hände aneinander, dass Alexandra regelrecht Angst vor ihrem Unterbewusstsein bekam. Als sie merkte, dass Christian sie grinsend beobachtete, stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht. ,,Aber aber, Mrs Knight. Lassen Sie sich etwa von jedem gut gebauten Typ so leicht ablenken?“ ,,Nein“, murmelte Alexandra und biss sich mit glühenden Wangen auf die Unterlippe. ,,Nicht von jedem.&ldq! uo; ,,Si e sollten unbedingt einen kühlen Kopf bewahren.“ Christians Augen glühten diabolisch und ehe Alexandra es sich versah, hatte er sie hochgehoben und war mit ihr in den See hinein gewatet. ,,Christian!“, rief Alexandra, die ahnte, was er vorhatte. ,,Nein! Oh nein! Denk nicht mal dran!“ Sie schlang die Arme um seinen Hals und krallte sich fest. ,,Zu spät“, grinste er und im nächsten Moment flog sie in hohem Bogen durch die Luft und landete mit einem wenig eleganten Platschen im See. Hustend und spuckend kam sie wieder hoch. ,,Christian Almound!“, brüllte sie. Sein Lachen schallte über den See. Sie schwamm zum Ufer zurück und wrang schnaubend ihr Haar aus. ,,Das wird Folgen haben, Schatz!“, knurrte sie. Er grinste nur anzüglich. Aus den Augenwinkeln sah Alexandra die Sparks im hüfthohen Wasser spielen. Kate lag am Ufer in einem der Liegestühle und betrachtete Greg und Ashton, die Irene und Timothy auf den Schultern trugen und sich einen Reiterkampf lieferten. Ein diabolisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als ihr eine Idee kam. Christian sah sie immer noch erwartungsvoll an. Seine Augen weiteten sich, als sie nach dem Saum ihres Tops griff und es betont langsam auszog. Ganz langsam wand sie ihren schlanken Körper aus dem nassen Kleidungsstück und schüttelte ihr Haar aus, sodass schimmernde Tropfen in alle Richtungen spritzten. Ohne Christian noch eines Blickes zu würdigen, aber in dem Wissen, dass er sie sprachlos anstarrte, warf sie sich das Top über die Schulter und stolzierte mit einem bewusst lasziven Hüftschwung hinüber zu den anderen. Sie konnte es sich nicht verkneifen einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zurückzuwerfen und sah zu ihrer grenzenlosen Befriedigung blankes Entsetzen und pure Eifersucht in seinem Gesicht, als er erkannte, was sie vorhatte. Sie tippte Greg auf die Schulter, dem der Kiefer hinabfiel, als er sie in ihrem Aufzug sah – wer hätte gedac! ht, dass sie so eine Wirkung auf Männer haben konnte? - und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte sofort und setzte den protestierenden Timothy ab. ,,Tut mir leid, kleiner Mann, aber jetzt sind mal die Erwachsenen an der Reihe“, entschuldigte Greg sich, sah aber dabei so aus, als würde ihm das kein bisschen leid tun. Auch Ashton ließ Irene herunter und winkte Kate zu sich, die sofort aufsprang und ihre Sonnenbrille zur Seite legte. Als Greg sie hochhob, konnte Alexandra es sich nicht verkneifen Christian einen triumphierenden Blick zuzuwerfen und ihm provozierend zuzuzwinkern. Dann begann der Kampf. Schon nach ein paar Minuten hatte Alexandra vor Lachen so heftiges Seitenstechen, dass sie vor Schmerz nach Atem rang. Kate lachte so sehr, dass ihr Tränen aus den Augen liefen und Ashton gefährlich schwankte. Wieder wankten Greg und Ashton durch das Wasser aufeinander zu und Kate und Alexandra versuchten einander ins Wasser zu stoßen. ,,Dein Verlobter sieht aus, als wolle er Greg gleich an die Kehle gehen“, japste Kate, als sie voneinander abließen, um nach Luft zu schnappen. Alexandra grinste diabolisch. ,,Ach ja?“ Der Kampf ging weiter. ,,Ihr müsst uns unbedingt besuchen kommen, wenn ihr geheiratet habt“, keuchte Kate. ,,So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr!“ ,,Hey!“, beschwerte Ashton sich. Kate löste kurz ihren Klammergriff um Alexandras Unterarme, um ihm liebevoll das Haar zu zerzausen. ,,Ich hab´ dich doch auch lieb.“ Sie wandte sich wieder Alexandra zu. ,,Habt ihr schon ein Datum?“ Alexandra spürte, wie es sie siedend heiß überlief. ,,Ähm nein, noch nicht.“ Sie musste dringend das Thema wechseln. ,,Kaum zu glauben, dass ich das noch nie gespielt habe!“ Überrascht sah Kate sie an. ,,Nicht?“ ,,Ich bin ein Einzelkind. Meine Eltern sind tot. Meinem Vater wurde ein Hirntumor des vierten Grades diagnostiziert. Es bestand keine Chance zur Heilung. Ein ! paar Woc hen später ist er gestorben. Meiner Mutter hat es das Herz gebrochen. Ein paar Wochen nach seinem Tod habe ich sie draußen gefunden. Es war Winter und sie lag im Schnee, erfroren. Sie trug ihr Hochzeitskleid und hatte die Hände um ihren Ehering und ein Foto meines Vaters geklammert. Sie hat gelächelt. Ich war da gerade sechzehn geworden.“ Der Kampf war erstarrt. Greg, Kate und Ashton starrten sie entsetzt und betroffen an. ,,Das tut mir so leid“, meinte Kate schließlich. ,,Ich wollte nicht ...“ ,,Schon gut“, unterbrach Alexandra sie mit einem beruhigenden Lächeln. ,,Mir geht’s gut. Ich habe es überlebt. Mehr als das. Nach ihrem Tod habe ich sofort einen Antrag auf volle Geschäftsfähigkeit gestellt und direkt nach dem Studium habe ich die Firma eröffnet, die mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Ich habe alles, was ich brauche. Arbeit, Erfolg, genug Geld.“ ,,Einen unglaublich charmanten und attraktiven Verlobten“, fügte Kate mit einem erleichterten Lächeln hinzu. Alexandra nickte und spürte, wie ihre Mundwinkel sich hoben. ,,Der übrigens gerade die Personifizierung von wenn Blicke töten könnten ist.“ Alexandra drehte sich so schwungvoll um, dass Greg ins Taumeln geriet, gegen Ashton stolperte und alle vier ins Wasser fielen. Eine Hand streckte sich Alexandra entgegen, als sie prustend wieder auftauchte und sich das Haar aus dem Gesicht schaufelte. Ohne zu zögern griff sie danach und wurde regelrecht aus dem Wasser gerissen. Zwei Hände schlossen sich mit stählernem Griff um ihre Handgelenke und pressten sie an eine harte Brust. Alexandra schluckte. ,,Das wirst du bereuen, du aufmüpfiges, kleines Wildkätzchen!“, murmelte eine leise, drohende Stimme dicht an ihrem Ohr. ,,Christian“, murmelte Alexandra und wurde von einer Mischung aus Erwartung, Vorfreude und Furcht gepackt. Seine Brust hob und senkte sich heftig, als würde er den Zor! n nur m& uuml;hsam unterdrücken. ,,Bist du wütend?“ Mit schief gelegtem Kopf sah sie zu ihm hoch. Seine Augen glühten. ,,Wütend beschreibt es nicht mal annähernd“, wiederholte er ihre eigenen Worte. Alexandras Nervenenden sprühten Funken und sie spürte, wie sich ein völlig idiotisches Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. ,,Amüsieren Sie sich gut, Madame?“, fragte er mit einem ungläubig- fassungslosen Gesichtsausdruck. ,,Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so eifersüchtig war“, lachte Alexandra mit Tränen in den Augen. Christians Augen loderten auf. Er gab ihre Hände frei. ,,Liebling, du hast zehn Sekunden Zeit, um loszulaufen.“ Alexandras Lachen erstickte. Sie sah ihn mit großen Augen an. ,,Was ...“ ,,Zehn … neun …“, sagte er mit einem diabolischen Grinsen und streifte sich das T- shirt über den Kopf. Alexandra drehte sich um und rannte los, nicht ohne sich im Laufen immer wieder umzudrehen. Bei Null schleuderte Christian sein T- shirt an den Strand und nahm die Verfolgung auf. Mit einem Aufschrei beschleunigte Alexandra ihr Tempo. Sand und Wasser spritzten unter ihren bloßen Füßen auf. Doch Christian war viel schneller als sie. Er holte sie ein, schlang die Arme um sie und wirbelte sie herum. Der Schwung riss sie beide zu Boden und sie rangen spielerisch im warmen Sand und seichten Wasser miteinander, bis sie schließlich außer Atem im Sand liegen blieben. Christians Gewicht drückte Alexandra zu Boden. Dort wo seine nackte Haut ihre berührte, schien ihr Körper in Flammen zu stehen. Ihre Herzen rasten im selben Takt. ,,Immer noch sauer?“, keuchte Alexandra. Er stemmte sich halb hoch, sodass er auf sie herabsehen konnte. ,,Ich war nicht wütend auf dich.“ Seine Stimme hatte ihre unterschwellige Angespanntheit verloren. Er sah sie auf eine Art und Weise an, dass sich alles südlich ihres Nabels zusammenzog. ,,Auf wen! denn da nn? Auf Greg? Er konnte nichts dafür, ich ...“ ,,Nicht auf Greg“, unterbrach Christian sie. ,,Auf mich.“ Alexandra wusste nicht, was sie sagen sollte. Christian starrte neben ihrem Kopf in den Sand, als müsse er sich überwinden, etwas zu sagen. Als er schließlich begann, huschte sein Blick immer wieder zögerlich zu ihr hinüber. ,,Als ich ein kleiner Junge war, war ich neidisch auf meine Geschwister, weil sie mehr durften als ich. Ich war neidisch auf die Klassenkameraden, die mehr Taschengeld bekamen als ich oder bessere Noten hatten. Ich war neidisch auf die Jungs, die schon Bier trinken durften. Neidisch auf die, die schon alleine Auto fahren durften und später neidisch auf die, die bei den Prüfungen besser abschnitten oder mehr Erfolg im Beruf hatten. Aber ich war noch nie - noch nie! - eifersüchtig auf einen anderen Mann wegen einer Frau.“ Er seufzte schwer und sah sie endlich richtig an. ,,Bis jetzt.“ Alexandra spürte, wie ihre Miene weich wurde. Hatte er genauso viel Angst wie sie? Der altbekannte bittersüße Schmerz flutete ihre Adern und die Sehnsucht schnürte ihr die Kehle zu. Wonach sehnte sie sich nur so sehr? Nach ihm? Sie wagte es kaum, sich das einzugestehen. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als der Wind Grace´ weit entfernte Stimme herantrug: ,,Christian? Alexandra? Wo sind Sie?“ Christian stieß einen tiefen Seufzer aus und schloss kurz die Augen. Dann richtete er sich auf. Sofort fühlte Alexandra sich seltsam einsam und kalt. Er streckte ihr die Hand entgegen und zog sie hoch. Dieses mal war sie es, die sich überwinden musste, ihn wieder loszulassen. Sie stapften über den Strand zurück zu den anderen. Alexandra hatte gar nicht gemerkt, wie weit sie sich entfernt hatten. ,,Ich habe das Spiel Wahrheit oder Pflicht in der Schule immer gehasst“, begann sie plötzlich. ,,Die Fragen und Aufgaben waren immer dieselben. Die Highschoolzeit ha! be ich n ur Dank gut getimter Toilettengänge, guter Ausreden und Umschreibungen überlebt. In der neunten Klasse habe ich einen Tanzkurs gemacht und bin bis in den Tanzkreis aufgestiegen, weil es mir solchen Spaß gemacht hat, aber ich musste aufhören, als ich zum Studieren umgezogen bin. Meinen ersten Kuss habe ich mit vierzehn bekommen, zwei Tage vor meinem fünfzehnten Geburtstag. Es war eines der schrecklichsten Erlebnisse meines ganzen Lebens. Danach habe ich nie wieder jemanden geküsst. Die erste und einzige Beziehung, die ich je hatte, war mit meinem damals besten Freund. Sie hat eineinhalb Monate gedauert. Dann habe ich sie beendet und seitdem habe ich keine neue mehr angefangen. Ich dachte nur, du solltest das vielleicht wissen.“ ,,Warte mal!“ Christian blieb stehen. ,,Du hattest deinen ersten und einzigen Kuss mit vierzehn?“ Alexandra nickte und erschauderte. ,,Und was war so schlimm daran?“ ,,Na ja.“ Sie lächelte schief. ,,Nachdem ich aus der Liebe-ist-eklig. Phase raus war, hatte ich mir immer ausgemalt, wie schön mein erster Kuss sein würde. Und dann kam das. Es war kein bisschen so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war wahnsinnig enttäuscht hinterher und auch noch die nächsten Jahre, bis ich es einigermaßen überwunden hatte. Ich habe mich gefragt, woran es lag. An mir? An ihm? Oder war ich einfach irgendwie nicht in der Lage es so zu empfinden, wie ich es empfinden sollte? Ich habe mich monatelang mit solchen Fragen gequält. Und da ich nicht nochmal enttäuscht werden wollte, bin ich Küssen danach aus dem Weg gegangen.“ Christian sah sie mit einer Mischung aus Mitleid und Ungläubigkeit an. ,,Der Typ muss ein Idiot gewesen sein!“ Alexandra stieß ein Geräusch halb Lachen, halb Schnauben aus. Sie schlenderten weiter. ,,Nein, war er nicht. Aber wir haben als Paar nicht zusammengepasst. Er war drei Jahre älter als ich und als er mir irgendwann gesagt hat, dass ! er etwas für mich empfindet, habe ich nicht lange nachgedacht. Aber bald habe ich gemerkt, dass er für mich doch nicht mehr ist als ein Freund. Um ehrlich zu sein, wusste ich das schon von Anfang an.“ ,,Aber warum ...“ ,,Ich war vierzehn, fast fünfzehn. Um mich herum fanden die Menschen zueinander und ich wollte auch dazugehören, ich wollte auch wissen, wie es ist verliebt zu sein, wie es ist zu sagen das ist MEIN Freund und nicht immer nur das ist EIN Freund. Der beste Weg das herauszufinden war, eine Beziehung anzufangen. Er war in mich verliebt und ich dachte, bei mir kommt das vielleicht noch, aber es kam nicht und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte ihn nicht enttäuschen und irgendwie habe ich immer noch gehofft. Aber es kam nicht und ich habe mich immer unwohler gefühlt. Und dann habe ich mich nach eineinhalb Monaten endlich dazu durchgerungen Schluss zu machen. Und seitdem habe ich nichts Neues mehr angefangen.“ Sie zuckte mit den Schultern. ,,Warum nicht?“ Alexandra biss sich auf die Unterlippe und seufzte. ,,Ich weiß nicht. Weil es sich nicht ergeben hat? Weil da niemand war? Weil … ach, ist nicht so wichtig.“ Ruckartig blieb er stehen und griff nach ihren Händen, sodass auch sie gezwungen war stehen zu bleiben. ,,Doch, das ist es!“ Bekümmert sah er sie an. Weil ich Angst habe, dachte Alexandra. Weil ich Angst davor habe, erneut enttäuscht zu werden. Weil ich Angst habe, dass ich gar nicht in der Lage bin Liebe zu empfinden. Sich das selbst einzugestehen erleichterte sie und zugleich füllte es ihren Magen mit bleischwerer Trauer. ,,Was … was ist denn?“ Christians Stimme klang mit einem mal unsicher, nahezu ängstlich. Alexandra wusste, dass sich ihre Emotionen gerade auf ihrem Gesicht abzeichnen mussten, dass er sie in diesem Moment lesen konnte, wie ein offenes Buch. ,,Ich … ich brauche mal einen Moment für mich“, stammelte sie, machte sich los und gi! ng davon , ging immer schneller, bis sie schließlich rannte. Im Rennen begannen die Tränen zu strömen. Nach Luft schnappend und mit geschnürter Kehle blieb sie schließlich stehen. Die Last jahrelang unterdrückter Gefühle ließ sie fast zusammenbrechen. Wie eine Flutwelle brach alles über sie herein. Wut, Trauer, Enttäuschung, Angst, Sehnsucht. Sie hatte gedacht, sie hätte da alles längst überwunden, wäre längst darüber hinweg, aber anscheinend hatte sie es nur verdrängt und nun war ein Wall durchbrochen worden und sie wurde von der Wucht der Emotionen fast erschlagen. Da war die Enttäuschung. Die Enttäuschung ihres ersten Kusses, ihrer ersten Beziehung, die sie sich so schön vorgestellt hatte und deren Scheitern sie doch mehr traumatisiert hatte, als sie je für möglich gehalten hatte. Die Trauer darüber, dass alle anderen Menschen um sie herum so glücklich erschienen, dass alle außer ihr jemanden gefunden zu haben schienen, mit dem sie ihr Leben verbringen wollten. Sinnlose Wut auf sich selbst und auf die ganze Welt: Warum war sie immer noch alleine? Warum hatte SIE niemanden gefunden? Was machte sie falsch? Die Angst, wie ein bitterer Geschmack, der sie würgen ließ. Die Angst war übermächtig. Die Angst davor, erneut enttäuscht zu werden und diesen Verlust nicht wegstecken zu können. Die Angst davor, dass sie gar nicht in der Lage war zu lieben und für immer allein sein würde. Die Angst davor jemanden zu enttäuschen oder zu verletzen, in dem sie seine Gefühle nicht erwiderte. Die Angst davor, selbst enttäuscht zu werden, wenn es ihr endlich gelang jemanden zu lieben. Die Angst davor, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, ihre so sorgsam gehüteten Gefühle zuzulassen, die sie so lange im Griff gehabt hatte. Bis Christian aufgetaucht war. Der ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt hatte. Von dem sie gedacht hatte, si! e wü ;rde ihn hassen. In dessen Nähe sie die Kontrolle über sich selbst verlor, in dessen Nähe sie sich schwach und verwundbar vorkam. Der ihr mit seiner Dreistigkeit, seinem Charme und seiner Ehrlichkeit die Sprache verschlug und das, obwohl es noch nie jemand geschafft hatte, sie zu beeindrucken und sie zum Schweigen zu bringen. Der es geschafft hatte sie eifersüchtig zu machen, so sehr sie das auch zu leugnen versuchte. Der Seiten in ihr zum Vorscheinen brachte, die sie gar nicht kannte, der sie Dinge tun ließ, die sie vorher noch nie getan hatte. Der sie zu lesen schien wie ein offenes Buch und dass, obwohl sie dachte, sie wäre undurchschaubar und unberechenbar. Der sie an dem zweifeln ließ, was und wer sie war. Der dafür sorgte, dass sie den Sinn ihres bisherigen Lebens hinterfragte und wegen dem ihr bewusst geworden war, dass sie trotz ihres gewaltigen Vermögens, ihrer Berühmtheit, ihres Erfolgs arm war, denn das, was auf der Welt am wichtigsten war, hatte sie nicht: eine Familie, Vertrauen, Nähe, Zärtlichkeit, Zuneigung … Liebe. Christian, der die Sehnsucht in ihr geweckt hatte, nach all diesen Dingen - nach ihm. Und das machte ihr Angst, mehr Angst, als sie zugeben, als sie sich eingestehen wollte. Ihr wurde bewusst, dass es von allen Schrecken auf dieser Erde nur eine Sache gab, die sie wirklich fürchtete. Nicht Armut, nicht Arbeitslosigkeit, nicht Krankheit oder gar Tod. Einsamkeit. Die Furcht für immer allein zu bleiben, bis sie einsam und verlassen starb. Man würde sich an sie erinnern, doch nicht als an eine liebende Ehefrau, eine zärtliche Mutter, eine fürsorgliche Großmutter, sondern als an eine distanzierte, kühle Milliardärin, der im Leben nichts als Geld geblieben war. Der Schmerz, der sie überkam, als sie sich das endlich eingestand, war so stark, dass sie nach Luft schnappte. In diesem Moment war sie sich Kraft der Verzweiflung sicher, dass sie alles tun würde, um diesem ! Schicksa l zu entkommen. Doch war sie stark genug ihre anderen Ängste zu überwinden? Sie lachte hart und zynisch auf. Man sagte ihr nach, sie sei eine der stärksten Frauen Amerikas, doch in Wahrheit waren die Härte und Kälte, die Unabhängigkeit, der Stolz, die Unnahbarkeit, der Sarkasmus nur eine Fassade. Und irgendwann würde diese Fassade einbrechen und Alexandra unter sich begraben. Alexandra stellte sich ins seichte Wasser, in der Hoffnung es würde die Gedanken aus ihrem Kopf spülen, der sich anfühlte, als würde er gleich platzen. Die warme Brise trocknete die Tränen auf ihren Wangen und spielte sanft mit ihrem Haar. Sie fühlte sich ausgelaugt und erschöpft, wünschte sich, Christian wäre jetzt da, um ihr Halt zu geben. Sie ließ die Schultern sinken und spürte, wie sie sich langsam entspannte und Erleichterung sich in ihr ausbreitete und Trauer und Sehnsucht für einen Moment zurückdrängte. Eine Last, derer sie sich gar nicht bewusst gewesen war, war von ihren Schultern genommen worden und hatte sie müde, doch leichter und freier zurückgelassen. Alexandra seufzte zittrig. Auf einmal fröstelte sie trotz der warmen Luft. Sie sah zu den anderen, die weit entfernt und klein erschienen. Seit zehn Jahren waren diese Menschen – diese Menschen, die Alexandra erst gestern kennengelernt hatte, die sie und Christian freundlich aufgenommen hatten, unwissend, dass Alexandra sie betrog – die erste Familie, die sie hatte. Auf einmal fühlte sie sich unglaublich schlecht. Wie konnte sie nur? Wie konnte sie diese wunderbaren, freundlichen Menschen nur derart hintergehen? Wie konnte sie ihr Vertrauen, ihre Freundschaft nur derart missbrauchen? ,,Du hast Recht, Christian“, flüsterte sie. ,,Das hier ist kein Spiel. Das muss aufhören. Ich muss das beenden!“ Sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und atmete tief durch, ehe sie sich auf den Rückweg m! achte. C hristian lief ihr entgegen. Sie sah die Besorgnis in seinen Augen und spürte, wie ihre Mundwinkel sich zu einem zögerlichen Lächeln hoben. Als er den Mund öffnete, schüttelte sie leicht den Kopf. Nebeneinander gingen sie zu den wartenden Sparks. Ein Gefühl von Wärme durchflutete Alexandra, als ihre Finger sich im Laufen zufällig berührten, und betäubte für einen Moment den bittersüßen Schmerz. ,,Tut mir leid … ähm ...“, verzweifelt suchte Alexandra nach einer Ausrede. ,,Sie hatte ihre Sonnenbrille verloren“, kam Christian ihr zu Hilfe. Grace nickte verständnisvoll. ,,Haben Sie sie wiedergefunden?“ ,,Leider nicht. Vielleicht habe ich sie im Auto liegen gelassen“, log Alexandra erleichtert. ,,Alles in Ordnung?“, fragte Kate besorgt. Alexandra nickte schnell. ,,Ja, klar. Ich habe nur Sand ins Auge bekommen.“ Die Erklärung schien Kate zu reichen.

Sie ließen sich zu einem üppigen, köstlichen Mittagessen am Campingtisch nieder. Alexandra sprach nur, wenn sie angesprochen wurde und schwieg auch, als sie Geschirr und Essensreste wieder wegräumten und in die Limousine luden, de Sparks gerufen hatte, doch es war kein unangenehmes Schweigen. Satt und zufrieden nahmen sie im angenehm kühlen Innenraum der Limousine Platz. Der Wagen schnurrte los und Alexandra lehnte sich in die weichen Lederpolster zurück. Erst als sie an der Auffahrtsstraße zu Sparks Manor vorbeifuhren, hob sie den Kopf. Die Landschaft verwandelte sich. Weite Felder, Wiesen und sanfte Hügel wechselten dichte Wälder und Klippen ab. Kurz darauf fuhren sie die kiesbestreute Auffahrt zu einem riesigen, alten Gutshof hinauf. Der Hof war wunderschön gelegen, doch als Alexandra ausstieg und einatme, erstarrte sie. Sie krallte die Finger in Christians Arm. ,,Wo sind wir?“, fragte sie ihn mit leiser, angespannter Stimme. Erstaunt sah er sie an. ,,Auf dem Gestüt der Sparks. Mr Sparks wollte uns ein bisschen in Ashland herumführen. Zu Pferd.“ ,,Oh nein! Auf gar keinen Fall!“ Alexandras Augen waren riesengroß vor Entsetzen. ,,Christian, Alexandra, kommen Sie?“, rief Sparks, der mit dem Rest der Familie bereits losgegangen war. ,,Wir kommen sofort nach“, rief Christian ihm zu, dann wandte er sich wieder an Alexandra. ,,Was ist los?“, fragte er eindringlich. ,,Ich kann das nicht!“, zischte sie panisch. ,,Was kannst du nicht? Reiten? Das ist kein Problem, wir können ...“ ,,Nein!“, unterbrach sie. ,,Ich kann reiten. Oder ich konnte es mal. Ich bin in meiner Kindheit fast jeden Tag geritten, aber dann ...“ Sie schluckte. ,,Dann bin ich eines Tages schlimm gestürzt.“ Sie sah ihn unglücklich an. ,,Christian, ich habe Angst vor Pferden!“ ,,Warum hast du denn nichts gesagt?“, fragte er mitfühlend. ,,Warum hätte ich das tun sollen?“ ,,! Weil ich dein Verlobter bin?!“ Sie seufzte. ,,Was soll ich jetzt tun?“ Er nahm ihre Hände sanft in seine. ,,Du schaffst das, Alexandra. Ich weiß, dass du das kannst. Du bist die stärkste Frau, die ich kenne. Jetzt widersprich mir nicht“, mahnte er, als sie den Mund öffnete. ,,Nur wer Angst hat kann mutig sein, also: Tu´ genau das, wovor du am meisten Angst hast und vergiss nicht: Du musst nicht all deine Kämpfe alleine gewinnen. Nicht mehr.“ Alexandra atmete tief und zittrig durch. ,,Okay“, sagte sie nervös, obwohl ihr kalter Angstschweiß den Rücken hinabrann. Christian lächelte. ,,Bereit?“ ,,Zu allem“, antwortete sie mit einem schiefen Lächeln.

Als sie den Gutshof umrundet hatten, trafen sie die anderen vor einer langen Reihe von Stallungen. Irene und Timothy hatten bereits begonnen zwei Ponys zu putzen, während Kate an der Wand neben einem Fuchs lehnte, der seinen Kopf aus seiner Box ins Freie streckte. Alexandra schluckte heftig und tastete nach Christians Hand. Er verschränkte ihre Finger mit seinen und sie sah, wie seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Sie erinnerte sich, wie er im Flugzeug zum ersten Mal ihre Hand gehalten hatte. Doch das hier war anders. Es war mehr als nur eine Geste, um ihr etwas von ihrer Angst zu nehmen. ,,Folgen Sie einfach Ashton und Greg“, wies Sparks sie an und drückte ihnen zwei Halfter in die Hand. Christian beugte sich vor und raunte im etwas es ins Ohr. Was auch immer es war, es veranlasste Sparks dazu verständnisvoll zu nicken und ihnen ein Halfter wieder abzunehmen. Als Alexandra Christian fragend ansah, grinste er nur schelmisch.

Sie folgten Greg und Ashton einen gut gepflegten Sandweg entlang. Je näher sie den Koppeln kamen, desto fester umklammerte Alexandra Christians Hand. Als sie das Gatter erreichten, atmete sie so flach, dass ihr fast schwummrig wurde. ,,Hey“, sagte Christian sanft. ,,Du schaffst das.“ Sie lächelte gequält. Sie betraten die Koppel. Die Pferde hoben die Köpfe und sahen ihnen entgegen. Einige wandten den Blick gleich wieder ab und grasten weiter. Christian deutete auf einen riesigen schneeweißen Apfelschimmel mit feiner silbergrauer Zeichnung, der ihnen neugierig aus tiefdunklen Augen entgegen sah und zog Alexandra mit sich. Sie schluckte heftig. Ihre Kehle war so trocken, dass jeder Atemzug schmerzte. Sie begann zu zittern, bis ihre Beine schließlich ihren Dienst versagten. ,,Ich kann das nicht!“, flüsterte sie panisch. ,,Ich kann das nicht!“ Verzweifelt wehrte sie sich gegen Christians Griff. ,,Alexandra!“ Sie spürte kaum, wie er ihre Handgelenke packte. ,,Alexandra! Sieh mich an!“ Wie durch Nebel drang seine Stimme an ihr Ohr. ,,Alexandra!“ Sie war wie erstarrt, wie gelähmt vor Angst. Mit riesigen, geweiteten Pupillen starrte sie ins Leere, reagierte nicht auf seine Rufe, auf seine Berührungen. Wie durch eine trübe Glasscheibe nahm sie wahr, wie er sich vorbeugte und dann berührten seine Lippen federleicht ihre Stirn. Es durchfuhr sie wie ein Schlag, sie schnappte nach Luft, als wäre sie durch die Oberfläche eines zugefrorenen Sees gebrochen, sah endlich wieder klar. Schwer atmend starrte sie ihn an. ,,Wow“, murmelte er kaum hörbar. Langsam ließ er ihr Handgelenk wieder los, seine Finger tasteten sich ihren Arm hinab und verschränkten sich wieder wie selbstverständlich mit ihren. ,,Alexandra“, sagte er ernst. ,,Vertraust du mir?“ Sie nickte nur. ,,Dann vertraue mir jetzt.“ Mit ausgestreckter Hand lockte er den Schimmel heran. Alexandra verkrampfte s! ich und wich zurück, doch Christian trat hinter sie und versperrte ihr den Weg. ,,Ganz ruhig. Alles ist gut. Was du erlebt hast, muss schrecklich gewesen sein, aber du bist stärker als das, Alexandra. Lass nicht zu, dass deine Angst dich kontrolliert.“ Langsam hob er ihre Hand, die er umfasst hielt und streckte sie dem Apfelschimmel entgegen. Am ganzen Körper zitternd presste sie sich an ihn, doch sie zog ihre Hand nicht weg, auch nicht, als er ihre verkrampften Finger vorsichtig löste. Mit bebenden Nüstern kam der Schimmel näher. Hauchzart berührte er Alexandras Handfläche. Sie erzitterte. Mit seinem feinen, weichen Maul tastete er sich behutsam über ihre Handfläche und ihren bloßen Arm hinauf, bis sein riesiger, edler Kopf direkt vor ihrem Gesicht schwebte und sie seinen warmen Atem auf ihrer bloßen Haut spürte. Ganz langsam löste Alexandra sich von Christian und berührte den warmen starken Hals des Pferdes. Sie spürte das seidig- glatte Fell und die kräftigen Muskelstränge. Aufmerksam sah der Schimmel sie an. Sie wurde mutiger, strich den Hals entlang, bis hinab zu den breiten Schultern. Christian gab sie frei und ihre Hand glitt über den Widerrist, den Rücken, die Kruppe. Sie spürte die Wärme, die Kraft, die Unerschütterlichkeit unter dem samtigen weißen Fell. Ihr Herzschlag wurde langsamer, ihr Atem ruhiger, ihre Sicht klärte sich. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und als sie die Augen wieder öffnete, hatte ihr Blick sich verändert. Die Angst war nicht verstummt, doch in den Hintergrund getreten und an ihre Stelle traten nun Staunen, Bewunderung, Faszination für diese wunderschönen, großen, sanften, stolzen Tiere. Sie begann die Pferde wieder zu sehen, wie sie sie einst gesehen hatte, erinnerte sich an ihren Respekt, ihre Liebe, ihr Vertrauen diesen Tieren gegenüber. Wie hatte sie das nur vergessen können? Wie hatte sie sich nur so ! sehr von ihrer Angst beeinflussen lassen können? Sie schnaubte, als sie die Ironie ihrer eigenen Gedanken erkannte. Ja, wie konnte sie nur! Als sie sich zu Christian umdrehte, lächelte sie zaghaft. In seinen Augen lag ein Gefühl so voller Klarheit und Reinheit und Ehrlichkeit, dass es ihr fast den Atem raubte. War das … Zuneigung? Sie wagte es kaum, daran zu glauben. ,,Du hast es geschafft.“ Seine Stimme war weich. ,,Nein“, widersprach Alexandra. ,,WIR haben es geschafft. Manche Kämpfe ...“, es kostete sie große Überwindung, das zu sagen, ,,kann man nicht allein gewinnen.“

Kurz darauf standen alle Pferde gesattelt und aufbruchsbereit vor den Stallungen. Alexandra stand auf einer Aufsteighilfe und griff mit der linken Hand, in der sie auch die Zügel hielt, in die Mähne des Apfelschimmels. Dann schwang sie sich auf seinen bloßen Rücken. Ihr Körper schien sich an ihre Zeit als Reiterin zurück zu erinnern. Wieder auf einem Pferd zu sitzen weckte die unterschiedlichsten Empfindungen in ihr, doch im Moment überwog die freudige Erregung. Christian sah zu ihr hinauf. ,,Bereit?“ ,,Zu allem“, erwiderte sie mit einem entschlossenen Lächeln. Als er auf den Bock stieg, begann ihr Herz zu rasen. Elegant schwang er sich hinter sie auf das Pferd. Sie spürte seinen Körper an ihrem und verkrampfte sich unwillkürlich. ,,Ganz ruhig“, murmelte er ihr ins Ohr. ,,Ich bin´s nur.“ Alexandra unterdrückte ein trockenes Auflachen. ,,Ich weiß“, murmelte sie und sog scharf die Luft ein, als er die Arme um ihre Taille schlang. Ein sanfter Druck der Fersen und der Schimmel setzte sich in Bewegung. Alexandra spürte, wie ihr Körper sich der Bewegung anpasste und fühlte sich erneut in ihre Kindheit zurückversetzt, die langen Ausritte an Sommerabenden, die warme Luft, die sanfte Brise, das Zirpen der Grillen, das Gefühl absoluten Friedens und Zufriedenheit. Sie reihten sich als letzte in die Reihe der Reiter an, die, geführt von Sparks, den Hof verließen. Es dauerte nicht lange, da ließen sie die Koppeln und die letzten Häuser hinter sich zurück. Vor ihnen erstreckte sich Ashlands wunderschöne Landschaft. Alexandra genoss den Ritt schon jetzt in vollen Zügen. Was hatte sie sich nur entgehen lassen? Die Gruppe vor ihnen setzte sich in den Trab und Alexandra spürte den altbekannten und längst vergessen geglaubten Anflug von Euphorie und den Adrenalinschub, als sie beschleunigten. Christians Arme legten sich noch fester um ihre Taille und ! sie k&au ml;mpfte gegen den Drang an, sich einfach zurück- und gegen ihn zu lehnen. Die Gruppe fächerte sich auf und der Apfelschimmel zog an. Die Freiheit lockte ihn. Ein Anflug von Furcht kroch in Alexandra auf. Verlangen und Furcht rangen in ihr. ,,I feel the need. The need for speed“, murmelte Christian. Greg und Ashton lieferten sich bereist ein Wettrennen und lagen flach über die Hälse ihrer Pferde gebeugt da, während die trommelnden Hufe das Gras aufrissen und in die Luft schleuderten. ,,Du musst keine A...“, begann Christian, der ihren sehnsüchtigen Blick bemerkt hatte, doch da hatte sie dem Schimmel auch schon die Sporen gegeben. Er raste los. Alexandra beugte sich vor, vergrub die Finger in der dichten Mähne. Sie spürte die gewaltigen Muskeln, die fieberhaft unter ihr arbeiteten, spürte, wie der Apfelschimmel sich unter ihr streckte und über den Boden flog, immer schneller und schneller. Sie hörte das Donnern der Hufe, vermischt mit ihrem eigenen rasenden Herzschlag. Der Wind riss an ihrem Haar und füllte ihre Augen mit Tränen und sie fühlte sich frei und leicht und unbeschwert. Von einer wilden, ungezügelten Freude gepackt stieß sie einen Freudenschrei aus und riss die Arme hoch. Das fühlte sich so gut an! So richtig. Ja, sie liebte ihren Job und sie war in den vergangenen Jahren nie unglücklich gewesen. Aber war sie denn glücklich gewesen? Jetzt war sie es und die Freude brandete und rauschte durch ihre Adern und erfüllte sie mit purer, reiner, schierer Euphorie. Hinter sich hörte sie Christians befreites Lachen. Sie schloss die Augen, atmete ganz tief durch und während die Luft in ihre Lunge strömte, hatte sie zum ersten Mal das Gefühl wirklich angekommen zu sein.

Sie galoppierten weiter, bis sie alle anderen weit hinter sich gelassen hatten und das Fell des Schimmels vor Schweiß glänzte. Sanft parierte Alexandra das Pferd durch und sie kehrten im ruhigen Schritt zurück. ,,Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe“, murmelte Alexandra mit leuchtenden Augen. Er lachte leise. ,,Na ja, wenn man es genau nimmt, habe ich das wohl dir zu verdanken“, fügte sie hinzu und biss sich verlegen auf die Unterlippe. ,,Nein, ich war nur der Funke, der das Leuchtfeuer entzündet hat. Ich war nur der Typ, der zugelassen hätte, dass du einen Unfall baust.“ Christians Stimme klang wehmütig. ,,Und der, der das für immer bereut hätte.“ Jetzt lachte Alexandra auf und lehnte sich kurz an ihn. ,,Und ich bin die, die dir die Haare blau gefärbt hat. Du kannst dich gar nicht vorstellen, wie ich mich geärgert habe, als ich das Ergebnis gesehen habe.“ ,,Wieso? Falsche Farbe?“, fragte er mit sanftem Spott. Alexandra errötete. ,,Nicht direkt. Es sah nur nicht so aus, wie ich wollte. Ich wollte, dass du total albern aussiehst, aber … vermutlich bist du der einzige Mensch auf der Welt, der mit blauschwarzen Haaren nicht total bescheuert aussieht.“ ,,Ich hätte dich ja vorgewarnt, aber leider war ich in einer Werkstatt eingesperrt.“ Seine Stimme triefte vor Spott. Sie unterdrückte krampfhaft ein Lachen. ,,Auf jeden Fall hätte ich mir an deiner Stelle nicht geholfen.“ ,,Bis vor zwei Tagen hätte ich das vermutlich auch nicht“, sagte er ernst. ,,Ich wusste, dass der Job nicht leicht werden würde, aber du hast mich … wahnsinnig gemacht. Die Art, wie du mich angesehen wie du mit mir geredet hast, dein ganzes Tun und Handeln hat mich bis zur Weißglut gereizt. Ich war unfassbar wütend auf dich. Und auf mich. Zuerst nur auf dich, aber als ich erkannt habe, dass es an mir liegt, dass ich es nicht gewohnt bin, dass man mir derart d! ie Stirn bietet, war ich wütend auf mich. Ich wollte nicht zulassen, wollte mir nicht eingestehen, dass eine Frau es schafft mich derart aus der Fassung zu bringen.“ Alexandra drehte den Kopf und sah ihn schief grinsen. ,,Ich hätte dich ja vorgewarnt“, neckte sie ihn. ,,Aber leider war ich damit beschäftigt mir vorzustellen, wie du vergiftet, überfahren oder von einem Blumentopf erschlagen wirst.“ ,,Tztztztztz“, machte Christian gespielt missbilligend. ,,Sie haben wirklich eine schmutzige Phantasie, Mrs Knight.“ Alexandra warf ihm ein diabolisches Grinsen zu. ,,Du hast ja keine Ahnung?“ ,,Dann erleuchte mich.“ Seine Augen glühten. Sie lachte auf. ,,Träumen Sie weiter, Christian Grey.“ Er lachte leise. ,,Von uns beiden bin ja wohl nicht ich der erfolgreiche Jungmilliardär.“ Sie schnappte empört nach Luft. ,,Vergleichst du mich gerade mit einem kontrollsüchtigen Sadomasochisten?“ ,,Mit einem ungemein charmanten, attraktiven Sadomasochisten.“ ,,Dann verlange ich, dass du mich ab jetzt nur noch mit Mylady oder mit Mrs Knight ansprichst.“ Sie warf ihm ein kokettes Lächeln zu. ,,Und wenn nicht?“ Ein dunkles Glimmen trat in seine Augen. ,,Bestrafst du mich dann?“, raunte er ihr ins Ohr und sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. Sie erschauderte. ,,Christian ...“, murmelte sie, doch in diesem Moment preschte Sparks von der Seite heran. Alexandra zuckte peinlich berührt zusammen und errötete, als wäre sie bei etwas Verbotenem erwischt worden. ,,Mrs Knight, Mr Almound, ich hoffe, Sie genießen die wunderbare Landschaft.“ ,,Es ist wunderschön“, hörte Alexandra sich sagen. ,,Nicht wahr?“ Seite an Seite ritten sie dahin. ,,Es ist genau die richtige Landschaft, um hier den Rest seines Lebens zu verbringen. Wie Sie wissen, Mrs Knight, beabsichtige ich mich zur Ruhe zu setzen und Sparks Enterprises an einen würdigen Nachfolger! zu &uum l;bergeben.“ Alexandra, plötzlich hochkonzentriert, nickte aufmerksam. ,,Schon bevor ich Sie hierher einlud, hatte ich viel von Ihnen gehört. Aber wer hat das nicht?“ Er lachte herzlich. ,,Die berühmteste, erfolgreichste Jungmilliardärin Amerikas. Seit Sie hier angekommen sind, habe ich Sie beobachtet. Ich habe mein halbes Leben in meine Firma gesteckt und wollte absolut sicher sein, dass sie in fähige Hände gelangt. Sie sind eine bemerkenswerte, junge Frau, die in ihrem Leben mehr erreicht hat, als so mancher deutlich älterer und erfahrenerer Geschäftsmann. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob Sie die Richtige für Sparks Enterprises sind. Ich habe den Artikel gelesen, der am Freitag in der New Yorker Times erschienen ist. Eiskalt und steinhart wie ein Diamant hieß es dort. Doch ich wollte jemanden, der mit Herz bei der Sache ist und dennoch die wahren Schätze des Lebens zu schätzen weiß: Familie, Freundschaft, Liebe. Ich war nicht sicher, ob Sie dieser jemand sind.“ Sparks sah Alexandra eindringlich an. Sie schluckte nervös, doch ehe sie etwas sagen konnte, sprach er weiter und seine Miene wurde weicher. ,,Doch Sie haben mich des Besseren belehrt. Sie und Ihr Verlobter. Ich weiß nicht, wen die Presse in Ihnen sieht, doch ich sehe in Ihnen eine selbstbewusste, starke Frau mit einer großen Zukunft an der Seite eines großartigen Mannes.“ Mit väterlichem Stolz lächelte er Christian zu. ,,Ich weiß, dass Sie erkannt haben, was im Leben wirklich zählt, das kein Geld der Welt Liebe und Freundschaft aufwiegen kann und ich habe erkannt, dass ich mit einer Nachfolgerin wie Ihnen in Frieden abtreten kann, in dem Wissen, dass meine Firma in den besten Händen ist.“ Alexandra brauchte eine Weile, um seine Worte zu verarbeiten. Dann breitete sich wie von selbst ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. ,,Mr Sparks, ich ...“ Er lächelte gutmütig. ,,Me! ine Toch ter Kate hat mir außerdem erzählt, dass Sie noch kein Datum für Ihre Hochzeit festgelegt haben. Was halten Sie von einem Vorschlag: Heiraten Sie noch morgen hier in Ashland und Sparks Enterprises gehören Ihnen.“ Erwartungsvoll sah er Alexandra an. Sie starrte völlig überrumpelt zurück. ,,Betrachten Sie die Firma als mein Hochzeitsgeschenk. Vorausgesetzt, Sie heiraten morgen.“ Er lachte dröhnend. Alexandras Herz raste, das Blut rauschte in ihren Ohren. Das ging alles viel zu schnell. Doch es sah so aus, als hätte sie keine Wahl. ,,Christian ...“ Hilfesuchend sah sie ihn an. Seine Miene war umwölkt, seine Augen überschattet. ,,Es ist das, was du immer wolltest“, murmelte er. ,,Du darfst diese Chance nicht vertun!“ Seine Stimme klang seltsam steif und förmlich. ,,Aber ...“, setzte sie an, doch Christian wandte sich bereits an Sparks. ,,Abgemacht.“ Er strahlte eine seltsame, düstere Entschlossenheit aus. Sparks nickte zufrieden. ,,Dann sind wir im Geschäft. Machen Sie sich wegen der Feierlichkeiten keine Gedanken, ich werde mich um alles kümmern.“ Wie in Trance schüttelte Alexandra ihm die Hand.

Sie war immer noch wie betäubt, als Kate mit einem Freudenschrei auf sie zustürmte, als sie zurück auf dem Hof waren, und sie zu einer knochenbrecherischen Umarmung vom Pferd zerrte. Sie bekam kaum mit, wie die anderen sie und Christian umarmten, auf die Schulter klopften und beglückwünschten. Sie würde morgen heiraten. Und zwar den Mann, denn sie bis vor zwei Tagen noch verabscheut hatte.

Erst, als sie Sparks Manor erreichten, drangen die Geräusche der Umwelt wieder langsam an Alexandras Ohren und ihre Sicht klärte sich. ,,Würdet ihr mich und Alexandra für einen Moment entschuldigen?“ Christian packte sie am Arm und zog sie hinter sich her in ihr Zimmer. Sie wehrte sich nicht. Er ließ sie los und sie blieb wie bestellt und nicht abgeholt mitten im Raum stehen. Christian schloss die Tür und atmete tief durch. Er raufte sich die Haare. Dann wandte er sich an Alexandra. ,,Hey“, sagte er sanft, obwohl in seinen Augen der Sturm tobte. ,,Alles okay?“ ,,Alles okay?“, wiederholte Alexandra und ihre Stimme schwang sich zu nie gekannten Oktaven auf. Sie ließ sich auf´s Bett fallen. ,,Christian, wir werden morgen heiraten!“ Er seufzte erneut. ,,Ich weiß. Aber so war es doch von Anfang an geplant.“ ,,Ich weiß.“ Gequält sah sie ihn an. ,,Aber … ich hätte nie gedacht … du hättest das nicht tun müssen.“ ,,Was nicht tun?“ Seine Stimme triefte vor Ironie. ,,Seinem Angebot zustimmen? Alexandra, was ist los mit dir? Das ist doch genau das, was du wolltest, das ist doch genau der Grund, warum wir hergekommen sind. Du wolltest diese Firma, jetzt hast du sie!“ Er klang aufgebracht, lief vor ihr auf und ab, raufte sich die Haare, obwohl sie ohnehin schon wirr vom Kopf abstanden. ,,Das weiß ich doch auch!“ Verzweiflung ließ Alexandra laut werden. ,,Ich weiß, was ich gewollt habe, weshalb ich gekommen bin, aber … aber es … ich … ich dachte, es wird ganz einfach. Wir kommen her, ich stelle dich als meinen Verlobten vor, ich bekomme die Firma, jeder hat seinen Teil der Vereinbarung erfüllt und alle sind glücklich. Aber ich habe mich geirrt“, endete sie mit tonloser Stimme. ,,Bist du denn nicht glücklich?“ Seine Stimme klang leise und bestürzt. Unglücklich sah sie ihn an, spürte, wie ! Trä nen ihre Augen füllten. ,,Ich weiß, ich weiß, ich sollte es sein. Ich habe erreicht, was ich wollte, aber … ich kann es einfach nicht.“ Eine Träne rollte ihre Wange hinab. Sie lächelte traurig. ,,Was beweist das? Das ich undankbar und niemals zufrieden bin?“ Er kam auf sie zu, ging vor ihr in die Hocke, griff nach ihren Händen und sah sie ernst an. ,,Es beweist, dass du ein Herz hast, Alexandra Knight. Und als ich dich zum ersten Mal getroffen habe, habe ich schon fast daran gezweifelt.“ Vorsichtig setzte er sich neben sie auf das Bett und legte einen Arm um sie, nachdem er sie mit den Augen um Erlaubnis gebeten hatte. ,,Hör zu, wir ziehen das hier jetzt gemeinsam durch“, murmelte er in ihr Haar. ,,Wir haben es begonnen und jetzt werden wir es auch beenden. Wir haben gar keine Wahl. Wenn wir nicht heiraten, ist die Abmachung geplatzt. Du wusstest, worauf du dich einlässt. Ich wusste, worauf ich mich einlasse … du bist so kurz vor dem Ziel, Alexandra, ich werde nicht zulassen, dass du es jetzt aufgibst.“ ,,Aber was ist mit dir?“, flüsterte sie und lehnte den Kopf an seine Schulter. ,,Bist du denn … glücklich.“ Er seufzte. ,,Das spielt keine Rolle.“ Von plötzlichem Zorn gepackt, schüttelte Alexandra seinen Arm ab und starrte ihn wütend an. ,,Natürlich spielt das eine Rolle!“ Erstaunt über ihren Zorn wich er zurück. Alexandras Miene wurde weich. ,,Mir ist es nicht egal“, sagte sie leise. Sein Blick wurde ganz sanft. ,,Alexandra, das hier ist kein Spiel. Nicht für mich. Ich werde dich jetzt nicht im Stich lassen.“ Seine Worte verwirrten sie, doch auf einmal fühlte sie sich unendlich müde und erschöpft. Sie lehnte sich an ihn und schloss die Augen. Zart streichelte seine Hand ihr über den Rücken. Sie atmete tief durch und verdrängte die Angst, die sich ihrer bemächtigt hatte. ,,Müsstest du nicht dei! ne Elter n anrufen? Es interessiert sie sicher, wenn ihr Sohn heiratet“, murmelte sie schläfrig. Ein leises Schnauben. ,,Das kann warten.“ Sie schweigen. ,,das ganze hat auch etwas Gutes“, meinte Alexandra schließlich sarkastisch. ,,Wenn du mich wieder losgeworden bist, bist du Multimilliardär.“ Er schnaubte nur.

Eine Weile saßen sie einfach nur schweigend da, doch Christian hörte nicht auf, ihr sanft über den Rücken zu streichen. Ihre kleine innere Göttin, die das ganze völlig gelassen und scheinbar unbeeindruckt zur Kenntnis genommen hatte, schnurrte wohlig. Daran könnte ich mich gewöhnen. Alexandra spürte, wie sich ihre Mundwinkel leicht hoben. Ja, daran könnte sie sich gewöhnen.

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Christian und Alexandra schreckten auseinander. Kate stürmte ins Zimmer. Das leicht irre Leuchten ihrer Augen beunruhigte Alexandra. ,,Junggesellenabschied“, verkündete Kate enthusiastisch. ,,Wir müssen zwar ein bisschen improvisieren, aber Gott sei Dank hat dieses Kaff zumindest eine vernünftige Bar. Es wird Zeit zu feiern!“ ,,Aber Kate!“, protestierte Alexandra, der ganz und gar nicht nach Feiern zumute war. ,,Keine Widerrede!“, unterbrach Kate sie energisch. ,,Wir müssen jetzt erst mal was passendes zum anziehen finden.“ Sie betrachtete Alexandra kritisch. ,,Wir müssten dieselbe Größe haben.“ Schwungvoll zog sie Alexandra vom Bett hoch und zerrte sie in Richtung Tür. Christian sprang auf. ,,Aber ...“ Kate zwinkerte ihm neckisch zu. ,,Ganz ruhig. Ich bringe sie ja heil zurück. Sie haben sie ja noch Ihr ganzes Leben lang, da werden Sie sie ja wohl zehn Minuten entbehren können.“

In den nächsten fünfzig Minuten wurde Alexandra erst unter die Dusche gescheucht, dann mit der Begründung ,,Männer lieben rot“ in ein weinrotes Cocktailkleid gesteckt, geschminkt, frisiert und anschließend vor einen Spiegel gestellt. Ihr fiel der Kinnladen herunter. ,,Kate … was haben Sie mit mir gemacht?“, hauchte sie. Kate lächelte zufrieden. ,,Wenn Christian nicht bei Ihrem Anblick ohnehin schon jedes Mal die Augen aus dem Kopf fallen würden, würden sie es spätestens, wenn er Sie in diesem Kleid sieht.“ Alexandra errötete und biss sich mit einem verlegenen Lächeln auf die Lippen. ,,Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“ Kate lachte auf. ,,Es sieht doch ein Blinder, wie sehr er Sie liebt.“ Alexandra erstarrte und stieß zittrig die Luft aus. ,,Ich ...“ Kate musste sich irren. Sie und Christian hatten eine Vereinbarung und nur, weil er sie nicht mehr hasste, bedeutete das nicht … sicher behandelte er sie wie jede andere Frau, mit der er je zusammen gewesen war. Und sie waren ja nicht einmal richtig zusammen, rief Alexandra sich ins Gedächtnis. Es ging nur um´s Geschäft. Dieser Gedanke schmerzte unerträglich und wieder kamen Alexandra Zweifel, ob sie das richtige taten. War es richtig diese wundervollen Menschen derart zu hintergehen und zu betrügen? War es das wert? Ein Teil von Alexandra fragte sich, was in sie gefahren war. Bis vor zwei Tagen war es ihr doch nur darum gegangen, mit Sparks ins Geschäft zu kommen. Und jetzt? Christian hatte Recht: Sie hatte all das, was sie immer gewollt hatte. Er hatte seinen Teil der Vereinbarung erfüllt und sie würde ihren erfüllen. Warum nur kam es ihr auf einmal so falsch vor? Warum fiel es ihr so schwer ihren Schein- Verlobten zu heiraten, obwohl doch von Anfang an klar gewesen war, worauf sie sich hatte? Weil du in Wahrheit keine Ahnung hattest, worauf du dich eingelassen hast, wisperte ihre kleine inn! ere G&ou ml;ttin. Weil du keine Ahnung hattest, worauf dein Herz sich würde einlassen müssen. Weil nie geplant war, dass du anfängst etwas für Christian zu empfinden. Weil deine größte Angst ist, jemanden zu enttäuschen und du genau weißt, dass du all die Menschen enttäuschen würdest, die dir in den letzten Tagen wichtig geworden sind. Weil du wahnsinnige Angst hast verletzt und enttäuscht zu werden. ,,Alexandra?“ Kates ungewohnt zaghafte Stimme riss Alexadra aus ihren Gedanken. ,,Ja? Tut mir leid. Ich bin nur immer noch so ...“ Sie suchte hilflos nach Wörtern. Kate nickte und lächelte verständnisvoll. ,,Ich wollte nur fragen – und vielleicht steht es mir gar nicht zu – aber ich wäre sehr glücklich, wenn ich Ihre Brautjungfer sein dürfte.“ Überrascht sah Alexandra die ältere Frau an. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Hoffnungsvoll sah Kate sie an. Alexandra seufzte, dann lächelte sie. ,,Ich würde mich sehr freuen.“ Kates Augen leuchteten auf und sie wollte gerade aufspringen, als Alexandra mahnend den Zeigefinger hoch. ,,Aber nur unter einer Bedingung: Bitte sag endlich Du zu mir.“ Freudestrahlend schloss Kate sie in die Arme. ,,Danke, Alexandra. Oder darf ich Lexy sagen?“, fragte sie schelmisch grinsend. ,,Gott bewahre!“, lachte Alexandra. ,,Ich würde nicht mal meinen Goldfisch so nennen!“

Es war schon früher Abend, als Kate und Alexandra die Treppe hinab kamen. Stimmen klangen ihnen entgegen. Christian, Greg und Ashton standen unten im Treppenhaus und unterhielten sich. Ashton war der erste, der sie bemerkte. Im Reden verzogen seine Mundwinkel sich zu einem liebevollen Lächeln, das allein Kate galt. Christian folgte seinem Blick und stockte mit offenem Mund. Alexandra spürte, wie sich ein zaghaftes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Bei seinem Anblick vergaß sie ihre Ängste, Zweifel und Vorwürfe für einen Moment. Ihr Herz flatterte und ein wundervoll- prickelndes Gefühl durchflutete sie. Er hatte nur Augen für sie, als sie die letzten Stufen hinabstiegen und für einen Herzschlag regte sich in Alexandra die törichte Hoffnung, Kate könnte doch recht haben. Als sie verlegen vor ihm stand, blinzelte er ein paar Mal, als müsse er sich erst fassen. ,,Du siehst … atemberaubend aus“, sagte er dann leise. Er hielt ihr die Hand hin. ,,Mylady, darf ich bitten?“ Sie legte ihre Hand in seine und er führte sie hinter Ashton und Kate her, Greg bildete das Schlusslicht. ,,Wenn ich gewusst hätte, dass es nur Chilipulver in deinem Kaffee, AC/DC und einen besoffenen Typen in einer Bar braucht, um dich in diesem Kleid zu sehen, hätte ich das schon viel früher gemacht“, raunte er ihr spitzbübisch zu. Sie verdrehte die Augen. ,,Du bist wirklich unverbesserlich.“ ,,Würdest du denn wollen, dass ich mich ändere?“ Kurz huschte ihr Blick aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber. Sie zögerte, doch nicht, weil sie sich ihrer Antwort nicht sicher war. ,,Nein“, sagte sie schließlich. ,,Wenn es all das brauchte und noch mehr, wenn es den Mann brauchte, den ich, als ich ihn vor fünf Tagen kennengelernt habe, gehasst habe, um mich erkennen zu lassen, dass ich trotz meines Vermögens arm war, um mich erkennen zu lassen, wie gefährlich Stolz und Voru! rteile s ind, wie viel Mut es braucht, sich einzugestehen, dass man sich in jemandem geirrt hat – dann würde ich das immer wieder machen.“ Sie blieben direkt im Eingang stehen. Christian griff nach ihrer freien Hand. Im Schatten wirkten seine Augen ganz dunkel. ,,Ich ...“, begann er, doch in diesem Moment rief Kate nach ihnen. Seufzend gab Christian ihre Hand wieder frei und geleitete sie die Treppe hinab zu der Limousine, die Sparks gerufen hatte. Sie stiegen ein und der Wagen schnurrte los. Irgendwie konnte Alexandra das immer noch nicht so recht fassen. Sie waren auf dem Weg, um einen Junggesellenabschied zu feiern. Ihren Junggesellenabschied. Unwillkürlich lachte sie hart auf. Fragend sah Christian sie an. ,,Ich musste gerade an meine Eltern denken.“ Alexandra lehnte sich an das kühle Lederpolster und schloss die Augen. ,,Ich frage mich, was sie wohl dazu sagen würden.“ ,,Sie wären stolz auf dich.“ Alexandra schnaubte. ,,Ja, bestimmt. Stolz auf ihre Tochter, die nicht nur ihren Geschäftspartner, sondern auch dessen gesamte Familie anlügt, weil sie so besessen von ihren Zielen ist.“ ,,Sie wäre stolz auf die Frau, zu der du geworden bist. Ich habe mitgehört, was du am See zu den anderen gesagt hast. Du warst noch nicht einmal sechzehn, als du zur Vollwaise geworden bist. Du warst ein Kind, völlig allein, hilflos, du hattest nichts mehr. Und jetzt sieh nur, wozu du es gebracht hast. Sie wären unglaublich stolz auf dich, Alexandra, glaube mir.“ Alexandra sah ihn unsicher an. Im Dämmerlicht des Wagens wirkten seine Pupillen wie riesige, schwarze Monde. Sie seufzte. ,,In den ersten Jahren, nachdem auch noch meine Mutter gestorben war, habe ich mich oft gefragt, ob sie zufrieden mit mir wären, ob sie stolz auf mich wären. Jeder Gedanke an sie tat so unglaublich weh. Und dann, als ich mit dem Studium angefangen habe, wurde es besser. Ich bin nicht mehr jede Nacht tränenüberströmt aufge! wacht od er habe stundenlang Fotos angestarrt und mir gewünscht, sie noch ein letztes Mal umarmen zu können, noch ein letztes Mal zu sagen, wie lieb ich sie hatte. Kinder sagen so etwas viel zu selten. Ich dachte, ich wäre über ihren Tod hinweg, ich wäre stark genug all das auszuhalten und durchzustehen. Aber in Wahrheit habe ich meine Gefühle nur unterdrückt. Ich hatte Angst vor dem Schmerz, der Trauer, der Verzweiflung, also habe ich mich davor versteckt, ihn unterdrückt, verleugnet. Ich war nie stark. Ich bin nicht stark. Ich verstecke mich nur vor dem, was ich fürchte, statt mich meiner Furcht zu stellen. Ich bin schwach, Christian, und ich habe Angst.“ Traurig sah sie ihn an und die Last der jahrelang unterdrückten Emotionen lastete schwer auf ihren Schultern. ,,Ich hoffe so sehr, dass meine Eltern stolz auf mich wären“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. ,,Hey“, sagte Christian mit weicher, bekümmerter Stimme und wischte ihr sanft eine Träne von der Wange. ,,Wenn sie nicht stolz auf dich sind, haben sie eine Tochter wie dich nicht verdient.“ Alexandra lächelte unter Tränen und lehnte den Kopf an seine Schulter. ,,Danke.“

Als der Wagen mitten in der Innenstadt vor einer hell erleuchteten Bar hielt, tastete Alexandra zögernd nach Christians Hand. Sanft schlangen sich seine Finger um die ihren, verschränkten sich und drückten sie sanft. Seine Berührung gab Alexandra Halt und gleichzeitig durchzuckte ein bittersüßer Schmerz sie. ,,Bereit?“, fragte Christian leise. ,,Zu allem“, erwiderte sie und versuchte ihrer Stimme einen festen, sicheren Klang zu geben. Dann schlossen sie sich den Sparks an und betraten die Bar. Sie gefiel Alexandra auf Anhieb besser als die, die sie am Freitag am Flughafen betreten hatte. Die Stimmung war heiter und ausgelassen, die Leute an den Tischen um die Tanzfläche herum lachten und scherzten und unterhielten sich. Alexandra sah Leute aller Altersgruppen, von älteren Männern, die sich beim Kartenspielen den ein oder anderen Bourbon gönnten bis hin zu Studenten, die über ihren Büchern brüteten und halbleere Biergläser neben sich stehen hatten. In einem Nebenraum sah sie einen Billardtisch, in einem anderen blinkte alte Spielautomaten. Ein Schild verkündete, dass ab halb elf auf der Bühne Karaoke veranstaltet wurde. Doch jetzt stand das Mikrophon noch einsam auf dem Podium und auf der Tanzfläche bewegten sich nur ein paar ältere Leute zum Takt melancholischer Blues. Sie schlängelten sich zwischen den Tänzern hindurch zum Tresen und nahmen auf den Barhockern Platz. Während Kate Irene und Timothy einschärfte ja nichts alkoholisches zu bestellen, musterte Alexandra ratlos die Getränkekarte. ,,Jetzt sag nicht, du trinkst nicht“, murmelte Christian ihr halb besorgt halb amüsiert zu. ,,Naja.“ Alexandra biss sich auf die Unterlippe. ,,Ich trinke höchstens mal ein Glas Rotwein am Abend, den Sekt oder Champagner bei irgendwelchen Empfängen oder, wenn mich einer meiner Partner geschäftlich einlädt.“ ,,Warst du überhaupt schon mal betrunke! n?&ldquo ; Alexandra runzelte die Stirn. ,,Nein, ich glaube nicht.“ Christian schüttelte fassungslos den Kopf. ,,Was hast du denn in deiner Highschoolzeit und während des Studiums gemacht?“ ,,Gelernt“, antwortete Alexandra trocken. Er sah aus, als würde er gleich an einen Lachanfall bekommen. ,,Wehe du lachst!“, drohte Alexandra ihm scherzhaft. ,,Nur, weil ich nicht mit meinen Freunden nachts um die Blocks gezogen bin, um halb drei stockbesoffen in irgendwelche Mülltonnen gekotzt habe und während des Studiums nicht lauter Partys geschmissen habe, heißt das nicht, dass ...“ ,,Dass was?“, unterbrach er sie spöttisch. ,,Dass du nicht auch ein normaler Teenager gewesen bist? Du weißt schon, was die meisten Teenager gemacht haben, während du brav in deiner piekfeinen, blitzsauberen Studentenwohnung gebüffelt hast?“ Alexandra schnaubte. ,,Ich kann mir vorstellen, was DU gemacht hast.“ Sein linker Mundwinkel hob sich noch ein Stückchen. ,,Das glaube ich kaum. Ich habe Dinge getan, an die du garantiert noch nicht einmal denken würdest.“ Seine Augen blitzten provozierend. ,,Erleuchte mich“, konterte Alexandra mit einem herausfordernden Grinsen. Sein Lächeln vertiefte sich noch. ,,Willst du das wirklich?“ ,,Denkst du, du könntest mich schocken? Mich bestürzen? Mich dazu bringen, wegzulaufen?“, fragte Alexandra spöttisch und beugte sich dicht zu ihm. ,,Das kannst du vergessen“, raunte sie ihm ins Ohr. ,,Die Zeit des Weglaufens ist vorbei.“ Seine Mundwinkel zuckten. ,,Mrs Knight, ich kann mich nicht entscheiden, ob das mutig oder schlicht wagemutig ist“, schnurrte er. ,,Es ist da einzig richtige“, erwiderte sie mit einem verwegenen Lächeln. Er stieß ein leises, dunkles Lachen aus. ,,So gefallen Sie mir, Mrs Knight.“ ,,Als Sie das das letzte Mal gesagt haben, haben Sie hinterher meinen Wagen demoliert und mir Chili in meinen Kaffee ge! tan, um mich außer Gefecht zu setzen, Mr Almound.“ Sie versenkte ihren Blick in seinem. Er erwiderte ihren Blick mit glühenden Augen. ,,Da scheine ich ja versagt zu haben. Äußerst bedauerlich.“ Während er sich die letzten Worte auf der Zunge zergehen ließ, verzogen seine Lippen sich zu einem derart lasziven Lächeln, dass es Alexandra heiß überlief. Sie wollte gerade etwas erwidern, als Kate sich an sie wandte. Ihr belustigter Blick zeigte Alexandra, dass sie alles mitgehört hatte. ,,Habt ihr euch schon entschieden? Also für ein Getränk und nicht, wann ihr eure Highschool- Versäumnisse nachholen wollt.“ ,,Kate!“, rief Alexandra empört. Sie grinste nur. Während die anderen bestellten, beugte Christian sich zu Alexandra hinüber. ,,Als arme, wehrlose Jungfrau würde ich dir zu Sex on the Beach raten.“ Seine Augen glühten im Dämmerlicht. Alexandra schnalzte ungläubig mit der Zunge. ,,Wie kann ein Getränkevorschlag nur so unfassbar zweideutig sein!“ Prompt verzogen seine Mundwinkel sich zu einem Lächeln. ,,Wieso? Ich meinte den Cocktail“, sagte er unschuldig, doch dann zwinkerte er ihr spitzbübisch zu. ,,Vorerst.“ Sie bestellten und Alexandra nahm vorsichtig einen Schluck. Sie schmeckte Pfirsich, Orange und etwas Beeriges, vielleicht Cranberry. Und natürlich den typisch herb- säuerlichen Geschmack von Alkohol. Christian nippte vorsichtig an seinem Cosmopolitan. Auch Kate war es wie Alexandra milder angegangen und hatte irgendeinen knallbunten Longdrink bestellt. ,,Als ich das letzte Mal hier war, habe ich ein paar Margaritas zu viel getrunken und wäre fast rausgeworfen worden“, erzählte sie Christian und Alexandra. ,,Was hast du denn gemacht?“, fragte Alexandra mit einem beunruhigten Seitenblick auf ihren Cocktail. ,,Na ja.“ Kate grinste verlegen. ,,Es fing relativ harmlos an.“ Ashton lehnte sich zu ihnen. ,,Ich! sa&szli g; auf meinem Stuhl, als Kate auf einmal aufsprang und wild entschlossen verkündete, sie wolle jetzt Karaoke singen. Sie ist also auf die Bühne, hat der ältere Frau, die da gerade stand, das Mikro aus der Hand gerissen und dabei gebrüllt: “Platz da, Oma, lass mal die sexy Generation ran!“ Während Christian und Alexandra in Gelächter ausbrachen, lief Kate feuerrot an. ,,Glaubt mir, es wurde noch schlimmer. Ich stand da also auf der Bühne und grölte völlig besoffen ins Mikro. Ich weiß gar nicht mehr, was ich überhaupt gesungen habe.“ ,,Ich schon“, meinte Ashton. ,,Es war Physical von Olivia Newton- John und während sie das gesungen hat … na ja, sagen wir einfach, dass mich bald die ganze Bar grinsend angestarrt hat.“ Kate erschauderte. ,,Irgendwann im Laufe des Songs bin ich von der Bühne gesprungen und zum Tresen und dann habe ich dem Barkeeper das Mikro unter die Nase gehalten und gebrüllt: “Schwing die Hüften, Alter“ und noch ein paar andere Sachen, die ich jetzt aber nicht wiederholen werde. Als ich dann wieder auf der Bühne stand, war mir auf einmal furchtbar heiß und ich weil ich so was von zu war, habe ich dann angefangen so ´ne Art Stripteaseshow abzuziehen. Als ich dann irgendwann nur noch Unterwäsche anhatte, hat Ashton mich Gott sei Dank von der Bühne geholt. Als ich am nächsten Morgen mit grauenhaftem Kater erfahren habe, was ich getan hatte, war ich kurz davor aus dem Fenster zu springen, das könnt ihr mir glauben.“

Sie verbrachten die nächsten Stunden lachend und scherzend und Alexandra spürte, wie sie sich immer mehr entspannte. Ob das an der lockeren, heiteren Stimmung oder an ihrem zweiten Cosmopolitan lag, konnte sie nicht sagen, doch selbst, wenn es der Alkohol war, der sie ihre Ängste vergessen ließ, war sie froh darüber. Jedes Mal, wenn ihr Blick zu Christian hinüber huschte, zögerlich, schüchtern, als wäre sein Anblick etwas Verbotenes, hoben sich ihre Mundwinkel. Jedes Mal, wenn sich ihre Blicke trafen, weiteten sich seine Pupillen, bis sie fast die gesamte Iris auszufüllen schienen und ein euphorisierendes Gefühl der Freude und Ausgelassenheit durchflutete Alexandra.

Um halb elf fuhr Grace die heftig protestierenden Zwillinge nach Hause und die Zurückgebliebenen rückten näher zusammen und beobachteten Ashton und Kate, die eine Wette abgeschlossen hatten und sehen wollten, wer in einer halben Stunde die meisten Handynummern bekam. Alexandra beobachtete, wie Kate einem jungen Mann am anderen Ende des Tresens einen verführerischen Augenaufschlag zuwarf. Er sagte etwas, sie warf lachend den Kopf zurück und erwiderte etwas. Kurz darauf lächelte Kate ihr triumphierend zu. Ashton hingegen tanzte auf der sich langsam füllenden Tanzfläche eine Frau an und verwickelte sie schnell in ein Gespräch. Alexandra betrachtete das Geschehen mit einem Kopfschütteln und einem amüsierten Lächeln.

Eine halbe Stunde später kehrten die beiden zurück. Ashton lächelte siegessicher. ,,Und?“, fragte Kate spöttisch. ,,Wer hat sich deiner erbarmt?“ ,,Halt dein Taschentuch bereit, Süße“, konterte Ashton. ,,Denn ich habe ...“- er machte eine Spannungspause - ,,zwölf Nummern.“ Triumphierend legte er eine Serviette auf den Tresen. Kate nickte bedächtig. ,,Nicht schlecht. Ich traue mich kaum noch zu sagen, wie viele Gentlemen bereit waren, mir ihre Nummern zu hinterlassen.“ Dann breitete sich langsam ein diabolisches Grinsen auf ihrem Gesicht aus. ,,Es waren nämlich … dreiundzwanzig. Soll ich dir ein Taschentuch reichen, Süßer?“ Sie grinste Ashton schelmisch an, der nur sprachlos grinsend den Kopf schüttelte. ,,Und genau deshalb, mein Freund, spielt man nicht mit Frauen“, meinte Christian und klopfte Ashton auf die Schulter. Der seufzte und sah liebevoll zu Kate hinüber. ,,Aus Liebe tut man die seltsamsten Sachen.“ Er grinste Christian freundschaftlich zu. ,,Manche heiraten sogar.“ Während die anderen lachten, ruhte Christians Blick seltsam entrückt auf Alexandra. Sie verstummte, als sie seinen Blick bemerkte. Seine Augen waren tief und dunkel und erfüllt von einer Fülle der Gefühle, die sie nicht zu deuten wusste. Erst, als ein schrilles Rückkopplungspfeifen durch die Bar gellte, schaffte sie es, ihren Blick wieder von ihm zu lösen. Alle Blicke wandten sich der Bühne zu, auf der ein junger Typ am Mikro stand. ,,Guten Abend, Leute“, dröhnte seine Stimme durch den gesamten Schankraum. ,,Es ist wieder so weit! Wer wird sich heute auf die Bühne trauen und uns mit seinem Gesang beehren? Freiwillige vor!“ ,,Dein Auftritt, Ashton“, schnurrte Kate mit einem maliziösen Lächeln. Ashton stöhnte, stand aber auf und ging nach vorne, um seinen Wetteinsatz einzulösen. ,,Und da ist er, meine Damen und Herre! n!&ldquo ;, rief der Moderator begeistert. ,,Der erste, der sich auf die Bühne wagt! Lasst es ihn nicht bereuen! Applaus, Ladys and Gentlemen, Applaus!“ Applaus brandete auf und Ashton lächelte dem Publikum leicht gequält zu und stellte sich neben den Moderator auf die Bühne. Er flüsterte ihm etwas zu. Der Mann nickte. ,,Ihr Wunsch ist mir Befehl. Und damit gehört die Bühne Ihnen …?“ Ashton murmelte ihm etwas zu. ,,...Ashton!“ Der Moderator verließ die Bühne, um dem DJ Anweisungen zu geben und Ashton räusperte sich und ließ den Blick durch die Zuschauer schweifen. Als sein Blick auf Kate fiel, die ihm eine Kusshand zuwarf, lächelte er. Und dann erklangen auch schon die ersten Takte. Alexandra lauschte. Es war I Put a Spell on you. ,,Fifty shades of Grey“, erkannte sie gleichzeitig mit Kate und grinste. Auf dem Podium begann Ashton eine bühnenreife Show hinzulegen. Er sang gar nicht schlecht und er brachte seinen ganzen Körper in die Performance mit ein, sodass das Publikum immer wieder lachte und applaudierte. Doch während der gesamten Show galt Ashtons Aufmerksamkeit einzig und allein Kate. Keine einzige Sekunde ließ er sie aus den Augen und Kate ihrerseits schien wie verzaubert. Alexandra betrachtete sie aus den Augenwinkeln und lächelte wehmütig. Schließlich heulte Ashton mit voller Inbrunst ein letztes because you´re mine ins Mikro und verharrte ein paar Sekunden in seiner Pose, während die Zuschauer in Beifall ausbrachen. Dann hängte er das Mikro zurück in seine Fassung und deutete mit einem leicht verlegenen Lächeln eine Verbeugung an, ehe er, verfolgt von grellen Lichtkegeln, zu seinem Platz zurückkehrte, wo er schon von Kate empfangen wurde, die ihn stürmisch umarmte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, das ihn leise lachen ließ.

In den nächsten Minuten ließen sie mehr oder weniger gut gecoverte Songs über sich ergehen und Alexandra versuchte das Gejaule in ihrem Martini zu ertränken. Auch Christian, der mit einem Gesichtsausdruck als wäre ihm übel auf die Bühne starrte, wo gerade eine ältere Frau schmachtend ins Mikrophon heulte, schien der Meinung, dass die Show nur betrunken auszuhalten war. Schon bald bemerkte Alexandra, dass es leichter wurde, das Winseln, Quäken und Kreischen von der Bühne, durchbrochen von der ein oder anderen wohltuend guten Performance, zu ertragen. Als sie irgendwann auf die Uhr sah, sah sie, dass es schon beinahe Mitternacht war. Die Zeiger und Ziffern wirkten seltsam verschwommen und unscharf. Sie kniff die Augen zusammen. ,,Alexandra?“ Christians Stimme klang leicht gedämpft. Als sie den Kopf drehte, drehte sich die Welt vor ihren Augen noch einen Moment weiter, ehe sich ihre Sicht klärte. ,,Bist du betrunken?“ ,,Wie?“, murmelte Alexandra. ,,Nein, natürlich nicht!“ ,,Deine Pupillen sind stark geweitet.“ Sie sah ihr eigenes Spiegelbild winzig klein in seinen riesigen Pupillen. ,,Und dafür gibt es drei Gründe: Drogen, Alkohol oder starke Emotionen.“ Sie schnaubte. ,,Oder Dunkelheit, Almound.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. ,,Na, allzu betrunken bist du offenbar noch nicht. Fast schon bedauerlich.“ Amüsiert hob sie eine Augenbraue. ,,Ich kann nicht nachvollziehen, was Sie sich davon versprechen, mich betrunken zu sehen, Mr Almound.“ Er beugte sich so dicht zu ihr, dass sie seinen warmen Atem auf ihren Lippen spüren konnte. Ihr stockte der Atem. ,,Oh, sehr viel sogar“, raunte er. ,,Vielleicht würden Sie sich ja zu der ein oder anderen Dummheit hinreißen lassen, Mrs Knight.“ Ihr Blick zuckte unwillkürlich zu seinen Lippen. Sie schluckte, sah wieder zu ihm hoch und hoffte, dass er ihren Blick nicht bemerkt hatte. Doch er s! ah sie n ur unverwandt an. ,,Wer weiß, wozu ich mich hinreißen lasse, wenn ich noch eine Sekunde länger gezwungen bin mein Entsetzen über dieses Gejaule in Alkohol zu ertränken“, murmelte sie. Sparks´ Stimme durchbrach den Bann zwischen ihnen. ,,Habe ich das richtig verstanden? Sie wollen etwas für uns singen, Mrs Knight?“ Schlagartig wurde Alexandra in die Gegenwart zurück gerissen. ,,Was? Ich ...“ Doch da hatte Sparks auch schon dem Moderator zugewinkt. ,,Ich habe noch eine Freiwillige für Sie!“ Entsetzt starrte Alexandra Sparks an, doch da richteten sich auch schon die Scheinwerfer auf sie und der Moderator kam durch die Zuschauer auf sie zu. Hilfesuchend sah sie Christian an, doch der zuckt nur hilflos mit den Schultern. ,,Madame, darf ich bitten?“ Der Moderator hielt ihr auffordernd seine Hand hin. Alexandra zögerte mit schreckgeweiteten Augen. ,,Tu einmal in deinem Leben etwas Unerwartetes, Dummes, Verrücktes“, raunte Christian ihr zu und da wurde sie auch schon von ihrem Stuhl gezogen und die Menge johlte. Kate flüsterte dem Moderator noch etwas ins Ohr. Alexandra verstand nur die Worte verlobt, heiraten, morgen und Junggesellenabschied. In ihren Ohren rauschte es und ihr Herz raste. Wie in Trance ließ sie sich durch das Publikum ziehen und dann stand sie auch schon im grellen Scheinwerferlicht auf der Bühne. Ihr eigener, panischer Atem dröhnte unnatürlich laut in ihren eigenen Ohren und sie kam sich unvorstellbar klein und schutzlos vor. In der Dunkelheit vor der Bühne sah sie die Sparks. Sie alle hielten die Daumen hoch und lächelten aufmunternd. Von Christian sah sie nur die Augen. Das Scheinwerferlicht spiegelte sich in seinen riesigen, dunklen Pupillen. In diesem Moment setzten die ersten Takte des Songs ein. Alexandra erkannte I want to know what love is, doch ihr Kopf war wie leergefegt und ihre kehle staubtrocken. Sie brachte kein einziges Wort über die Lippen. Unt! er dutze nden wartenden, aufmerksamen Blicken spiegelten sich die Lichter im Weiß ihrer weit aufgerissenen Augen. Sie wusste, dass sie ihren Einsatz für die erste Strophe längst verpasst hatte, doch vor Angst war sie erstarrt. Sie blinzelte hektisch und wurde von eiskaltem Entsetzten überflutet, als sie sah, dass Christian nicht mehr an seinem Platz saß. Unten in der Menge runzelten die ersten die Stirn und begannen zu tuscheln. Auf einmal ertönte eine kraftvolle, klare und so vertraute Stimme, dass Alexandra vor Erleichterung fast in die Knie ging.

,,Now this mountain I must climb

Feels like the world upon my shoulders

Through the clouds I see love shine

It keeps me warm as life grows colder.“

Christian trat aus dem Schatten heraus auf die Bühne, ein Mikrophon in der Hand. Ein Raunen stieg aus der Menge auf. Er blieb direkt vor ihr stehen und hielt sie in seinem Blick gefangen, während er seine Zeilen sang. Sein Anblick gab Alexandra die Kraft, die sie brauchte. Sie atmete tief durch, schloss die Augen und hob an. Zuerst klang ihre Stimme noch unsicher und zögerlich, doch dann wurde sie fester, klarer, lauter:

,,In my life there´s been heartache and pain

I don't know if I can face it again

Can't stop now, I've traveled so far

To change this lonely life.“

Sie erschauerte, als ihr bewusst wurde, was sie da gerade sang – und wie gut das Lied zu ihrer Situation passte. Sie beendete ihre letzte Zeile und schnappte nach Luft, ehe sie und Christian gemeinsam zum Refrain anhoben:

,,I wanna know what love is

I want you to show me

I wanna feel what love is

I know you can show me.“

Alexandra schloss die Augen, rang nach Atem, als eine Woge der Gefühle sie überrollte und ihr den Atem raubte. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Christian sie noch immer unverwandt, nahezu entrückt ansah und die Wucht der Gefühle in seinem Blick, ließ ihr erneut den Atem stocken. In diesem Moment gab sie sich ganz und gar ihrer törichten Hoffnung hin. Egal, was kommen würde, heute Abend hatte sie nicht die Kraft, sich noch länger zu verstecken, ihre Gefühle noch länger verborgen zu halten. Sie ließ zu, dass ihre Schutzwälle brachen und wusste, dass er nun in ihren Augen lesen können musste, wie in einem offenen Buch. Doch es war ihr egal.

,,I'm gonna take a little time

A little time to look around me

I've got nowhere left to hide

It looks like love has finally found me.“

Sie sang jedes Wort mit voller Inbrunst und ließ ihn dabei keine Sekunde aus den Augen. Er sah fassungslos aus, ungläubig und in seinen Augen brannte eine Sehnsucht, dass sich südlich ihres Nabels alles zusammenzog. Er schien einen Moment zu brauchen, um sich zu fassen, dann hob er erneut an:

,,It looks like love has finally found me

I don't know if I can face it again

Can't stop now, I've traveled so far

To change this lonely life.“

Bei seinen Worten entbrannte die Sehnsucht in Alexandra so heftig und qualvoll, dass sie lautlos nach Luft schnappte. Instinktiv streckte sie die Hand nach Christian aus. Das Verlangen ihn zu berühren brachte sie fast um den Verstand. Er ergriff ihre Hand und zog sie an sich heran. Sie hörte nicht, wie die Menge aufraunte. Ihre einzige Aufmerksamkeit galt dem Mann an ihrer Seite, in dessen Blick so viel Zärtlichkeit und Zuneigung lag, dass ihr vor Glück fast schwindelig wurde.

,,I wanna know what love is

I want you to show me

I wanna feel what love is

I know you can show me

 

I wanna know what love is

I want you to show me

(And I wanna feel) I wanna feel what love is

(I know) I know you can show me.“

Um Alexandra herum verblassten die Zuschauer, die Bar. Die Welt trat in den Hintergrund. Es gab nur noch sie und Christian und ihre Stimmen, die einander perfekt ergänzten. Sie schmiegte sich an ihn und ihre Blicke versanken ineinander.

,,(Let's talk about love) I wanna know what love is

(Love that you feel inside) I want you to show me

(And I'm feeling so much love) I wanna feel what love is

(I know you just can't hide) I know you can show me

 

I wanna know what love is

(Let's talk about love) I want you to show me

(I wanna feel it) I wanna feel what love is (I wanna feel it, too)

(And I know, and I know) I know you can show me

 

I wanna know what love is (I wanna know)

I want you to show me (I wanna know, I wanna know, I wanna know)

I want to feel what love is (I wanna feel)

I know you can show me.“

Und dann war es vorbei und Christian und Alexandra starrten einander atemlos an. Sie spürte seinen Herzschlag direkt an ihrem, ihre Herzen rasten im selben Takt. Nur langsam drang der ohrenbetäubende Applaus des Publikums zu ihnen durch. Die Zuschauer waren aufgesprungen, pfiffen, schrien, klatschten und stampften, doch Alexandra klammerte sich mit aller Kraft an den Moment und betete, er möge niemals enden. Der Beifall der Menge zählte für sie nicht. Es war schließlich Christian, der sich widerwillig von ihr löste und zögernd nach ihrer Hand tastete. Sofort schlang sie ihre Finger um seine und als sie sich verbeugten, brandete der Jubel erneut ohrenbetäubend auf. Als sie die Bühne verließen und zu ihren Plätzen zurückkehrten, war Alexandra wie in Trance. Sie spürte die gerührten, wohlwollenden Blicke der Menge auf sich, spürte den sanften Druck von Christians Fingern und wusste, dass sie vor Glück strahlen musste. Als sie die anderen erreichten, hatten Kate und Grace Tränen in den Augen. Ashton nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf in stummer Anerkennung und Bewunderung und Greg klopfte Christian auf die Schulter, wie eine Art Friedensangebot. Kate griff nach Alexandras Händen. ,,Das war ...“ Sie suchte nach Worten, schüttelte dann aber nur den Kopf. Wie im Freudenrausch ließ Alexandra die Glückwünsche und Anerkennungen der Sparks über sich ergehen. Sie war wie trunken vor Glück.

Als die Karaokerunde zu Ende war und die Musik wieder einsetzte, erhob Kate sich von ihrem Stuhl und zog Alexandra mit sich zur Tanzfläche. Diese sträubte sich halbherzig. ,,Kate! Ich kann nicht tanzen!“ ,,Quatsch!“, sagte Kate bestimmt. ,,Wer so singen kann, dass er mich zu Tränen rührt, der kann auch tanzen!“ Sie begann sich im Takt der Musik zu bewegen. ,,Komm schon!“, rief sie, als Alexandra immer noch unschlüssig am Rand stand. ,,Du kannst das! Dein Körper weiß, was er zu tun hat! Vertrau einfach deinem Instinkt!“ Endlich gab Alexandra sich einen Ruck. Sie schloss die Augen und gab sich der Musik hin, ließ vom Rhythmus, von den Beates umspülen und mitreißen. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte ihr Körper längst die Kontrolle übernommen und zu tanzen begonnen. Ein Grinsen breitete sich langsam auf ihrem Gesicht aus. ,,I got this feeling on the summer day when you were gone!“, johlte Kate neben ihr. ,,I crashed my car into the . I watched, I let it burn!“ Adrenalin durchflutete Alexandra. Sie fühlte sich frei, voll ungezügelter Energie. So leicht und unbeschwert, so glücklich und sorglos, wie in den letzten beiden Tagen hatte sie sich schon jahrelang nicht mehr gefühlt. Ihr Alltag war geprägt gewesen von Zufriedenheit, wenn sie einen Deal abgeschlossen hatte. Triumph, wenn sie einen Gegner überboten hatte und den Rest der Zeit war sie kühl, höflich und distanziert gewesen. In den letzten beiden Tagen war sie aufgeblüht. ,,I don´t care, I love it!“, brüllte sie jetzt im Chor mit den anderen Tänzern. ,,I don´t care!“ Dröhnende Bässe. Flackernde und zuckende Lichter. Die Beates brachten Alexandras Knochen zum Beben. Grellbunte und blendend weiße Lichter blendeten sie. Ihre Trommelfelle vibrierten. Der Boden zitterte. Menschen lachten und tanzten, sprangen unbeschwert und ausgelassen auf und ab,! stie&sz lig;en die Fäuste in die Luft und kümmerten sich nicht, darum was die anderen von ihnen dachten. Die Atmosphäre war wie geladen, zitterte vor Spannung, die Funken sprühten, die Luft knisterte vor Elektrizität. Alexandra fühlte sich wie elektrisiert. Die Haare flogen ihr um den Kopf, verfingen sich in Strähnen in ihrem Gesicht, vor ihren Augen verschwamm alles zu tanzenden, bunten Wirbeln. Ihr Blut, ihr Puls, ihr Herzschlag pulsierten und dröhnten im Takt der Musik. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Ashton, Greg und Christian sich ins Getümmel warfen. Christian hatte sein Jackett ausgezogen. Sein weißes Hemd leuchtete im Schwarzlicht. Ein neuer Song begann. LMFAOs I´m sexy and I know it. Christians erblickte sie in der Menge und seine Lippen verzogen sich zu einem trägen Raubtierlächeln. Im Takt der Musik begann er sich auf sie zuzubewegen und rhythmisch mit dem Kopf zu nicken. Als der Gesang einsetzte, imitierte er die Mundbewegungen perfekt. Alexandra spürte, wie sich ihre Mundwinkel zu einem Grinsen verzogen. Während seiner Imitation warf er ihr immer wieder spielerisch- anzügliche Blicke zu, brachte sie mit seinem lasziven Lächeln zum erröten. Als er ihr I´m sexy and I know it ins Ohr raunte, erschauderte sie und südlich ihres Nabels zog sich alles angenehm zusammen.

Als der Song verstummte, erstarb das wilde Blitzlichgeflacker der Scheinwerfer. Der Raum wurde in dämmriges, violettes Licht getaucht, die Discokugel warf glitzernde Schatten auf Wände, Boden und Decke. Das Lied, das nun erklang, hatte einen langsameren Rhythmus. Um Alexandra fanden sich die Paare zusammen und begannen sich zum Takt der Musik zu bewegen. Sie wich aus, als sie jemand an ihr vorbei drängte, und stieß mit dem Rücken gegen jemanden. ,,Sie sind umwerfend, Mrs Knight, sollte das nicht offensichtlich sein“, sagte eine samtige, dunkle Stimme und sofort schoss Alexandras Puls in die Höhe. Sie drehte sich um und musste den Kopf in den Nacken legen, um zu Christian aufsehen zu können, so dicht stand er vor ihr. ,,Darf ich bitten, Mylady?“ Galant reichte er ihr die Hand. Eine Erinnerung blitzte in ihrem Kopf auf und ließ sie zurückzucken. Besorgt runzelte er die Stirn. ,,Was ist denn?“, fragte er sanft. ,,Nichts, es ist nur ...“ Krampfhaft versuchte Alexandra den Gedanken zu verdrängen. Das war über zehn Jahre her! Warum konnte sie ihre Vergangenheit nicht endlich vergessen? ,,Hey.“ Sie sah zu Christian auf, als er ihr federleicht über die Wange strich. ,,Ich weiß, du bist in deiner Vergangenheit oft enttäuscht und verletzt worden, aber das ist jetzt vorbei. Du bist nicht mehr das kleine Mädchen von damals.“ Alexandra nickte und atmete zittrig ein. Zaghaft legte sie ihre Hand in Christians. Sacht schloss er seine Finger um ihre und zog sie näher an sich heran. Als er seinen Arm um sie legte, erschauerte sie und schluckte heftig. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seine Schulter, spürte die kräftigen Muskeln, die Konturen des Schlüsselbeins, die Wärme seiner Haut unter dem dünnen Stoff. ,,Vor ungefähr zehn Jahren“, begann sie stockend, ,,war ich mit meinem damaligen Freund tanzen. Ich dachte, ich würde es genießen ihm so nahe zu sein, do! ch es &h ellip; es hat sich einfach nur völlig falsch angefühlt.“ Es war eine Erleichterung das endlich jemandem zu sagen. Zwar hatte sie damals Rat bei ihren Eltern gesucht, doch sie hatte ihnen niemals erzählt, wie falsch sich ihre Beziehung angefühlt hatte und wie das Gefühl der Enttäuschung und Wut sie noch lange Zeit hinterher beschäftigt hatte. ,,Und wie fühlt sich das an?“, murmelte Christian. Alexandra schloss die Augen und versuchte ihre Erinnerungen auszublenden. Sie spürte nur noch Christians sanfte Berührungen, den überwältigenden Drang, sich an ihn zu schmiegen. Sie glitten dahin, federleicht und schwerelos, schwebten über die Tanzfläche. Unwillkürlich legte sie den Kopf auf seine Schulter und schlang den Arm um seinen Hals. Sie atmete seinen mittlerweile so vertrauten Duft ein und spürte, wie sich tief in ihr etwas löste. Erleichterung durchflutete sie, Glück, Freude, Sehnsucht, wie ein bittersüßer Schmerz in ihrem Herzen. ,,Besser“, raunte sie. Er schlang den Arm noch fester um ihre Taille, zog sie noch näher an sich heran und lehnte seinen Kopf an ihren. Um Alexandra herum trat die Welt erneut in den Hintergrund. Als Florence + The Machine leise never let me go sangen, rollte ihr eine einzelne Träne die Wange hinab. Das fühlte sich so gut an. ,,Bitte, lass das kein Traum sein!“, flüsterte sie lautlos.

Um kurz nach zwei drängte Grace sie dann schließlich doch zum Aufbruch. Erst als Alexandra wieder draußen vor der Bar stand und die kühle Nachtluft einatmete, merkte sie, wie müde sie war. Der Himmel war schwarz und sternenklar, noch immer wehte eine laue Brise. Die Stadt war still und dunkel und friedlich, nicht wie in New York, wo die Wolken selbst mitten in der Nacht noch taghell erleuchtet wurden und die Einwohner niemals zur Ruhe kamen. Christian hielt ihr die Tür auf und sie ließ sich erschöpft in die Lederpolster sinken. Erschöpft, aber glücklich. Christian tastete sanft nach ihrer Hand, die zwischen ihnen auf den Polstern lag. Um Erlaubnis bittend sah er sie an. Im Mondlicht, das durch das Fenster drang, erschienen seine Augen unendlich tief und dunkel und entfachten die Sehnsucht in ihr, wie eine süße Qual. Ihr Körper übernahm die Kontrolle, ehe sie recht wusste, wie ihr geschah und sie verschränkte ihre Finger mit den seinen. Als er mit dem Daumen sacht über ihren empfindlichen Handrücken strich, erschauerte sie und schnappte lautlos nach Luft. Es hatte keinen Sinn mehr, Angst vor dem Kontrollverlust zu haben. Sie hatte die Kontrolle längst verloren. In seiner Gegenwart gehorchte ihr Körper ihr nicht mehr, in seiner Gegenwart wurde sie auf einmal verletzlich und unsicher, in seiner Gegenwart begann sie sich auf einmal nach Dingen zu sehnen, an die sie nicht einmal gedacht hatte in den letzten Jahren. Nach dem Tod ihrer Mutter war sie sich sicher gewesen, dass es nichts qualvolleres als die Liebe gab. Oft zerstört uns am Ende das, was wir am meisten lieben, hieß es und genau das war, was ihre Mutter zerstört hatte. Liebe hatte Alexandra alles genommen und doch fürchtete sie nun nichts mehr, als ihr Leben einsam und allein verbringen zu müssen.

Die Limousine hielt vor Sparks Manor und sie stiegen aus. Stattlich ragte das Herrenhaus vor ihnen auf. Irgendwie, dachte Alexandra, als sie wehmütig die steinerne Fassade hinaufblickte, könnte ich mich daran gewöhnen hier zu leben. Sie konnte sich nicht erinnern New York vermisst zu haben. Sie fragte sich, ob es ihr schwerfallen würde in ihr altes Leben zurückzukehren. ,,Alexandra?“ Kate war bereits die ersten Stufen hinaufgestiegen und sah fragend zu Alexandra hinab. ,,Kommst du?“ ,,Ich … äh … ich bleibe noch ein wenig an der frischen Luft.“ Kate nickte verständnisvoll. ,,Aber vergiss nicht: Morgen ist dein großer Tag“, mahnte sie lächelnd. Alexandra konnte nicht anders, als zurück zu lächeln. Sie wandte sich zum Gehen, als ein Räuspern ertönte. Christian stand hinter ihr, mondbeschienen, wie mit Silber übergossen, die Hände in die Hosentaschen gesteckt, als wisse er nicht wohin damit. ,,Ich ...“, er klang unsicher. ,,Also wenn du willst, könnte ich dich ...“ Es rührte Alexandra diesen Mann, den sie für so stolz, arrogant und selbstverliebt gehalten hatte, auf einmal so zögerlich und schüchtern zu sehen. Als sie nickte, breitete sich ein scheues, schiefes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Seite an Seite schlenderten sie durch den mondbeschienen Garten. Alles war wie von Silber überflossen, schien an den Rändern zu glühen, war fast überirdisch schön. Der Vollmond stand riesig und rund am Himmel. War er in New York auch so groß und hell und nah gewesen? Alexandra blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken. Über ihr erstreckte sich das sternenübersäte Firmament. Je länger sie hinsah, desto mehr Sterne schienen es zu werden. Sie glühten und glitzerten, funkelten wie tausende und abertausende Diamantsplitter. Der Anblick war überwältigend schön. Langsam ließ sie den Kopf wieder! sinken. Im Augenwinkel sah sie Christian, der sie lächelnd beobachtete. Seine Züge waren ganz sanft und weich und auf einmal wurde sie sich überdeutlich der Tatsache bewusst, dass sie hier allein mit ihm in dem riesigen, menschenleeren Garten stand, weit weg von allen anderen. In diesem Moment erklang leises Lachen. ,,Was war das?“ Christian kam zu ihr hinüber. Gemeinsam folgten sie dem Geräusch. Die Wiese fiel ab und auf einmal konnten sie dunkle Gestalten auf dem Rasen erahnen. Beim Näherkommen erkannten sie Irene und Timothy. Sie saßen auf einer Decke im feuchten Gras und kicherten. Als sie Alexandra und Christian kommen sahen, verstummten sie erschrocken. ,,Hey, was macht ihr zwei denn hier draußen?“, fragte Christian freundlich. ,,Solltet ihr nicht längst im Bett sein?“ Timothy grinste verlegen. ,,Wir waren noch nicht müde und deshalb sind wir raus gekommen, weil wir dachten, wir sehen vielleicht eine Sternenschnuppe.“ ,,Aber das haben wir nicht und deshalb haben wir stattdessen Wahrheit oder Pflicht gespielt“, nahm Irene den Faden auf. ,,Aber zu zweit macht das keinen Spaß. Wollt ihr mitspielen?“ Bittend sah sie zu Christian und Alexandra auf. Alexandra wollte gerade antwortet, als auf einmal Rufe ertönten: ,,Irene! Timmy!“ Kate und Ashton erschienen auf dem Hügelkamm und stürzten eilig heran, als sie die vier erkannten. Kate stürzte sich sofort auf die Zwillinge und umarmte sie stürmisch. ,,Hier seid ihr also! Habt ihr auch nur irgendeine Vorstellung davon, welche Sorgen wir uns um euch gemacht haben, als wir nach Hause gekommen sind und ihr nicht da wart?“ ,,Tut uns leid, Tante Kate.“ Timothy schenkte ihr sein unschuldigstes Lächeln. ,,Spielt ihr jetzt mit uns Wahrheit oder Pflicht?“ ,,Ich liebe dieses Spiel!“ Kate schien total begeistert und zog Ashton mit sich auf die Decke hinab. ,,Ich hasse dieses Spiel!“, murmelte Alexandra. ,,Kommt schon!&l! dquo;, f orderte Kate sie auf und zog an Alexandras Arm. Mit einem Seufzen gab Alexandra sich geschlagen und ließ sich neben Christian auf der Decke nieder. ,,Okay, wer fängt an?“, fragte Kate eifrig. ,,Ich“, meinte Timothy und wandte sich an seine Schwester. ,,Also, Irene: Wahrheit oder Pflicht?“ ,,Wahrheit“, antwortete Irene nach kurzem Zögern. ,,Würdest du die Person rechts von dir für fünfzig Euro küssen?“ Irene sah nach rechts. Da saß Christian. Selbst in der Dunkelheit bei Mondlicht sah Alexandra, wie sie vor Verlegenheit scharlachrot anlief und schnell den Blick abwandte. ,,Ich … äh ...“, stotterte sie. ,,Ich fasse das mal als Ja auf“, meldete sich Christian schließlich zu Wort und Irene lief wenn möglich noch röter an. ,,Wahrheit oder Pflicht, Tante Kate“, fragte sie schnell. Kate runzelte nachdenklich die Stirn. ,,Du kannst es ruhig sagen, mittlerweile kann mich nichts mehr schocken“, neckte Ashton sie. Kate streckte ihm die Zunge raus. ,,Wart´s ab! Wahrheit“, wandte sie sich dann an Irene. ,,Wann warst du zum ersten mal verliebt und in wen?“ Kate lachte auf. ,,Ich glaube, das war in der vierten Klasse. Da war ich gerade neun.“ ,,Und in wen?“, hakte Timothy nach. Eine Spur von Verlegenheit mischte sich in Kates Grinsen. ,,In meinen Sportlehrer.“ Ashton schüttelte nur grinsend den Kopf. ,,Als ich herausgefunden habe, dass er eine Freundin hatte, hat es mir das Herz gebrochen“, fuhr Kate fort. ,,Zum Glück habe ich dann die Schule gewechselt.“ Sie wandte sich an Ashton. ,,Wahrheit oder Pflicht?“ ,,Pflicht“, sagte er, ohne zu zögern. Kate grinste diabolisch. ,,Okay, dann zeig´ uns mal deinen Bauchtanz!“ Stöhnend erhob Ashton sich. Dann begann er die Hüften kreisen zu lassen und eine Bauchtänzeirn zu mimen, bis die anderen sich vor Lachen auf dem Boden wanden. ,,Ich wusste gar nicht, das! s du so talentiert bist“, japste Kate. ,,Wir sollten das dringend öfter spielen.“ In diesem Moment fiel ihr Blick auf Christian und Alexandra. Ein unheilvolles Kribbeln durchlief Alexandra, als Kates Augen auf einmal aufglühten und sie sich kerzengrade aufsetzte. Oh nein! Kate lehnte sich zu Ashton hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er folgte ihrem Blick und ein Grinsen breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus. Unwillkürlich begann Alexandras Herz zu rasen. Sie spürte, wie Angst und Nervosität in ihr aufstiegen. ,,Alexandra“, wandte Ashton sich an sie und sein Lächeln vertiefte sich. ,,Wahrheit oder Pflicht?“ Alexandra schluckte schwer. Sie konnte unmöglich Wahrheit nehmen. Sie wusste, sie würde es nicht über sich bringen den anderen so ins Gesicht zu lügen, wenn sie sie über ihre und Christians Beziehung ausfragen würden und sie wusste, dass das nicht der richtige Zeitpunkt war, ihre große Lüge zu gestehen. ,,Pflicht?“, presste sie hervor und ihre Stimme zitterte leicht. Kate machte sich gar nicht die Mühe ihr triumphierendes Grinsen zu verbergen. ,,Ich habe in meinem Leben schon viele Pärchen gesehen“, begann sie. ,,Aber ihr zwei“, sie zeigte zwischen Christian und Alexandra hin und her, ,,seit definitiv das süßeste. Es gibt nur eine einzige Sache, die mir gefehlt hat.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und Alexandras Herz raste so sehr, dass ihr fast schwindelig wurde. ,,Ein Kuss“, vollendete Kate und Alexandra spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. ,,Also, Alexandra, ich will, dass du deinen Verlobten küsst. Und zwar keinen Kuss auf die Hand oder die Wange, sondern einen richtigen Kuss. Also, legt los ihr zwei.“ Alexandra war wie erstarrt. In ihren Ohren dröhnte nur ihr eigener Herzschlag und der Rest der Welt verstummte um sie herum. Sie wusste, sie konnte nicht ablehnen. Es war das Normalste der Welt, dass eine! Frau ih ren Verlobten küsste. Wenn sie sich weigerte, würde alles auffliegen. Sie atmete zittrig ein und drehte sich langsam zu Christian um. Er sah sie an und seine Pupillen waren riesengroß im Mondlicht. Seine Wimpern warfen lange, tiefe Schatten auf seine feinen, vertrauten Züge. Seine Miene war ganz weich und sanft, seine Augen offen und klar. Sein Blick glitt über ihr Gesicht und blieb an ihren Lippen hängen. Unwillkürlich biss sie sich auf die Unterlippe und ihr Blick zuckte hinunter zu seinen Lippen. Sie schimmerten weich und makellos, waren ohne Risse und Sprünge, einfach nur perfekt. Sie schluckte schwer. ,,Worauf wartest du, Christian!“, rief Ashton auffordernd. ,,Komm schon!“ Ihre Blicke trafen sich und sie glaubte in den Tiefen seiner Augen zu versinken. Die Gefühle darin berauschten sie und als sie seinen Geruch einatmete, wurde ihr schwummrig vor Augen. Er fesselte sie mit seinem Blick, bannte sie, hielt sie gefangen und trotz der Sehnsucht in seinen Augen bat er sie wortlos um Erlaubnis. Verlangen zerrte an Alexandra, drängte sie, die Sehnsucht schmerzte so sehr, dass sie es kaum noch aushielt, doch tief in ihr war die Angst. Die Angst davor erneut enttäuscht zu werden, verletzt zu werden. Er stieß den Atem aus, rückte näher an sie heran. Ihr Atem ging schnell und zittrig. Sie zog die Beine an und richtete den Oberkörper auf, jeder Muskel ihres Körpers war angespannt, ihre Nerven vibrierten vor Spannung. Sein Duft, seine Nähe vernebelten ihr die Sinne und Gänsehaut überzog ihren ganzen Körper. ,,Ich habe Angst“, flüsterte sie, nur für ihn hörbar. ,,Ich weiß“, erwiderte er und dann umfasste er ihr Gesicht mit den Händen und küsste sie.

Sanft und fragend berührten seine Lippen ihre und sie waren genauso warm und weich, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie spürte, wie sie die Kontrolle über ihren Körper verlor, wie sie weich und geschmeidig wurde, wie die Angst von ihr abfiel und sie sich ihm entgegen lehnte. Als sie seinen Kuss mit schon fast verzweifelter Sehnsucht erwiderte, stöhnte er leise auf und zog sie noch näher an sich heran. Sie schlang die Arme um seinen Hals und ihre Lippen öffneten sich, schmeckten ihn, spürten ihn. Ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle. Heiße, pure Lust jagte durch ihre Adern, nahm ihr den Atem und raubte ihr den Verstand. Schiere, reine, ungezügelte Ekstase durchflutete sie und die Sehnsucht, das Verlangen brandeten mit einer Wucht durch ihren Körper, die sie alles um sich herum vergessen ließ. Sie verlor sich in Christians Lippen, seinen Armen, seinem Geruch und seiner Nähe, verlor sich in Raum und Zeit und alles um sich herum – bis ein Räuspern sie in die Gegenwart zurück riss und sie daran erinnerte, dass sie nicht alleine waren. Und das sie Christian küsste. Atemlos lösten sie sich voneinander und starrten sich an. Sein Atem ging schnell, seine Haare waren zerzaust und erneut hielt er sie mit seinen gefühlvollen Augen gefangen. Unwillkürlich leckte Alexandra sich über ihre prickelnden Lippen. Sie spürte seine Lippen immer noch, den Nachgeschmack seines Kusses. Sie hatte Christian geküsst. Christian, den sie vor ein paar Tagen noch mehr verabscheut hatte, als alles andere auf der Welt. Und es hatte ihr gefallen. Mehr als das. Südlich ihres Nabels zog sich alles zusammen. Ihr Herz raste noch immer, vor ihren Augen drehte sich alles. Doch ihn sah sie klar. Klarer denn je zuvor. Christian Almound. Der Casanova. Der Gentleman. Der Charmeur. Der Mann, der sie gerettet hat. Nicht nur, vor einem betrunkenen Typen, sondern vor sich selbst. Der Mann, der ihr gezeigt hat, das k! ein Geld der Welt so viel wert ist, wie Liebe und Zuneigung. Der Mann, in dem sie sich so sehr getäuscht hat. Der Mann … den sie liebte. Sie rang stumm um Atem und ihre Augen weiteten sich, als ihr das endlich – endlich! – klar wurde.

 

Der Morgen dämmerte schon fast, als sie schließlich ins Haus zurückkehrten, doch Alexandra war nicht müde. Nie zuvor hatte sie sich wacher gefühlt und durch ihre Adern rauschte noch immer die Euphorie und erfüllte sie mit einem Hochgefühl, das sie beinahe schweben ließ. Als sie die Treppe hinaufstiegen, berührten sie und Christian sich nicht, doch die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung. Plötzlich schüchtern wagte sie es kaum noch Christian anzusehen. Hatte der Kuss ihn ebenso aufgewühlt wie sie? Als sie beide gleichzeitig ihre Hände nach dem Türknauf ausstreckten und ihre Finger sich berührten, durchzuckte es Alexandra wie ein Stromschlag. Sie zuckte zurück und sah hoch zu Christian. Auch er wirkte unsicher, ein scheues Lächeln umspielte seine Mundwinkel. ,,Ich … ähm … also … geh ruhig vor. Nein, geh du vor!“, stotterten sie unisono und mussten beide verlegen lächeln. Schließlich ergriff doch er die Initiative und öffnete die Tür. Als er sie leise hinter ihr schloss, erschauerte sie unwillkürlich. Natürlich waren sie schon vorher alleine in diesem Zimmer gewesen, doch etwas hatte sich verändert. Nein, wurde Alexandra bewusst, schon als er sie in der Bar vor dem Betrunkenen gerettet hatte, hatte sich zwischen ihnen etwas verändert. Sie hatte es sich nur nicht eingestehen wollen. ,,Ich … ähm … geh dann mal.“ Sie hielt erklärend ihren Schlafanzug hoch und verschwand im Bad. Als sie in den Spiegel schaute, erkannte sie sich selbst kaum wieder. Ihr Gesicht war dasselbe, dennoch hatte sich etwas verändert. Es war der Ausdruck ihrer Augen, erkannte sie. Sie schien von innen heraus zu strahlen, ihre Augen leuchteten, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Trotz des hellen Lichts im Bad waren ihre Pupillen immer noch stark geweitet und ihre Lippen kribbelten. Unwillkürlich fuhr sie mit dem Finger sanft den ! Schwung ihres Mundes nach und spürte, wie sich ihre Lippen zu einem weichen Lächeln verzogen. Als sie das Bad umgezogen wieder verließ, schüttelte er gerade seine Decke aus. Als er sie kommen hörte, unterbrach er seine Arbeit. Sein intensiver Blick ließ ihr Herz höher schlagen. Sie wollte etwas sagen, unterbrach sich beschämt und biss sich auf die Unterlippe. Sie räusperte sich schüchtern. ,,Du musst nicht auf dem Boden schlafen, wenn du nicht willst.“ Als sich seine Augen vor Überraschung weiteten, fühlte sie sich noch unsicherer als ohnehin schon. ,,Okay“, sagte er dann. ,,Wenn das für dich in Ordnung ist.“ Sie ging auf ihre Seite des Bettes und kroch unter die Decke. Ihr aufgeregter Herzschlag vibrierte durch ihren ganzen Körper. Sie starrte an die Decke und spürte, wie das Bett sich unter seinem Gesicht neigte, als er sich auf die andere Seite legte. Die Decke raschelte leise und sie hörte seine Atemzüge. Sie spürte seine Präsenz beinahe körperlich, meinte die Wärme seines Körpers trotz der Entfernung zu spüren und ihr Instinkt drängte sie, sich an ihn zu schmiegen. Mit einem lautlosen Seufzen unterdrückte sie ihre Sehnsucht und schloss die Augen. Schon halb im Schlaf nahm sie nur noch am Rande wahr, wie er zärtlich über ihren Handrücken strich und seine Finger mit den ihren verschränkte.

 

Alexandra erwachte am nächsten Morgen an etwas angenehm Warmes, Vertrautes gelehnt. Sie seufzte wohlig und schmiegte sich noch enger daran. Irgendetwas lag warm und fest um ihre Taille und ihr Kopf und ihr rechter Arm ruhten auf etwas, das sich gleichmäßig hob und senkte. Christian! Schlagartig riss sie die Augen auf. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust, ihr Arm lag über seinem Bauch und er hatte seinen Arm um ihre Taille geschlungen. Ihre erster Gedanke war, sich loszumachen und von ihm abzurücken, doch dann fragte sie sich, wozu. Wozu noch gegen ihre Gefühle ankämpfen und das leugnen, was sie wollte? Sie betrachtete ihn. Er schlief noch, seine Lider waren geschlossen und seine Züge wirkten jugendhaft und entspannt. Ein sanftes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, dann lehnte sie den Kopf wieder an seine Schulter und schloss die Augen, genoss seine Wärme und seine Nähe, das Gefühl von Geborgenheit und Zufriedenheit, das er ihr gab. Er regte sich leicht im Schlaf. Im Dämmerschlaf spürte Alexandra, wie seine freie Hand federleicht über ihren Arm strich, der über seinem Bauch lag und sie mit dem Arm anderen Arm noch näher heranzog. Sofort beschleunigte sich ihr Puls. Es war, als würde sie noch intensiver auf seine Berührungen reagieren als vor dem Kuss in der vergangenen Nacht. Der Kuss. Unwillkürlich leckte Alexandra sich über die Lippen. Ihre kleine innere Göttin forderte mit einem anzüglichen, beinahe hungrigen Blick deutlich weniger diskret um mehr. Allein schon der Gedanke daran brachte ihr Blut zum Kochen und entfachte die Sehnsucht in ihr.

In dem Moment, wo sich seine Atmung veränderte, wusste sie, dass er aufgewacht war, doch sie flehte ihn innerlich an einfach liegen zu bleiben. Sie wollte nicht aufstehen, wollte ihn nicht gehen lassen und sei es auch nur ins Bad, wollte einfach nur den Moment festhalten, so lange es ging. ,,Alexandra.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Sanfte Finger strichen ihre Schläfe hinab und über ihre Wange. Ihre kleine innere Göttin schnurrte vor Wohlbehagen. Sie schmiegte sich noch enger an ihn und atmete seinen Geruch ein, der noch ganz weich vom Schlaf war. Als er seinen rechten Arm vorsichtig wegzog und den Kopf in die Handfläche stützte, knurrte ihre kleine innere Göttin unwirsch. Alexandra stellte sich weiter schlafend, doch sie spürte, wie er sie beobachtete, seine Blicke wärmten sie wie Sonnenstrahlen. ,,Ich weiß, dass du mich anstarrst“, murmelte sie und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Er lachte leise. ,,Ich starre nicht, ich genieße die Aussicht. Außerdem wollte ich sehen, wie lange du dich noch schlafend stellst.“ Alexandras Lächeln vertiefte sich. ,,Ich schlafe tief und fest, sieht man das nicht?“ ,,Ach ja?“ Seine Stimme klang, wie das tiefe Schnurren einer Raubkatze: dunkel, samtig, warm und ein bisschen gefährlich. Auf einmal spürte sie seinen warmen Atem und als seine Lippen federleicht über ihre Stirn strichen, durchfuhr es sie wie ein Stromschlag. Sofort war sie wieder hellwach und sah atemlos auf zu Christian. Bei seinem lasziven Lächeln zog sich alles in ihrem Unterleib angenehm zusammen. ,,Wie ich sehe, bist du aufgewacht“, murmelte er. ,,Gut geschlafen?“ Seine Stimme klang spöttisch, doch dieses Mal hatte sie einen zärtlichen, liebevollen Unterton. ,,Habe ich“, murmelte Alexandra, rollte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme unter dem Kopf. ,,Bis mich irgend so ein Typ aufgeweckt hat.“ ,,Irgend so! ein Typ ?“ Auf einmal war er über ihr und stützte die Hände links und rechts ihres Kopfs auf. ,,Dein Verlobter würde sehr eifersüchtig werden, wenn er wüsste, dass irgend so ein Typ dich aufgeweckt hat.“ Sie sah zu ihm auf und wieder einmal verschlug seine Nähe ihr den Atem. ,,Würde er das? Da wäre ja schrecklich!“, neckte sie ihn. ,,Was soll ich nur tun, um ihn davon zu überzeugen, dass sein Neid unbegründet ist?“ Christian beugte sich noch näher, bis ihre Nasenspitzen einander fast berührten. ,,Beweise es!“ Unter den langen Wimpern schimmerten seine Pupillen groß und dunkel. ,,Und wie soll ich das anstellen?“, flüsterte Alexandra ebenso leise. Ungewollt huschte ihr Blick zu seinen Lippen. Sie waren so nah und einladend. Als er ihr Blick bemerkte, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. ,,Mir würde da schon was einfallen ...“ Ihre kleine innere Göttin schloss bereits erwartungsvoll die Augen und lächelte verzückt, doch da hämmerte jemand an die Tür. ,,Alexandra? Steh sofort auf und zieh dich an!“, schallte Kates aufgeregte Stimme durch die Tür. ,,Was auch immer du und Christian gerade tun, es kann nicht so wichtig sein, wie dir dein Brautkleid auszusuchen!“ Alexandra riss die Augen auf. ,,Heute ist die Hochzeit!“ Christian, der aussah, als würde er sich eine Menge grauenhafter, sehr schmerzhafter Tode für Kate überlegen, nickte bedächtig. Alexandra zögerte. Es war unglaublich verlockend einfach liegen zu bleiben und dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Allein schon bei dem Gedanken daran verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem wehmütigen Lächeln. Andererseits … ,,Du weißt, dass Kate das Zimmer stürmen wird, wenn ich nicht in zehn Minuten geduscht und angezogen bin“, sagte sie seufzend. Er seufzte, verwünschte Kate lautlos und erhob sich dann. Widerwillig! stieg A lexandra aus dem Bett, griff sich ihre Klamotten und verschwand im Bad.

Nach dem Frühstück, bei dem sie kaum einen Bissen runter brachte, schnappte der männliche Teil der Familie Sparks sich Christian und der weibliche sich Alexandra, um die Hochzeit vorzubereiten. Kate, Grace und Irene schleppten Alexandra erst in den nächsten Brautmodeladen und zwängten sie in unzählige verschiedene Kleider, dann zum Juwelier, um passenden Schmuck zu erstehen, anschließend zur Maniküre, Pediküre, Ganzkörpermassage und zum Schluss zum Friseur, der ihr Haar derart kunstvoll frisierte, lockte und hochsteckte, dass sie Angst hatte sich zu bewegen. Und währenddessen plapperten sie permanent aufgeregt auf Alexandra ein, erzählten ihr von der Kuchen, in der sie heiraten sollten, von dem Pastor, der sie trauen sollte, wer sich um das Catering kümmern würde, was es zum Dessert geben sollte, welche Farbe die Blumen haben würden und welche Musik gespielt werden sollte. Alexandra spürte gar nichts mehr. Keine Angst, keine Nervosität, keine Zweifel, keine Freude. Sie war wie betäubt, überrumpelt von den Erlebnissen der letzten Tage. Sie kam sich vor, wie in einem sehr seltsamen Traum und sie wusste nicht, ob sie erwachen wollte oder nicht. Zum Glück waren Grace, Irene und Kate, die stundenlang gebraucht hatte, um sich ihr Brautjungfernkleid auszusuchen, viel zu aufgeregt, um zu bemerken, wie still Alexandra war. Zur Mittagszeit löffelte Alexandra wie mechanisch ihr Gericht – sie hätte nicht einmal genau sagen können, was es war – und lauschte mit halbem Ohr der Diskussion der anderen über Eheringe und ob Christian, dem diese Aufgabe zugetragen worden war, wohl die richtigen aussuchen würde.

Doch schließlich war es soweit. Grace zupfte liebevoll die letzten Rüschen an ihrem Brautkleid zurecht und strich die Spitze glatt. Dann öffnete sie die Schmuckschatulle und legte Alexandra das Collier um, das sie ausgesucht hatten. Kalt und schwer lag es um ihren Hals. Schließlich schien Grace mit ihrem Werk zufrieden und betrachtete Alexandra prüfend. ,,Sie sehen wunderschön aus, Alexandra.“ In ihren Augen glänzten Tränen der Rührung. ,,Ich lasse Ihnen jetzt noch ein bisschen Zeit für sich, aber setzten Sie sich nicht hin, sonst zerknittert Ihr Kleid. Ihr Brautstrauß steht in der Vase dort drüben. Rufen Sie einfach, wenn Sie irgendetwas brauchen.“ ,,Danke, Grace“, flüsterte Alexandra und auf einmal klang ihre Stimme erstickt. Als die Tür hinter Grace ins Schloss fiel, schien ein Wall einzubrechen und die Emotionen überwältigten Alexandra. Sie rang um Atem, ihre Kehle war wie zugeschnürt und ein gewaltiger Druck presste ihr den Brustkorb zusammen und die Luft aus den Lungen, sodass sie glaubte zu ersticken. ,,Oh Gott!“, flüsterte sie heiser und ihre Stimme brach. ,,Oh Gott!“ Sie schlug sich die Hände vor die Stirn, vergrub die Finger in den Haaren, ungeachtet, ob es ihr Make-up oder ihre Frisur zerstörte. Sie sah in den Spiegel und erkannte sich selbst nicht wieder. Eine Frau in einem wunderschönen weißen Brautkleid, mit glotzendem Schmuck um den Hals und einer atemberaubenden Hochsteckfrisur, doch in ihren Augen brannte das blanke Entsetzen. ,,Wie konnte ich nur?“ Sie griff mit beiden Händen in die schweren, ausladenden Röcke, mit bebenden Händen, am ganzen Körper zitternd, aschfahl im Gesicht. ,,Oh Gott, wie konnte ich nur!“ Schuldgefühle, Panik, Entsetzen und Verzweiflung schlugen über ihrem Kopf zusammen und drohten sie zu ertränken. ,,Wie konnte es nur soweit kommen?“ Ihre Stimme klang erstickt. ,,Wie kon! nte ich nur zulassen, dass es soweit kommt!“ Sie schwankte, ihre Knie drohten nachzugeben und sie musste sich an der Wand abstützen. ,,Du hattest recht, Christian“, hauchte sie. ,,Das hier ist kein Spiel!“ Sie krümmte sich zusammen. Der psychische Schmerz war so stark, dass ihr beinahe übel wurde. ,,Ich kann das nicht mehr! Ich kann nicht mehr lügen. Ich muss das beenden. Ich hätte niemals damit anfangen dürfen! Wie konnte ich nur ...“ Sie schluchzte trocken auf. Der Schmerz war so stark, dass sie nicht einmal weinen konnte. ,,Es ist meine Schuld. Es ist alles meine Schuld!“ Sie warf den Kopf zurück und stieß einen lautlosen Schrei aus, während die Verzweiflung sie von innen heraus auffraß, wie Säure. Es klopfte an der Tür. ,,Alexandra? Bist du soweit?“ Es war Kate. Alexandra zwang sich tief einzuatmen. Eine fast unheimliche Ruhe packte sie, betäubte ihre aufgewühlten Emotionen und ließ in der dumpfen Leere eine seltsame Entschlossenheit zurück. Sie strich ihr Kleid glatt, rückte ihre Frisur zurecht und griff nach ihrem Brautstrauß. ,,Ja, ich bin soweit.“ Ihre Stimme klang hohl, fremd. ,,Es ist soweit!“

Die Tore der Kirche schwangen auf. Der Hochzeitsmarsch erklang. Irene und Timothy, niedlich anzusehen in Anzug und Kleid, streuten mit stolz leuchtenden Augen Rosenblätter auf den Weg zum Altar. Kate hakte sich bei Alexandra unter. Ihre Augen strahlten vor schwesterlichem Stolz. Alexandra lächelte tapfer, dann richtete sie ihre Augen nach vorne. Sonnenlicht fiel durch die riesigen Bleiglasfenster über dem Altar, sodass der Mann, der dort unten stand und wartete, nur als dunkle Silhouette zu erahnen war. Ein Anflug von Aufregung packte Alexandra. Seite an Seite schritten sie und Kate durch die Zuschauerreihen und Alexandra spürte, wie sich alle Blicke auf sie richteten. Unwillkürlich hob sie den Kopf. Und dann sah sie Christian und für einen Moment fiel alle Anspannung von ihr ab und ein echtes, aufrichtiges Lächeln ließ ihr Gesicht erstrahlen. Doch im nächsten Moment wurde die Angst wieder übermächtig und ließ das Blut in ihren Adern zu Eis gefrieren. Trotzdem schritt sie weiter. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Als Kate sie die Stufen zum Altar hinaufführte, sah Alexandra Tränen in ihren Augen glänzen und ihr wurde das Herz noch schwerer. Kate ließ sich neben Grace nieder und Alexandra blieb alleine mit Christian zurück. Seine Nähe und das Wissen darum, was sie ihm – ihnen allen – gleich antun musste, schmerzte fast körperlich. Die Musik verstummte, der Pastor trat vor, die Gäste ließen sich nieder. Alexandras Herz schlug so schnell und hart, dass sie fürchtete, es würde ihr aus dem Brustkorb springen. Sie wagte es nicht, Christian anzusehen, umklammerte nur verzweifelt ihren Brautstrauß. Sie atmete tief und zittrig durch. ,,Liebe Freunde, liebe Familie und liebe Gäste“, begann der Pfarrer. ,,Ich heiße Sie heute hier willkommen, um ...“ Jetzt oder nie. Alexandra räusperte sich leise. Der Pfarrer verstummte erstaunt und sah sie fragend an,! Christi an ebenso. ,,Ich würde gerne etwas sagen“, flüsterte Alexandra und hoffte, dass ihre Stimme lange genug durchhalten würde. ,,Hat das nicht noch Zeit?“, fragte der Pfarrer leise. Alexandra schüttelte den Kopf. ,,Nein, hat es nicht.“ ,,Alexandra?“ Christian machte einen Schritt auf sie zu. In seiner Stimme lag Besorgnis, aber auch Misstrauen und eine dunkle Vorahnung. ,,Was hast du vor?“ Doch Alexandra ignorierte ihn und trat vor. Alle Blicke richteten sich auf sie, doch die Gesichter verschwammen vor ihren Augen. ,,Ich habe ...“ Ihre Stimme brach und sie setzte erneut an. ,,Ich habe euch etwas zu sagen. Euch allen.“ Ein Raunen ging durch die Gäste. ,,Alexandra, nicht! Was tust du denn da?“, zischte Christian aufgebracht. Sie sah ihn an und ihr Herz war unendlich schwer. ,,Ich kann das nicht mehr, Christian“, flüsterte sie. ,,Bitte!“ Ihre Stimme zitterte, doch sie brach nicht, als sie fortfuhr. ,,Als ich diesen Mann“, sie zeigte auf Christian, ,,vor sechs Tagen kennengelernt habe, habe ich ihn gehasst. Ich stand kurz davor einen Deal abzuschließen, auf den ich jahrelang hingearbeitet hatte, in den ich all meine Mühen und Anstrengungen gesteckt hatte und ich konnte niemanden brauchen, der mir jetzt in die Quere kam. Doch dann, vor vier Tagen, erfuhr ich, dass ich zu den Verhandlungen hierher kommen sollte, zusammen mit meinem Ehemann. Aber ich hatte keinen Ehemann. Deshalb beschloss ich, Jonathan Sparks, der mich in sein Haus einlud, zu belügen. Völlig skrupellos war ich bereit alles zu tun, um diesen Deal abzuschließen. Ich zwang Christian so zu tun, als wäre er mein Verlobter. Im Gegenzug sollte er seinen Artikel über mich schreiben dürfen. Er hatte keine Wahl.“ Sie sah zu Christian, in dessen Augen stummes Entsetzen lag. ,,Es tut mir so leid, Christian“, flüsterte sie und endlich stiegen ihr Tränen in die Augen. ,,Es tut mir so unendlich leid! Ich! hä tte dich da nie mit reinziehen dürfen.“ Obwohl sie blind vor Tränen war, wandte sie sich wieder an die Menge. ,,Ich dachte, das hier würde einfach werden. Ich dachte, es wäre nur ein Spiel. Wir würden uns als Verlobte ausgeben, ich würde den Deal abschließen, er würde seinen Artikel schreiben und am Ende würden wir wieder auseinander gehen und uns nie wieder eines Blickes würdigen. Aber ich habe mich geirrt.“ Und jetzt brach ihre Stimme doch. Sich auf den Beinen zu halten und nicht schluchzend zusammen zu brechen kostete sie unendlich viel Kraft. ,,Ich hatte völlig vergessen, wie es ist, eine Familie zu haben. Jemanden, der sich um einen sorgt, der einen liebt, auch wenn man Fehler begeht, der an einen glaubt, selbst wenn man selbst zweifelt. Ich hatte vergessen, was die wirklich wichtigen Dinge im Leben waren, dass kein Geld der Welt Liebe, Freundschaft und Vertrauen aufwiegen können. Aber ich habe dieses Vertrauen gebrochen. Ich habe all die Menschen verraten und hintergangen, die mir wichtig geworden sind. Die Menschen, die freundlich zu mir waren, die mich aufgenommen haben, mit denen zusammen ich gegessen und gelacht habe, die einen völlig neuen Menschen aus mir gemacht haben. Einen besseren Menschen.“ Tränen strömten ihr haltlos über das Gesicht. ,,Aber ich kann das nicht mehr. Ich kann euch nicht länger irgendwas vorspielen, euch belügen und enttäuschen. Ich weiß, das habe ich. Ich hab jeden einzelnen in diesem Raum betrogen, jeden einzelnen enttäuscht. Aber jetzt ...“ Ihre Stimme versagte. ,,Ich wollte nur … wollte nur noch Danke sagen. Danke euch allen. Für alles. Es tut mir so unendlich leid.“ Ein letztes Mal in Christians Miene zu sehen, in der sich Fassungslosigkeit, Entsetzen, Trauer und Bestürzung spiegelten, brach ihr fast das Herz. ,,Du hast deinen Teil der Abmachung gehalten“, flüsterte sie tonlos. ,,Und ich halte meinen. Ich! hoffe, du kannst deinen Artikel jetzt schreiben.“ Sie raffte ihre Röcke zusammen und stieg die Stufen hinab, verharrte ein letztes Mal. ,,Danke. Für alles.“ Sie schaffte es nicht, ihn anzusehen. Dann eilte sie den Gang hinab, immer schneller und schneller, bis sie schließlich rannte und dann schlugen die Tore donnernd hinter ihr zu.

 

Blicklos starrte Alexandra aus dem Küchenfenster in den Garten hinaus. Ein Glas Rotwein stand neben ihr auf der Fensterbank. Unangerührt. Schon seit Stunden. Sie starrte hinaus zu den Rosen, bei denen sie und Christian sich am ersten Tag ihrer Begegnung gestritten hatten. Hastig verdrängte sie die Erinnerung. Allein schon an seinen Namen zu denken schmerzte unerträglich. Sie war schon vor mehreren Stunden wieder in New York gelandet. Zum Glück gingen die Flüge häufig und als sie in dreckigem, zerfetztem Brautkleid, mit völlig verlaufenem Make-up, verrutschter Frisur und tränenüberströmtem Gesicht am Flughafen angekommen war, war sie gerade rechtzeitig erschienen. Es war nicht schwer gewesen jemanden zu finden, der einer am Boden zerstörten, in Tränen aufgelösten, jungen Frau sein Ticket verkaufte. Während des Flugs war sie von Weinkrämpfen geschüttelt worden. So elend hatte sie sich noch nie in ihrem Leben gefühlt. Doch als sie in New York gelandet waren, waren Verzweiflung und Trauer einer dumpfen, hohlen, alles verschlingenden Leere gewichen. Sie hatte keine Tränen mehr zu weinen, fühlte sich völlig ausgebrannt, war zu erschöpft, um zu schlafen und doch fühlte sich ihr Körper ausgelaugt und schwer an. Wo ihr Herz gewesen war, schien nun ein Loch. Ein Schwarzes Loch, das alle Freude, alles Glück in sich hineingesaugt hatte und sie als leere Hülle zurückgelassen hatte. Sie hatte alle Heizungen im Haus voll aufgedreht, sich in eine Wolldecke gewickelt, doch nichts vermochte die Kälte aus ihren Gliedern zu vertrieben. Sie lähmte sie, ließ das Blut in ihren Adern zu Eis gefrieren. Jeder Gedanke kostete unglaublich viel Kraft und Überwindung. Sie hatte versucht ihren Kopf zu leeren, denn sie wusste, dass jede Erinnerung an die Geschehnisse in Ashland sie endgültig zusammenbrechen lassen würden. In diesem Moment ertönten Schritte. ,,Alexandr! a?&ldquo ; Allein der Klang seiner Stimme verursachte unerträgliche Qualen. Sie wusste, er konnte nicht hier sein. Sie musste sich seine Stimme einbilden. Hatte sie vor lauter Sehnsucht schon den Verstand verloren? ,,Alexandra.“ Dieses Mal klang seine Stimme lauter, näher. Wie in Zeitlupe drehte sie sich um und da stand er. Nur wenige Meter von ihr entfernt. Christian wollte sie sagen, doch sie brachte keinen Laut über die Lippen. Unfähig ihren Schmerz in Worte zu fassen starrte sie ihn nur stumm an. Zögerlich kam er näher, doch sie wich zurück, obwohl die Sehnsucht in ihrer Brust schmerzte, dort, wo einst ihr Herz gewesen war. ,,Nicht!“, flüsterte sie heiser. Er blieb stehen und die Trauer in seinem Blick schnürte ihr die Kehle zu. ,,Alexandra, wir müssen reden.“ Flehend sah er sie an, doch sie schüttelte den Kopf. ,,Nein. Es ist alles gesagt. Das der Deal geplatzt ist, ist nicht deine Schuld. Es ist allein meine Schuld. Alles ist meine Schuld. Du wolltest einen Artikel über mich schreiben? Jetzt kannst du es. Schreib was du willst, ich werde mich an unsere Vereinbarung halten.“ Ihre Stimme, heiser vom Weinen, brach. Wut blitzte in seinen Augen auf. ,,Der Artikel?“ Seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut. ,,Der Artikel interessiert mich nicht! Scheiß auf den Artikel!“ Als er näher kam, wich sie zurück, doch die Wand versperrte ihr den Weg. ,,Christian, ich weiß, dass du wütend bist ...“ ,,Wütend beschreibt es nicht einmal annähernd“, knurrte er. ,,Denkst du, es geht mir nur um diesen verdammten Artikel? Denkst du das wirklich?“ Seine Kiefermuskulatur arbeitete und seine Brust hob und senkte sich heftig. In diesem Moment hatte sie fast Angst vor ihm, Angst vor seinem unbändigen Zorn. ,,Es tut mir leid, Christian“, flüsterte sie und Tränen rannen ihr über die Wange. ,,Es tut mir so leid!“ Er machte noch einen Schritt auf sie zu.! ,,Aber mir tut es nicht leid“, sagte er leise und langsam wich der Zorn aus seinem Blick. ,,Es tut mir nicht leid, dass wir uns kennengelernt haben. Es tut mir nicht leid, dass du mir das Leben zur Hölle gemacht hast. Es tut mir nicht leid, dass ich diesen betrunkenen Typen in der Bar hätte umbringen können, als ich gesehen habe, dass er dich bedrängt. Es tut mir nicht leid, dass ich unglaublich eifersüchtig auf Greg war, als er bei unserer ersten Begegnung mit dir geflirtet hat, obwohl ich noch nie wegen einer Frau auf jemanden eifersüchtig gewesen bin. Es tut mir nicht leid, dass ich deinetwegen alles, was ich über dich zu wissen glaubte, in Frage gestellt habe, dass ich erkannt habe, wie sehr man sich in einem Menschen irren kann. Es tut mir nicht leid, dass wir den Sparks vorgespielt haben, wir wären verlobt, denn für mich war das kein Spiel mehr, Alexandra!“ Sein intensiver Blick hielt sie gefangen. ,,Und es tut mir nicht leid, dass ich mich in dich verliebt habe.“ Ihre Augen weiteten sich und sie rang nach Atem. Jetzt stand er direkt vor ihr und als er ihr Gesicht sanft mit den Händen umfasste, waren seine Augen ganz dunkel. ,,Ich liebe dich, Alexandra Knight und ich will dich nicht noch einmal verlieren.“ Als er ihre Hand sanft mit den seinen umschloss und vor ihr in die Knie ging, machte ihr totgeglaubtes Herz einen Satz und begann dann zu rasen. Als sie Christian ansah, spürte sie, wie die Leere in ihrem Inneren sich mit einem Gefühl der Erleichterung, der unbändigen Freude und grenzenlosen Zuneigung füllte.

,,Liebe ist nicht einfach.

Das ist sie nie.

Sie kann das Schönste auf der ganzen Welt sein

oder das, was dir am meisten wehtut.

Und es wird Tage geben, da werden wir zögern und zweifeln,

da werden wir bereuen, was gestern war

und fürchten, was morgen sein wird.

Aber die Vergangenheit ist Geschichte,

die Zukunft ein Mysterium,

doch jeder Augenblick mit dir ist ein Geschenk

und jedes Mal, wenn ich mich frage, ob ich das Richtige getan habe,

dann ist die Antwort Ja,

denn ich weiß, dass ich es für den Rest meines Lebens bereuen werde,

wenn ich dich je wieder gehen lasse.“

Ganz langsam und zärtlich schob er ihr einen Ring mit der Aufschrift Nunc scio quit sit amor auf den Finger. Nun weiß ich, was Liebe ist. Als er sie wieder ansah, leuchteten seine Augen vor Zuneigung. ,,Er sollte schon längst dir gehören.“ Er atmete tief durch und richtete sich auf. ,,Also, Alexandra Knight: Willst du mich heiraten?“ ,,Ich habe Angst, Christian“, flüsterte sie. ,,Ich auch“, erwiderte er. ,,Und was willst du dagegen tun?“ Statt zu antworten beugte er sich vor und als seine Lippen ihre berührten, schmolz sie dahin. Sie verlor die Kontrolle über ihren Körper, streckte sich ihm entgegen und die Sehnsucht in ihr loderte auf, setzte ihr Blut in Brand und sie schmiegte sich an ihn, schlang die Arme um seinen Hals, um ihn noch näher heranzuziehen.

Irgendwann unterbrach er den Kuss atemlos. ,,Heißt das Ja?“, murmelte er. Alexandras Mundwinkel verzogen sich an seinen Lippen zu einem Lächeln. ,,Ja.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

alternatives Ende

 

Nun kam er doch näher und die Wand in ihrem Rücken ließ Alexandra nicht weiter zurückweichen. ,,Das, was du vorhin in der Kirche gesagt hast: War das ernst gemeint?“ ,,Jedes einzelne Wort“, flüsterte Alexandra. ,,Gut, dann werde ich jetzt mal ehrlich sein.“ Seine Kiefermuskulatur arbeitete. ,,Weißt du noch, als du meintest, im Spiel und in der Liebe wäre alles erlaubt?“ Stumm vor Trauer nickte Alexandra. ,,Und weißt du noch, wie ich gesagt habe, das wäre kein Spiel?“ Wieder nickte sie und presste sich an die kalte Wand. Sie hatte Angst, wenn er noch näher kommen würde, würden ihre Schutzwälle zusammenbrechen und sie wusste nicht, ob sie ein zweites Mal auch überleben würde. ,,Weil es kein Spiel war“, sagte er eindringlich und hilet sie in seinem Blick gefangen. ,,Nicht mehr. Nicht für mich. Du hast gesagt, für dich hätte sich etwas verändert? Für mich auch! Es hat sich etwas verändert, als dieser Typ in der Bar dich bedrängt hat. Bei dem Gedanken daran, dass er dir etwas tun könnte … ich hätte ihn umbringen können in diesem Moment. Deinetwegen. Nur deinetwegen. Als Greg bei unserer ersten Begegnung mit dir geflirtet hat, wurde ich eifersüchtig, unglaublich eifersüchtig. Das ist mir noch nie passiert. Beim Bogenschießen, als wir am See waren, als wir zusammen auf diesem Pferd geritten sind, als ich das von deiner Familie erfahren habe und als du mir all diese Dinge aus deiner Kindheit erzählt hast, als ich endlich begriffen habe, wovor du solche Angst hast, warum du immer versuchst, die Kontrolle zu bewahren – da hat sich etwas zwischen uns geändert und letzte Nacht, draußen im Garten unter dem Sternenhimmel, als wir uns geküsst haben, war ich mir endlich sicher.“ Er kam näher und die Sehnsucht zog und zerrte an Alexandra, bis sie nach Atem rang. Seine Miene war ganz weich geworden, s! eine Pup illen waren riesengroß, als er ihr Gesicht sanft mit den Händen umschloss. ,,Ich liebe dich, Alexandra Knight und deshalb, heirate mich.“ Er umschloss ihre Hand mit den seinen und ging vor ihr in die Knie.

,,Liebe ist nicht einfach.

Das ist sie nie.

Sie kann das Schönste auf der ganzen Welt sein

oder das, was dir am meisten wehtut.

Und es wird Tage geben, da werden wir zögern und zwifeln,

da werden wir bereuen, was gestern war

und fürchten, was morgen sein wird.

Aber die Vergangenheit ist Geschichte,

die Zukunft ein Mysterium,

doch jeder Augenblick mit dir ist ein Geschenk

und jedes Mal, wenn ich mich frage, ob ich das Richtige getan habe,

dann ist die Antwort Ja,

denn ich weiß, dass ich es für den Rest meines Lebens bereuen werde,

wenn ich dich je wieder gehen lasse.“

Alexandra schnappte nach Luft und all ihre Schutzwälle brachen ein. Mit verzweifelter Sehnsucht schlang sie Christian die Arme um den Hals. Er taumelte, doch dann schlang auch er die Arme um sie und erwiderte die Umarmung nicht weniger stürmisch. Sie schmiegte sich an ihn und atmete seinen wunderbaren Geruch ein, genoss seine Wärme, seine Nähe. ,,Ich hatte solche Angst, Christian“, murmelte sie. ,,Und was willst du dagegen tun?“ Da war er wieder, der herausfordernde, verwegene, mokante, zärtliche Tonfall seiner Stimme, in den sie sich verliebt hatte. Sie rückte ein Stück von ihm ab, jedoch ohne sich von ihm zu lösen. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem verführerischen Lächeln. ,,Ich wüsste da etwas“, murmelte sie und sah, wie seine Augen ganz dunkel wurden. Und dann beugte sie sich vor und küsste ihn.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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