Horst Ditz

Läuterung

Der Himmel zerfetzte die Zeit, riss sie auf wie die empfindsame Haut der Moabiter. Loveman verwies mich auf die Erde als Schatten eines Fisches vor Lots Frau geworfen, die als Kristallsäule aus Alkalichloriden dem Meer entwuchs.

Ich stürzte wie eine mit zerknitterten Notizzetteln vollgestopfte Krähe zwischen das Davor und Dahinter des erfahrbaren Raumes Ich sank leicht wie eine Flaumfeder durch Energiefelder, rundum rieselten mattgelbe Schwefelkristalle und ein riesiges Flammenmeer begleitete mich auf meinem Weg zur Erde hin. Feuer verzehrte meine goldnen Schuppen, die mir die dichter werdende Atmosphäre vom Leibe gestreift wie die Tage des unermüdlichen Kalenders.
Mein Sturz wurde rasendschnell und setzte sich fort durch riesige Wolkenfelder, während die Tränen mit aderlosen Köpfen gen Himmel aufstiegen, um Loveman wegen ihrer Sünden zu bestürmen. Ich aber sackte ab, verlor immer mehr an Höhe und trudelte nackt vorbei an der Arche des Propheten, in die sich die Menschen geflüchtet hatten und alle Kreaturen, denen ich zum Gespött wurde.
Mir fiel auf, dass der Arche der Bergrücken entzogen worden war, der sie einmal getragen haben musste. Sie schwebte frei im Raume, hing sich selbst auf an fasrigen Leinenfäden und an Wolken befestigt überm leichten Lehmwerk Erde.
Ich erwartete das Zerschmettern meiner Glieder beim Aufprall, aber ein gelbes, übel riechendes Gasgemisch aus Ammoniak und Stickoxiden bremste die Bewegung ab und ich landete als Schatten eines seiner Schuppen beraubten Stör-Fisches auf dem Wasser des bodenlosen Meeres, das noch immer nicht abgeflossen und erfüllt war mit dem Leid der versäumten Reue und Buße der Sodomiter.
Neben mir perlte der Regen donnernd auf die Wasser des Meeres nieder und ich fand niemand als den Wind, der sich leise mit dem flammenden Feuer unterhielt, das zischend und fauchend auf die Erde niederging wie die brennenden Zweifel des Salzes sich über Salinen breiten. Bis ich an Land kroch, wo mir die Glut heftig in die Flossen stach und sich an meinem Körper entlang tastete, aber nicht weh tat. Ich befürchtete jedoch, am Odem meines Lebens zu ersticken. Da erlosch das Feuer über den Fluten und dem gebrochenen Sand der Zeit.
Übers Ufer traten die Schatten der Steine, die von dem Bergmassiv übrig geblieben waren. Und das Land war befreit von denen, die durch die Wüste gezogen. Ich war allein wie die Gestirne hinter der Sonne. Nur der müde Atem der Entrechteten füllte die Segel der Toten-Schiffe und trieb diese über den Horizont hinaus gegen den regenverhangenen Himmel, worin das Leben mit dem Tode tanzte und die Lebensfreude die verblassten Pflanzen verführte, wo die vergessenen Uhren Fassaden der mächtig gewordenen Zeit errichteten. Ich sah die Höhlungen befleckt und die Tage mit überflutendem Haar aus Blut in die geöffneten Schächte schwarzer Löcher stürzen.
Lüsternheit hatte die Anziehung der Mädchen verkümmern lassen, sodann dem Elend und der Besinnung das Tor zum lebendigen Dasein eröffnet. Was nicht erlaubt war, wurde erzwungen, die Begräbnisse auf den Jahrestag der entbrannten Hemmnisse verschoben und die Toleranz den Unsitten unterworfen.
Leicht glitt ich neben der Schönheit niedriger Instinkte über die befreiten Kalksteine zu dem Wasser der Läuterung, um sich einzuordnen und der Unterordnung Lovemans zu folgen. Ich sah den Hass gekleidet mit dem Mantel des Neides die Liebe vernichten, die ausgehöhlte Wahrheit sich verleugnen, die schönen aber bedeutungslosen Worte dem heißen Blut der Nächte entfliehen und die Wurzeln Grabkreuze aufrichten.
Doch da flammte die Feuersglut aus den Schlünden der poröse gewordenen Erde hervor und verbrannte die Sünden der zur Arche Geflohenen, und eine lautlose, krächzende Musik durchdrang die folgende Nacht, nach deren Vergehen ich eine tote Landschaft draußen auf den Wellen des Meeres entdeckte. Niemand war darauf, außer einer blühenden Rose, die als wucherndes Gewächs aus bunten Federn ins Unermessliche wuchs.
Ich befand mich plötzlich daneben in einem steilen Bach, der zum Meer hin sich neigte, worin aber das Wasser still stand. Wie von den Sternen und vom Mond her kommend vernahm ich die Stimme Lovemans Bittgesuche aus Titeln, Thesen und Klauseln verkünden, damit die Läuterung zuende gehe.

Text: Horst Ditz
Bild: Horst Ditz

Der Protagonist in der in Ich-Form geschriebenen, surrealen Geschichte repräsentiert die menschliche Existenz von Beginn an. Das menschliche Sein als eine Projektion (Fallen und Schatten auf der Erde) in die physikalische Wirklichkeit mit allen körperlichen Merkmalen, um in dieser existieren zu können, um zu leben für einen gegebenen Zeitraum, der von Geburt und Tod begrenzt wird. In eine Wirklichkeit, die alles andere ist, als ein Paradies und in der Schuld und Tränen notwendigerweise Begleiterscheinungen sind.
Die Erde ist kein Paradies, weswegen die darauf leben keine Paradiesvögel sein können. Dafür stehen viele Metaphern wie beispielsweise das tödliche Gasgemisch (aus Ammoniak und Stickoxiden) für die vergiftete Atmosphäre zwischen den Menschen und Völkern, die stets Kriege ermöglichen; die Arche als der Menschen irdische Heimat, die keine Sicherheit bietet, weil sie an seidenen Fäden hängt und jederzeit in die Tiefe stürzen kann; der Verlust des Schuppenkleides (Verletzlichkeit der Menschen); die Toten, die als die Einzigen den Horizont der Wirklichkeit überschreiten oder das Feuer als Läuterungsmittel der Schuld, u.v.a., schließlich nicht zuletzt Loveman, ein Synonym für Gott als Schöpfer des Seins.
Horst Ditz, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.04.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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