Christine Wolny

Die beschwipste Weihnachtsmaus


Im Keller hatte sich im Herbst eine Maus einquartiert. Das Katzenfenster war zum Lüften aufgemacht worden, und das war ihre Rettung.


Baggy, der schwarze Kater, rannte im Garten hinter ihr her. Er packte sie, warf sie in die Luft, fing sie wieder, und sie dachte, ihr letztes Stündlein sei gekommen. Doch Baggy ließ sie wieder fallen, sie rannte um ihr Leben, wollte sich unter einem Busch verstecken, doch ach, Baggy erwischte sie wieder, und dasselbe Spiel begann. Ihr wurde ganz schwindlig, und sie fand dieses Spiel gar nicht lustig. Deshalb floh sie durch das Kellerfenster nach innen, um sich zu verstecken und zu erholen. Die Knochen taten ihr weh, zum Glück war nichts gebrochen. Der Kater hatte nicht fest zugebissen, also hatte sie auch keine Wunde. Nur der Schreck saß noch tief. Schließlich hatte sie so etwas noch nicht erlebt und sie wollte es auch nicht mehr erleben.


Sie versteckte sich unter den vielen Brettern, die kreuz und quer auf dem Boden herum lagen. Das war ihr Glück, denn sonst hätte sie Baggy erneut erwischt, und wer weiß, was er noch alles mit ihr vorgehabt hätte. Sie zitterte am ganzen Körper. Unter den Brettern war es kalt und dunkel. Doch sie traute sich nicht hervor, denn sie hörte, wie der Kater nach ihr suchte. So blieb sie still sitzen, bis die Luft rein war. Dann schaute sie vorsichtig aus ihrem Versteck hervor.


Doch, o Schreck, das Kellerfenster war geschlossen. Was sollte sie tun? Sie setzte sich hin und weinte. Das half auch nichts, und so überlegte sie, was sie tun könnte. Sie erkundete den Keller. Darin war so viel Gerümpel, ein wahres Paradies für eine kleine Maus. Plötzlich fand sie den Keller gar nicht schlecht, da konnte man wohnen. Es war viel wärmer als draußen, und der Winter stand vor der Tür. Sie suchte nach etwas Essbarem und fand eine Schachtel mit Vogelfutter. Die Körner würden ihr zur Not reichen, dachte die kleine Maus. So verkroch sie sich in einer Schachtel, die im oberen Regal stand, und schlief friedlich ein.


Jedes Mal, wenn die Katzenklappe betätigt wurde, zuckte sie zusammen und duckte sich in ihrer Kiste. Doch von dort konnte sie genau beobachten, wenn Kater Baggy kam. Dann hieß es mucksmäuschenstill zu sein. Und das konnte sie. Der Kater schnupperte herum, er bemerkte die Anwesenheit der kleinen Maus, doch er fand sie nicht.


Vor Weihachten brachte die Frau ein paar Schachteln mit Pralinen in den Keller. Die kleine Maus hatte die Körner satt, und so beschloss sie, eine Schachtel anzuknappern. Es war ein hartes Stück Arbeit, bis sie an die Praline kam. Doch der Duft trieb sie an, und sie brauchte eine ganze Nacht dazu. Wie schmeckte ihr die Schokolade, und der Schnaps war köstlich. Sie tanzte vor Freude auf dem Tisch herum, quiekte in den höchsten Tönen, drehte sich im Kreise, bis sie ganz schwindlig wurde und das tat sie so lange, bis sie müde wurde. Dann kroch sie das Regal hoch. Das machte ihr Schwierigkeiten. Mehrmals rutschte sie ab und fiel auf den Boden. Schließlich war sie beschwipst. Darüber musste sie lachen, es machte richtig Spaß. Doch irgendwann war sie in ihrer Kiste angekommen. Morgen würde sie wieder eine Praline essen. Mit diesem schönen Gedanken schlief sie selig ein.





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.11.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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