Rolf Föll

Machopan - Dünnpfiff

Mein lieber Freund!

Eigentlich wollte ich mich ja nicht mehr aufregen.
Das hatte ich mir zum Jahreswechsel fest vorgenommen.

Aber dann kam es mit der Praxisgebühr ja gleich am 1. Januar hageldick. Es war ja nicht mehr zur ertragen. In allen Medien das Gleiche. Überall Schuldzuweisungen und es wurde gelogen, dass sich die Balken bogen. Es wurde gelogen, rumgefaselt, entschuldigt, erklärt, verniedlicht, dass es eine wahre Freude gewesen wäre, wenn das alles nicht wirklich nur noch zum Weinen wäre.

Jetzt hatte ich gedacht, ich hätte die Praxisgebühr und die Auswirkungen der Gesundheitsreform verdaut, ohne mir den Magen auspumpen lassen zu müssen oder ernsthaft an Dünnpfiff oder Brechreiz zu erkranken.

Da bekomme ich heute Post von meinem Steuerberater.
“Aus Steuer und Wirtschaft – Das Aktuelle Februar 2004“ heißt das meist sechsseitige Blättchen. Diese Ding bekomme ich jeden Monat und jeden Monat sind die neuesten und erstaunlichsten Steuergesetzänderungen drin.

Jetzt wird in diesem Blatt zum ersten Mal auf die Änderungen der “Großen vorgezogenen Steuerreform“ eingegangen, die sich die von uns gewählten Parteien im letzten Jahr mühevoll zusammengeschustert haben.

Haben Sie auch noch das Ohr voll, wie hervorragend entlastend sich diese Jahrhundertsteuerreform auf den Inhalt Ihres Geldbeutels auswirken wird. Sogar dem Kanzler war dies in seiner Neujahrsansprache einige lobende Worte wert.
Ich glaube, dass der Gerhard das neue Steuergesetz gar nicht kennt! Der hat uns einfach nur das “Wort zum Sonntag“ erzählt.

Und während wir noch gläubig darauf warten, dass sich bei der ersten Gehaltszahlung im neuen Jahr, die Prophezeiungen des Apostels Gerhard erfüllen, wird uns in Wirklichkeit ein noch größeres Loch in den Hosensack geschnippelt.

Oder können Sie sich daran erinnern, dass Ihnen Gerhard Schröder in der Sylvesternacht erzählt hat, dass

- die Steuerfreibeträge für Arbeitnehmer bei Abfindungen gesenkt werden
- die Arbeitnehmerfreibeträge bei Heirat und Geburt eines Kindes gesenkt werden
- die Freigrenze für Sachbezüge an Arbeitnehmer gesenkt werden
- die Freibeträge für Arbeitgeberrabatte gesenkt werden
- die Freibeträge für bestimmte Vermögensbeteiligungen gesenkt werden
- die Arbeitnehmersparzulage und der Arbeitnehmerpauschbetrag gesenkt wird
- Fahrtkostenzuschüsse des Arbeitgebers nicht mehr steuerfrei sind
- das der Sparerfreibetrag gesenkt wird
- die Wohnungsprämie gesenkt wird
- die Entfernungspauschale für Fahrten zur Arbeitsstätte gesenkt wird
- der Freibetrag für Sachprämien aus Kundenbindungsprogrammen gesenkt wird
- bei der Erbschaftssteuer der Freibetrag für Betriebsvermögen gesenkt wird, gleichzeitig aber der Steuerprozentsatz auf 65% angehoben wird
- TBC (hust, hust – das ist nicht die gefürchtete Lungenkrankheit, sondern “To Be Continued“, wie die Angelsachsen zu sagen pflegen)
Dazu kommen noch für Unternehmer umfangreiche, kleinlich-pingelige Vorschriften und Änderungen mit verheerenden Auswirkungen für die Verwaltung, die Geschäftabwicklung und den Schriftverkehr mit Kunden und Lieferanten.

Verbessert wird dieser ganze Mist auch nicht dadurch, dass endlich einige hirnrissig-schikanöse Vorschriften aus den Vorjahren korrigiert wurden.

Sie können sich wirklich nicht daran erinnern, dass Ihnen der Gerhard Schröder das erzählt hat?
Na, da sind Sie aber nicht alleine!

Sie waren am Sylvesterabend auch nicht schon so sturzbetrunken oder leiden gar an Alzheimer Krankheit!
Der Gerhard hat Ihnen das einfach nicht erzählt!

Ich kann Ihnen sagen was er Ihnen erzählt hat:

«Bereits ab Neujahr treten zahlreiche Änderungen in Kraft, die wir im Rahmen der Agenda 2010 vereinbart haben. Mir war bei diesen Änderungen wichtig, dass ab morgen auch die Steuern für alle weiter gesenkt werden. So kann der wirtschaftliche Aufschwung, der sich bereits deutlich abzeichnet, an Fahrt gewinnen»

Genauso steht es in seinem Redemanuskript, das bei www.bundeskanzler.de nachgelesen werden kann.

Was macht man mit einem Mann, der uns (nicht nur) in der Sylvesternacht so schamlos anlügt, während wir damit beschäftigt sind mit den besten Vorsätzen ins neue Jahr zu gehen?

Als alten Fußballer juckt es mich gewaltig im Schussbein.
Ich würde am liebsten mit diesem Bein ausholen und den lieben Gerhardt ganz gewaltig dahin treten, wo er sich hinsetzt, wenn er Dünnpfiff hat. Dadurch bekommt der Gerhard garantiert soviel Aufschwung, dass ihm die reine Flugzeit sicher bis in die Kabine reicht.

Mit sportlichen Grüßen

Machopan

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Rolf Föll).
Der Beitrag wurde von Rolf Föll auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.01.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Rolf Föll als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Den Wind jagen: Haiku von Heike Gewi



Alle Haiku-Gedichte in "Den Wind jagen" von Heike Gewi sind im Zeitraum von Januar 2008 bis 2012 entstanden und, bis auf einige Ausnahmen, als Beiträge zur World Kigo Database zu verstehen. Betreiberin dieser ungewöhnlichen Datenbank ist Frau Gabi Greve. Mit ihrer Anleitung konnte das Jemen-Saijiki (Yemen-Saijiki) systematisch nach Jahreszeitworten für Bildungszwecke erstellt werden. Dieses Jahr, 2013, hat die Autorin die Beiträge ins Deutsche übersetzt, zusammengefasst und in Buchform gebracht. Bei den Übersetzungsarbeiten hat die Autorin Einheimische befragt und dabei kuriose Antworten wie "Blaue Blume – Gelber Vogel." erhalten. "Den Wind jagen" heißt auch, Dinge zu entdecken, die sich hoffentlich nie ändern. Ein fast unmögliches Unterfangen und doch gelingt es diesen Haikus Momente und zeitlose Gedanken in wenigen Worten einzufangen und nun in dieser Übersetzung auch für deutschsprachige Leser zugänglich zu machen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Gesellschaftskritisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Rolf Föll

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Machopan - Laster von Rolf Föll (Wie das Leben so spielt)
irgend etwas ist anders, als sonst ! von Egbert Schmitt (Gesellschaftskritisches)
Der Brief von Gott von Klaus-D. Heid (Weihnachten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen