Kerstin Meinecke

Benjamin und die Fremde

Ich ging lustlos durch die Stadt. Musste Weihnachtseinkäufe erledigen. Ich hasse dieses ständige Gedränge und Geschupse in den Läden!

Jedes Jahr das selbe. Ich wollte, wie immer, meine Einkäufe im November erledigen aber das hatte mal wieder nicht geklappt.
Im Gegensatz zum Jahr davor war ich aber verdammt früh dran! Damals war ich erst am 23. losgezogen. Es war grauenhaft! Alle rannten panikartig herum und griffen sich alles, was nicht niet- und nagelfest war. Dazu gehörte auch meine Brieftasche, die, in der ach so gütigen Weihnachtszeit, genau unter meiner Nase geklaut wurde! Ich bin mir auch noch verdammt schlau vorgekommen, weil ich sie, im Gegensatz zu sonst, in meine obere Jackentasche gesteckt hatte! Ich war mir sicher, dass sie in der Hosentasche schlecht aufgehoben wäre. Na ja, weiter im Text.

Ich ging also lustlos durch die Stadt und wich genervt, drängelnden Passanten aus. Ich lief von einem Geschäft zum nächsten, aber ich fand nichts Lohnendes. Ich ließ meinen Blick über die Einkaufspassage schweifen und da traf es mich wie ein Schlag! Von weitem sah ich ein Mädchen, mit schönem braunen Haar! Sie trug einen langen schwarzen Ledermantel. Ich konnte sie leider nur von hinten betrachten aber ich wollte mehr sehen! Mein Herz sprang in die Höhe und ich beschloss ihr zu folgen. Ich blieb ein Stück hinter ihr, so dass ich immer noch ihr schönes braunes Haar sah.

Lange Zeit folgte ich ihr. Schon lange hatte ich den Teil der Stadt verlassen, den ich kannte. Ich jagte nun schon eine Viertelstunde hinter ihr her und kam mir langsam verdammt blöd vor! Ich bereute es richtig, weil ich vollkommen die Orientierung verloren hatte. Wir kamen an eine Ampel und sie blieb stehen. Ich nahm mir vor sie nun endlich anzusprechen, denn sonst könnte die Verfolgung noch ewig dauern. Zögernd pirschte ich mich an. Mein Herz pochte wie wild und eine zärtliche weiche Musik erklang leise in meinen Ohren. Ich streckte die Hand nach ihr aus. Ich berührte ihre Schulter. Ich war so nervös! Zig Gedanken schossen mir durch den Kopf. Was soll ich bloß sagen? Komm ja nicht dämlich rüber! Du musst cool wirken! Genau! Ich bin ja so cool! Cool! Ja, du haust sie mit einer super Anmache aus den Socken!

Ich befeuchtete meine Lippen und sagte: "Hi!" Mein Inneres schrie auf und fasste sich an die Stirn! Es brummte und schimpfte mich einen Idioten. Es hatte recht! Ich wurde etwas rosig. Sie drehte sich zu mir um. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Meine Pumpe setzte für einen Augenblick aus. Ihr wunderschönes Haar wehte zu Seite. Die sanfte Musik wurde lauter. Ich würde endlich ihr Gesicht von ganz Nahem sehen! Sie war gewiss bildschön! Sie war.. EIN KERL?!

Er hatte einen Vollbart, lauter Piercings und Tätowierungen im Gesicht. Die zarte Musik verwandelte sich in Heavy Metal. Er schaute mich fragend an. Ich war nicht mehr rosig. Ich war rot, wie eine Verkehrsampel! Ich rang nach Worten und schließlich stotterte ich: "D.. der Weg.. zum.. zum.. Bahnhof?" Er grinste breit und antwortete: "Bist wohl nicht von hier? Du gehst die Straße zurück, bis zur Post, biegst dann links ab, gehst bis zur Reiterstatue und gehst dann nach rechts. Schon bist du da!" Ich nickte leicht und murmelte: "Ja.. äh.. danke." Der Typ grinste wieder und wünschte mir noch einen schönen Tag. Schöner Tag! Ein Scheißtag trifft es eher!

Mit gesenktem Kopf, hochgezogenem Kragen und nach vorn gebeugten Schultern, schlurfte ich, der Wegbeschreibung folgend, zum Bahnhof. Ich bildete mir ein, dass man mir meine peinliche Verwechslung ansehen konnte. Ich schämte mich in Grund und Boden. Ich hatte keinen Bock mehr aufs Einkaufen. Noch weniger als vorher! Ich ging auf den Bahnsteig, stempelte dort meine Fahrkarte, setzte mich in den Zug und fuhr Heim. Ich nahm mir fest vor, nächstes Mal besser hinzuschauen!

Das Thema Weihnachten-und-ich-schlag-mich-durch-die-drängelnden-Massen ist ja schon ziemlich abgeschmackt aber liefert doch immer wieder Stoff für Geschichten! In diesem Sinne: Sorry! Ich hoffe, dass euch die Geschichte trotzdem gefallen hat!Kerstin Meinecke, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.12.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Lieder eines sattvischen Engels von Angelos Ashes (Übersetzer Uwe David)



Die Idee, die vorgelegten Gedichte in eine Buchform zu bringen, kam mir eines Tages in der Meditation. Dabei verspürte ich eher den Wunsch, dem Leser ein Gefühl von Liebe und Trost zu vermitteln, als dass es ein intellektueller Prozess war. Die Lieder sind einfach gedacht und ebenso gelesen, gibt es mir das Gefühl, erfolgreich die Lücke zwischen Wissen und Werden geschlossen zu haben. Dies ist die Reise, die wir alle von unserem Verstand zum Herzen unternehmen müssen, um uns selbst und die Welt um uns herum heilen zu können. Der Titel des Buches verweist auf eine engelhafte Reinheit, die zugleich Anspruch und auch die tiefe Wirklichkeit ist, die wir alle sind. Es liegt nur an uns, diese Qualität zu entdecken und manchmal helfen dabei ein paar wenige Worte.

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