Günter Merk

Der Punk

Während ich hier sitze in der Zelle auf dem 3.Revier und noch immer nicht begreife was passiert ist, höre ich den Beamten am Telefon triumphieren:"Das ist er, kein Zweifel, Herr Kommissar, die Beschreibung, die Indizien, alles passt zusammen".
Nein, für mich passte nichts mehr zusammen. Vor drei Wochen war es, als ich den Gedanken fasste, einen perfekten Bankraub zu starten. Meine Ulrike wusste von nichts - Weiber quatschen. Ein Raub und dann Schluß. 50-100 Mille, dann wären wir vorerst saniert. Wir hatten vor zwei Jahren gebaut und uns verrechnet, ich wusste weder ein noch aus, es war eine Verzweiflungstat. Pardon, es sollte eine Verzweiflungstat werden, denn ob ihr es glaubt oder nicht, ich bin unschuldig.
Bei meinen Vorbereitungen ging ich äußerst penibel vor. So hatte ich mir eine Bank ganz in unserer Nähe ausgesucht, um danach keine langen Fluchtwege zu haben, und mich in bekannten Terrain bewegen würde. Die Zweigstelle war nicht groß, also übersichtlich; trotzdem mussten um den ersten große Bargeldbestände vorhanden sein, da die Bewohner des nahen Seniorenheimes in der Mehrzahl das Bargeld am Schalter holten. Man kennt ja die Grufties. Doch das Coolste war mein Outfit, wenn ich das so sagen darf. Ich wollte mich kurz vor dem Showdown als Punk zurechtmachen, nicht mit Maske, aber mit gefärbten Haaren, Ohrclipsen und alter Lederjacke. Genau so schnell wieder weg wie dran. Dazu müsst ihr wissen, dass ich als gesetzter Endvierziger alles andere als ein Reservepunk bin. Genau das wars auch was mich daran reizte. Die Identifizierung sollte äußert erschwert werden, wenn ich das mal so sagen darf. Doch es sollte ganz anders kommen.
Um nichts zu vergessen, führte ich genau Buch über das was schon erledigt war und das was noch zu tun wäre, schließlich bin ich ja Buchhalter, haha. Leider stellte ich nach und nach fest, daß es noch etliche Ungereimtheiten gab. Wo sollte ich-natürlich nur zur Abschreckung- eine Knarre herbekommen, wo waren die Alarmeinrichtungen der Bank und welche gab es überhaupt, wie reagieren die Angestellten, haben sie Anweisungen? Wie lange dauert es gemeinhin bis die Bullen aufkreuzen usw. Kurz und gut, ich benötigte fachkundigen Rat. Im Milieu kannte ich mich nicht aus, also postierte ich mich kurzerhand vor den Entlassungstoren unseres städtischen Freiheitsentzugsgebäudes und wurde schnell fündig. Theo war Profi, jedenfalls tat er so. Er wusste alles, leider hat es mit der Praxis nicht immer geklappt, so daß er einen Großteil seines Daseins hinter schwedischen Gardinen verbrachte. Doch die Ausführung würde ich übernehmen, er sollte nur erzählen was er wusste. Theo war über sechzig, und er wollte sich schon zur Ruhe setzen, wie er sagte. Die Zeiten seien für Leute wie ihn nicht mehr rosig, heute wird mit Betrügereien viel mehr Kohle gemacht. Theo fand meinen Plan ganz gut und gab sein bestes diesen noch zu verfeinern. Ich dachte mir auch absolut nichts dabei ihn auch in Einzelheiten einzuweihen. Nach erfolgtem Coup sollte er 10% abkriegen, als Rentenaufbesserung sozusagen. "Besorg du dir nur ein Alibi zu der Zeit" ließ ich ihn wissen.
Als der Tag die Stunde näher rückte, spürte ich eine starke Nervosität in mir. Hatte ich auch alles bedacht? Was, wenn ein Kunde in der Bank verrückt spielte, oder ein Angestellter nicht wie erwartet reagierte? Doch es war schon zu spät, ich konnte, ich wollte nicht mehr aussteigen. Meine Frau schöpfte keinen Verdacht als ich eine halbe Stunde früher als gewöhnlich zur Arbeit aufbrach. Gleitzeit nennt man das. Einen Kollegen hatte ich gebeten für mich die Uhr eine Stunde früher zu bedienen. Ja, wir haben ein gutes Betriebsklima. Ich war genau im Zeitplan, den ich mir zurechtgelegt hatte, als ich mich in der Nähe der Bank hinter hohen Hecken verkleidete. Wie ich mein Fahrrad bestieg und die Utensilien im Rucksack verstaut hatte fühlte ich mich alles andere als ein Punk, aber darauf kam es jetzt nicht an, Hauptsache unerkannt. Langsam radelte ich durch die Seitenstraße, die nach 200m schräg gegenüber der Bank in die Hauptstraße unseres Stadtteils mündete, und ich war mir plötzlich ganz sicher, daß es gut gehen würde. Es war dieses Alles- oder Nichtsgefühl das mich überkam.
Noch 60 m, dann würde ich um die Straße biegen und die Bank sehen. Auf einmal: Sirenengeheul, Polizei. Was war geschehen? Es mußte irgendwo was passiert sein, und verdammt nochmal, sie fuhren gerade jetzt hier vorbei, fuhr es mir durch den Sinn. Ich bog in die Straße ein, und erstarrte: drei Streifenwagen standen vor der Bank, und im Durcheinander konnte ich nicht sehen was geschehen war. Ruhig bleiben sagte ich zu mir, jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, es wäre das Dümmste, wenn ich jetzt weglaufen würde, denn schließlich bin ich nichts anderes als ein unbeteiligter Passant, der zufällig an dieser Bank vorbeikommt. Während ich ahnungslos näherkam und noch immer rätselte, kam ein mir bekannter Bankangestellter aufgeregt und gestikulierend heraus und redete auf einen Polizisten ein.
Da traf mich zufällig sein Blick. Ich stand kaum 10m von ihm weg. Und noch nervöser schrie er: "das ist er Herr Wachtmeister, der Punk dort hat die Bank ausgeraubt". Ich war wie vom Donner gerührt, und bevor ich mich versah, war ich auch schon in die grüne Minna verfrachtet. Alle Bankangestellten identifizierten mich später bei einer Gegenüberstellung als den Mann, der kurz vor meinem Eintreffen 70000 geraubt hatte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.01.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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