031103. gelandet am suedbahnhof im cafe ritazza. ein seidl & fragen ueber fragen ... aber eigentlich keine relevanten, sondern vielmehr das nicht-allein-sein-wollen. & welcher ort waere dafuer besser geeignet als der bahnhof.
sozialer kristallisationspunkt, urbanes mosaik, heimat fuer ab-, durch- & zureisende, abfahrende, ankommende, verlorene & vergessene koffer, taschen, menschen. geschaeftiges treiben, staendiges kommen & gehen, immerfortwaehrendes
pulsieren zwischen 4 uhr frueh & mitternacht. ausser morgen vielleicht - da wird gestreikt & die bahn steht still. "es gibt nichts mehr zu verlieren", legitimiert der gewerkschaftsboss die kampfmassnahmen & noch weniger zu gewinnen, denke ich mir, schaue auf mein leeres glas, suche den blick der kellnerin, die mir wissend zulaechelt & ohne worte zu verlieren das naechste bier vor mich an die theke stellt. meine haende zittern vom training, meine lunge vom
rauchen & mein herz vor sehnsucht nach meiner freundin, die mir mittlerweile schwer abgeht und erst ende jänner wiederkommt. fuehle mich tw. so als waere ein teil meiner persoenlichkeit durch ihre abwesenheit amputiert. wahrscheinlich aber v.a. die vergewisserung dass es mich
gibt, wenn ich mich in ihren blicken selbst-finde. stattdessen manchmal auf der suche nach anderen blicken, in denen ich meist nur leere sehe, entfremdung spuere, mich verirre & verwirre & erschoepft & verlaufen am ende der nacht in mein bett & traumlosen schlaf sinke, um mit dem dumpfen gefuehl sinnlos geopferter stunden zu erwachen & in die arbeit fahre & die zeit runterbiege, um am ende des monats das noetige kleingeld am konto zu haben, das meine
weitgehend beduerfnis- und anspruchsvolle existenz ermoeglicht. & wenn es diesen job nicht mehr gibt - was mittelfristig sehr wahrscheinlich scheint - gibt es wohl was anderes oder auch nichts & stattdessen arbeitslos. was in meinen gedanken als angenehme abwechslung zum lohnarbeitstrott erscheint, gestaltet sich in der realitaet jedoch nur halb-lustig, wie mir das von georg vor augen gefuehrt wird. sowas wie entfremdung vom leben durch das fehlen der entfremdenden arbeit oder so in die richtung. was bleibt ist dann ein haufen schulden & die unfaehigkeit sein selbstvertrauen im vergleich mit den "fleissigen und "tuechtigen" auf laengere zeit zu behaupten, aufrecht zu erhalten oder gar zu verbessern. ganz im gegenteil. die internalisierte vorstellung von sozialem erfolg und status treffen dann mit der normativen kraft des faktischen voll in
die eigene fresse. k.o. - erholung ungewiss...
die zeit auf der billigen wanduhr verstreicht genauso langsam, wie sich das publikum hier ändert. zaeh. & kaum erkennbar schleicht der zeiger im kreis ohne dass etwas passiert. waehrend die croissants im glasschaukasten
vertrocknen, bleibt das bier im kuehlaggregat frisch & kann jederzeit unter dem vibrieren der gesamten theke ins glas gezapft werden... es bringt nicht nur aufgedunsenes gewebe & geplatzte aederchen auf den backen, sondern auch katalysiertes vergessen & vergeben. schluck fuer schluck zur totalen gerstensaftabsolution. die tristesse beginnt sich dann im glorienschein des rausches aufzuloesen. & mit ihr mein hirn & die erinnerung...
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2003.
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