Ines Wertenbroch

Fremdgegangen (Dialog für Theaterstück)


Ein Mann und eine Frau setzten sich Rücken an Rücken auf zwei Stühle. Eine Weile schweigen beide, dann beginnt der Mann zu sprechen:

Mann: (atmet tief ein) Ich muss dir etwas sagen.
Frau: (nach einer Weile) Was ist?
Mann: Ich habe dich belogen.
Frau: Meinst du wegen dem Geld, das ich dir gegeben habe. Hast du etwas anderes damit
gemacht?
Mann: Nein. Damit hat es nichts zu tun. Mir fällt es sehr schwer, aber ich will
dich nicht belügen.
Frau: (besorgt) Was ist es denn?
Mann: Ich weiß einfach nicht, wie ich es sagen soll. Also... ich ... habe eine andere Frau
kennen gelernt.
Frau: (hält einen Moment inne) Und?
Mann: Ich habe mich in sie verliebt.
Frau: (fassungslos) Was?
Beide schweigen, dann sagt sie: Du warst wie immer. Warum habe ich nichts gemerkt?
Mann: Es war alles wie immer, wenn ich bei dir war. Nur nicht, wenn ich gegangen bin.
Frau: Wie kannst du dann noch der Selbe sein? Das ist nicht wahr! (nach einer Stille) Habe
ich denn nichts bei dir hinterlassen, dass du mich wie auf Knopfdruck ausschalten
konntest?
Mann: Sie ist ganz anders als du.
Frau: Du bist so kalt. Wer bist du jetzt? Der bei mir ist oder der in Gedanken bei ihr ist?
Mann: (leicht verzweifelt) Hör auf!
Frau: Warum ist das passiert? Was hat gefehlt?
Mann: Ich habe mich verliebt. Das ist alles!
Frau: Aber warum? Worauf kommt es dir an (sie legt sich eine Hand auf die Stirn und beugt
sich nach vorn) Wie war das alles zwischen uns gemeint? Kannst du sagen, dass du
mich wenigstens eine Zeit in den zwei Jahren geliebt hast?
Mann: Ich weiß nichts mehr.
Frau: (leise) Du weißt nicht, was Liebe ist, sonst wäre das nicht passiert.
Mann: Du bist ungerecht. Ich wollte dich doch nicht mit Absicht verletzen.
Frau: Das Ergebnis ist das Gleiche, ob mit oder ohne Absicht. Für dich hat etwas gefehlt und
du hast es nicht gesagt.
Mann: Stell’ nicht alles in Frage. So wird es nur wertlos.
Frau: So wertlos, dass man es einfach hinschmeißt.
Mann: Ich will es doch nicht hinschmeißen. Ich werde die Sache beenden..
Frau: Ich kann dir nicht mehr vertrauen. Du meinst es vielleicht für den Augenblick so, das
was du tust und sagst. Aber wenn du aus der Tür gehst... Das wird wieder passieren.
Mann: Nein!
Frau: Es ist doch nicht ohne Grund und einfach so passiert. Wenn du zufrieden mit uns
gewesen wärst, hättest du dich nicht verliebt.
Mann: Es tut mir so leid!
Frau: Mir auch. (sie schluckt) Mir auch.
Mann: (nach einer längeren Stille) Es ist nicht viel gewesen.
Frau: Ich will es gar nicht wissen. Ich will mir die andere Frau nicht vorstellen und noch
weniger, wie du sie angefasst hast.
Mann: (nach kurzer Stille mit leiser Stimme) Wie geht es denn jetzt weiter?
Frau: (atmet tief ein) Du hast die Entscheidung doch schon getroffen.
Mann: Es geht nicht mehr weiter?
Frau: Wie soll ich dir denn noch glauben! Ich weiß nicht mehr, ob es jetzt zwischen uns noch
das ist, was wir wollen. Wir haben anscheinend jeder andere Vorstellungen. Das
Verliebtsein ist für dich doch wichtiger als ich dachte. Wir sollten nicht aus
Bequemlichkeit weitermachen. (leise) So sehr ich auch die Zeit mit dir vermissen werde.
Mann: Ja, es war schön. Ich wünschte, es könnte so weitergehen.
Frau: (traurig) Das habe ich auch gehofft.
Mann: Ich will dich nicht verlieren.
Frau: Dann hättest du besser nichts gesagt.
Mann: Ich wollte dich doch nicht belügen.
Frau: Dann hättest du es besser nicht getan.
Mann seufzt und versucht, ihre Hand zu nehmen. Sie zieht sie wieder zurück.

Frau: Ich kann nicht so weitermachen. Jetzt meinst du es so. Aber was ist danach? Was ist mit
deinen Gefühlen für die andere Frau?
Mann: Ich werde sie vergessen. (leise) Sie ist sowieso noch nicht frei.
Frau: Aber du hast dich in sie verliebt.
Mann: Es besteht aber keine Chance mit ihr.
Frau: Wenn sie frei wäre, würdest du sie mir vorziehen. Ich werde nicht herhalten, nur weil es
mit ihr nichts werden kann. Du brauchst mir deshalb keine Versprechungen zu machen.
Ich will keine zweite Wahl sein. Das ist mir nicht genug!
Mann: Du bist doch keine zweite Wahl. Wären wir sonst so lange zusammen gewesen?
Frau: Das weiß ich auch nicht. Wie kann ich wissen, was du in der Zeit für mich empfunden
hast. Wir verwenden vielleicht die gleichen Worte, meinen aber etwas anderes.
Mann: Ich würde es so gern wieder rückgängig machen.
Frau: Nein, es musste anscheinend passieren. Jetzt wissen wir wenigsten, dass wir nicht das
gleiche meinten und wollten.
Mann: Ich dachte, ich verstehe dich.
Frau: Darum geht es nicht. Du kennst dich nicht. Wie soll ich dich dann verstehen und
erkennen, was du willst?
Mann: Ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich weiß jetzt, dass ich die andere Frau nicht
will.
Frau: Du wirst etwas anderes wollen, wenn du ihr gegenüber stehst.
Mann: Was kann ich tun, damit du mir glaubst?
Frau: Ich weiß nicht.
(nach einem Schweigen) Ich wünschte, ich könnte weinen. Aber ich
kann gar nichts tun. Alles befindet sich in einem Stillstand. Meine Augen sind völlig
trocken. Ich kann nicht glauben, was passiert ist. Wenn ich weinen könnte, hätte ich es
wenigstens begriffen. Aber es kommt mir gerade vor wie ein schlechter Traum, aus dem
ich aufwachen will. Mir ist so kalt.
Mann: Ich würde es so gern wiedergutmachen.
Frau: Ich hätte gern den Mann zurück, dem ich vertraut habe.
Mann: Ich bin noch der gleiche.
Frau: Für mich aber nicht.
Mann: Was kann ich für dich tun?
Frau: Ich wünsche mir seit einer Weile, dass du gehst. Aber wenn du gehst, ist die Zeit
mit dir unwiderruflich zuende. Ich will an der Zeit festhalten können, aber es ist alles
erschüttert (sie atmet tief ein)
Mann: Es muss aber nicht zuende sein.
Frau: Es kann aber auch nicht so weitergehen.
Mann: Würdest du noch einmal mit mir anfangen wollen?
Frau: Ich kann es noch nicht sagen. Wir sollten uns auf jeden Fall eine Weile nicht sehen.


Die beiden stehen auf.

Mann: Wir werden uns doch wiedersehen?
Frau: (lächelt zurückhaltend und schaut ihn an) Ich glaube schon.

Sie gehen auf getrennten Wegen aus dem Raum.

(Ines Wertenbroch, 28.9.2003)




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