Gespannt sahen die vielen Kinderaugen in den Himmel. Ein Luftballon nach
dem anderen, in den unterschiedlichsten Farben stiegen hinauf.
An
den Bändern der Luftballons hingen gelbe Zettel.
Die
Mütter ordneten ihre Kinder und freuten sich auch über das
Geschehen. Nachdem kein Luftballon mehr am Himmel zu sehen war,
verließen alle den Platz.
Zuhause angekommen fragte der
kleine Junge seine Mutter:
„wo fliegen die Ballons jetzt
hin?“
„Ich kann es Dir nicht sagen. Wenn wir
Glück haben bekommen wir bald eine Antwort.“
Jeden Abend wieder fragte der Junge die gleiche Frage und jeden
Abend antwortete die Mutter dasselbe.
Der
Junge malte auf jeden seiner Bilder einen Luftballon. In den Geschäften
zeigte er auf die Verpackungen, wo die
Luftballons eingetütet waren.
Er war immer ein
wenig traurig dabei, als hing ein großer Teil seines Lebens davon ab, wo
diese Luftballons landen würde, und ob jemand ihm schreiben sollte.
Die Jahre vergingen. Die Fragen hatten nachgelassen
und er wurde ein junger Mann.
Doch jedes Mal, wenn er auf
einer Karte, oder einer Zeitschrift einen Luftballon sah, dachte er kurz an
das Bild, als sein Ballon in den Himmel stieg.
In der Fakultät, als die Vorlesungen nicht so spannend waren, wurde er
nachdenklich und sah immer einen Ballon vor sich.
Er wurde Arzt und behandelte Kinder im Krankenhaus.
Einmal
begegnete ihm ein Kind, das einen Luftballon malte. Der Junge sah ihn mit sehr
großen Augen an. Er fordert ihn fast auf dazu etwas zu sagen. Doch der
Arzt schwieg, war nachdenklich und auch ein wenig traurig und irritiert.
Als er in den Sommerferien seine Mutter in der
Heimat besuchte empfing sie ihn freundlich. Sie schmunzelte mit den Worten:
„Junge, ich muss Dir was zeigen.“
Sie nahm
in an die Hand und führte ihn in sein Jugendzimmer. Dort lag ein Brief
auf dem Tisch am Fenster.
„Er ist
für Dich.“, sagte die Mutter.
Er
ging zu dem Brief und schaute sich den Umschlag an.
„Aus
Russland?“, fragte er seine Mutter erstaunt.
Die Mutter
lächelte, als wusste sie woher dieser Brief kam.
Der Arzt riss den Brief eilig auf und lass:
Lieber Bernhard, vor einigen Jahren bekam ich durch einen Zufall
ihre Adresse. Sie wurde mir von einer älteren Frau überreicht, die
zu mir sprach und sagte, es wäre wichtig Ihnen zu schreiben. Ich
zweifelte sehr daran dieses zu tun, doch ließ mir dieser Brief, den Sie
jetzt vor sich haben keine Ruhe. Ich schreibe, weil ich das Gefühl habe
schreiben zu müssen. Ich weiß nicht an wen, oder wo dieser Ort
überhaupt liegt.
Ich habe gehört, dass Ihr Name ein
Name für einen Mann ist. Ich habe mir sehr oft vorgestellt, wie dieser
Ort aussieht und wie Sie aussehen.
Nichts kann ich Ihnen sagen
und nichts kann ich Sie fragen, weil ich Sie nicht kenne. Ich würde
vielleicht noch mehr von Ihnen und Ihrem Ort erfahren..
Seien Sie
gegrüßt, Katharina.
„Der
Luftballon!“ sagte er laut.
„Ja,
mein Junge. Der Luftballon ist in Russland angekommen.“
Er setzte sich sofort an den Tisch nahm ein Stück
weißes Papier heraus uns schrieb, eilte zu dem alten Fahrrad und fuhr
damit schnell zur Poststelle.
Der
Briefwechsel ging über Wochen hin und her. Mittlerweile hatte er ihr die
Adresse aus der Stadt gegeben und sie freuten sich beide jedes Mal,
wenn sie einen Brief von dem anderen in der Hand hielten.
Dann war es soweit. Er flog nach Russland, um sie zu sehen.
Sie verliebten sich sofort ineinander, als sie sich sahen, sie
stellte ihn ihre Familie vor, und sie verbrachten eine schöne Zeit
miteinander.
Als er wieder zurück in die Heimat wollte, fiel
es ihm schwer zu gehen:
„Komm mit!“, forderte er sie
auf. Immer und immer wiederholte er diese Worte. Sie lachte mit einem etwas
verzerrtem Gesicht. „Nein, es geht nicht. Bitte.“
Schließlich flog er wieder und die Briefe, die
mittlerweile zu Liebesbriefen wurden hatten Intervalle von einem Tag
angenommen.
Bis er eines Tages keinen Brief
mehr von ihr bekam.
Jeden Tag wartete er erneut und diese Qualen
gingen über Wochen.
Er schrieb weiter und flehte sie in den
Briefen an, sie solle antworten, und auf jeden Brief klebte er einen kleinen
Luftballon auf.
Dann kam ein Brief aus
Russland. Es war nicht ihre Handschrift, es war eine andere Schrift.
Er lass:
Mit Bedauern müssen wir Ihnen leider mitteilen,
dass Frau Katharina N. am Mittwoch verstorben ist.
Sie ließ
ausrichten, sie zu benachrichtigen und die Luftballons nicht zu vergessen.
Er brach weinend in sich zusammen. Nichts hatte er von einer
Krankheit gewusst oder gar geahnt.
Sie war ein lebenslustiger
Mensch mit viel Humor und baute ihn immer auf, wenn er durch seine Arbeit am
Boden zerstört war.
Er konnte es nicht
fassen.
Er brauchte Monate über diesen
Schmerz hinweg zu kommen. Niemand hatte es geschafft ihn zu trösten.
Er ging jedoch täglich zu seiner Arbeit mit
den Kindern in der Klinik. Ausgerechnet jetzt musste er eine Krebsstation
führen.
Die großen Augen schauten
ihn immer fragend, wenn er so in sich gekehrt war.
„Sei nicht traurig“, sagte ein Kind. Es hatte nicht mehr lange zu
leben.
„Wenn wir Tod sind, dann schicken wir Ballons, um
den Menschen zu zeigen, dass es unseren Seelen gut geht.“
Er schaute mit Tränen in den Augen aus dem
Krankenzimmer und sah einen blauen Ballon am Bett eines kleinen Jungen
schweben.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2021.
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