Irene Rabenbauer

Kimmi - die Leidensgeschichte eines Hundemädels / Ein Hundekrimi

Kimmi – die Leidensgeschichte eines Hundemädels

Ein Hundekrimi

Hinweis:
Die Personen und die Handlung der folgenden Kurzgeschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Vorwort:

Es war einmal…… Nein, so beginnen nur Märchen und Märchen haben zumeist ein glückliches Ende. Die Geschichte von Kimmi, dem zarten Hundemädchen in der Farbe black-and-tan, endet leider tragisch. Kimmi, das bildhübsche, liebenswerte Hundemädel mit dem außergewöhnlichen Aussehen, wird zum Spielball einer Psychopathin.

Kapitel 1: Kimmi und Kira – Einzug ins neue Zuhause

Aufgeregt lief Herr Constantin auf der Veranda hin und her. „Du züchtest nun schon seit dreißig Jahren und trotzdem kannst Du es jedesmal kaum erwarten, bis Deine Neuankömmlinge endlich da sind“, lachte Frau Constantin. Herr Constantin hatte im letzten Jahr drei Hündinnen „aus der Zucht genommen“, denn jede der drei Hundedamen hatte zweimal Welpen und sie dürfen deshalb ihr weiteres Hundeleben als „Sofaprinzessinnen“ bei den Constantins genießen. Die heute eintreffenden jungen Hundedamen sollen nun frisches Blut in seine Zucht bringen.

Ja, Zuchthündin bei den Constantins zu sein ist wie ein Sechser im Lotto. Während andere Cocker-Spaniel-Züchter exakt nach den Regeln des Hundeverbandes züchten, verschärft Herr Constantin für seine Zucht diese Regeln sogar noch. So lässt Herr Constantin seine Hündinnen das erste Mal frühestens im Alter von zwei Jahren decken. Maximal einmal im Jahr darf eine seiner Hündinnen gebären und insgesamt lässt Herr Constantin eine Hündin maximal dreimal decken, d. h., sie muss maximal drei Würfe großziehen. Im Alter von sechs Jahren darf die Hündin in „Ruhestand“ gehen, egal ob sie bis dahin dreimal erfolgreich gedeckt wurde oder nicht. Für die Constantins kommen nur Deckrüden aus dem Inland in Frage. Außerdem lassen sie eine Hündin nur einmal vom gleichen Rüden decken.

Vor kurzer Zeit hatten die Constantins auf einer Ausstellung in Antwerpen den sehr sympathischen Züchter Jakobsen aus Finnland kennengelernt, der zwei Geschwisterhündinnen bei sich hatte. Die Constantins verliebten sich sofort in die beiden reizenden „Damen“ Kimmi und Kira, beide in der Farbgebung black-and-tan. Die Mädels waren gerade einmal sechs Monate jung.

„Wir sind auf der Suche nach weiblichem Nachwuchs“, sprach Herr Constantin Herrn Jakobsen spontan an, „und in Ihre beiden Mädels haben wir uns auf den ersten Blick verliebt.“ „Oh, das freut mich, dass Ihnen Kimmi und Kira gefallen. Eigentlich hatte ich die beiden schon verkauft, aber der Käufer musste kurzfristig auf Grund einer schweren Erkrankung vom Kauf zurücktreten. Also falls Sie tatsächlich ernsthaft Interesse an einem Kauf haben, können wir uns gerne über die Einzelheiten unterhalten.“ „OK. Treffen wir uns doch gegen 19:00 Uhr bei uns im Hotel.“ Herr Jakobsen stimmte dem Vorschlag zu.

Die beiden Hundehalter wurden sich schnell einig und bereits um 21:00 Uhr war der Kaufvertrag unter Dach und Fach. Die Constantins konnten die beiden Damen aus Platzgründen nicht gleich mitnehmen. „Ich bin in Kürze in Deutschland unterwegs. Gerne bringe ich euch Kimmi und Kira dann vorbei“, schlug der finnische Züchter vor. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Jakobsen“, bedankte sich Herr Constantin.

Nach drei endlos langen Wochen war endlich der Ankunftstag der beiden Hundemädels in ihrem neuen Zuhause gekommen. Herr Constantin war aufgeregt wie ein kleines Kind kurz vor der Bescherung.

Kapitel 2: Kimmi, als Sofaprinzessin abzugeben

Schnell gewöhnten sich die beiden Hundemädels ein. Sie integrierten sich hervorragend in das vorhandene „Rudel“ der Constantins. Sie wuchsen rasch zu Prachthündinnen heran und alsbald konnte Herr Constantin die beiden zur Zuchtzulassungsprüfung anmelden. Die zwei Hundemädels waren mittlerweile zwölf Monate alt.

Leider kam es, dass bei Kimmi eine leichte Zahnfehlstellung festgestellt wurde und sie deshalb nicht zur Zucht zugelassen wurde. Die Vereinsregeln sahen dies so vor.

„Wir sollten Kimmi abgeben, um ihr ein behütetes Hundeleben in einem guten Privathaushalt zu ermöglichen. Um bei uns ein Leben als „Sofaprinzessin“ zu fristen, ist sie einfach noch zu jung. Sie hat es verdient, in liebevolle Hände abgegeben zu werden“ erklärte Herr Constantin seiner Frau Elise mit trauriger Stimme.

Schweren Herzens bemühten sich die Constantins in den kommenden Tagen, einen geeigneten Privathaushalt für Kimmi zu finden. Sie wollten den Käufer auf Herz und Nieren prüfen. Oberste Voraussetzung war, dass mit Kimmi nicht gezüchtet wird. Darauf legten die Constantins sehr großen Wert. Sie wollten nicht, dass sie in die Hände eines Vermehrers gelangt und als Gebärmaschine missbraucht wird. Es gab viel zu viele selbsternannte Hobbyzüchter, die mit ihren Hunden Schindluder trieben.

Die Constantins hatten diesbezüglich bereits sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Erst vor kurzem verkauften sie eine Hündin an eine vermeintliche Privatperson mit den besten Absichten. Leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Käuferin zusammen mit ihrem Lebensgefährten und dessen Sohn, einem Tierarzt, eine vereinsfreie Hobbyzucht betrieb und ihre Hunde schamlos ausbeutete. Bereits acht Monate alte Hündinnen wurden bei jeder Läufigkeit gedeckt, bis zu dreimal im Jahr mussten sie gebären. Die Hunde des Vermehrers waren zum Teil direkte Geschwister, denn sie kauften aus Preisgründen bevorzugt mehrere Hunde aus einem Wurf. Entsprechend kam es mitunter auch zu Geschwisterverpaarungen.

Nur durch einen dummen Zufall erfuhren die Constantins von den Machenschaften des Vermehrertrios Drache/Duckdich, die ihre Hinterhältigkeiten Fremden gegenüber geschickt zu verbergen wussten. Mit ihren unterschiedlichen Familiennamen betrieben sie zahlreiche Homepages und Profile in den sozialen Medien. Ein Zusammenhang zwischen den Personen war nur schwer erkennbar und so hatten die Vermehrer sowohl mit arglosen Züchtern, die Familienhunde in gute Hände abgaben als auch Interessenten an ihren oftmals unter hundeunwürdigen, desaströsen Bedingungen gezeugten Welpen leichtes Spiel.
 
Um zu verhindern, dass einer ihrer Hunde, die sie in Privathände verkaufen, erneut zum Opfer eines Vermehrertrios alá Drache/Duckdich wird, gestalteten die Constantins mit Hilfe ihres Rechtsanwaltes, Herrn Makisch, ihre Kaufverträge deshalb nach strengen Maßgaben. Sowohl eine Klausel, die das Züchten mit der erworbenen Hündin verbot als auch eine Klausel, die die Weitergabe des Hundes an Dritte ohne Einverständnis des Verkäufers, Herrn Constantin, untersagte, waren fester Bestandteil in ihren Kaufverträgen. Bei Zuwiderhandlung drohte dem Hundekäufer eine hohe Konventionalstrafe. „Niemand, der es ehrlich meint mit unseren zum Verkauf angebotenen Hündinnen, wird ein Problem mit unserem Kaufvertrag haben. So trennt sich hoffentlich gleich von Beginn an die Spreu vom Weizen.“ Die Constantins waren guter Dinge, nie wieder auf einen Vermehrer reinzufallen.

Zahlreiche Interessenten an Kimmi hatten sich innerhalb kürzester Zeit bei den Constantins gemeldet. Ihre Entscheidung fiel auf eine sehr sympathische Dame mittleren Alters, die seit Kurzem verwitwet war und angeblich Erfahrung mit Hunden hatte. Sie sei nicht berufstätig, denn ihr Mann hätte sie sehr gut abgesichert. „Ich lebe nun ganz allein in unserem großen Haus. Auch ein 300 qm großer Garten ist vorhanden. Es ist so leer und still. Erst musste ich vor einem Jahr unseren geliebten Cocker-Spaniel Jimmy gehen lassen und fünf Monate später verstarb unerwartet mein Mann. Es wäre so schön, wenn wieder Leben in meinen vier Wänden einziehen würde. Ich verspreche Ihnen, dass es Kimmi bei mir sehr, sehr gut haben wird.“ Frau Wickel legte unaufgefordert Bilder von Haus und Garten vor. Sogar Fotos von ihrem verstorbenen Hund Jimmy hatte sie parat.

Ergriffen von Frau Wickels tragischer Geschichte kamen die Constantins überein, Kimmi in die Hände von Frau Wickel zu geben. „Die Dame ist so nett und sie hat so eine schwere Zeit hinter sich. Kimmi wird ihr guttun und umgekehrt wird Kimmi bei Frau Wickel sicher ein behütetes Hundeleben führen können. Sie macht einen sehr guten Eindruck. Sie ist eine gute Wahl“, kamen die Constantins überein. Auch den Kaufvertrag, den Herr Constantin Frau Wickel vorab zum Lesen vorgelegt hat, hat sie uneingeschränkt akzeptiert.

Nach drei Tagen Bedenkzeit teilten die Constantins Frau Wickel ihre Entscheidung telefonisch mit. Zwei Tage später besuchte Frau Wickel die Constantins erneut, um den Kaufvertrag zu unterschreiben und Kimmi abzuholen. „Hier ist Kimmis Impfpass und alle weiteren notwendigen Papiere. Futter für die nächsten acht Tage, ihr Lieblingsspielzeug und ihre Decke haben wir auch hergerichtet. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir in Kontakt blieben und sie uns ab und zu über Kimmis Entwicklung informieren würden“, bat Frau Constantin. „Sollte sich Kimmi wider Erwarten nicht bei Ihnen eingewöhnen oder sollte es zu anderen Problemen mit ihr kommen, geben Sie uns bitte umgehen Bescheid. Das Wohlergehen unserer Hunde liegt uns sehr am Herzen. Es gibt für alles eine Lösung.“

Gemeinsam brachen sie zu einem letzten Spaziergang mit Kimmi und Kira auf. Unterwegs schossen sie noch einige Erinnerungsfotos. Dann kam der Moment des Abschieds. Herr Constantin hob Kimmi in Frau Wickels Auto und kraulte ihr ein letztes Mal liebevoll den Bauch. Kimmi liebte diese Liebkosung. Frau Constantin küsste Kimmi zum Abschied auf die Stirn. Tränen liefen ihr über die Wangen. Frau Wickel startete den Motor und fuhr langsam davon. „Leb‘ wohl, Kimmi-Baby“ rief Frau Constantin dem sich entfernenden Auto hinterher, „wir werden dich nicht vergessen.“ Noch ahnten die Constantins nicht, auf welch niederträchtiges Ränkespiel sie hereingefallen waren.

Kapitel 3 - Kimmi ist wie vom Erdboden verschluckt

Es zogen mehrere Wochen ins Land. Die Constantins sorgten sich mittlerweile um Kimmi. Entgegen ihrer Vereinbarung hat sich Frau Wickel nicht mehr bei den Constantins gemeldet. Seit Kimmis Abholung war Frau Wickel wie vom Erdboden verschwunden. Unter der angegebenen Telefonnummer kam die Ansage „Dieser Teilnehmer ist uns nicht bekannt“. Auf E-Mails erhielten die Constantins eine Mail von „Mailer Daemon“ mit dem Hinweis, dass die E-Mail nicht zugestellt werden konnte.

„Da stimmt was nicht“ ließ Herr Constantin seinen Gedanken freien Lauf, „Elise, komm, wir fahren direkt zur Wickel. Ich muss wissen, was da los ist.“ „Du hast Recht, Pedro. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl.

Für den nächsten Tag organisierten die Constantins einen Hundesitter für ihr Rudel. Um sieben Uhr brachen sie auf, um in den rd. 200 km entfernten Wohnort der Wickel zu fahren. Als sie die angegebene Adresse erreicht hatten, waren sie zunächst sehr irritiert, denn auf dem Klingelschild stand „Hier wohnt Familie Maurius“. „Es ist aber eindeutig das Haus der Wickel, welches sie uns auf den Fotos gezeigt hat“. Verwundert schauten sich die Constantins an. Sie klingelten und es öffnete eine junge Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm. Auf Nachfrage der Constantins nach dem Verbleib der Frau Wickel erklärte Frau Maurius, dass ihr Mann und sie das Haus bereits vor zwei Jahren von der Familie Wickel gekauft hätten. Das Ehepaar Wickel lebte damals in Scheidung und deshalb veräußerten sie ihr Anwesen. „Wissen Sie zufällig, wo Herr oder Frau Wickel jetzt leben?“ „Nein, leider weiß ich das nicht. Und selbst wenn ich es wüsste, dürfte ich Ihnen die Adresse aus Datenschutzgründen nicht weitergeben“ entgegnete Frau Maurius.

Enttäuscht verabschiedeten sich die Constantins von Frau Maurius. Bei einer Tasse Kaffee in einem urgemütlichen Tagescafé am Marktplatz des beschaulichen Städtchens beratschlagten sie die weitere Vorgehensweise. „Ich hab‘ doch die Fotos von unserem letzten Spaziergang. Auf einem ist Frau Wickel zu sehen. Lass‘ uns doch einfach mal in der Nachbarschaft nachfragen. Vielleicht weiß jemand, wo die Wickel abgeblieben ist.“ „Gute Idee“, bestätigte Pedro den Vorschlag seiner Frau.

Sie begaben sich zurück zur ehemaligen Wohnadresse der Wickel. Leider führten ihre Bemühungen in der Wohnsiedlung zu keinem Ergebnis. Sie gaben jedoch so schnell nicht auf und fragten auch in den nahegelegenen Geschäften nach dem Verbleib der Gesuchten. In einer Bäckerei hatten sie endlich Erfolg. Die Verkäuferin kannte die Wickel aus der Zeit, als sie noch mit ihrem Mann in dem schmucken Einfamilienhaus wohnte. Sie hatte nach der Trennung der Wickels noch lockeren Kontakt zu Frau Wickel, deshalb wusste sie auch, wohin sie gezogen war. Bereitwillig und ohne einen Gedanken an den Datenschutz zu verschwenden, nannte sie die Anschrift, die ihr bekannt war.

„Das darf ja wohl nicht wahr sein! Das ist ja nur einen Katzensprung von uns entfernt!“ entfuhr es Herrn Constantin. Sie bedankten sich überschwänglich bei der Backwarenverkäuferin und traten die Heimfahrt an.

Bereits am nächsten Tag fuhr das Ehepaar Constantin zu der neuen Adresse der Wickel. Nach nur 20 Minuten Fahrzeit hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie standen vor einem etwas heruntergekommenen Mehrfamilienhaus. Bald hatten sie das Klingelschild der Wickel gefunden. Doch leider war ihr Klingeln vergeblich, Frau Wickel war scheinbar nicht zu Hause. Nach geraumer Zeit öffnete sich jedoch die Haustüre und es trat eine ältere Dame heraus. „Zu wem möchten Sie denn?“ fragte sie neugierig, noch bevor die Constantins das Wort ergreifen konnten. „Wir wollten Frau Estefania Wickel einen Besuch abstatten, aber scheinbar ist sie nicht zu Hause“. „Oh, da müssen sie Geduld haben. Die Estefania arbeitet wieder und ist nur noch sehr selten und zu vollkommen unterschiedlichen Zeiten zu Hause anzutreffen“ gab die Dame bereitwillig Auskunft. „Ach, wir wussten nicht, dass sie arbeitet. Wissen Sie denn zufällig, wer ihren Hund betreut, während sie arbeitet?“ fragte Frau Constantin. „Hund? Welchen Hund? Estefania hat doch keinen Hund.“ Die ältere Dame stutzte. „Obwohl…. Stimmt, die Estefania sprang vor ein paar Wochen für ein paar Tage für eine Bekannte als Hundesitter ein. Das war kurz bevor sie ihre neue Arbeitsstelle antrat. Das hat sie mir erzählt, als ich sie zufällig mit dem Hund im Treppenhaus traf. Bei uns im Haus ist Tierhaltung nämlich verboten und Estefania war sehr verärgert darüber, dass sie sich extra die Genehmigung vom Vermieter einholen musste, obwohl der Hund nur wenige Tage bei ihr war“. „Wissen Sie denn zufällig, wo Frau Wickel arbeitet? “ Hoffnungsvoll sah Frau Constantin die nette Dame an. „Leider nein. Estefania macht ein Riesengeheimnis um ihren Arbeitgeber. Angeblich musste sie sich zu absoluter Diskretion verpflichten. Ich weiß nur, dass sie sehr unregelmäßige Arbeitszeiten hat. Manchmal, wenn es abends sehr ! spä t wird, übernachtet sie in einem extra dafür vorgesehenen Zimmer im Bürogebäude ihres Arbeitgebers.“

Die Constantins verabschiedeten sich und traten die Heimfahrt an. Stille herrschte im Auto, jeder hing seinen Gedanken nach. Was war mit Kimmi geschehen? Welch‘ dubiose Rolle spielt Frau Wickel? Warum wurden sie so von Frau Wickel hintergangen? Was waren ihre Beweggründe?

Kapitel 4 – Kimmi in den Fängen von Vermehrern

Während Herr Constantin wieder seiner geregelten Arbeit nachging, sein Jahresurlaub war vorbei, fuhr Frau Constantin des Öfteren ganz spontan zur neuen Adresse der Wickel, jedoch immer ohne Erfolg. Sie traf nie jemanden an.

Abends, wenn ihre Hunde versorgt waren und glücklich vor sich hinschlummerten, recherchierte Frau Constantin im Internet nach Frau Wickel. Doch über die Wickel war absolut nichts zu erfahren.

Eines Abends aber stieß sie durch Zufall beim Stöbern auf einer Tierverkaufsplattform auf Fotos von Kimmi. Sie erkannte Kimmi eindeutig an ihrem unverkennbaren Merkmal, dem herzförmigen, schwarzen Fleck über ihrem linken Auge. „Pedro, schnell, das musst du sehen! Fotos von Kimmi sind im Netz!“ Sprachlos saß das Ehepaar vor dem Laptop. Es stockte ihnen der Atem. Das Inserat, unter dem die Fotos von Kimmi veröffentlicht wurden, stammte von Frau Drache, der Hobbyzüchterin, die die Constantins schon einmal hinters Licht geführt hatte!

Frau Drache pries Kimmi, die sie in Joki umbenannt hatte, als ihre neue „Zuchthündin“ an und brüstete sich damit, dass Joki aus einer renommierten Zucht stammt, sämtliche erforderlichen Papiere vorweisen kann, eine Zuchtzulassung erhalten hätte und nachweislich frei sei von Erbkrankheiten. Auch ein Link zu einer eigens für Kimmi eingerichteten Homepage fand sich unter dem Inserat.

„Nichts davon ist wahr.“ Herr Constantin war erschüttert über so viel Dreistigkeit. „Lügen über Lügen. Wie kann ein Mensch nur so verlogen sein. Demnach wurde diesem Vermehrertrio immer noch nicht das Handwerk gelegt.“ „Aber wie kommt die Drache zu Kimmi?“. Das Ehepaar grübelte und grübelte. „Es muss eine Verbindung zwischen der Drache und der Wickel geben. Anders ist das nicht zu erklären.“

Es folgten unendliche Recherchearbeiten, die sich jedoch irgendwann auszahlen würden. Die Constantins sammelten sämtliche Infos über die Wickel und fertigten Screenshots von den Beiträgen, die die Drache über Kimmi / Joki veröffentlichte. Mit diesen Informationen sprachen sie bei Ihrem Rechtsanwalt vor. „Herr Makisch ist ein überaus zuverlässiger und kompetenter Rechtsanwalt. Auf ihn können wir uns verlassen. Er wird uns mit Rat und Tat zur Seite stehen“. Die Constantins waren sich einig: sie brauchten Unterstützung, wenn sie das Mysterium um Kimmis Verbleib aufklären wollten.

Frau Constantin fuhr indes weiterhin in unregelmäßigen Abständen zur Wohnung der Wickel. Eines Tages machte sich ihre Hartnäckigkeit bezahlt und sie traf die Wickel tatsächlich an. Just in dem Moment, als Frau Constantin die Klingel betätigen wollte, öffnete sich die Eingangstür und Frau Wickel trat heraus, gefolgt von einem düster dreinblickenden Herrn. Frau Wickel war sichtlich erschrocken, als sie Frau Constantin erkannte. Sie hatte es plötzlich sehr eilig und drängte Frau Constantin zur Seite, ehe diese nach Kimmis Verbleib fragen konnte. Sie lief Frau Wickel hinterher. Frau Wickel und ihr Begleiter beeilten sich, in ein Firmenauto, auf dem das Logo einer Detektei prangte, zu steigen. Noch ehe Frau Constantin die Wickel zur Rede stellen konnte, blaffte der unheimlich wirkende Begleiter der Wickel Frau Constantin an: „Scheren Sie sich zum Teufel. Unterlassen Sie es, meine Angestellte zu belästigen, es könnte Ihnen schlecht bekommen…“. Flugs stieg auch der Mann in den Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

Frau Constantin fuhr nach Hause und konnte es kaum erwarten, ihrem Gatten am Abend von dem unangenehmen Vorkommnis zu berichten. „Ich habe zumindest einen Anhaltspunkt, wo wir die Wickel erreichen könnten“. Sie reichte ihrem Gatten ihr Handy und grinste. Geistesgegenwärtig hatte Frau Constantin ihr Handy gezückt und das Logo auf dem Auto fotografiert. Volltreffer!! Name und Anschrift der Detektei waren deutlich erkennbar.

Bereits in der kommenden Woche statteten Pedro und Elise dieser Detektei einen Besuch ab. Dass Frau Wickel an der Rezeption saß, überraschte die Constantins nicht. Umso verdutzter jedoch blickte Frau Wickel drein. „Wo ist Kimmi?“ Ohne Umschweife kam Herr Constantin zum Thema. „Ähhhmm, die ist bei einer Nachbarin, solange ich arbeite“, versuchte Frau Wickel sich rauszureden. „Lügnerin!“ konterte Frau Constantin, „Kimmi befindet sich gar nicht mehr in Ihren Händen! Sie haben sie weitergegeben!“ Aufgebracht drippelte Frau Constantin vor der Empfangstheke hin und her. „Sagen Sie endlich, was Sie mit Kimmi gemacht haben! In wessen Auftrag haben Sie gehandelt?“ „Wir haben Fotos von Kimmi im Netz gefunden, veröffentlicht von einem Vermehrer!!“ Mit drohender Stimme versuchte Herr Constantin die Wickel zum Reden zu bringen. „Ich kann es Ihnen nicht sagen“ erwiderte Frau Wickel mit zittriger Stimme. „Sie wurden bezahlt dafür, dass Sie uns hinters Licht führen, stimmt’s?“ „Ähhh, ja, das heißt natürlich nein“. Kleinlaut versuchte sich die Wickel aus der Affäre zu ziehen. „Ich kann nichts sagen, wirklich“, stammelte sie und wurde immer kleiner hinter der Empfangstheke. „Nun gut, Sie wollen es nicht anders. Wir wollten die Angelegenheit außergerichtlich klären. Aber nun zwingen Sie uns dazu, rechtliche Schritte gegen Sie einzuleiten“.

„Mein Chef hat mich gebeten, Kimmi für ihn zu kaufen“, räumte Frau Wickel plötzlich ein, „er hat mir dafür eine Festanstellung versprochen. Ich erhalte keinen Unterhalt und stand ohne Krankenversicherung und Einkommen da. Was hätte ich denn machen sollen“. „Sorry, aber Sie erwarten nun hoffentlich kein Mitleid von uns. Für Ihr Verhalten fehlt mir jegliches Verständnis“ warf Frau Wickel in den Raum. „Und in wessen Auftrag hat der Bühl gehandelt? Er wollte Kimmi doch nicht für sich“, fragte Herr Constantin weiter. „Eine Klientin hat Herrn Bühl beauftragt, Kimmi zu besorgen.“ „Also fungiert der Bühl als Strohmann für die Drache“ mutmaßte Herr Constantin. Ehe er weitersprechen konnte, ging die Tür auf und Herr Bühl, der Inhaber der Detektei, betrat den Raum.

„Verlassen Sie sofort mein Büro, sonst rufe ich die Security“ brüllte er unverzüglich drauf los. Er hatte Frau Constantin sofort als die Frau erkannt, die unlängst seine Angestellte vor deren Wohnung abgefangen hatte.

Unterdessen brach Frau Wickel in Tränen aus. Sie fühlte sich der Situation wohl nicht mehr gewachsen. Um einer Eskalation der Situation vorzubeugen, zogen die Constantins den Rückzug an.

„Aber warum hat der Bühl nicht selbst Kimmi gekauft?“, rätselte Frau Constantin auf der Heimfahrt. „Das liegt doch auf der Hand, Elise“, entgegnete ihr Mann. „Spätestens bei der Recherche nach seinem Namen im Netz hätten wir herausgefunden, dass er Privatdetektiv ist und das hätte uns mit Sicherheit stutzig gemacht. Er konnte davon ausgehen, dass wir Kimmi niemals an ihn verkauft hätten.“ „Und warum will die Drache unbedingt wieder einen Hund aus unserer Zucht?“ „Nun ja“, entgegnete Pedro seiner Frau, „das ist wohl ihre Rache dafür, dass wir ihr das Veterinäramt geschickt haben. Außerdem weiß sie um unseren sehr guten Ruf sowohl in Züchter- als auch in Hundekäuferkreisen. Mit einem Hund, der unseren Züchternamen trägt, kann sie sich brüsten und so für ihre Welpen überhöhte Preise verlangen. Kaum ein Käufer wird stutzig werden und auf die Idee kommen, den Wahrheitsgehalt von den Drachschen Aussagen überprüfen. Sie erzählt natürlich jedem, dass sie „Zuchthündinnen“ von uns erworben hat. Diese Aussage, gepaart mit der Angabe, dass der Sohn ihres Lebensgefährten Tierarzt ist, macht sie sich für ihre unlauteren Geschäfte zu nutze. Dass mit unseren Hunden, die wir in Privathände abgeben, nicht gezüchtet werden darf, weiß ja niemand. Und je mehr angebliche „Zuchthunde“ sie vom gleichen Züchter vorweisen kann, umso glaubhafter werden ihre Lügen.“

Von den neuerlichen Ereignissen und Erkenntnissen unterrichteten Pedro und Elise ihren Anwalt. „Dann bleibt uns nichts Anderes übrig, als Frau Wickel auf Herausgabe des Hundes zu verklagen. Sie hat definitiv gegen den Kaufvertrag verstoßen“, erklärte Herr Makisch seiner Mandantschaft. „Müssen wir direkt gegen Frau Wickel vorgehen? Welche Rolle spielt Herr Bühl?“ Fragen über Fragen, die Herr Makisch seiner Mandantschaft mit stoischer Ruhe fachkundig beantwortete. „Wir müssen definitiv gegen Frau Wickel vorgehen. Sie ist ihre Vertragspartnerin und rein rechtlich ist sie die gegenwärtige Eigentümerin von Kimmi. Sie hat ja die Originalpapiere nicht aus der Hand gegeben. Das war, im Nachhinein betrachtet, eine kluge Entscheidung von Frau Wickel. Hätte sie die Originale an Herrn Bühl ausgehändigt, wäre es nahezu unmöglich, den Hund von Frau Drache zurückzufordern. Herr Bühl und Frau Drache stecken ja nachweislich unter einer Decke. Vermutlich hätte Herr Bühl die Originale gegen Zahlung einer Ablösesumme an Frau Drache ausgehändigt. Wäre es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Herrn Bühl und Frau Drache gekommen, hätte sich Frau Drache darauf berufen können, dass es sich bei dem Erwerb von Kimmi um ein zulässiges Strohmanngeschäft gehandelt hat, bei dem Herr Bühl als Strohmann und seine Angestellte Wickel als dessen Vertreterin aufgetreten sind. Selbst wenn Frau Drache nicht nachweisen kann, dass sie Kimmi von Frau Wickel rechtmäßig erworben hat, stünde hier Aussage gegen Aussage und die Chancen, dass das Gericht zu Ihren Gunsten entscheidet, Herr Constantin, stünde etwa Fifty-Fifty. Aber wir sind nicht zusammengekommen, um „Was-wäre-wenn“ zu spielen. Fakt ist, dass wir Kimmi nur über Frau Wickel zurückbekommen können.“

„Wir wollen alles versuchen, um Kimmi aus den Händen der Drache zu befreien. Bei der Drache ist das Tierwohl eines jeden Hundes auf das Äußerste gefährdet. Mir blutet das Herz, wenn ich daran denke, wie es Kimmi bei der Drache ergeht. Warum kann man diesem dreisten Vermehrertrio nicht das Handwerk legen? Jeder spricht über Auslandstierschutz, aber meines Erachtens gibt es doch in unserem Land genug Handlungsbedarf gegen einheimische Vermehrer, Hundehändler usw.“ ließ Frau Constantin ihren Gedanken freien Lauf.

Kapitel 5: Erster Erfolg auf Kimmis langen Weg zurück zu den Constantins

Herr Makisch bereitete sogleich eine außergerichtliche Aufforderung an Frau Wickel vor. Er forderte sie auf, die Konventionalstrafe in Höhe von € 5.000,00 für das unerlaubte Weitergeben des Hundes an Dritte sowie € 3.000,00 für Kimmis Verwendung als Zuchthund zu zahlen. Gleichzeitig schlug er Frau Wickel eine Kaufpreisrückerstattung gegen Rückgabe des Hundes an Herrn Constantin vor.

Erwartungsgemäß erhielt Herr Makisch auf sein Schreiben an Frau Wickel innerhalb der gesetzten Frist keine Antwort. So blieb den Constantins nur der gerichtliche Weg.

Ein Termin zur Güteverhandlung in Sachen Constantin ./. Wickel wurde bereits nach zwei Monaten anberaumt. Während der Verhandlung räumte Frau Wickel ein, den Hund Kimmi entgegen der Vereinbarungen im Kaufvertrag, weitergegeben zu haben. Sie erklärte unumwunden, dass sie im Auftrag ihres Chefs, Herrn Bühl, gehandelt hat. „Herr Bühl selbst hat den Hund dann ohne schriftlichen Kaufvertrag an Frau Drache weitergegeben und dafür Gebühren in unbekannter Höhe erhalten. Bei einem Telefonat zwischen Herrn Bühl und Frau Drache fiel der Begriff „Strohmanngeschäft“.“. Mit diesen Worten schloss Frau Wickel ihre Aussage.

Der zuständige Richter schlug nach einer angemessenen Pause einen Vergleich vor, dem sich beide Parteien anschlossen. Frau Wickel solle den Hund Kimmi innerhalb von vier Wochen an den Antragsteller gegen Rückzahlung des kompletten Kaufpreises herausgeben und 25 % der Konventionalstrafe leisten. Die Gerichtskosten würden anteilig aufgerechnet. Somit hätte Frau Wickel in monetärer Hinsicht lediglich die Gerichtskosten zu leisten, da sich der Kaufpreis für Kimmi und der 25-%-ige Anteil der Konventionalstrafe gegenseitig fast 1:1 aufhoben.

Der Richter war der Auffassung, dass Frau Wickel billigend in Kauf genommen hat, dass der Hund Kimmi in Vermehrerhände gelangen kann, als sie ihn an ihren Chef weitergegeben hat. Dass der Hund Kimmi über den Strohmann Bühl in die Hände von Frau Drache gelangte und Kimmi bereits wenige Wochen nach dem Verkauf Kimmis von Frau Drache als Zuchthund eingesetzt werden sollte, belegen die zahlreichen Screenshots von Hundeportalen, auf denen Frau Drache für Kimmi „potente Zuchtrüden ab sofort“ gesucht hat. Dies war für den Richter Grund genug, im Interesse des Tierwohls die Herausgabe des Hundes an dessen ursprünglichen Besitzer zu unterstützen und nicht nur auf eine Zahlung der Konventionalstrafe zu drängen. Dem Kläger blieben weitere Schritte bei Nichteinhaltung des Vergleichs ausdrücklich vorbehalten. Unüblich waren die abschließenden, persönlichen Worte des Richters, mit denen er sich an die Beklagte wandte: „Frau Wickel, Sie können sich glücklich schätzen, dass der Kläger diesem Vergleich zugestimmt hat. In Ihrem eigenen Interesse rate ich Ihnen, sich an die Vereinbarung zu halten.“

Im Nachgang zur Verhandlung teilte Herr Makisch der Frau Wickel unumwunden schriftlich mit, dass das Verfahren neu aufgerollt werden würde, falls sie den Hund nicht bis zum anberaumten Termin herausgibt. Die Familie Constantin würde dann die komplette Konventionalstrafe in Höhe von € 5.000,00 sowie € 3.000,00 für das unerlaubte Einsetzen Kimmis als Zuchthündin fordern, denn das Kimmi widerrechtlich als Zuchthündin eingesetzt werden soll, kann die Familie Constantin anhand ihrer Internetrecherchen zweifelsfrei beweisen. Im Falle einer Verurteilung würden Frau Wickel auch die kompletten Gerichts- und Anwaltskosten auferlegt.

Kapitel 6: Frau Wickel ist in Zugzwang

Nun war Frau Wickel in Zugzwang. Wie sollte sie es schaffen, innerhalb von vier Wochen den Hund von der Drache zurückzufordern und an die Constantins zurückzugeben?

Eile war geboten. Zunächst musste sie wohl ihren Chef davon überzeugen, mit ihr an einem Strang zu ziehen, denn die Lage war verzwickt. Der Hund Kimmi war Eigentum der Frau Wickel. Frau Wickel aber hatte den Hund ihrem Chef „zur Verfügung“ gestellt. Der wiederum gab den Hund an die Drache weiter. Tausend Fragen geisterten Frau Wickel im Kopf herum, welche ihr nur ihr Anwalt, Herr Pickel, beantworten konnte.

 „Zunächst müssen wir unbedingt Fristverlängerung beantragen“, wirkte Frau Wickels Rechtsanwalt auf seine Mandantin ein. „Vier Wochen sind angesichts der verzwickten Lage sehr knapp bemessen. Ich setze sofort ein Schriftstück an das Gericht auf und bitte um Fristverlängerung um 6 Wochen. Innerhalb von 10 Wochen dürfte es möglich sein, den Hund zurückzuholen.“ Frau Wickel stimmte ohne Widerworte zu.

„Muss ich jetzt erst meinen Chef zur Herausgabe Kimmis auffordern? “ Verunsichert wandte sich Frau Wickel an ihren Anwalt. „Nein“, beruhigte Herr Pickel seine Mandantin, „Ihren Chef können wir völlig außer Acht lassen. Kimmi war zu keinem Zeitpunkt Eigentum des Herrn Bühl. Herr Bühl hat lediglich den Hund Kimmi in Ihrem Auftrag in die Obhut der Frau Drache gegeben. Sie ist momentan zwar im Besitz des Hundes, der Hund ist jedoch nicht ihr Eigentum. Es gibt keinen Kaufvertrag zwischen Ihnen und Herrn Bühl bzw. zwischen Herrn Bühl und Frau Drache. Von größtem Vorteil für Sie ist die Tatsache, dass sich die Originalpapiere des Hundes bei Ihnen befinden und Sie somit nachweisen können, dass der Hund Ihnen gehört. Sie sind Eigentümer des Hundes. Es ist hier wie bei einem Auto: derjenige, in dessen Besitz sich die Zulassungsbescheinigung Teil II, also der sogenannte „Fahrzeugbrief“ befindet, ist der Eigentümer des Autos. So verhält es sich auch in Ihrem Fall. Es handelt sich zwar um einen Hund, aber das Prinzip ist das Gleiche. Besitz ist eine Tatsache, Eigentum dagegen ist das Recht an einer Sache. Aber damit müssen wir uns an dieser Stelle nicht tiefergehend auseinandersetzen.“

Die weitere Vorgehensweise wurde sogleich festgelegt. „Schritt 1: Wir müssen Frau Drache zunächst schriftlich und mit Fristsetzung zur Herausgabe von Kimmi auffordern. Sollte keine Reaktion erfolgen, müssen wir im zweiten Schritt per Eilverfahren unter Bezug auf den Vergleich zwischen Ihnen und Herrn Constantin einen Vollstreckungstitel erwirken und anschließend die Zwangsvollstreckung anstreben. Als Ziel der Zwangsvollstreckung muss die Herausgabe des Hundes Kimmi angegeben werden.“

Zunächst forderte also Herr Pickel Frau Drache schriftlich auf, den Hund Kimmi, Rufname Joki, Chipnummer 12340432105678087650990, an die rechtmäßige Eigentümerin, Frau Wickel, herauszugeben. Er gewährte hierzu eine Frist von acht Tagen.

Erwartungsgemäß verstrich die Frist zur Herausgabe Kimmis, ohne dass sich Frau Drache in irgendeiner Form äußerte geschweige denn den Hund herausgab.

„Dann müssen wir nun schnellstens den zweiten Schritt gehen und einen Vollstreckungstitel gegen Frau Drache erwirken. Glücklicherweise wurde unserer Bitte auf Fristverlängerung vom Gericht entsprochen“. Herr Pickel hatte bereits sämtliche Schriftstücke unterschriftsreif vor sich liegen und somit konnte der Antrag auf einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe des Hundes Kimmi unverzüglich eingereicht werden.

Bereits zwei Wochen später stand der Vollstreckungsbeamte, Herr Pfännle, nach schriftlicher Vorankündigung vor der Tür der Frau Drache und forderte die Herausgabe von Kimmi/Joki. Frau Drache verweigerte dem Gerichtsvollzieher jedoch den Zutritt. „Frau Drache, ich werde mit einem richterlichen Beschluss wiederkommen. Das verursacht zusätzliche Kosten, die Sie zu tragen haben. In Ihrem eigenen Interesse sollten Sie kooperieren“. „Einen Teufel werde ich tun, Sie kommen hier nicht rein. Ich wüsste nicht, warum ich Ihnen MEINEN Hund Joki aushändigen sollte. Der Hund gehört mir.“ Sprach‘s und schlug dem Vollstreckungsbeamten die Tür vor der Nase zu.

Somit holte der Gerichtsvollzieher einen richterlichen Beschluss ein und teilte Frau Drache umgehend einen neuen Besuchstermin mit. Auf diesen Termin hatte sich Frau Drache gut vorbereitet. Sie begrüßte den Gerichtsvollzieher sehr freundlich und gewährte ihm ohne Murren Zugang ins Haus.

Auf die Aufforderung zur Herausgabe des Hundes Kimmi/Joki legte die Drache dem Gerichtsvollzieher Kimmis Papiere vor. „Der Hund gehört mir“ behauptete sie erneut dreist und voller Überzeugung. „Hier sind die Papiere, die dies belegen. Sie haben sich leider umsonst bemüht. Es muss sich um eine Verwechslung handeln. Ich weiß nicht, wie Frau Sowieso, leider ist mir der Name entfallen, darauf kommt, Ansprüche auf meine Joki zu erheben. Ich kenne die Dame gar nicht.“

Die vorgelegten Papiere waren Kopien der Originalpapiere, die Herr Bühl der Frau Drache bei Übergabe des Hundes ausgehändigt hatte. Diese Kopien hatte Frau Drache so bearbeitet, dass sie den Anschein erweckten, Originaldokumente zu sein. Dass sich die tatsächlichen Originale bei Frau Wickel befanden, war dem Gerichtsvollzieher Pfännle in diesem Moment nicht bewusst.

Herr Pfännle war auf Grund der neuen Umstände sichtlich verwirrt. „Da besteht Klärungsbedarf mit meinem Auftraggeber. Es tut mir sehr leid, Frau Drache. Möglicherweise liegt hier tatsächlich ein Missverständnis vor. Ich werde der Angelegenheit nachgehen.“ Er verabschiedete sich und verließ ohne Kimmi das Haus Drache/Duckdich.

„Den hab‘ ich schön reingelegt. Da hat sich der Besuch des Kurses „Digitale Dokumenten-bearbeitung“ voll bezahlt gemacht. Ich muss schon sagen, Marga, das war eine großartige Leistung“, lobte sich die Drache selbst. Sie verfiel in ein Lachen, dass an ein dämonisches Hexen-Gelächter erinnerte. „Die Kimmi gehört mir. Unter keinen Umständen werde ich sie herausgeben!!“

Diese Frau war die Ausgeburt des Bösen, wie sich schon kurze Zeit später beweisen sollte.

Kapitel 7: Kimmi wird zum Spielball einer Psychopathin

Der Klärung des Sachverhalts zwischen dem Gerichtsvollzieher, Herrn Pfännle, und seiner Auftraggeberin, Frau Wickel, sowie deren Rechtsvertreter bedarf es nur weniger Minuten. Frau Wickel legte Kimmis Original-Papiere sowie den Kaufvertrag zwischen ihr und Herrn Constantin vor. „Das ist ja ein starkes Stück. Die Frau hat sich der Urkundenfälschung strafbar gemacht. Eine verdammt gute Fälschung hat sie mir da vorgelegt. Nur an das Wasserzeichen, welches die Original-Papiere eines Hundes aus Finnland ziert, hat sie nicht gedacht. So viel Dreistigkeit und kriminelle Energie ist mir in meiner langjährigen Berufstätigkeit selten untergekommen. Ich werde die Dame unverzüglich in Begleitung von Polizei und einem Tierarzt, der die Chipnummer auslesen kann, aufsuchen. Dadurch wird gewährleistet, dass wir auch den richtigen Hund beschlagnahmen.“

Wenige Tage später suchte Herr Pfännle samt zwei Polizisten und dem Tierarzt Reimer Frau Drache zum dritten Mal auf. Nach mehrmaligem Klingeln öffnete Herr Duckdich die Tür. Verdutzt blickte er die Herren an. Herr Pfännle stellte sich vor und verlangte nach Frau Drache. „Ich hol sie“ entgegnete Herr Duckdich und schloss die Tür.

Nachdem Herr Duckdich nach etwa fünf Minuten immer noch nicht zurück war, klingelte Herr Pfännle erneut Sturm. Daraufhin erschien Frau Drache. „Was wollen Sie denn noch?“ fauchte sie den Gerichtsvollzieher an. Er erklärte kurz den Sachverhalt und dass die Fälschung von Kimmis Papieren aufgeflogen ist. Die anwesenden Polizeibeamten ergänzten unumwunden, dass Frau Drache wegen der Urkundenfälschung eine Anzeige zu erwarten hat.

„Aber jetzt händigen Sie uns unverzüglich den Hund Kimmi respektive Joki aus. Hier ist der richterliche Beschluss. Herrn Tierarzt Reimer haben wir hinzugezogen, um zu gewährleisten, dass Sie uns den richtigen Hund herausgeben“. „Na dann kommen Sie mal mit, meine Herren“, keifte die Drache Herrn Pfännle an und hatte dabei ein sehr merkwürdiges, hämisches Grinsen im Gesicht.

Die Drache führte die vier Herren in ein spärlich eingerichtetes, abgedunkeltes und unheimlich anmutendes Zimmer. Hinter der Tür stand eine alte Truhe. Erst auf den zweiten Blick war erkennbar, dass darin ein Hund lag. „Da haben Sie Joki. Sie können sie mitnehmen“. Die Drache verschränkte die Arme vor der Brust und drückte dadurch ihren Unmut aus.

Der Tierarzt beugte sich zu dem Tier hinab, stand unvermittelt wieder auf, wandte sich an Frau Drache und fragte: „Seit wann ist der Hund tot? “ „Joki ist gestern urplötzlich an einer Kolik verstorben“, entgegnete Frau Drache ohne Gemütsregung. Frau Drache war auf die Situation sehr gut vorbereitet. Unverzüglich zog sie ein Schriftstück hervor und händigte es Herrn Pfännle unaufgefordert aus. Es hatte den Anschein, als hätte sie nur darauf gewartet, das Papier endlich vorlegen zu können. Bei dem Schriftstück handelte es sich um eine Bescheinigung über Jokis  Todesursache, ausgestellt von Herrn Gunnar Duckdich junior, praktischer Tierarzt und Sohn des Gunnar Duckdich senior. Die Bescheinigung enthielt neben Jokis Geburts- und Zwingernamen auch ihr Geburtsdatum und die Chip-Nummer: 12340432105678087650990. Als Todesursache war angegeben: „unerwarteter Herzstillstand nach einer Kolik“.

Die vier Herren waren geschockt und sprachlos auf Grund dieser unerwarteten Situation. Der Tierarzt Reimer las an dem toten Hund den Chip aus. Es handelte sich zweifelsfrei um Kimmi/Joki. Herr Reimer schlug vor, den Hundeleichnam trotz der widrigen Situation zu beschlagnahmen. Er wolle den Leichnam des Hundes mit in seine Praxis nehmen, um eventuell Näheres über die Todesumstände des Tieres zu eruieren. Herr Pfännle stimmte dem Vorschlag von Herrn Reimer zu. „Mehr können wir momentan nicht tun. Es bleibt mir nun die unangenehme Aufgabe, meine Auftraggeber von Kimmis Tod zu informieren“. Herr Pfännle bedankte sich bei den Polizisten für ihre Unterstützung. „Wir bleiben in Verbindung“ verabschiedete er sich von Herrn Reimer.

Kapitel 8: Kimmis Tod verändert alles

Bestürzt nahm Frau Wickel die Nachricht von Kimmis Tod entgegen. „Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! Just in dem Moment, als es amtlich ist, dass die Drache Kimmi herausgeben muss, verstirbt der Hund urplötzlich?! Da drängt sich mir sofort der Verdacht auf, dass die Drache da ihre Finger im Spiel hatte. Zuzutrauen wäre es ihr“. Frau Wickel äußerte auch ihrem Anwalt gegenüber ihre Vermutung, dass Frau Drache für Kimmis Tod verantwortlich sei. „Aber was bedeutet Kimmis Tod nun für den Vergleich zwischen den Constantins und mir? Auf Grund von Kimmis Ableben ist es mir gar nicht mehr möglich, den Hund an Herrn Constantin zurückzugeben.“ „Ja, das ist eine verzwickte Situation. Wir sollten umgehend ein persönliches Treffen mit der gegnerischen Partei anstreben. Ich werde Herrn Makisch unverzüglich um eine Zusammenkunft aller Beteiligten bitten“.

Eine Woche später trafen sich beide Parteien im Rechtsanwaltsbüro des Herrn Pickel. Herr Pickel ergriff zunächst das Wort und schilderte die vorangegangenen Ereignisse im Haus Drache/Duckdich, vom ersten Besuch des Gerichtsvollziehers bis hin zum dritten Besuch, bei dem Kimmis Leichnam aufgefunden wurde.

„Mir war bewusst, dass die Drache eine durchtriebene Person ist, die selbst vor kriminellen Handlungen keinen Halt macht, um ihr vermeintliches Recht durchzusetzen. Dass sie jedoch so weit geht, einen Hund zu töten, nur um ihn nicht an seinen rechtmäßigen Besitzer herausgeben zu müssen, hätte ich niemals erwartet“, ließ Herr Constantin seinen Gedanken mit zittriger, weinerlicher Stimme freien Lauf, nach dem Herr Pickel mit seinen Ausführungen fertig war. Frau Constantin brachte kein Wort heraus, ihr liefen unentwegt die Tränen der Wut, der Trauer und des Unverständnisses übers Gesicht. Sie nahm die Hand ihres Mannes und lehnte sich an ihn. „Welch eine verbitterte, abgestumpfte, gefühlskalte Seele verbirgt sich im Drachschen Körper? Unvorstellbar, zu was diese Person fähig ist. Sie ist die Ausgeburt des Bösen“. Mit diesen Worten sprach Herr Constantin aus, was die weiteren Anwesenden dachten.

„Ich kann Ihren Zorn verstehen, Herr Constantin. Aber mit der Behauptung, dass Frau Drache bei Kimmis Tod nachgeholfen hat, sollten Sie vorsichtig sein, solange dies nicht zweifelsfrei nachgewiesen wurde.“

Im weiteren Gesprächsverlauf verzichteten die Constantins auf sämtliche Ansprüche gegenüber Frau Wickel. „Es geht uns nicht ums Geld, Frau Wickel. Kimmi ist tot. Sie haben alles unternommen, um Kimmi an uns zurückzugeben. Niemand konnte ahnen, wie weit die Drache geht. Sie waren gewillt, den Vergleich zu erfüllen. Wir wissen um Ihre finanzielle Situation und verzichten deshalb auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag. Lediglich um die Zahlung der Gerichts- und Anwaltskosten werden Sie nicht herumkommen. Herr Makisch, bitte setzen Sie ein entsprechendes Schriftstück auf, damit alles seine Richtigkeit hat.“ „Vielen herzlichen Dank, Herr Constantin. Ich möchte mich nochmals in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Es ist unverzeihlich, dass ich mich auf diesen ominösen Deal mit Herrn Bühl und Frau Drache eingelassen habe. Ich fühle mich verantwortlich für Kimmis Tod und es tut mir unendlich leid, welchen Kummer ich Ihnen bereitet habe.“

So ging nun jeder wieder seiner eigenen Wege. Bei jeder Partei hinterließen die Ereignisse ihre Spuren. Sowohl Familie Constantin als auch Frau Wickel zogen ihre Konsequenzen aus dem Hundedrama.

Frau Wickel wechselte den Arbeitsplatz. Ihr schlechtes Gewissen plagte sie und eine weitere Zusammenarbeit mit Herrn Bühl war für sie unmöglich.

Die Constantins gaben ihre Zucht auf und kümmerten sich liebevoll um ihre Sofaprinzessinnen. Zu tief saß der Schock, erneut auf das Vermehrerpärchen Drache/Duckdich reingefallen zu sein. Kira, Kimmis Schwester und mit 25 Monaten das jüngste Mitglied des Rudels, blieb selbstverständlich auch als Familienhund bei ihnen.
 
Frau Drache erwartete ein Prozess wegen Urkundenfälschung. Ein Nachweis, dass sie für Kimmis Tod verantwortlich war, konnte nicht zweifelsfrei erbracht werden.
 
Das Vermehrertrio Drache/Duckdich betrieb weiterhin uneingeschränkt ihre Hobbyzucht. Scheinbar bestand kein öffentliches Interesse daran, die dubiosen Zuchtmethoden des Trios zu unterbinden.

Es geht eben nur um HUNDE…

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