Christine Wolny

Weihnachtswünsche


O, wie verändern sich Weihnachtswünsche im Laufe des Lebens, und ich glaube, sie nehmen mit dem Alter ab. Das liegt vielleicht daran, dass man nicht mehr so viel braucht. Man hat eingesehen, es geht auch mit weniger.

Als Kind möchte man am liebsten alles haben, aber mit der Zeit lernt man, bescheidener zu werden.
Ob jeder Mensch so ist, weiß ich nicht, ich jedenfalls machte bei mir die Beobachtung.

Wenn ich mir als Kind dies oder jenes wünschte, es waren sicher kleine Wünsche, war ich enttäuscht, wenn sie nicht erfüllt wurden. Es waren ja auch arme Zeiten, und das Christkind hatte anderes zu tun, als an Spielsachen zu denken.

So stellte ich das Wünschen ein und harrte der Dinge. Handschuhe und warme Strümpfe waren eben damals wichtiger und auch nicht schlecht.

Als junges Mädchen hatte ich die meisten Wünsche. Einen schönen Mantel, ein Kleid, ach, die Wünsche waren so groß. Statt dessen bekam ich zu Weihnachten ein dickes Buch: Die Welt von A-C. Ich besitze es noch im Alter, es war damals ein wertvolles Geschenk, es kostete DM 19,80. Doch so eine rechte Freude hatte ich nicht daran. Klar, ich schaute öfters mal hinein, und die bunten Bilder von Tieren und Pflanzen gefielen mir. Doch viel mehr hätte ich mich über eine hübsche „Jungmädchengarderobe“ gefreut. Ich wollte doch auch chic sein. So musste ich mich mit Garderobe begnügen, die bereits von anderen getragen wurde.

Doch einmal wurde ein Kleid und ein Mantel extra für mich angefertigt. Das war schon etwas ganz Seltenes. Es war eine Schneiderin, die aus allem etwas zaubern konnte. Den Mantel erhielt ich schon lange vor Weihnachten, denn es war schon im November bitterkalt. Er war aus einer mausgrauen Decke angefertigt worden. Aber an einer jugendlichen, schlanken Figur schaute selbst so ein Bekleidungsstück hübsch aus. Er bekam sogar einen kleinen Fellkragen, und ich empfand es so angenehm, wenn er mir den Hals schmeichelte.

Das Kleid wurde sogar aus neuem Stoff genäht. An das rot-weiß-blau karierte Kleid, ich war damals vierzehn Jahre alt, bekam, kann ich mich noch so gut erinnern, wie wenn es im vorigen Jahr gewesen wäre. Die Mieterin im Haus hatte diese wunderbare Idee, mir ein neues Kleid nähen zu lassen und es mir zu schenken. Ich musste zur Schneiderin, die an mir Maß nahm, unter dem Vorwand, ich hätte die selbe Figur wie die Nichte, für die das Kleid angeblich bestimmt sein sollte. Ich ahnte nicht, dass es schließlich schön eingepackt unter dem Weihnachtsbaum lag. Und das für mich!!!

Ich besitze auch noch Fotografien davon, denn jedes Mal wenn im Jahr ein Bild geknipst wurde, schlüpfte ich in dieses Kleid. Sonst zog ich es nur zum Kirchgang an, es war für zwei Stunden, dann musste ich wieder in das „Aschenputtelgewand“, das ich gar nicht gerne trug. Ich hätte am liebsten den ganzen Sonntag das schöne Kleid getragen, doch schließlich sollte es geschont werden, und zur Küchenarbeit wie Geschirrwaschen, Kartoffelschälen, Tischdecken u.s.w. war es eben zu schade. Freilich hätte ich eine Schürze darüber getragen, um es nicht zu beschmutzen, doch das war eben nicht erlaubt. Also, dann eben nicht.

Als junge, verheiratete Frau hatte ich mir zu Weihnachten immer wieder gewünscht, von meinem Mann mit einem besonderen Geschenk überrascht zu werden. Doch es gelang ihm nie, mich in große Freude zu versetzen, denn er war sehr sparsam, und so bekam ich öfters ein Badetuch oder eine Handtasche. Vielleicht aber war ich auch nicht bescheiden genug.

Er merkte schon, dass ich etwas enttäuscht war, und es machte ihm große Schwierigkeiten, sich im Laufe des Jahres Dinge zu merken, an denen ich interessiert war. Bis Weihnachten hatte er es wieder vergessen, und so wollte er, dass ich mir mein Geschenk selbst kaufte. Das war natürlich auch keine Überraschung mehr. Doch es ist schon eine Kunst, jemanden etwas zu schenken, das an Heiligabend wirklich das Herz erfreut. Das soll an dieser Stelle gesagt sein.

Deswegen ist es gut, nichts zu erwarten, sich an den hellen Lichtern, die fast in jedem Fenster zu sehen sind, zu erfreuen, dankbar nach oben zu blicken und froh darüber zu sein, dass man laufen kann, sehen kann, hören kann und auch manchmal Freude erleben darf und das nicht nur zu
Weihnachten.

by Christine Wolny

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.11.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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