Gerda Schmidt

Herr K. und das TissueKomplott 3.1.1

In Gedanken versunken suchte er seine Akten zusammen, die er zur Zeit bearbeitete. Er wollte ursprünglich die Steuernachzahlung der Apotheke am Bahnhofsplatz abschließen. Bei den beiden letzten Abrechnungen waren ihm verschiedene Fehlbuchungen aufgefallen, für die es keinen dazugehörigen Bon gab. Mit akribischer Kleinarbeit konnte er 11 von 13 Fällen als eindeutigen Steuerbetrug nachweisen. Ob die Krankenkasse ebenfalls falsch belastet wurde, war aber nicht daraus zu ersehen. In jedem dieser Fälle handelte es sich um eine Großpackung des bei Nierentransplantation verschriebenen Medikaments Nephrommun, die Packung zu 753.90€. Der Bericht sollte noch heute an seinen Chef gehen.

Nachdem ihm sein gegenüber sitzender Kollege bereits „Mahlzeit“ gewünscht und den Raum verlassen hatte, musste er sich beeilen, wenn er noch einen guten Platz in der Kantine bekommen wollte. Um diese Zeit pflegten nämlich die Breitfußindianer aus den 4 unteren Etagen das Personalrestaurant zu bevölkern. Zuerst musste er noch den Menüplan studieren. Er vermied es seit 6 Wochen Speisen zu wählen, die seinen empfindlichen Darmtrakt belasteten. Schon vor 2 Monaten konsultierte er einen Arzt, dessen Praxis außerhalb der Stadt lag. Es wäre ihm peinlich, wenn einer seiner Kollegen mitbekäme, dass er an myotischer Laktoseunverträglichkeit leide. Deshalb versuchte er auch jegliche mit Milchpulver angerührte Soße zu meiden. Es kamen auch nicht alle Speisen für ihn in Frage. So konnte er kein Bratenfleisch mit Knödeln und Rotkraut essen. Auch ein kräftiges Hirschgulasch mit Preiselbeeren, Spätzle und Maronengemüse schied aus. Sogar Spaghetti Bolognese zählte zu den vermeidbaren Gerichten. Problemlos konnte er ein Cordon bleu wählen, wobei er keine Pommes Frites mochte, weil sie zu fettig waren. Auch eine Lachstranche wäre ihm möglich gewesen zu wählen, wenn er die Remouladensoße wegließ, dann schmeckten ihm aber die grünen Nudeln nicht dazu. Auflauf schied aus, weil er keinen Käse mochte und Reis ohne Hühnerfrikassee war für ihn undenkbar.

An einem Donnerstag nach der Einnahme eines leichten Menüs, das aus Pfeffersteak mit Rahmsoße, Kroketten und Spinat bestand, verspürte er plötzlich den Drang sofort die Toilette aufzusuchen. Als erwachsener Mann ließ er sich jedoch nicht wie ein Konfirmand von seiner Verdauung herum kommandieren und wollte noch die bereits bezahlte Nachspeise in Form eines Apfelkompottes mit Sahnehäubchen und Zimtstaub genießen. Darauf hätte er besser verzichtet. Nachdem er seinem körpereigenen Drang nachgab und schleunigst in Richtung Toilette lief, musste er feststellen, dass alle drei Kabinen besetzt waren. Welche Qual ihn befiel und erst noch, als er die ersten Spuren in seiner Hose spürte. Kurz entschlossen verließ er das Gebäude, um auf der Rückseite zwischen den ungepflegten Sträuchern seine Notdurft zu verrichten. Niemand war zu sehen und in diesem Moment wäre es ihm sogar egal gewesen, wenn es stark geregnet hätte. Völlig erleichtert zog er sich die Hose wieder hoch, um wahrzunehmen, dass kleine Spuren bereits darin Platz genommen hatten.

Mit hochrotem Kopf beschloss er direkt in das nächste Kaufhaus zu gehen und sich einen Dreierpack Unterhosen zu kaufen. Eine wechselte er sofort auf der Kundentoilette und warf die Verschmutzte schweren Herzens in den Mülleimer. Er warf nicht so leichtfertig etwas weg, was noch einwandfrei war, doch konnte er schlecht das beschmutzte Unterbekleidungsstück mit in sein Büro nehmen.

Zurück an seinem Arbeitsplatz erwartete ihn sein Chef bereits und ermahnte ihn, die Mittagspause lang überzogen zu haben. Er habe dringend die Unterlagen der Anwaltskanzlei Berger & Wander gesucht und deshalb in Herrn K.s linker Schreibtischschublade danach gesucht. Zum Glück befand sich bei ihm nicht mehr als ein Taschenrechner, diverse Kugelschreiber und ein Lineal darin. Im zweiten Schubfach bewahrte er nur Tabellen und die aktuellen Vorschriften auf.

Sofort überkam ihn Übelkeit. Wenn er sich nur ausmalte, dass Herr Rotermund seine befleckte Unterhose darin gefunden hätte, was dieser von ihm dann dachte. Deshalb steckte er seine angefertigte Tabelle über die Hausbewohner und deren bekannte Fakten in seine Innenseite des Jacketts und eilte zum Essen. Trotzdem verweilte er in Gedanken daran, was er zu unternehmen gedachte. Der Feind konnte überall lauern. Nicht einmal an seiner Arbeitsstätte war er sicher.

Er hatte einen Plan.

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3.1 Trieb Herr K. und das Tissue-Komplott von Gerda Schmidt aus dem Geschichtenbaum bei kurzgeschichten-planet.de

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Gerda Schmidt, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.01.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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