Michael Speier

K(l)eine Märchenstunde

Es war einmal... obwohl das kein guter Anfang für eine Geschichte ist, denn jeder würde es für ein Märchen halten, und das würde der ganzen Sache die Glaubwürdigkeit nehmen, denn diese Geschichte ist kein Märchen. Aber das werdet Ihr sicher gleich selbst feststellen. In Märchen gibt es dunkle Wälder, böse Hexen, feuerspuckende Drachen, bösartige Wölfe und mutige Prinzen. So etwas findet Ihr hier nicht. Ganz im Gegenteil...


Also, es war einmal vor langer, langer Zeit in einem weit entfernten Königreich namens Goldland. Die Bewohner waren glücklich und zufrieden, bis auf die Tatsache das der gutherzige König eine Vorliebe für Klischees hatte, woher kam wohl sonst dieser blöde Name für das Königreich? Aber egal. Die Menschen waren also glücklich und zufrieden. Doch eines Tages legte sich ein gewaltiger Schatten über Goldland, denn der Junge Prinz Fridolin hatte eine schlimme Krankheit, hieß es. Der Hofzauberer verriet dem König das die einzige Medizin jenseits des großen Waldes zu finden wäre, und nur ein reines Herz den Wald durchqueren könne. Natürlich konnte jeder den Wald durchqueren, ganz gleich ob er reinen Herzens war oder nicht, nur wer es nicht war konnte nicht mehr zurück, soviel stand fest, warum wusste keiner. Und so schickte der König nach einem Tapferen Krieger der reinen Herzens war und es wagen würde den großen Wald zu durchqueren um das Heilmittel zu bringen das der junge Prinz so sehr benötigte. Wäre dies ein Märchen wäre natürlich sofort jemand mit einem weißen Hengst erschienen. Jemand in einer goldenen Rüstung, mit langen blonden Haaren und strahlend blauen Augen. Von dem Diamantenbesetzten Schwert will ich gar nicht erst reden. Aber das hier ist ja kein Märchen, und somit war der einzige der am Hofe vorsprach ein kleiner Junge namens Timmy. Timmy war zwölf Jahre alt, der Sohn eines Bauers. Er hatte dunkle Haare die einmal in der Woche wusch (offenbar stand die nächste Wäsche kurz bevor) und dreckige Lumpen als Kleidung. Er hatte sich einen alten Kartoffelsack zurechtgeschnitten und über den Kopf gezogen damit er der Kälte des Waldes nicht hilflos ausgeliefert war. Der gute König musterte ihn von oben bis unten und sprach:
>Hallo Timmy. Du willst es also wagen den großen Wald zu durchqueren um dem jungen Prinzen Fridolin die Medizin zu bringen die er so dringend benötigt?<
>Ja, Herr, so ist es. Ich werde es wagen<, sagte Timmy.
>Du beweist großen Mut damit, Kleiner Timmy. Du weißt das in dem Wald Gefahren auf dich lauern, die kein Mensch zu beschreiben vermag?< fragte der König und sah Timmy an.
>Ja, Herr, das weiß ich. Aber ich fürchte mich nicht, denn ich habe ein reines Herz. Und wer ein reines Herz hat, dem können die Gefahren des Waldes nichts anhaben.<
>Ja, da hast du Recht Timmy. Also dann. Wann möchtest du aufbrechen?< fragte der König.
>Sofort<, antwortete Timmy. >wenn der junge Prinz so krank ist, dann darf man keine Zeit verlieren.<
Und bereits kurze Zeit später stand der kleine Timmy am Rande des großen Waldes.
>Es kann mir nichts passieren, denn ich bin reinen Herzens<, sagte Timmy zu sich selbst, und ging in den Wald hinein. Die Sonne schien und erhellte den Wald. Es war sozusagen ein schöner, friedlicher Waldspaziergang. Timmy hatte auch keine Angst, denn die Vöglein zwitscherten leise und überall sah man kleine Häschen und Rehe umherlaufen. Timmy begann ein Lied zu pfeifen um sich die Zeit zu vertreiben. Eines jedoch hatte er nicht bedacht. Zwar war der Wald nicht so schlimm wie er es sich vorgestellt hatte, und er hatte auch ein reines Herz, das ihm also nichts passieren konnte. Aber er wusste nicht welchen Weg er gehen sollte. Und so kam er an eine kleine Waldlichtung. Von dort aus führten 4 Wege in unterschiedliche Richtungen. Einen Weg konnte er schon mal ausschließen, nämlich den von dem er gekommen war. Blieben noch drei weitere. Hätte er doch nur lesen gelernt, aber so konnte er mit dem Schild das Mitten auf der Lichtung stand leider nichts anfangen.
>Ich werde einfach alle drei ausprobieren<, dachte er sich. >Schließlich kann mir ja nichts passieren, und mit ein wenig Glück ist mein Erster bereits der Richtige Weg.
Also entschied er sich für den ersten Weg und setzte seine Reise mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen fort. Er war gut eine halbe Stunde gegangen, als sich in seinem Magen der Hunger bemerkbar machte. Sein Magen knurrte so laut das er sogar die scheuen Rehe vertrieb. >Ich muss unbedingt etwas zu Essen finden, sonst nimmt meine Reise ein jähes Ende<, dachte er still bei sich. Der Weg der ihn in den Wald hineingeführt hatte war gesäumt mit Beerensträuchern und überall wuchsen Pilze, doch hier war absolut nichts essbares zu finden.
>Ich werde einfach weiter gehen, hier muss es doch irgendetwas Essbares geben.< Und so ging Timmy weiter seines Weges und versuchte seinen Hunger so gut es ging zu vergessen. Plötzlich hörte er noch etwas anderes knurren. Es kam aus einem der dichten Gebüsche die links und rechst des Weges wuchsen. Timmy war so neugierig das er dem seltsamen Geräusch auf den Grund gehen musste.
>Was ist das für ein seltsames Knurren? Komm heraus und zeige dich!< rief er.
>Nein<, erklang eine ängstliche Stimme. >Ich fürchte mich.<
>Wovor fürchtest du dich? Doch nicht etwa vor mir? Ich bin doch nur ein kleiner Junge< sagte Timmy.
>Und was hast du dann so tief hier im Wald zu suchen?< frage die Merkwürdige Stimme.
>Ich suche einen Weg aus dem Wald hinaus, denn der Junge Prinz ist sehr krank und braucht das Heilmittel das nur auf der Anderen Seite des Waldes zu finden ist< antwortete Timmy.
>So, so, so. Du suchst also einen Weg hinaus aus dem Wald, was? Nun, da kann ich dir nicht helfen, denn ich selbst lebe auch schon seit Ewigkeiten hier im Wald.<
>Und wer bist du?< fragte Timmy nun etwas schärfer als zuvor. >Komm doch heraus und zeige dich. Ich werde dir kein Leid antun.<
>Versprichst du mir das?< erkundigte sich die Stimme. >Und du bist auch ganz bestimmt kein Jäger?<
>Nein, ich bin kein Jäger. Ich bin nur ein Kleiner Junge.<
Mit einem Ruck wurde das Gebüsch zur Seite geschlagen und ein großer, brauner Wolf mit großen blitzenden Zähnen stand vor Timmy. Timmy bekam es mit der Angst zu tun.
>Warum zitterst du denn so? Du wolltest doch das ich herauskomme, kleiner Junge<, knurrte ihn der Wolf an. Timmy stand Starr vor Schreck da und sagte kein Wort.
>Du brauchst dich nicht zu fürchten, kleiner Junge. Ich werde dir kein Haar krümmen. Mein Name ist Rolf.<
>Rolf?<, fragte Timmy.
>Ja, Rolf. Rolf der Wolf. Mich kennt jeder hier. Ich bin das Gespött des ganzen Waldes.<
>Und warum?< wollte Timmy wissen.
>Ach<, sagte der Wolf, >ich habe nur Pech, weißt du. Und ich habe Hunger. Großen Hunger. Aber ich werde dich nicht fressen. Auf gar keinen Fall, denn das würde mir ja doch nur Scherereien einbringen. Einmal, da habe ich die Großmutter von dieser kleinen Göre mit der roten Mütze aufgegessen, weil ich solch einen großen Hunger hatte. Und wenig später kam ein Jäger und hat mir den Bauch aufgeschnitten um sie wieder herauszuholen. Hätte ich doch bloß den Präsentkorb stibitzt den sie dabei gehabt hat, dann wäre mir das erspart geblieben. Und ein anderes Mal habe ich in einem Haus ein paar Geißlein verspeist, Sechs Stück um genau zu sein. Ich dachte mir das daran niemand Anstoß finden würde. Aber wieder hat man mir den Bauch aufgeschnitten als ich ein Verdauungsschläfchen hielt. Und diesmal hat man mir auch noch Steine in den Bauch hineingelegt. Steine! Stell dir das mal vor. Dann hat man mich in einen Brunnen geworfen. Nicht nur das ich diese schlimme Erkältung hatte, was glaubst du wie angenehm das war die Steine wieder auszuscheißen.<
>Du tust mir Leid, Rolf. Aber wie wäre es denn mit Pilzen und Beeren?< sagte Timmy.
>Ja, das wäre was. Aber hier in diesem Teil des Waldes wächst absolut gar nichts. Ein paar Minuten diesen Weg hier herunter steht zwar ein Haus, aber die alte Frau die da wohnt ist ziemlich seltsam, aber ich bin sicher das sie genug zu Essen hat. Leider kann sie Wölfe nicht ausstehen<, jammerte der Wolf.
>Aber wenn du diesen Weg hier in die Richtung gehst aus der ich gekommen bin, dann kommst du an eine Lichtung. Wenn du dann den Weg nach Rechts gehst, dann findest du so viele Pilze und Beeren wie du nur Essen kannst.<
Der Wolf war überglücklich. >Stimmt das?<, vergewisserte er sich.
>Ja, natürlich stimmt das.<
Und der Wolf rannte in die Richtung aus der Timmy gekommen war. Timmy jedoch ging den Weg weiter, denn er hatte immer noch Hunger und wollte sein Glück bei der seltsamen Frau versuchen.

Einige Minuten später kam er an das Haus der Frau. Schon von weitem sah er wie Rauch aus dem Kamin kam, also musste sie zuhause sein. Er ging auf das Haus zu. Als er am Gartenzaun angekommen war bemerkte er dass das Haus gänzlich aus Lebkuchen zu bestehen schien. Timmy dachte sich nichts dabei und öffnete das Gartentor.
>Hallo?<, rief Timmy. >Ist da wer?<
Doch er bekam keine Antwort.
>Ich werde wohl besser mal zu Türe gehen und anklopfen<, dachte er und tat dieses dann auch. Er hatte gerade dreimal geklopft, als die Türe von innen langsam geöffnet wurde. Eine alte Frau mit einem Buckel und einer großen Warze auf der Nase stand in der Tür. Auf der Schulter hatte sie einen Raben.
>Hallo, wer bist denn du?< fragte die Frau in einer merkwürdig krächzenden Stimme.
>Ich bin Timmy. Einen schönen Raben haben sie da.<
>Danke<, sagte der Rabe. Timmy wunderte sich nicht, schließlich hatte er erst vor kurzem mit einem Wolf geredet.
>Und was suchst du so tief im Wald, Timmy?<
>Nun, ich will ja nicht unverschämt sein, aber ich habe großen Hunger. Eigentlich bin ich auf der Suche nach dem Weg aus diesem Wald hinaus, denn am anderen Ende des Waldes soll es ein Heilmittel geben das der Junge Prinz unbedingt benötigt, denn er ist sehr krank.<
>So ist das also, der junge Prinz ist also Krank. Hmm, nun ja. Wie du aus diesem Wald wieder herauskommst kann ich dir leider nicht sagen. Aber etwas zu Essen kannst du bekommen. Was möchtest du denn gerne haben? Lebkuchen, Plätzchen, Schokolade? Ich kann dir alles geben was dein Herz begehrt.< sagte die Frau mit einem seltsamen Lächeln.
>Ach<, sagte Timmy, >mir wäre schon mit ein wenig Brot und Salz geholfen. Ich brauche all diese Leckereien nicht. Die verderben mir nur den Magen. Außerdem möchte ich nicht zur Last fallen.<
>Ohhh, so was habe ich mir immer gewünscht. Ein kleiner Junge der nicht daran interessiert ist mir das Haus wegzufressen. Weißt du, vor einiger Zeit waren zwei Kinder hier, die wollten immer mehr, und mehr und mehr. Es ging soweit das ich den Jungen sogar einsperren musste, damit er mir nicht die Möbel und Wände anknabberte. Weißt du, ich gebe ja gerne. Aber ich bin nur eine arme, alte Frau. Ich habe gegeben was ich konnte, aber der Junge schien ein Fass ohne Boden zu sein. Gerade als ich den Beiden ein Festmahl zubereiten wollte, da haben sie mir von hinten einen Stoß gegeben und mich in den Ofen geworfen, kannst du dir das vorstellen? Das ist der Dank für all die Güte die ich ihnen entgegengebracht habe. Dann haben sie mir auch noch mein ganzes Gespartes geklaut und sind verschwunden.<
>Unfassbar< meinte Timmy.
>Ganz genau. Seitdem bin ich ein wenig skeptisch was Besucher angeht, vor allem Kinder. Aber komm nur herein. Du sollt nicht nur Brot bekommen. Ich habe gerade ein feines Süppchen auf dem Feuer. Das müsste eigentlich für uns beide reichen. Und dann werde ich dir auch noch etwas einpacken, damit du auf deiner Suche nicht hungern musst.<
Timmy bekam eine sehr leckere Suppe, und als er ging da packt ihm die Frau noch einen Laib Brot und Butter ein. Timmy hätte noch über Nacht bleiben können, aber hatte ja keine Zeit, denn der Junge Prinz benötige ja so dringend das Heilmittel. Die Alte Frau hatte Timmy gesagt das er auf diesem Weg nicht finden würde was er suchte, denn hinter ihrem Haus gab es nichts weiter als Wald. Also entschloss sich Timmy zurück zur Lichtung zu gehen und den nächsten Weg zu versuchen. Sie stand an der Türe und winkte bis sie Timmy nicht mehr sah, doch sie dachte noch lange an den netten Jungen der so bescheiden gewesen war.

Wieder an der Lichtung angekommen entschied sich Timmy nun den dritten Weg zu versuchen, derjenige welcher jetzt links von ihm lag. Er ging, und ging, und ging, doch irgendetwas stimmte nicht. Der Wald wurde immer dunkler. Könnte es sein das der Wald dichter wurde? Zumindest kam es ihm so vor. Auf einmal bemerkte er das auch die Vöglein nicht mehr zwitscherten, und auch kein einziger Hase oder sonst irgendetwas lebendes zu sehen war. Da plötzlich vernahm er ein stetig lauterwerdendes Geräusch wie von einem sehr schnellen Pferd. Und auf einmal sah er es auch. Ein Pferd galoppierte unaufhaltsam auf ihn zu. Auf dem Rücken saß ein Mann in einer zerbeulten Rüstung, der Mühe hatte sich im Sattel zu halten. Timmy wich einen Schritt zur Seite, damit ihn das Pferd nicht überrannte. Als es an ihm vorbeirannte bäumte es sich auf, und der Mann fiel aus dem Sattel und plumpste neben Timmy auf den Boden, während sein Pferd weiterrannte. Eine Weile lang blieb der Mann reglos auf dem Boden liegen, dann begann er sich langsam zu bewegen und versuchte aufzustehen, was ihm allerdings mit dieser schweren Rüstung gar nicht leicht fiel. Timmy ging zu ihm hin um ihm auf die Beine zu helfen. Er war gerade nahe genug an den Ritter herangekommen, als dieser einen ängstlichen Schrei ausstieß.
>Waah, weg, weg, wer bist du? Lass mich in Ruhe!<, schrie der Ritter.
>Aber ich wollte dir nur auf die Beine helfen, Herr< sagte Timmy.
>Ja, ach so, ja. Genau. Gut. Komm her. Hilf mir hoch, Junge<, stotterte der Ritter.
Timmy hatte dem Mann gerade auf die Beine geholfen, als dieser das Visier seines Helmes herunterklappte und sein Schwert zog.
>Und nun, elender Wicht, sag mir was du hier im Wald zu suchen hast, oder ich werde dir den Garaus machen< polterte der Ritter Timmy an.
>Ich suche den Weg aus diesem Wald heraus, Herr Ritter. Ich wollte nichts böses, wirklich nicht. Ihr könnt euer Schwert wegstecken.<
>Ha, und dann werdet ihr euch in einen bösen Drachen verwandeln, Hexenmeister, was? Ich kenne eure Tricks zu genüge, denn ich bin Prinz Kunibert der Tapfere, ich bin gekommen um den furchtbaren Drachen zu besiegen, der die Prinzessin gefangen hält. Und glaubt ja nicht das ich euch nicht durchschaut habe, Zarlix.<
>Zarlix?<, fragte Timmy. >Wer ist dieser Zarlix. Ich jedenfalls bin es nicht. Mein Name ist Timmy, und ich bin gekommen...<
>...um mich an meinem Vorhaben zu hindern.< unterbrach ihn Kunibert. >Und ich weiß das ihr Zarlix der böse Zauberer seit. Ich erkenne euch genau.<
>Ich soll ein böser Zauberer sein. Das ist doch ausgemachter Unsinn. Ich kann überhaupt nicht zaubern, und böse bin ich auch nicht. Ich suche nur einen Weg aus diesem Wald hinaus, damit ich dem Jungen Prinzen von Goldland ein Heilmittel bringen kann das er dringend benötigt.<
Kunibert war verwirrt. Er ließ sein Schwert sinken und öffnete das Visier seines Helms.
>Wirklich?<, fragte er vorsichtig.
>Wirklich!< Antwortete Timmy. >Ich führe nichts böses im Schilde. Aber sagt mir, Prinz Kunibert, vor was flieht ihr?<
>Ich? Fliehen? So ein Unsinn. Ich fliehe doch vor nichts, ich bin Kunibert der Tapfere<, sagte der Ritter empört. >Und überhaupt, wie kommst du auf die Idee das ich vor irgendetwas davonlaufe?<
>Ich dachte nur weil ihr so schnell unterwegs wart.<
>Ach so, ja. Der Drache. Er muss mir....ich meine, mein Pferd muss sich wohl erschreckt haben. Ich selbst habe keine Angst, aber mein Pferd ist davongelaufen als es den Drachen sah, und ich saß ja nun mal auf dem Pferd. Und ich muss ja nun mal dahin gehen wo mich mein Pferd hinträgt, nicht wahr, mein Junge.<
>Das stimmt, Herr Ritter. Aber wer ist Zarlix?< fragte Timmy. Der Ritter erschauderte bei dem Namen.
>Oh, Zarlix ist ein böser, mächtiger Zauberer. Er hat den Drachen geschickt, weil er die Prinzessin für sich haben will. Aber ich werde ihn besiegen, denn ich habe keine Angst vor ihm.<
>Und der Drache?<, fragte Timmy.
>Ein riesiges Ungetüm das Feuer spuckt und jeden verbrennt der auch nur in seine Nähe kommt. Aber auch vor ihm habe ich keine Angst, denn ich bin Kunibert der Tapfere. Und ich werde den Drachen vernichten und die Prinzessin befreien.<
>Also, worauf wartest du noch?<
>Nun, ähh, ja. Ohne Pferd kann ich doch schlecht.... du verstehst? Und immerhin ist es ein so.... großer Drache. Um ganz ehrlich zu sein, also.... nun ja.... ich ....<
der Ritter fiel auf die Knie und begann fürchterlich zu weinen. >Ja! Ich habe Angst. Der Drache wird mich zu Asche verbrennen oder mich auffressen. Ich kann gegen ihn nicht gewinnen. Er ist so groß und so stark. Und ich bin doch so klein und schwach. Und dann ist da ja auch noch Zarlix. Er wird mich in einen Hasen oder sonst was verwandeln. Und dann kann ich nicht einmal mehr mein schönes Schwert halten, und die Prinzessin werde ich nie bekommen, nie.<
>Nun hör doch auf zu weinen, Herr Ritter. Ich werde dir helfen<, sagte Timmy. Der Ritter sah auf.
>Du? Aber... du bist doch noch ein Kind.<
>Das ja, aber vielleicht kann man ja mit dem Drachen reden. Und mir wird er sicher nichts tun, denn ich tue ihm ja auch nichts.<
Der Ritter dachte einen Moment nach. Dann sagte er >Einverstanden. Aber ich komme mit dir, um dir den Rücken zu decken. Und wenn er dich tötet, dann sag hinterher nicht ich hätte dich nicht gewarnt.<

Wenig später waren sie am Drachenhügel angelangt. Timmy ging festen Schrittes vorneweg, während Prinz Kunibert langsam und in sicherer Entfernung hinter ihm herging, immer darauf bedacht sich möglichst schnell verstecken zu können wenn Gefahr drohen sollte. Dann griff er nach Timmys Schulter und hielt ihn fest.
>Da, siehst du. Das ist das Ungeheuer. Es scheint zu schlafen. Ich könnte mich heranschleichen und es mit einem Schwerthieb niederstrecken<, sagte Kunibert.
>Darum sind wir nicht hier. Ich sollte doch mit ihm reden.<
>Ja<, sagte Kunibert. >Aber dann wacht er auf. Jetzt wo er schläft ist er nicht so gefährlich. Warum sollten wir ein Risiko eingehen wenn es sich doch vermeiden lässt?<
>Weil es nicht nett ist jemanden im Schlaf zu töten. Was bist du überhaupt für ein Ritter?< Mit diesen Worten riss sich Timmy los und ging auf den schlafenden Drachen zu. Er blieb vor dem Drachen stehen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Drache machte die Augen auf. In dem gleichen Augenblick wurde Prinz Kunibert Ohnmächtig.
>Wer stört mich da?<, gähnte der Drache.
>Ich. Mein Name ist Timmy.<
>Ahh, Ritter Timmy also.<
>Nein, nur Timmy. Ich bin kein Ritter. Ich bin nur ein kleiner Junge.<
>Nur ein kleiner Junge? Und was willst du von mir?<, fragte der Drache.
>Ich will mit dir Reden, Drache.<
>Nun, wenn das alles ist... Wir reden ja miteinander. Über was willst du mit mir reden?<
>Warum hältst du die Prinzessin gefangen?<, fragte Timmy.
>Ich?< Der Drache war ein wenig verdutzt. >Ich soll eine Prinzessin gefangen halten? Warum sollte ich? Ich war doch selbst eine Prinzessin, bis der böse Zauberer mich mit diesem Fluch belegte. Seitdem kommen nur Leute die mich töten wollen. Was soll ich nur machen?< Der Drache wirkte traurig. Timmy streichelte über seinen großen, grünen Kopf.
>Armer Drache. Ich verstehe dich. Wie kann man dir nur helfen?<
>Ach, wenn doch nur jemand kommen würde um mich von diesem Fluch zu erlösen, aber niemand hat den Mut. Sie kommen alle nur um mich zu töten oder sie laufen weg wenn sie mich sehen.<
>Du sagtest man kann den Fluch brechen?<, fragte Timmy.
>Natürlich kann man das. Aber dafür bräuchte man einen Prinzen. Er braucht mich nur zu küssen, und schon wäre ich wieder die Prinzessin die ich einmal war.<
>Vielleicht kann ich dir helfen, Prinzessin<, sagte Timmy.
>Du? Aber du bist doch kein Prinz, oder?<
>Nein, ich bin nur der Sohn eines Bauern, aber ich habe einen Prinzen mitgebracht. Warte ich hole ihn her.<
Timmy lief zu dem Ohnmächtigen Kunibert und rüttelte ihn bis er wieder wach war.
>Was ist los?< fragte Kunibert verwirrt. >Hast du den Drachen getötet, oder was... sind wir beide tot? Oh, ich habe es geahnt. Nein. Wie Schrecklich.<
>Krieg dich wieder ein<, sagte Timmy. >Wir sind nicht tot, und der Drache auch nicht.<
>Nicht?<, schrie Kunibert, und versuchte so schnell aufzustehen wie es ihm seine schwere Rüstung erlaubte. >Dann sind wir in größter Gefahr. Schnell weg von hier. Der Drache wird uns beide töten.<
>Nein, wird er nicht. Er wird niemanden töten. Komm mit, aber lass dein Schwert hier.<
Timmy half Kunibert auf die Füße, was nicht leicht war, denn Kuniberts Knie zitterten wie Espenlaub. Der Drache sah den Prinzen verliebt an und zwinkerte ihm zu.
>Da, das Untier hat sich bewegt. Es wird uns bei lebendigem Leibe auffressen<, sagte Kunibert.
>Nein. Wird es nicht. Es ist kein Drache. Es ist eine verzauberte Prinzessin.<
>Eine verzauberte Prinzessin? So ein Blödsinn, so etwas gibt es doch überhaupt nicht. Von verzauberten Prinzen habe ich ja schon gehört, aber die verwandeln sich dann in Frösche oder so was, aber ein Drache der eine Prinzessin war? Quatsch.<
>Versuchs doch mal. Der Drache hat mir nichts getan, und er wird dir sicher auch nichts tun<, versicherte Timmy.
>Auf deine Verantwortung<, sagte der Prinz.
Die beiden gingen auf den Drachen zu. Der Prinz blieb vor dem Drachen stehen und stotterte ein leises >Guten Tag< hervor. Der Drache antwortete >Guten Tag. Du bist ein Prinz?<
>Ja, Prinz Kunibert der Tapfere. Und ich bin gekommen um die Prinzessin zu befreien. Also, gib sie frei, du .... du....< Timmy stupste Kunibert in die Seite, und Kunibert schluckte die Worte wieder herunter die es aussprechen wollte.
>So, Drache<, sagte Timmy >Hier ist dein Prinz. Wie geht es nun weiter?<
>Er muss den Fluch brechen und mich küssen. Dann verwandele ich mich wieder in eine Prinzessin zurück<, sagte der Drache.
>Sicher<, spottete Kunibert. >Ich will dich küssen, du machst den Mund auf und Schnapp bin ich weg. So hast du dir das vorgestellt. Aber darauf falle ich nicht herein.<
>Nun denk doch mal kurz nach<, entbrüstete sich Timmy. >Wenn er dich oder mich hätte auffressen wollen, so hätte er es doch längst machen können. Warum sollte er lügen? Versuch es doch wenigsten mal.<
Kunibert überlegte kurz. Dann nahm er allen Mut zusammen.
>Na gut. Ich versuche es. Aber wenn du mich frisst, dann werde ich in deinem Bauch so lange toben das du wochenlang Bauchschmerzen hast, das sage ich dir.<
Dann ging Kunibert zum Kopf des Drachen, schloss die Augen und gab ihm einen Schmatzer auf den Mund. Er gab eine große Explosion, und als sich der Rauch legte stand vor Kunibert eine kleine, etwas dickliche junge Frau mit langen blonden Haaren. Kunibert sah sie verwirrt an.
>Aber.... das ist doch keine Prinzessin. Sie ist überhaupt nicht wunderschön.<
>Wer sagte denn das ich wunderschön bin, ich sagte nur das ich eine verzauberte Prinzessin bin.<
>Also<, sagte Timmy, >Ich finde du siehst toll aus.<
>Wirklich?< Die Prinzessin wurde rot.
>Ja, wirklich.<
>Wenn sie dir so gut gefällt<, sagte Kunibert >dann nimm sie doch. Ich gebe sie dir. Ich suche mir einen anderen Drachen.<
Mit diesen Worten ging Kunibert wutschnaubend wieder zurück dahin woher er gekommen war. Timmy und die Prinzessin sahen sich eine Weile lang an. Dann aber fiel Timmy wieder sein Auftrag ein.
>Oh je, ich muss ja noch den Ausgang aus diesem Wald finden. Ich suche nämlich ein Heilmittel für den jungen Prinzen von Goldland. Er ist sehr krank, weißt du?<
>Oh, ein junger Prinz? Also dieser Weg hier führt nur noch zu einem See, dann geht es nicht mehr weiter. Du musst einen anderen Weg finden. Aber ich werde dich begleiten wenn ich darf.<
Natürlich durfte sie, und so gingen Timmy und die Prinzessin gemeinsam zurück zu der Lichtung um den vierten und letzten Weg zu versuchen.

Der letzte Weg war der schönste und einfachste den Timmy an diesem Tag gesehen hatte. Die Sonne schien wieder und allerlei Tiere tummelten sich abseits der Wege. Das merkwürdigste war ein Kater der einen Hut und Stiefel trug. Endlich kamen sie auf der anderen Seite wieder aus dem Wald heraus. Dort stand auf einem großen Feld ein hoher Turm mit einem Fenster ganz weit oben.
>Hier muss es das Heilmittel geben das der junge Prinz so sehr benötigt. Ich werde sogleich hineingehen und danach fragen<, sagte Timmy.
>Ich warte hier solange<, sagte die Prinzessin und hockte sich auf den Boden. Sie holte eine goldene Kugel hervor und begann sie auf und ab zu werfen. Timmy ging zu dem Turm und klopfte an die Türe. Es dauerte nicht lange, da erschien oben am Fenster ein alter Mann mit einem langen weißen Bart. Er beugte sich heraus und sah nach unten.
>Wer ist da?< rief der alte Mann.
>Hallo, ich bin Timmy aus Goldland. Ich bin gekommen um das Heilmittel zu holen das der Junge Prinz benötigt. Habt ihr es da?<
>Wie bitte?< rief der alte Mann. >Ich verstehe dich nicht. Weißt du, meine Ohren sind nicht mehr die besten. Am besten du kommst hoch und wir reden hier weiter.<
Daraufhin nahm der alte seinen Bart und warf ihn aus dem Fenster. Er hing bis zum Boden herab.
>Soll ich etwa an eurem Bart hochklettern?< fragte Timmy.
>Wie bitte?< rief der alte Mann. >Du musst an dem Bart zu mir hochklettern. Ich verstehe dich nicht wenn du so weit weg bist.<
Timmy wunderte sich zwar, kletterte dann jedoch an dem Bart hoch in den Turm zu dem Mann.
>Ahh, du bist sicher gekommen um mich zu retten was?<
>Wie meinst du das?<, fragte Timmy. >Wieso retten. Bist du eingesperrt?<
>Warum solltest du wohl sonst an meinem Bart hochklettern?<
Timmy kratzte sich am Kopf, das alles kam ihm sehr seltsam vor.
>Warum bist du denn eingesperrt, Alter Mann?< wollte Timmy wissen.
>Das weiß ich selbst nicht mehr. Ich weiß auch nicht wie lange ich schon hier eingesperrt bin, und wie ich überhaupt hier her kam.<
>Wie dem auch sei. Ich bin gekommen weil ich ein Heilmittel für den Jungen Prinzen von Goldland suche. Man sagte mir das ich es hier finden würde.<
>Hier?<, fragte der Alte Mann. >Hier soll es ein Heilmittel geben? Was denn für ein Heilmittel? Was hat der Prinz den Überhaupt?<
Jetzt fiel Timmy auf das er das selbst nicht so genau wusste. Es hieß zwar der Prinz wäre Krank, aber was er genau hatte, das wusste niemand so genau.
>Um Ehrlich zu sein<, gestand Timmy, >Das weiß ich selbst nicht so genau.<
Der Alte Mann begann zu lachen. >Ja, ja. So ist das. Da wird man weggeschickt ohne zu wissen warum. Aber Moment mal. Da fällt mir gerade was ein. Ich selbst bin doch der Prinz Fridolin von Goldland.<
>Aber ihr seid....<
>...alt? Ja, ich bin alt. Das stimmt. Und ich bin gar nicht krank. Mir geht es gut. Bestens. Nur hol mich aus diesem verdammten Turm raus. Das ist alles. Das Heilmittel wäre ein Schlüssel der das Tor unten öffnet, damit ich endlich raus kann.<
>Aber die Türe ist doch gar nicht zu, Prinz Fridolin<, sagte Timmy.
>Was?<, fragte der Prinz. >Die Türe ist nicht zu? Aber, ... dann habe ich ja ganz umsonst mein Leben hier oben verbracht.<
Dann begann der Prinz wie ein Irrer zu lachen. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lacht er noch heute.

Übrigens, Timmy heiratete die Prinzessin, gleich nachdem er ihre goldene Kugel aus dem Brunnen zurückgeholt hatte. Er verwandelte sich zwar in einen Frosch, aber das ist eine andere Geschichte...

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Der Beitrag wurde von Michael Speier auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.01.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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