Helena Ugrenovic

Servela Promis

Haben Sie sich schon einmal überlegt, was die Welt ohne Prominenz wäre? Eine langweilige Kugel, deren Naturkatastrophen, sich verschiebende Kontinente, absaufende Inseln, sterbende Flora und Fauna, medienträchtige Kriege oder unheilbare Krankheiten im Vergleich zu einem Promileben genau so überflüssig sind, wie eine alte, stinkende Socke.

Ui! Hakan Yakin, Schweizer Profifussballer und Vorzeige-Ausländer, spielt Golf! Ist sogar schon beim 18ten Loch gestanden, so jedenfalls, verkündete es eines der hiesigen Lokalblättchen. Und ein paar Tage später, flimmerte er zusammen mit Brüderchen Murat, auch Schweizer Profikicker, auch Vorzeige-Ausländer, beim Outdoor-Golfen über die Mattscheiben der regionalen Fernsehkisten. Irgendwo im Elsass, in trauter Runde wichtiger, elegant gekleideter und elitärer Menschen, die mit einem Cüpli in der Hand in der faszinierenden Welt der Rabbits, Proffesionals, Handicaps, Holes und Putter versanken. Meine Nachbarin aus dem zweiten Stock, Frau Schwendimann, meinte dazu herblassend, man könne so ein wunderschönes Plätzli viel besser nutzen, ihr Gatte habe das auch gesagt. Als militärisch aktiver und disziplinierter Eidgenosse sähe sein Plan zum Beispiel vor, den Golfplatz weg zu baggern und stattdessen eine französische Produktionsfirma zu errichten. Damit könne man einen Teil der schweizerische-Grenzgebiete-überfüllenden-und-Jobs-klauenden-Franzosen wieder zurück spedieren und hätte automatisch mehr Arbeitsplätze für Schweizerbürger. Jawoll. Murat und Hakan seien ihr und ihrem Gatten nie besonders sympathisch gewesen. Bei den Türken wisse schliesslich jedes Kind, wie stark die Wurzeln des Islams und der Familientradition wogen. Mehr als ein mit Sumo-Ringern vollgestopftes Maracana-Stadion. Zeigen die beiden zudem nicht permanent, wie stark sie am Rockzipfel ihrer Dreirad fahrenden Mami hängen? Eben. Zubi, Clubgenosse und Profi-Torhüter, ja, Zubi sei ihr viel sympathischer. Sie habe ihm sogar schon einmal die Hand geschüttelt und ausserdem verplempere der seine Zeit nicht irgendwo auf einem dämlichen Golfplatz, der eigentlich eine Produktionsfirma sein müsste, sondern in Dubai, bei den Arabern. Ein mutiger Mann und wahrer Held. Wie Wilhelm Tell. Der hätte sich auch nicht davon abschrecken lassen, dass vielleicht Terroristen hinter den luxuriösen Sanddünnen hocken. Hätte ihnen einfach die Rübe vom Hals und nicht nur den Apfel vom Kopf geschossen. Mit schweizerischer Präzisionsarbeit.

Sie müsse mir unbedingt die Sache mit Maria erzählen, flüsterte Frau Schwendimann verschwörerisch. Maria Walliser sei eine wirklich landestreue Seele. Nicht genug damit, wie sie als Profi-Skiläuferin haufenweise Medaillen abgesahnt hätte, nein! Jetzt sei sie sogar auf einen riesigen und gefährlichen Berg geklettert, gopfridschtutz! Steine habe es gesammelt, das bescheidene und rotbäckige Meitschi, einfache Steine, man stelle sich das mal vor! Keine EDEL-Steine, nein, sondern Graue, Weisse und Hundsnormale. Sie habe Herr Schwendimann schon immer gesagt, dass die Maria nicht so eine ist, wie Gigi Oehri. Diese blondierte Schoggi-Osterhäsin, die damit protze, mit ihrem Privatjet in nur 13 Minuten von Basel nach Gstaad zu einem Gala-Anlass geflogen zu sein und vor Geld nur so strotze. Bergeweise, versenke sie es im Tor des FCB. Ihrer Haut täte es besser, sich wie Maria von der Höhensonne bräunen zu lassen, als dort oben herumzufliegen, die propenvollen schweizerischen Luftstrassen noch mehr zu verstopfen und unsere Umwelt mit den Abgasen ihrer Propeller-Büchse zu verschmutzen. Da mag sie Trudie Götz, die Boutiquen-Königin, schon viel lieber, obwohl man gewisse Ähnlichkeiten mit Gigi nicht verleugnen könne. Trudie mache schliesslich etwas für die Menschen, das habe sie gelesen. Jo Dü, denn Trudie, Trudie liege das Wohlbefinden der Menschen sehr am Herzen, obwohl sie, Frau Schwendimann, sich nie die Klamotten kaufen könne, von denen Trudie beteuerte, sie bürgten für das grösste Glück des Einzelnen. Aber Herr Schwendimann habe sie lieb getröstet und versichert „Do chasch nüt mache schatz! Usserdem isch nit immer alles gold was glänzt!“ Genau. Man sollte bodenständig und immer sich selber bleiben oder wieder finden. So wie Nadine Vinzenz, die schöne Ex-Miss Schweiz. Nur checke sie etwas nicht, grübelte Frau Schwendimann ratlos. Nadine hätte beim Krönli aufsetzen gesagt, sie sei schon sie selber. Wortwörtlich habe sie beteuert: “Ich wott miich sälber bliibä!“ Warum aber, jesses Maria, sage sie jetzt plötzlich, sie habe sich jetzt nach der Trennung von ihrem Freund wieder gefunden? Na ja, egal was Nadinli damit gemeint habe, könnten sich die jungen Dinger von heute in Punkto Verhütung ein Beispiel an ihr nehmen, denn Nadine hätte immer ein kleines Dings-Bumbs in ihrem Handtäschli. Ein verantwortungsvolles und diskretes Meitli, dass sogar im Ausgang die passende Versicherung mitnehme und sich in der Öffentlichkeit nur „äs birebitz“ über ihre One-Night-Stands und sexuellen Vorlieben äussere. Und überhaupt, so Frau Schwendimann, stelle sie fest, dass es bei den ausländischen Promi-Kollegen diesbezüglich viel hemmungsloser und ungezügelter zugehe als bei den landesinternen Stars und Sternchen. Das reinste Babylon, die sollten sich was schämen! Empörend und peinlich, wie Angelina Jolie mit ihrem, schon ein Jahr lang andauernden und ungestillten Sexleben, dermassen schamlos hausieren gehe und noch lautstark betone, dem nächsten Mann gehe es so richtig an Kopf und Kragen. Herr Schwendimann musste daraufhin sogar seine Krawatte mit den herzigen Säuli lockern und sie habe eine ganze Packung Nastüechli gebraucht, um ihm den Schweiss vom Gesicht zu tupfen. Wobei Angelina noch zu den harmloseren in der Truppe triebgesteuerter amerikanischer Schauspieler zähle. Zum Beispiel Bruce Willis, keifte Frau Schwendimann, Bruce Willis, von ihr vergöttert, weil er ihrer Meinung nach damals mit Demi das perfekte Pärli symbolisiert habe, der hätte den Vogel bei weitem abgeschossen! Nichts Besseres hätte er zu tun gewusst, als sich im Whirlpool von P. Diddy mit der blonden und alternden Tussi aus Sex in the City zu vergnügen. Und warum dieser jetzt, potztusig, plötzlich P. Diddy und nicht mehr Puff Daddy heisse? Verstehe einer die Welt. Wie soll unsereins denn da noch folgen können? Aber sie, Frau Schwendimann, habe vorgesorgt und sich abgesichert. Als exklusives Mitglied einer Promi-Zeitschrift, erhalte sie ihre Informationen brühwarm und druckfrisch, denn Information sei schliesslich das halbe Leben. Überhaupt sei es auch kein Wunder, habe sich Demi jetzt ein 400´000 Dollar teures Ganzkörperlifting geleistet und sich absaugen, aufspritzen und vollpumpen lassen. Sollte sie etwa das gleiche Schicksal wie die arme Liza Minnelli erleiden und zum vierten Mal geschieden werden? Ne-neij bürschtli, so nöd, so funktioniere das garantiert nicht. Nicht mit mir, habe sie dem verdutzten Herr Schwendimann gesagt. Sie kenne ihre Rechte im Falle einer Scheidung ganz genau und Herr Schwendimann habe sich die Krawatte gleich wieder fest um den Hals geschnürt. Ob ich die Frau aus der Migros kenne? Die mit den kurzen schwarzen Haaren, die an der Kasse des Kundendienstes stehe und die Leute immer so lieb anlächle? Na ja, es stehe zwar nicht in ihrem Promi-Newsletter, aber sie habe gehört, diese Frau sei sehr krank, oh jeh mineh. Hueresiech, wie war nochmal der Name? Ob ich wisse, wie sie heisse?

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