Christian Müller

One fine day...04: Heiße Zeiten

Das Tückische an grauenvollen Erlebnissen ist, dass sie stets an einem “Ganz normalen Morgen“ ihren Lauf nehmen. Wie man hier wieder sieht, denn es war ein ganz normaler Montagmorgen, als ich um sieben Uhr aufstand und mir wie jeden Morgen die verzweifelte Frage stellte: “Warum ich??? Warum muss ausgerechnet Ich jeden Morgen so früh aufstehen??“ - mal im Ernst: Gibt´s da keine Sonderregelung für die besonders harten Fälle?.
Wie auch immer, ich torkelte benommen ins Badezimmer, blickte in den Spiegel und sah einen weiteren Grund um im Bett zu bleiben. Aber nein, es gibt Schlachten die gewonnen werden müssen. Die eigentliche Geschichte beginnt allerdings unter der Dusche, in dem Moment, als ich den Hahn für das warme Wasser aufdrehte und er ein Geräusch von sich gab, wie das einer rolligen Katze die unmittelbar nach “dem Akt“ einen Herzanfall bekommt. “Jawoll.“ dachte ich mir, kurz bevor mich die Verzweiflung befiel. Ich rannte also verschreckt aus der Dusche, und rief den an, den es bei technischen Problemen jeder Art unverzüglich zu konsultieren gilt: Papi!
Ganz leise hörte man ihn neben dem ganzen Maschinenkrach um ihn herum “Ja?“ brüllen.
Frei nach dem Motto: “Daddy knows best!“ fragte ich ihn wo das warme Wasser hin ist, und frei nach dem Motto “Leck mich am Arsch, ich hab keine Zeit!“ antwortete er: “Na dann guck mal unten an die Pinwand im Treppenhaus!“.
Daraus entnahm ich, dass alles mit rechten Dingen zugeht, und ich in ruhe kalt duschen darf. Danke.
Danke, danke, danke.
Unten angekommen, auf dem Weg zur Schule, betrachtete ich die berüchtigte Pinwand, und unwillkürlich musste ich mich fragen, was der “Tag der Luft- und Raumfahrt in Braunschweig“ bitteschön mit meinem warmen Wasser zu tun hat.
Ich wusste ja schon, dass meine Nachbarn in dieser Branche zugange sind, aber, dass sie ihre Anliegen penetrant distributieren erkannte ich erst, als ich unter das Plakat sah, und einsam, still und leise ein kleiner Zettel darunter drangepinnt war.
“Aufgrund der Heizungsarbeiten wird vom Montag der so-und-sovielte bis Mittwoch/Donnerstag das warme Wasser abgestellt.“ stand dort in krickeliger Druckschrift. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich geglaubt der Enkel unseres Hausmeisters hat ihn geschrieben.

Diese...Menschen...kamen um sechs Uhr am jungfräulichen Morgen und verloren keine Zeit dabei einen Krach zu veranstalten, den man getrost als “Soundcheck fürs Armageddon“ betiteln kann.

Das warme Wasser kam, und die Handwerker gingen, doch sie haben etwas zurückgelassen, etwas, das sie aus ihrer Handwerker-Höllendimension mitgebracht haben. Jeder kennt es, doch keiner fürchtet es so, wie es ihm gebührt. Sein Name sei: KRACH!!!! Aus irgendeinem Grund geschah es, dass meine Heizung, und die meiner Nachbarn von gegenüber komische Geräusche machte. Man stelle sich vor, ein Traktor fährt durch die Wohnung, etwa dieser Vergleich trifft es ganz genau. Im Ernst, ich habe lange darüber nachgedacht und musste feststellen, dass dieser Vergleich treffender nicht sein konnte.
Dazu kommt noch, dass ich in einem Dreietagen-Pappkarton fast ganz oben wohne. Ich höre meinen Nachbarn von oben pinkeln, warum sollte er also nachts um halb vier nicht auch das Bollern von unten hören? Die Wohnung bebte förmlich.
Normalerweise hörte es auf, wenn man ein wenig am Regler herum drehte.
Eines Morgens fing es wieder an. Drei Heizungen gleichzeitig. Ich rannte völlig verschlafen hin und her, drehte auf- und zu, doch es half nichts, die Heizung brummte weiter!!!
Es war Donnerstag, als mein Hausmeister mir morgens mitteilte, dass die Handwerker am Freitag morgen noch mal kommen werden, um zu sehen was los ist. Was er mir damit eigentlich sagen wollte war “Gib mir deinen Hausschlüssel.“ und- na ja- das musste ich dann auch tun. Ich hasse es meinen Hausschlüssel wegzugeben. Es geht nicht darum dass ich ihn weg gebe, es geht darum, dass er nicht bei mir ist, und das gibt mir irgendwie ein Gefühl von Nacktheit. Ich stelle mir vor, jemand fragt mich nach meinem Hausschlüssel und es stellt sich heraus dass ich nur einen für die Außentür habe, und alle glauben ich habe kein Zuhause, sie stehen um mich rum, zeigen mit dem Finger auf mich und lachen “HAHA, Christian wohnt auf der Straße!“ während ich verzweifelt und weinend in der Ecke kauere und keinerlei Beweismöglichkeit habe...oder so ähnlich.
Es war Freitagnachmittag, als mein Hausmeister mir mitteilte, dass die Handwerker keine Zeit hatten bei mir zu gucken, und deswegen Samstagmorgen um halb neun (UM HALB NEUN!!!) noch mal kommen müssen.
Um halb neun am nächsten Tag saß ich angezogen und gestylt in meiner Küche und knabberte an einem Toastbrot, während Danni und die Morgenmänner von 89.0 RTL die armen Seelen die um diese Zeit aufstehen mussten aufheiterten. Ich weiß nicht warum, aber egal wie oft Danni sagte “Acht Uhr soundsoviel, Danni und die Morgenmänner mit dir beim Frühstück, schönen guten Morgen, Maus!“ ich hörte immer nur “Was bist du nur für eine Flasche, dass du Samstags um diese Zeit schon wach bist, Maus!“
Um neun Uhr kam dieses elende Pack endlich in meine Wohnung gestampft. Der Alte Sack, den ich für den Anführer der Bande hielt, hat auch noch seinen Sohn mitgebracht!!!
Ich hatte die Szene direkt vor Augen: Der Vater legt seiner Brut die Hand auf die Schulter und sagt in dem Ton, mit dem man ein Aufklärungsgespräch beginnt: “Heute kommst du mal mit deinem alten Herrn zur Arbeit, damit du mal siehst wie es so in fremder Leute Wohnungen aussieht!“!!!
Dieses Kind war etwa 10 oder 11. Es hatte sein Yu-Gi-Oh!- Kartenspiel mitgebracht. Vermutlich sagte der Alte auch noch: “Da wohnt auch ein Junge, so etwa in deinem Alter...“. Ich gab mich höflich, aber distanziert, ich hatte keineswegs vor Yu-Gi-Oh! mit irgendeinem Kind zu spielen. Ich bin Kunde, und kein Animateur!
Phillip hieß dieses liebreizende Geschöpf, und Phillip war scheinbar stumm, denn sein Vater musste ihn vorstellen.
Die beiden Arbeiter schwärmten aus und betrachteten die Heizungen im Einzelnen. Phillip saß im Wohnzimmer und betrachtete mein Nintendo 64, mit dem ich den letzten Abend verbracht hatte. Ich stand im Wohnzimmer, und um einem Gespräch mit dem Jungen auszuweichen, fing ich an meine 140 Mangas noch alphabetischer zu ordnen als sie schon waren. Trotzdem merkte ich wie er weiter dieses Ding anstarrte. Ganz der Gastgeber fragte ich “Willst du vielleicht damit spielen?“.
Da kam auch schon Papa-Heizungsmann hereinspaziert um sich die Heizung im Wohnzimmer anzusehen. “Nee, ach was!“ sagte er, “Der hat doch hier extra sein Spiel mitgebracht.“
Wow., dachte ich, was für ein Ersatz. Papierschnipsel anstelle von einer perfekten, dreidimensionalen Welt aus bunten Farben und voll mit zauberhaften Abenteuern.
Aber nein, der Junge hatte ja sein 2-D Kartenspiel mit. Da kann der Spaß ja losgehen.

“Die Ventile wurden falsch herum angebracht.“ war die Diagnose.
Toll, jetzt bin ich also selber schuld daran, dass ein Zombie-Trecker nachts durch meine Träume fährt, und das- wohl gemerkt! - seit diese Leute Hand angelegt hatten. Und das nicht mal in meiner Wohnung, sondern unten an dem Hauptheizding.
Die Typen wollten meinen Vater kontaktieren. Ihr wisst schon, dass mein Vater in der Türkei ist? dachte ich, nickte aber bloß. Im Grunde interessierte mich das alles nicht, denn: Ich bin unkompliziert, bescheiden und genügsam.
Es war Samstagnachmittag, als mein Vater mir mitteilte, dass die Handwerker am Donnerstag morgen wieder kommen werden um es, was auch immer es war, zu reparieren. Da war ich zum Glück nicht anwesend.

Ich mag Handwerker und dergleichen nicht. Na ja, sagen wir mal so: Sie sind mir egal, solange sie nicht in meine Wohnung müssen, und das auch nur weil ich vorher aufräumen muss, und eine komische, bedrückte Stille eintritt, denn man weiß nie “Soll ich jetzt mit denen reden? Was anbieten?“ oder soll ich mich einfach im Badezimmer einschließen und so tun als wäre ich nicht da?!
Einmal waren Anstreicher da, sie mussten den Balkon neu streichen. Mich fragt ja niemand, das wird immer in der Hausgemeinschaft einfach so beschlossen, ich kriege es hinterher gesagt und man erwartet von mir einfach nur ein simples “Okay.“
An einem dieser aufregenden drei Tage stand ich mit dem jüngeren, gepiercten und tätowierten Anstreicher im Fahrstuhl. Er zeigte auf mein Pentagramm. “Ich hör auch so ne Musik.“ sagte er. Ich wollte ihm auf die Stirn klopfen, mit den Händen vor seinem Gesicht rumwinken und sagen “NICHT MUSIK. SCHMUCK...NIIIIICHT- MUSIK!- SCHMUCK! *DÖDÖDÖDÖDÖDÖ*= MUSIK. DAS=SCHMUCK.“ aber statt dessen sagte ich “Na ja, ich hör eigentlich alles, aber diese Musik unter anderem auch.“.
“Find ich cool.“ sagte er, und seit dem tat er so als wären wir beste Freunde mit einschlagen und so. Ich spielte das Spielchen mit- war ja nur für drei Tage.

Bei Handwerkern, UPS- Leuten und diesem ganzen Kram muss ich unwillkürlich an irgendwelche Billig-Porno-Schinken denken, in denen sich die Typen die Overalls von der Dame des Hauses vom Leib reißen lassen, und an ungewöhnlichen Locations miteinander Sex haben ( je nachdem was repariert werden muss). So was wie “Wenn der Postmann zwei mal klingelt“ oder “Rohr frei!“ oder was es sonst noch an illustren Namensgebungen gibt.
In meinem Heizungsfall würde der Film wahrscheinlich “Heiße Zeiten“ heißen.
Hoffentlich gibt es keine Fortsetzung!

Mein Humor muss nicht jedem Gefallen.
Sicherlich strebe ich eine Zielgruppe an, zu der ich auch gehöre, über die Intellektuelle und angeblich große Literaturkenner die Nase rümpfen und den Stempel "Oberflächlich" aufdrücken.
Doch jeder sollte wissen, dass sich Oberflächlichkeit in der Be- bzw. Verurteilung anderer Menschen manifestiert.
Ich möchte keinesfalls eine "Rotzgöre der Literatur" mimen; doch ebensowenig will ich mich als stiller, frustrierter Literat geben.
Jeder hat eine Gabe. Und wenn es denn nicht das Schreiben sein soll, so ist es die vermeintliche Arroganz, die einige aus meinen Geschichten rauslesen.
Und diese Gabe kann mir keiner nehmen.

Ach ja: Ich freu mich über jegliche Art von Feedback ;)
Christian Müller, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.10.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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