René Lantzsch

Ort meiner Träume

Als ich heute früh die ersten Sonnenstrahlen durch mein Fenster auf den Fußboden scheinen sah, konnte ich kaum meine Augenlieder öffnen. Es war Samstag und ich war noch sehr müde, deshalb hätte es mir auch nichts ausgemacht, nochmals einzuschlafen. Aber je mehr ich dies versuchte, um so lauter erschienen mir die Geräusche der Straße, von denen ich mich einfach nicht ablenken konnte. Vereinzelt hörte ich das Lachen und die Stimmen kleiner Kinder, die im Schnee zu spielen schienen. Nach einem leisen Gähnen, mit dem meine letzte Müdigkeit zu entfliehen begann, stand ich auf und ging zur Terrasse. Hier bemerkte ich erst richtig, wie weihnachtlich die geschmückte Stadt in ihrem vollem Glanz erschien. Die Straße war vom Gedränge der Autos fast gar nicht mehr zu sehen und jeder schien noch hastig ein paar letzte Geschenke ergattern zu wollen. Nach einer Tasse Tee ging ich aus dem Haus, ohne zu wissen, wo ich eigentlich hinwollte. Ich dachte mir, ich gehe ein bisschen durch die Stadt, um mich zu entspannen. Um dem Getümmel der Menschen zu entfliehen, zog es mich in den Wald am Stadtrand, in dem ich mich zuvor noch nicht begeben hatte. Ich bemerkte zum ersten mal, wie atemberaubend schön es hier ist. Unter dem Schnee, der den Wald in leuchtendes Weiß einhüllte, sah man vereinzelt noch das Laub, mit dem der Herbst den Boden bedeckte. Durch die wenigen Sonnenstrahlen, die sich durchs Geäst der hohen Bäume winden konnten, wurde der Wald in einen kalten Glanz gehüllt. Nach einer Weile, als meine Fingerspitze wegen der stechenden Kälte zu schmerzen begannen, setzte ich mich auf einen Baumstumpf, der zu einer Hälfte von einem zerrissenen Schatten bedeckt war. Ich zog meine Handschuhe aus und blies in meine offene Hand. Der Rauch meines Atems verschmolz mit der frischen Winterluft, die mich umgab. Ich saß noch eine ganze Weile und dachte darüber nach, warum ich vorher noch nie hierher kam, um die Landschaft zu genießen. Plötzlich folgten einer Schneeflocke, die auf meiner Nase landete, tausend andere. Es fing an zu schneien und ich entschloss mich dazu, wieder heimzukehren. Mit meinen nach Wärme flehenden Händen in der Tasche ging ich nachdenklich in Richtung Stadt, wo mich die aufgeregte Menschenmenge nochmals umgab. Als ich durch die Tür meines Hauses gegangen war, bemerkte ich, dass ich irgend etwas vergessen haben muss. Es waren meine Handschuhe, die ich neben den Baumstumpf gelegt habe. Ich war jedoch viel zu müde, um noch einmal zurückzukehren, also ruhte ich mich sitzend auf der Kante meines Bettes aus. Danach bin ich wohl eingeschlafen, denn ich wachte auf und sah auf die Uhr, worauf ich erschrak, denn es war genau so spät wie heute früh, als ich aufgestanden bin. Und noch mehr verwirrte mich, dass meine Handschuhe auf dem Stuhl an der Wand lagen. Kann es sein, dass das wirklich alles nur ein Traum war? Nein, es war nicht nur ein Traum, es war ein schöner Traum, also machte ich mich nach einer Tasse Tee erneut auf den Weg zum Ort meiner Träume.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (René Lantzsch).
Der Beitrag wurde von René Lantzsch auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.03.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  René Lantzsch als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Roathauberl, da Tatschgakini und ihre Freind von Jannes Krinner



Althergebrachte Märchen in steirischer Mundart lyrisch erzählt: Durch seinen Wortwitz und die überraschenden Pointen werden die Märchengedichte von Jannes Krinner zu einem originellen Lesevergnügen - nicht nur für SteirerInnen.

Die Illustrationen des Steirischen Künstlers Hans-Jörg Fürpaß erhellen zudem den imaginativen Raum des Buches - und laden die Leserin und den Leser ein, darin auch zu verweilen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von René Lantzsch

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Sophia und Amy von René Lantzsch (Liebesgeschichten)
Mein ganz persönlicher Selbsmord von Carrie Winter (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Flaumis Entscheidung von Helga Edelsfeld (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen