Karin Strelau-K.

Luftballons

Gespannt sahen die vielen Kinderaugen in den Himmel. Ein Luftballon nach dem anderen, in den unterschiedlichsten Farben stiegen hinauf.

An den Bändern der Luftballons hingen gelbe Zettel.

Die Mütter ordneten ihre Kinder und freuten sich auch über das Geschehen. Nachdem kein Luftballon mehr am Himmel zu sehen war, verließen alle den Platz.

Zuhause angekommen fragte der kleine Junge seine Mutter:

„wo fliegen die Ballons jetzt hin?“

„Ich kann es Dir nicht sagen. Wenn wir Glück haben bekommen wir bald eine Antwort.“

 

Jeden Abend wieder fragte der Junge die gleiche Frage und jeden Abend antwortete die Mutter dasselbe.

 

Der Junge malte auf jeden seiner Bilder einen Luftballon. In den Geschäften zeigte er auf die Verpackungen, wo die Luftballons eingetütet waren.

Er war immer ein wenig traurig dabei, als hing ein großer Teil seines Lebens davon ab, wo diese Luftballons landen würde, und ob jemand ihm schreiben sollte.

 

Die Jahre vergingen. Die Fragen hatten nachgelassen und er wurde ein junger Mann.

Doch jedes Mal, wenn er auf einer Karte, oder einer Zeitschrift einen Luftballon sah, dachte er kurz an das Bild, als sein Ballon in den Himmel stieg.

 

In der Fakultät, als die Vorlesungen nicht so spannend waren, wurde er nachdenklich und sah immer einen Ballon vor sich.

 

Er wurde Arzt und behandelte Kinder im Krankenhaus.

Einmal begegnete ihm ein Kind, das einen Luftballon malte. Der Junge sah ihn mit sehr großen Augen an. Er fordert ihn fast auf dazu etwas zu sagen. Doch der Arzt schwieg, war nachdenklich und auch ein wenig traurig und irritiert.

 

Als er in den Sommerferien seine Mutter in der Heimat besuchte empfing sie ihn freundlich. Sie schmunzelte mit den Worten:

„Junge, ich muss Dir was zeigen.“

Sie nahm in an die Hand und führte ihn in sein Jugendzimmer. Dort lag ein Brief auf dem Tisch am Fenster.

 

„Er ist für Dich.“, sagte die Mutter.

 

Er ging zu dem Brief und schaute sich den Umschlag an.

„Aus Russland?“, fragte er seine Mutter erstaunt.

Die Mutter lächelte, als wusste sie woher dieser Brief kam.

 

Der Arzt riss den Brief eilig auf und lass:

 

Lieber Bernhard, vor einigen Jahren bekam ich durch einen Zufall ihre Adresse. Sie wurde mir von einer älteren Frau überreicht, die zu mir sprach und sagte, es wäre wichtig Ihnen zu schreiben. Ich zweifelte sehr daran dieses zu tun, doch ließ mir dieser Brief, den Sie jetzt vor sich haben keine Ruhe. Ich schreibe, weil ich das Gefühl habe schreiben zu müssen. Ich weiß nicht an wen, oder wo dieser Ort überhaupt liegt.

Ich habe gehört, dass Ihr Name ein Name für einen Mann ist. Ich habe mir sehr oft vorgestellt, wie dieser Ort aussieht und wie Sie aussehen.

Nichts kann ich Ihnen sagen und nichts kann ich Sie fragen, weil ich Sie nicht kenne. Ich würde vielleicht noch mehr von Ihnen und Ihrem Ort erfahren..

Seien Sie gegrüßt, Katharina.

 

„Der Luftballon!“ sagte er laut.

 

„Ja, mein Junge. Der Luftballon ist in Russland angekommen.“

 

Er setzte sich sofort an den Tisch nahm ein Stück weißes Papier heraus uns schrieb, eilte zu dem alten Fahrrad und fuhr damit schnell zur Poststelle.

 

Der Briefwechsel ging über Wochen hin und her. Mittlerweile hatte er ihr die Adresse aus der Stadt gegeben und sie freuten sich beide jedes Mal, wenn sie einen Brief von dem anderen in der Hand hielten.

 

Dann war es soweit. Er flog nach Russland, um sie zu sehen.

Sie verliebten sich sofort ineinander, als sie sich sahen, sie stellte ihn ihre Familie vor, und sie verbrachten eine schöne Zeit miteinander.

Als er wieder zurück in die Heimat wollte, fiel es ihm schwer zu gehen:

„Komm mit!“, forderte er sie auf. Immer und immer wiederholte er diese Worte. Sie lachte mit einem etwas verzerrtem Gesicht. „Nein, es geht nicht. Bitte.“

 

Schließlich flog er wieder und die Briefe, die mittlerweile zu Liebesbriefen wurden hatten Intervalle von einem Tag angenommen.

 

Bis er eines Tages keinen Brief mehr von ihr bekam.

Jeden Tag wartete er erneut und diese Qualen gingen über Wochen.

Er schrieb weiter und flehte sie in den Briefen an, sie solle antworten, und auf jeden Brief klebte er einen kleinen Luftballon auf.

 

Dann kam ein Brief aus Russland. Es war nicht ihre Handschrift, es war eine andere Schrift.

Er lass:

Mit Bedauern müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass Frau Katharina N. am Mittwoch verstorben ist.

Sie ließ ausrichten, sie zu benachrichtigen und die Luftballons nicht zu vergessen.

Er brach weinend in sich zusammen. Nichts hatte er von einer Krankheit gewusst oder gar geahnt.

Sie war ein lebenslustiger Mensch mit viel Humor und baute ihn immer auf, wenn er durch seine Arbeit am Boden zerstört war.

 

Er konnte es nicht fassen.

 

Er brauchte Monate über diesen Schmerz hinweg zu kommen. Niemand hatte es geschafft ihn zu trösten.

 

Er ging jedoch täglich zu seiner Arbeit mit den Kindern in der Klinik. Ausgerechnet jetzt musste er eine Krebsstation führen.

 

Die großen Augen schauten ihn immer fragend, wenn er so in sich gekehrt war.

„Sei nicht traurig“, sagte ein Kind. Es hatte nicht mehr lange zu leben.

„Wenn wir Tod sind, dann schicken wir Ballons, um den Menschen zu zeigen, dass es unseren Seelen gut geht.“

 

Er schaute mit Tränen in den Augen aus dem Krankenzimmer und sah einen blauen Ballon am Bett eines kleinen Jungen schweben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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