Kerstin Meinecke

Der Floh

Floh schaute auf. Es war ein neuer Morgen angebrochen. Die Sonne lachte ihm entgegen. Er streckte seine Beine und machte Morgengymnastik. Sprung, Sprung, Strecken, Sprung und Sprung. Er verspürte ein leichtes Hungergefühl. Er suchte nach seiner Lieblingsspeisestelle und streckte seinen Rüssel raus. Langsam führte er diesen in den Boden. Kurze Zeit später saugte er die schmackhafte rote Flüssigkeit auf. Frisch gestärkt, hüpfte er auf seinem Wirt herum. Floh war erst vor kurzem hierher gezogen und fühlte sich etwas einsam. Es machte nicht halb soviel Spaß, sein neues zu Hause zu kitzeln, als zu zweit. Er wünschte sich einen Freund.

Eines Tages sah er sie! Sie war bildschön! Ihre langen starken Beine, luden gerade dazu ein, ein Wetthüpfen zu veranstalten. Doch am meisten Aufmerksamkeit schenke Floh, ihrem Rüssel. Sie hatte einfach das gewisse Etwas. Floh war ihr auf einem Spaziergang, seines Wirtes, begegnet. Sie lebte auf einer herrlichen Siamkatze und er? Er nur auf einer Hunde-Promenadenmischung! Welch ein Elend! Sie würde ihn nie bemerken! Er war ihrer nicht würdig! Floh klagte über sein Los. Seit jenem Tag, konnte er sie nicht mehr vergessen.

Er fühlte sich seither noch einsamer beim Springen, als je zuvor.

Immer, wenn eine Siamkatze in Sicht war, hielt er Ausschau nach der geheimnisvollen Schönen aber es gab keine Spur von ihr. Floh war verzweifelt. Er hockte sich hin und weinte bitterlich. Sein Wirt wurde plötzlich unruhig und zappelte. Floh stürzte beinahe hinab. Er konnte sich gerade noch an einem Haarbüschel festhalten. Er atmete erleichtert auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Gerade wollte er sich vom Schrecken erholen, als er einen leisen Hilferuf hörte. Er blickte misstrauisch in die Richtung, wo der Ruf herkam. Er sprang erschrocken nach hinten und rieb sich die Augen. Nein, er hatte es sich nicht eingebildet. Sie war es! Die Flohdame seiner Träume!

Sie saß auf der Siamkatze und hüpfte ängstlich hin und her. Ein Mensch hielt eine seltsame Flasche über ihren Wirt. Seltsame weiße Flüssigkeit floss auf das Kätzchen hinab. Floh keuchte geschockt auf. Es war ein Mittel gegen Flöhe! Es würde seiner Geliebten schaden! Er hüpfte todesmutig von seinem Hund zur Katz. Mit einem gewaltigen Sprung landete er auf ihr und zog das Flohmädchen seines Herzens an sich. Das Mittel kam immer näher. Floh setzte zum Sprung an aber er hatte sich in einem Fellbüschel verheddert. Die Flüssigkeit kam noch näher. Die Flohdame sprang auf. Sie versuchte Floh zu befreien aber er steckte zu fest. Das Mittel hatte sie fast erreicht. Sie fasste einen Entschluss. Sie legte sich hin und fing an, die Haare zu zerbeißen. Die Flasche befand sich genau über ihnen. In letzter Sekunde nahm das Flohfräulein Floh in ihre Arme und sprang mit einem gewaltigen Satz aus der Gefahrenzone. Das Gift ergoss sich auf die Stelle, wo die beiden grade noch saßen.

Das Flohmädchen, das übrigens Flohrah hieß, zog mit Floh auf die Promenadenmischung. Dort hüpften sie gemeinsam und kitzelten ihren Wirt zu zweit. Keiner von beiden war mehr allein.

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Langsam gehe ich auf das sechzigste Lebensjahr zu. Da hinter mir nahezu jede emotionale Erinnerung »verschwindet«, besitze ich keinerlei sichtbare Erinnerung! Vieles von dem, was ich Ihnen aus meinem Leben berichte, beruht auf alten Notizen, Erinnerungen meiner Frau und meiner Mutter oder vielleicht auch auf sogenannten »falschen Erinnerungen«. Ich selbst erinnere mich nicht an meine Kindheit, Jugend, nicht an meine Heirat und auch nicht an andere hochemotionale Ereignisse, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin.

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