Manfred Gries

Die Wunschliste - Einkauf im Advent

Natürlich kaufen wir auch im Advent im Rewe ein, sind wir doch Stammkunden und etwas älter. Gewohnheiten ändert man nicht so leicht. Und, zugegeben - die meisten Ideen kommen mir zwischen dem Chips Tüten Regal und der Fleischtruhe. Alles andere steht auf einem Zettel, den die Kinder geschrieben haben. Das brauche ich nur ablesen. Und mein Ältester schreibt sehr groß, damit Papa das auch ohne Brille lesen kann. Zudem, seitdem der Bundesbürger - damit bin ich gemeint - laut Nachrichten wieder mehr kauft, geht es der Wirtschaft besser - Entschuldigung, ich hatte zu wenig Zeit zum Einkaufen, liebe Freunde. Die Dame an der Kasse des Rewe lächelt mir einen Gruß zu, während mein Jüngster dem Leergut Automaten zustrebt und ich die Wunschliste auseinander falte. So beginnt der Einkauf im Advent.

Talerwurst, ich liebe dieses Wort. Es steht mitten zwischen den Lebensmitteln auf der Liste, die meine Augen lesen können. Und ich kann es nicht nur lesen - ich kann es auch verstehen. 15 Jahre zurück wurde dieses Wort in den Duden der Familie Gries aufgenommen. Freundliche Damen an Wursttheken, die Kinder fragen: “magst du eine Scheibe Wurst?“, haben es den Kindern in den Mund gelegt. So war es schon in meiner Kindheit und so war es auch vor 15 Jahren. Manchmal ist es noch heute so. Nur heute kaufe ich die Talerwurst aus dem Regal und die freundlich lächelnde Dame an der Kasse hat leider keine Wurstscheiben in den kleinen Fächern - nur Geld. Und davon gibt sie uns nichts ab.

Zwischen dem Chips Tüten Regal und der Fleischtruhe entdecke ich die Augen meiner Frau, die mir wie früher sagen. “Nimm die Milch nicht von vorne - die ist nicht so haltbar.“ Ich wende mich dem ersten Punkt auf der Liste zu, habe die freundliche Begrüßung der Kassiererin hinter mir gelassen, schüttele die Augen meiner verstorbenen Frau ab. Rechtzeitig stößt mein Sohn zu mir, den Pfandzettel aus der Gegenwart in der Hand. Es ist mein Jüngster.

Clerasil - mein Gott, gibt es das immer noch? Während ich dem Hygiene Regal zustrebe greift mein Jüngster zu einem Haar Styling Produkt. Dabei fällt mir auf, das sein Haar auch heute Abend sonderbar aufrecht steht - meines ist kaum noch vorhanden. Immerhin sind ein paar Jahre vergangen,, seit die Kinder klein waren. Damals kauften wir ihnen die ersten Fahrräder - inzwischen sind es wohl die Fünften und ich kaufe sie allein. Bedingt durch den Diebstahlsdurchschnitt hat es auch mich als Bundesbürger erwischt, besser gesagt die Kinder. Gut, dass ihre Mutter das nicht mehr erleben muss. Ich lege das Clerasil in den Einkaufswagen, in dem sich schon die Getränke befinden und steuere auf die Fleischttruhe zu.

Weitere Namen auf dem auseinander gefalteten Zettel identifizierend, schleppe ich das Wort Fahrrad in meinem Kopf mit mir herum. Wir brauchen wieder Fahrräder dieses Jahr. auch wenn der Führerschein meines Ältesten kurz vor der Tür steht - noch bedeutet Mobilität für die beiden “Fahrrad fahren“. Die Augen meiner Frau lächeln mir Verständnis zu - sie kennt die Kinder nur aus dem Fahrrad Alter. Der Einkaufswagen füllt sich immer mehr und die Wirtschaft floriert. Hat nicht der Älteste Probleme mit seinem Handy? Allmählich beginnt in meinem Kopf neben der geschriebenen eine notwendige Liste zu entstehen. Eine Wunschliste der unausgesprochenen Wünsche zu Weihnachten. Ich lege den Käse zur Pfeffersalami - mein Ältester mag Pfeffersalami und die steht auch auf dem Zettel.

Allmählich bewegen der gestylte Jungerwachsene und ich uns auf die Kasse zu - halt, da war noch etwas, was ich auf den Wunschzettel schreiben wollte. Genau - nicht vergessen. Ich will den Kindern zu Weihnachten sagen, dass sie das Wertvollste auf dieser Welt für mich sind. Denn ich bin ihr Vater. Komisch, zwischen Chips Tüten und Fleisch gibt es keine Brillen für Kinder. Warum auch. Kinder haben gute Augen und erst, wenn sie erwachsen sind, lernen sie die Dinge durch Brillen zu sehen.

Die Kassiererin rechnet den Einkauf zusammen, lächelt uns freundlich an und wartet geduldig auf meine Bemerkung, die ich immer im Rewe nach einem Einkauf von mir gebe. Notgedungen greife ich auf den Bundesbürger zurück, der in Gestalt meiner Wenigkeit dieses Jahr wieder mehr einkauft. Sie lacht, die Augen meiner Frau schmunzeln und ich füge der Wunschliste den Punkt “Liebe geben“ hinzu. Die Schlange hinter mir - alles Frauen - kichert in sich hinein. Und als wüssten sie, dass ich noch etwas vergessen habe, warten sie geduldig ab, bis ich meine Waren verstaut habe. Richtig, Brot muss noch gekauft werden. Denn in dieser Welt ist Brot ein Grundnahrungsmittel und Liebe eine Zugabe.

Deshalb liebe ich den Rewe. Die Brottheke steht im Eingang - gleich neben der freundlichen Kassiererin. Man kommt gar nicht daran vorbei, wenn man den Rewe betritt oder ihn verlässt. Dieses Jahr wird der Advent wieder schön sein. Denn wir haben unser tägliches Brot - meine verstorbene Frau, der Gestylte, der Einkaufszettelschreiber und unser Hund. Denn im Rewe gibt es auch Hundefutter. Das steht natürlich immer auf der Liste. Wir alle lieben unseren Hund.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.11.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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