Joana Angelides

Tagebucheintragung 1. Tag


Dunkelblaue Nächte

Liebster, ich hoffe sehr, dein Flug war angenehm und du bist gut angekommen. Den ganzen Tag habe ich an dich gedacht. Trotzdem im Büro heute wieder alles so hektisch war.

Du bist nun so weit weg und das mit dem Telefonieren ist auch sehr schwierig, wie sich heute herausgestellt hat. Die Zeitverschiebung tut dann das Übrige und ich vergehe vor Sehnsucht nach deiner Stimme, einer Berührung von dir.
Wenn ich nun zu Bett gehe und der Platz neben mir wird leer sein, werde ich mich zusammenrollen und die Augen schließen.

Meine Fantasie und auch teilweise meine Erinnerung an die vergangenen Nächte mit dir werden mir dann die schönsten Bilder vorgaukeln.

Es ist so, daß Liebende natürlich immer das Bedürfnis haben, sich nahe zu sein. Ich, z.b., will im Halbdunkel deine Hände auf meiner Haut spüren, deinen Atem im Gesicht, am Hals und zwischen dem Haaransatz und dem Nacken. Dort stellen sich dann meine ganz feinen Haare auf und erzeugen ein kribbelndes Gefühl und die Kopfhaut zieht sich zusammen. So ist das immer wieder bei mir.

Dann werde ich meine Augen schließen und spüren, wie deine gespreizten Finger in meinem Haar langsam versinken. Wie du es immer wieder so zärtlich machst! Deine Fingerkuppen berühren dann imaginär meine Kopfhaut und tausend Sterne werden hinter meinen geschlossenen Augenlidern aufglühen.
Dann werde ich deinen sinnlichen Mund auf meiner Haut nach meinen Lippen suchend spüren, sie werden über meine Wangen streichen und ich öffne schon, noch bevor du ganz dort bist, meine Lippen erwartungsvoll. Die Spannung wird fast unerträglich sein!

Ich werde mir dann vorstellen, du siehst mir in die Augen, ganz tief und erforscht meine Gefühle, meine Empfindungen. Dann werde ich mich nach deinen Fingerspitzen sehnen, auch nach deine Fingerkuppen, die meinen Körper erforschen, jede Regung registrieren. Die tief in meine Erregung tauchen und mich so lange behutsam berühren, bis ich zu seufzen beginne. Dann werde ich deine Haut mit meinen Lippen berühren, dich ebenfalls zum erzittern bringen, deine Erregung, dein Begehren spüren.

Ich werde mir vorstellen, daß sich unsere Körper erwärmen werden, der Duft unserer Haut sich vereinen wird , und sie sich aneinander reiben werden und es in Gedanken genießen.

Meine Gefühle werden langsam von meinem ganzen Körper Besitz ergreifen und mich zum Wahnsinn treiben, mich auf eine ungeahnte Höhe heben, mir den dunklen Himmel mit abertausenden Sternen zeigen und mich sterben lassen, wie einen schwarzen Stern. Doch vorher werde ich in das Universum eintauchen und in einem Sternenschauer verglühen.

Dann werde ich mir wünschen, daß du mich wie immer sanft in den Arm nimmst.

Ich würde heute abend so gerne mit dir hier irgendwo sitzen, angelehnt an die Kacheln des Kamins im Wohnzimmer oder an unseren großen Kuschel-Polster, über dieses und jenes sprechen, mit dir flüstern. Ich würde gerne die Wärme deines Brustkorbes spüren, deine Arme um mich herum geschlagen und vielleicht zu unseren Füßen wie immer, zwei Gläser mit Rotwein stehen haben. Wir könnten über den heutigen Tag sprechen, über irgendwelche Ereignisse lachen und dann wieder schweigen oder uns küssen.

Irgendwann würden wir dann zu Bett gehen.

Die Nächte, in denen wir zusammen die Weichheit und Tiefe der Gefühle ausloten, gehen in die Ewigkeit unserer Empfindungen ein, sie bleiben uns in Erinnerung. Wir erinnern uns dann nicht an jede einzelne Nacht, doch es sind einzelne Schleier des Glückes, die für uns die Abschirmung nach Außen bilden, die das Häßliche abwehren und nur uns Liebenden gehört.

Diese Schleier bilden für mich ein dunkelblaues Zelt, spitz zulaufend nach oben, die Seitenwände bewegen sich im Wind und doch sind wir sind abgeschirmt gegen neugierige Blicke von außen. Aber auch wir können nicht sehen, was sich draußen abspielt und wollen es auch gar nicht.

Du weißt, für mich ist die Farbe Blau in allen Schattierungen, eine sehr wichtige Farbe. Die Tage sind hellblau, mit einigen weißen Wolken, denen man seine Träume mitgeben kann. Die Wolken zerrinnen dann am Himmel und die Träume sind weg, oder sie haben ihr Ziel erreicht. Die Nächte jedoch sind dunkelblau, weich und mit Sternen übersät, die geheimnisvoll, verheißungsvoll blinken und diese Unendlichkeit in Blau ist wie eine Decke, die alles zudeckt. Sie läßt immer alle Dinge in diesem unseren halbdunklen Raum nur als Schatten erscheinen, alles Grelle und Harte erscheint uns weit weg.

In diesem dunklen Blau der Nacht können wir unsere Gedanken und Wünsche ausbreiten, wir können mit den Fingerspitzen Körper berühren, darüber streichen, die nur in unserer Phantasie existieren. Wenn du da bist, haben wir das Glück, daß sie tatsächlich und real sind.

Ich stelle mir auch vor, ich werde dein Gesicht mit der Innenseite meiner geöffneten Hände berühren und dich ganz zu mir ziehen, um dir ganz nahe zu sein. Ich werde mich heute Nacht in Gedanken immer wieder in deine Arme begeben und den Tag ausklingen lassen, ich zwinge den Traum meinen Wünschen zu folgen.

Ich, dein Pfauenauge, liebe Dich


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.02.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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