Wilmas Nacht endete mit Sommerregen auf warmem Asphalt, ihrem
Lieblingsduft. Ihr zweiter Atemzug erfüllte sie mit Filterkaffee und
Unbekümmertheit. Schläfrig begab sich das erste Auge auf die Suche
nach Vertrautem. Zwischen den Silhouetten im Halbdunkel ein Fenster. Hinter
der Gardine schlummerte die Sonne unter einer weichen Wolkendecke. Gerade als
Wilma das Bett mit ihren Fingern und den Rest des Raums – dann auch mit
ihrem zweiten Auge – erforschte, öffnete plötzlich jemand die
Schlafzimmertür. Ein Fremder.
Dem Eindringling wehrlos
ausgeliefert, suchten Ihre Hände Halt im Flanell. Vergeblich bemühte
sie sich, ihre wirren Gedanken zu sortieren. Wer war das, was wollte er, wie
war er reingekommen? Angststarre. Und die Bedrohung näherte sich Schritt
für Schritt.
An einem guten Tag hätte Wilma ihren Theo
erkannt. Dies aber war kein guter Tag.
___
Wie jeden Morgen war Theo vor seiner Wilma wach geworden.
Schlafstörungen. Er nutzte diesen Umstand, um vor Sonnenaufgang zum
Bäcker zu spazieren. Zurück in der Wohnung machte er
Frühstück. Frische Brötchen und eine Tasse Kaffee. Routine.
Während er die Leberwurst auf seine Hälfte verstrich, dachte er
bedrückt an die letzten Monate zurück. Dass sie die Diagnose
erhalten hatten, war schon ein Dreivierteljahr her. Sein Herz wurde schwer bei
dem Gedanken daran und seine Schultern sackten unter der Last zusammen.
Bevor ihnen der Arzt mitgeteilt hatte, wie ernst es sei, hatten sie
noch Scherze darüber gemacht, wenn ihr Namen von Freunden nicht
eingefallen waren oder sie ihre Brille wieder einmal gesucht hatte.
Mittlerweile aber gab Theo sich die Schuld daran, dass er es nicht früher
erkannt hatte. Doch selbst, wenn er es eher geahnt hätte, er hätte
es nicht aufhalten können. Die Gewissheit darüber löste ein
Gefühl von Ohnmacht in ihm aus. Nur eine hohle Schale aus Haut und
Knochen. Ausgerechnet seine Wilma. Sie war doch immer die Stärkere von
beiden gewesen. Das wusste er schon bei ihrer ersten Begegnung.
Denn obwohl sie einander nicht kannten, hatte sich Wilma damals in der
Bibliothek mir nichts, dir nichts neben ihn gesetzt und freiheraus gefragt:
„Wusstest du, dass Koalas Schluckauf kriegen, wenn sie gestresst sind?
" Von der Selbstsicherheit ihres Auftretens überrumpelt, fehlte es
ihm prompt an selbiger. Der Schlagfertigste war er sowieso nie gewesen, aber
das verschlug ihm die Sprache ganz und gar. Stumm hob er den Kopf hinter
seinen Büchern hervor und starrte etwas zu lange auf die etwas zu
große Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen. Dann bemerkte
er den Schwarm aus Sommersprossen, der ihre Nase und Wangen zierte. Noch immer
wortlos bewunderte Theo Wilma, ohne es zu merken. Ein
außergewöhnliches Gesicht, wie er fand. Nicht hübsch. Nicht im
gewöhnlichen Sinn. Nicht wie die gewöhnlichen Gesichter der anderen
Mädchen. Außergewöhnlich. Als sie dann auch noch so dreist
war, die Rechtschreibfehler seines verzweifelten Versuchs einer Hausarbeit zu
korrigieren, war es um ihn geschehen. Er war hoffnungslos verliebt.
Wenn sie später gefragt wurden, wie sie sich kennengelernt hatten,
würde Wilma antworten, dass sie nicht anders konnte. Sie musste ihn
einfach aufmuntern, als sie seinen gequälten Gesichtsausdruck hinter dem
aufgetürmten Bücherstapel entdeckt hatte. Gequält, aber
irgendwie auch niedlich, schob sie hinterher, während sie liebevoll seine
Hand griff. Dankbar, dass seine Wilma die Mutige von beiden war, wurde Theo
nicht müde zu ergänzen, dass er viel zu schüchtern gewesen
wäre, um eine wie sie jemals anzusprechen. „Das bist du immer
noch", würde sie lächelnd klarstellen.
Keine zwei
Jahre später bezogen sie die erste gemeinsame Wohnung. Gerade mal 40
Quadratmeter. Aufgerundet. Mehr wäre, Theos Berechnungen nach, Luxus
gewesen. Wenn es allerdings nach ihr gegangen wäre, hätte sie
wahrscheinlich lieber nicht in der Wohnstube schlafen müssen.
Nichtsdestotrotz. Sie liebte ihn. Ihn und die Tatsache, dass er wirklich alles
erst ganz genau durchdenken musste. Für Spontanität war unter seinen
Geheimratsecken einfach kein Platz.
Bald darauf folgte der kleine
Garten unweit der Wohnung, den Theo etwas überteuert einem Nachbarn
abkaufte. Nur zur Selbstversorgung natürlich (kein Luxus also). Wilma
hätte ihn aufgrund seiner Zweigleisigkeit nur allzu gern aufgezogen, tat
es aber nicht. Als leidenschaftliche Biologin genoss sie viel mehr die
Gelegenheit, nun auch in ihrer Freizeit verschiedenste Pflanzen studieren zu
können. Sie bauten alle Sorten Obst und Gemüse an. So viel davon,
dass sich Freunde und Bekannte regelmäßig auf die nächste
Ernte freuen durften. März bis Oktober verbrachten sie meist auf Knien in
der Erde. Mehr brauchten sie für ihr Glück nicht. Zusammensein. Und
überhaupt taten sie alles gemeinsam. Nur eines fast nie: Streiten.
In über 50 Jahren nicht ein einziges Mal. Egal, wie sehr Theo und
Wilma sich auch bemühten, sie konnten sich an keinen Streit erinnern.
Zumindest an keinen ernsten, den es zu erwähnen lohnte. Jetzt aber wusste
sie manchmal gar nicht mehr, dass sie jemanden zum Streiten hatte. Und heute
war manchmal.
___
Als Theo
sich zu seiner Wilma ans Bett setzte, sprach er sehr behutsam, erklärte
ihr alles. Es gelang ihm, sie zu beruhigen. Er erzählte ihr von
gestressten Koalas. Der vertraute Klang seiner Stimme fischte die versunkenen
Erinnerungen aus dem trüben Teich ihres Verstandes. Sie begriff, dass sie
bei ihm in Sicherheit war. Er erkannte es in ihren Augen. Doch auch, wenn es
ihm bis dahin noch immer gelungen war, so wusste er, dass es nicht leichter
werden würde. Im Gegenteil. Die Tage, an denen sie sich erinnerte, wurden
seltener. Die Krankheit nahm sich rasch immer mehr von dem, was er an ihr so
liebte. Gnadenlos. Und er war auch nicht mehr der Jüngste. Die
Einkäufe, Arztbesuche, der Haushalt. Neben der körperlichen
Anstrengung nagte vor allem die zunehmende Machtlosigkeit an ihm. Es war nur
eine Frage der Zeit, bis er sich nicht mehr würde kümmern
können. Dieser Gedanke verfolgte ihn nun schon eine ganze Weile. Mehr mit
jedem Abend, den er erschöpft in seinen Sessel sank. Außer ihm gab
es niemanden.
Und so kam es, wie es kommen musste. Der Tag an dem
Wilma die Wohnung in Nachthemd, Pantoffeln und der Absicht verließ, die
ausgebüxte Lilli im Park suchen zu gehen. Ihre Katze, die sie nie gehabt
hatten. Eine aufmerksame Joggerin rief besorgt die Polizei, als sie sie durch
die Büsche streunen sah – Wilma, nicht die Katze. Aber
natürlich war Wilma den Beamten keine große Hilfe. Wie auch. Es
grenzte beinah an ein Wunder, dass Theo ausgerechnet in diesem Moment –
erschöpft von den zwei schweren Einkaufsbeuteln in seinen Händen
– auf der anderen Straßenseite verschnaufte und das Unheil
abwenden konnte. Gerade rechtzeitig. Ihm war sofort klar, dass sie beim
nächsten Mal nicht so viel Glück haben würden. Ihm war auch
klar, dass das nächste Mal schon bald kommen würde. Wahrscheinlich
schneller, als er hoffen konnte. Er wusste, er musste vorbereitet sein.
73 Tage später knirschte der Kies unter den Reifen, als ihr alter Saab
900 vor dem großen Flügeltor zum Stehen kam. Dahinter auf einer
weitläufigen Parkanlage das Jugendstilhaus, das er aus der Broschüre
kannte. Davor Jonas. Der Pfleger, mit dem Theo alles vorbereitet und die
Details besprochen hatte. Er erwartete sie bereits. Während Theo noch
seinen Mut sammelte, auszusteigen, suchte Wilma nach Antworten im feuchten
Glanz seiner Augen. Er kämpfte. Gegen die Schuldgefühle und gegen
die Tränen. Jonas öffnete ihr die Beifahrertür. In einer Hand
ihr Koffer und in der anderen die Einladung, sich ihm anzuvertrauen. Ihr Blick
wanderte an ihm vorbei durch den üppigen Garten auf dem umzäunten
Grundstück, ihrem neuen Zuhause.
___
Seit er allein war, schlief Theo noch weniger als ohnehin schon. Die
vertraute Wohnung fühlte sich auf einmal fremd an. Fotos an den
Wänden, die schon so lange dort hingen, dass er sie sich mindestens
genauso lange schon nicht mehr angeschaut hatte. Es müssen hunderte
gewesen sein. Er und seine Wilma auf den meisten davon. Am Strand. Vor einem
schiefen Weihnachtsbaum. Sie mit Blumenerde unter den Fingernägeln. Er
mit Hochzeitstorte im Gesicht. Beide glücklich. Erst jetzt, nach all der
Zeit, wusste er die kleinen Ausflüge in die Vergangenheit zu
schätzen. Sein Herz war gebrochen, aber die gerahmten Erinnerungen sein
Gips.
Kein Tag verging, an dem Theo seine Wilma nicht besuchte.
Immer dabei: Eines der Fotos. Er gab es ihr und erzählte ihr die
altbekannte Geschichte dazu. Für sie jeden Tag eine neue. Ihr Zustand
verschlechterte sich allerdings mit jedem Besuch. Inzwischen erkannte sie Theo
gar nicht mehr. Stattdessen freute sie sich hin und wieder über den
netten Besuch, der ihr diesmal Gesellschaft leistete. Ab und an vermutete er
beim Erzählen allerdings noch ein seichtes Funkeln in ihren Augen. Immer
dann, wenn sie für einen Bruchteil erahnte, dass sie die Hälfte
eines Ganzen war. Eines Tages hatte er ihr alle Fotos mitgebracht, die sie
besaßen. Also fing er einfach wieder von vorn an. So verstrich Woche um
Woche, Monat um Monat.
Respektvoll schloss Theo die massive
Eichentür hinter sich, als er wieder das Foyer des Pflegeheims betrat.
Genau wie er es den Tag zuvor und den davor getan hatte. Irgendwas aber war
anders. Als er am Empfang vorbeikam, begrüßte ihn ein weiß
uniformierter Unbekannter. Der Pfleger musste neu sein, dachte er.
„Hey Theo, heute gar kein Foto für deine Wilma?", fragte
ihn der Neue. So verdutzt wie der ihn ansah, so verdutzt fummelte Theo dann
auch in seinem Stoffbeutel und stellte zu seiner Überraschung fest, dass
er tatsächlich keins dabeihatte. Komisch. Er musste es zu Hause auf dem
Schuhregal liegen gelassen haben. Mit einem knappen Schulterzucken
bestätigte er sein Versäumnis. Dann würde er ihr einfach so
eine kleine Geschichte erzählen, sprach er still zu sich. Er hatte Wilma
nun schon so viele davon erzählt, da würde ihm ganz bestimmt eine
einfallen – auch ohne Foto.
Nur kurz stutzte Theo
darüber, dass der Neuling seinen Namen kannte, ging dann aber
unbeeindruckt gleich wieder dem nach, weswegen er gekommen war. Jonas hingegen
verstand gleich, was das bedeutete, als er hinter dem Empfangstresen zum
Hörer griff.
___
Ungewöhnlich für Theo war die Sonne an diesem Morgen vor ihm wach.
Das war ihm noch nie passiert. Jedenfalls konnte er sich nicht erinnern, wann
er das letzte Mal bis neun geschlafen hatte. Jetzt müsste er sich
beeilen, dachte er. Heute würde es endlich wieder Russische Eier geben.
Schnell ins Bad. Rasieren, Zähne putzen und das, was vom Scheitel
übrig war, gerade ziehen. So eitel war er noch. Er steckte sein Hemd in
die Hose, klemmte sein Namensschild akkurat an die Brusttasche und
verließ sein Zimmer Richtung Frühstückssaal.
Dort
angekommen, attestierten ihm die vielen leere Tische, wie lange er geschlafen
haben musste. Um die Uhrzeit waren die meisten Bewohner schon längst
fertig mit Essen und hatten sich einem Nickerchen oder einer ersten Partie
Mühle gewidmet. Auf den wenigen besetzten Stühlen saßen
ausschließlich namenlose Gesichter. Ein besonders nettes aber fiel ihm
gleich auf. Ganz allein saß sie da und lächelte freundlich.
Höflich erwiderte er den Blickkontakt mit einem lautlosen guten Tag.
Er wählte einen unbemannten Tisch etwas weiter weg. Mit ausreichend
Sicherheitsabstand, aber ohne Russischen Eiern. Da es schon ziemlich spät
am Morgen war, waren sie bald die letzten verbliebenen Frühstücker.
Als sie fertig gegessen hatte, nahm sie ihr Tablett und ging schnurstracks auf
ihn zu. Herzklopfen. Theo kontrollierte noch schnell seine Frisur –
allerdings nicht ganz so unauffällig wie er dachte.
„Sie müssen neu hier sein", stellte sie souverän fest,
„Wenn sie möchten, kann ich Sie ein bisschen herumführen und
Ihnen alles zeigen." Beim Versuch zu antworten, blieb Theo das
Leberwurstbrötchen fast im Hals stecken. So ein Lächeln hatte er
noch nicht gesehen. Das müssen ihre echten Zähne sein, dachte er.
Wer würde sich schon so eine Zahnlücke freiwillig ins Gebiss zimmern
lassen, wenn er die Wahl hatte. Wieder bei Sinnen nahm Theo das Angebot
verlegen an. Dass er gar nicht neu war, verschwieg er jedoch. Er wollte sie
nicht auch noch in Verlegenheit bringen. Sie verabredeten sich zum Spaziergang
am Nachmittag. Als sie sich gerade zum Gehen wegdrehte, traute er sich, einen
Blick auf ihr Namensschild zu werfen. Dort las er in geschwungener Handschrift
geschrieben: Wilma.
Durch das Fenster beobachtete er das belebte
Vogelhaus, als sich ihm das Klacken ihrer Absätze auf dem Parkettboden
näherte. Theo wartete schon ein paar Minuten, als Wilma pünktlich
zur ausgemachten Zeit erschien. Er hielt ihr die schwere Eichentür zum
Garten auf. Darin plätscherte der Brunnen verträumt in der Ferne.
Ihre Jacken trugen sie über den Armen. Wilma freute sich über die
bunt blühenden Blumenbeete, während sie gemeinsam die wohltuende
Wärme der Sonne genossen. Eine Wucht aus Farben und Gerüchen. Doch
Theo hatte nur Augen für sie. Im Licht der Sonnenstrahlen erkannte er auf
ihren eingefallenen Wangenknochen ein Schwarm aus etwas, das einmal
Sommersprossen gewesen sein mussten. Ein außergewöhnliches Gesicht,
dachte er sich. Und auch wenn er es erst seit wenigen Stunden kannte, kam es
ihm doch vertraut vor.
Sie erzählte ihm, was ihr zu dieser
und jener Pflanze einfiel. Sie glaube, sie habe früher auch gern im
Garten gearbeitet, erinnerte sie sich. Er mochte, dass sie mit ihm alles
teilte, was ihr gerade durch den Kopf ging. Aufgeweckt und voller
Selbstsicherheit. Und ihr schien zu gefallen, dass er ihr tatsächlich
zuhörte. Aufmerksam und bescheiden. Erst am Haus wieder angekommen,
bemerkten sie, dass die Sonne gerade dabei war unter zu gehen.
Beide fanden den Tag so schön, dass sie kurzerhand beschlossen, den Rest
davon auch gemeinsam zu verbringen. Abendessen also. Und zwar so, wie sie es
fast den gesamten Spaziergang über auch schon getan hatten – sie
sprach und er lauschte. Nach einer Weile schaute sie auf ihren immer noch
vollen Teller, als Theo urplötzlich Schluckauf bekam. Hicks. Er
hätte zu schnell gegessen, entschuldigte er sich mit der Serviette vor
dem Mund. Hicks. Wilma rot vor Lachen, er rot vor Scham. Hicks. Bei seinem
Anblick schoss ihr blitzartig etwas durch den Kopf, von dem sie gar nicht
wusste, dass es noch da war. Hicks. Mit großen Augen fragte sie ihn:
„Wussten Sie, dass Koalas auch Schluckauf kriegen können?"
Stille. „Aber nur, wenn sie gestresst sind", beendete Wilma ihre
Anekdote. Bei der Vorstellung an das hicksende Tier fing nun auch Theo an laut
zu lachen. Als sie sich langsam wieder beruhigten, spürte Theo, dass der
Schluckauf weg war. Stattdessen schlug auf einmal sein Herz wie wild. Es
raste. Panik. Theo brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass das in
seiner Brust kein Herzinfarkt, sondern Schmetterlinge waren.
Im
Anschluss an das Essen spielten sie noch einige Runden Mühle. Theo gewann
keine einzige. Aber das war ihm egal. Er wollte nur in ihrer Nähe sein.
Und er war sich nun sicher, dass sie genauso fühlte. Das hatten wohl
beide nicht mehr erwartet. Theo war aufgeregt wie ein kleiner Junge an
Heiligabend. Als alle anderen schon längst schliefen, ermahnte Jonas die
beiden, mit dem Finger auf der Uhr, dass es für sie auch an der Zeit
wäre. Schade, dachte Theo. Wie es die alte Schule von ihm verlangte,
begleitete er Wilma bis zu ihrer Tür, wo sie ihn zum Abschied auf die
Wange küsste. Sein Herz raste erneut. Sie versprachen sich, sich gleich
morgen früh wieder zu sehen und wünschten sich eine gute Nacht.
Zurück in seinem Bett, kam Theo vor lauter Aufregung nicht zur
Ruhe. Jede einzelne Szene des Tages wirbelte durch seinen Kopf. Ihr Gesicht,
ihre Direktheit, der Kuss. Ach Wilma. Warum hatte er diese tolle Frau nicht
schon früher kennengelernt. Und wo hatte sie bisher gesteckt, wenn sie
glaubte, er sei neu hier? Morgen würde er es herausfinden. Das
nahm er sich fest vor. Mit einem Lächeln auf den Lippen und ihrer Stimme
im Herzen schlief er endlich ein.
Zur gleichen Zeit räumte
Jonas den Gemeinschaftsraum auf. Grün schimmerten die Notausgangsschilder
im Dunkel der Nachtdämmerung. Auf dem runden Tisch, an dem Wilma und Theo
eben noch gespielt hatten, sah er einen kleinen Notizzettel liegen. Blau auf
kariert hatten sie ihre Punkte darauf gekritzelt. Wilma: 5, Theo: 0. Jonas
schmunzelte über das ihm inzwischen vertraute Bild. Er nahm das
Stück Papier und steckte es in seine Hosentasche zu den anderen.
Ungewöhnlich für Theo war die Sonne an diesem Morgen vor ihm
wach. Das war ihm noch nie passiert. Jedenfalls konnte er sich nicht erinnern,
wann er das letzte Mal bis neun geschlafen hatte. Jetzt müsste er sich
beeilen, dachte er. Heute würde es endlich wieder Russische Eier geben.
Schnell ins Bad. Rasieren, Zähne putzen und das, was vom Scheitel
übrig war, gerade ziehen. So eitel war er noch. Er steckte sein Hemd in
die Hose, klemmte sein Namensschild akkurat an die Brusttasche und
verließ sein Zimmer Richtung Frühstückssaal.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Felix Köhler).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.02.2021.
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