Klaus-D. Heid

Der Lohn der Sünde

Martinsen griff sich an die Brust. Wieder diese unerträglichen Schmerzen. Wieder dieses Gefühl, von einem eisernen Ring umgeben zu sein, der sein Herz langsam aber sicher zusammenpresste, bis es nur noch ein nutzloser schlaffer Fleischklumpen in seinem Brustkorb war. Mit der linken Hand stützte Martinsen sich an der Wand ab, während er mit der rechten Hand das fette Fleisch über seinem Herzen massierte. Er knetete das weiche Gewebe und verfluchte seine krankhafte Fresslust. War jetzt der Augenblick gekommen, in dem er sich ein für alle Mal von dieser Welt verabschieden musste? War es soweit? Hatte der Tod bereits seine Hände nach ihm ausgestreckt, um ihn zu sich zu holen? Die Schmerzen in Martinsens Brust nahmen an Intensität zu. Der Mann, der in zwei Wochen seinen fünfundvierzigsten Geburtstag feiern wollte, wischte sich kalten Schweiß von der Stirn. Sein Atem beschleunigte sich. Gleichzeitig weigerte sich seine Lunge, die Mengen Luft aufzunehmen, die Martinsen mit weit geöffnetem Mund einzuatmen versuchte. Die Angst vor dem Tod, der ihn bereits erwartungsvoll angrinste, verdoppelte noch einmal den Schlagrhythmus seines gequälten Herzens. Unter Aufbringung seiner letzten Kräfte schleppte sich Martinsen auf den unbequemen Stuhl, um nicht wie ein nasser Sack auf den Boden zu fallen. „Ich will noch nicht...!“ stammelte er, während er versuchte, seinen hechelnden Atem unter Kontrolle zu bringen. „...nicht Heute, Du verdammter Sensenmann!“ Von Martinsens Kopf tropften bereits Schweißtropfen auf die weiße Tischdecke. Sein Unterbewusstsein wehrte sich mit übermenschlicher Kraft dagegen, dem Drängen des Sensenmannes nachzugeben und sich einfach in ein bodenloses schwarzes Loch fallen zu lassen. Mit jedem Gramm seiner zweihundert Kilo Körpergewicht verweigerte Martinsen sich dem Schicksal, das ihn bereits fest im Griff hatte. Der schwammige Körper verkrampfte sich, wehrte sich – und bäumte sich gegen das Ende auf. Die dicken kurzen Finger an Martinsens Händen klebten schweißnass an der Tischdecke und hinterließen auf dem Baumwollstoff unansehnliche Flecken, als Martinsen seine Hände wieder auf die Brust presste. Ein weißgekleideter Mann postierte sich neben Martinsen. „Sind die Engel also doch männlich...?“ schoss es ihm durch den Kopf, während er versuchte, sich der Gestalt an seiner rechten Seite zuzuwenden. Aus halb zusammengekniffenen Augen, die sich tief in den Fettwülsten seines Gesichts versteckten, sah Martinsen das weiße Wesen mit ängstlicher Erwartung an.

„Haben Sie bereits gewählt, Herr Martinsen?“

„Das Eisbein... bitte. ...mit Petersilienkartoffeln... und Sauerkraut...“

Eigentlich wollte Martinsen noch ein Dessert bestellen – aber sein Kopf war bereits hart auf die Tischplatte gefallen. Martinsens mächtige Arme hingen schlaff und leblos an ihm herunter, während der Kellner die Bestellung notierte. Anschließend machte sich der Kellner humpelnd auf den Weg in die Küche. Keiner der anderen Gäste bemerkte, dass es ein behaarter Pferdefuß war, der den Kellner beim Gehen behinderte...

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