Magdalena Sannwald

Neuschnee (eine Legende)

Es ist Nacht und der Himmel ist wolkenverhangen, aber dennoch ist es nicht dunkel. Der Himmel ist blutrot gefärbt vom flackernden Wiederschein der Feuer, doch die liegen längst weit zurück. Die unberührte Schneedecke erstreckt sich von Horizond zu Horizond. Alles liegt unter der einförmigen weißen Decke und es schneit noch immer. Lautlos und unspektakulär schweben die Flocken herab, so sanft und doch unaufhaltbar.
Ich reite in die Schlacht.
In der stille klingt das knirschen des Schnees unter den Hufen meiner Stute unnatürlich laut.
Der Kampf ist mir zuwieder, aber es ist geweißsagt worden, dass nur ein Elb die Menschen retten kann und ich bin der letzte meiner Art. Was sollte ich auch tun so allein? Alles was mir geblieben ist, ist diese Aufgabe.
Noch immer kann ich die Stimme des alten Sehers hören.
"Kann er es?", hat er gefragt ohne auch nur die Augen zu öffnen und dabei huschte der Feuerschein zitternd über sein Gesicht.
Kann ich es?
Ich reite nun über das Schlachtfeld. Diese kleinen Erhebungen im Schnee sehen so unschuldig aus. Wer könnte in diesem Augenblick glauben, dass ein ganzes Volk unter ihnen begraben liegt?- mein Volk! Ich glaube es ja selbst nicht.
Die Anwesenheit des Todes ist hier noch immer deutlich zu spüren, doch jetzt gleicht sie eher einem tiefen traumlosen Schlaf.
Unwillkürlich umklammere ich meinen Bogen.
"Lass den hier. Er wird dir nichts nützen, dort wo du hingehst.", hat der Seher gesagt und mit seinen blinden Augen direckt durch mich hindurch gestarrt.
Es mag sein, dass ich den Feind, gegen den ich kämpfen werde, mit meinem Bogen nicht verletzen kann, aber ich brauche ihn um mich daran festzuhalten. Das polierte Eibenholz gibt mir ein Gefühl von Realität in diesem endlosen Weiß.
Ein schwarzer Pfeil ragt aus dem Schnee; wie um daran zu erinnern, dass hier noch vor wenigen Stunden der Schnee rot war vom Blut meiner Freunde. Nicht der Feind hat sie getötet, sondern die Menschen für die ich kämpfe.
Ich starre auf den Bögen in meiner Hand hinunter, schließe die Augen, schüttle den Kopf, aber das Bild des Schwarzen Pfeiles hat sich unauslöschlich in meinen Kopf eingebrannt. Das Holz unter meinen Fingern fühlt sich trotz der Kälte beinahe unerträglich heiß an.
Habe ich ernsthaft geglaubt ich wäre besser als sie?
Ich drehe mich im Sattel um und schleudere den Bogen mit aller Kraft von mir. Da liegt er nun und ich sehe zu wie er immer kleiner wird. Es wird nicht lange dauern bis der Schnee ihn zugedeckt hat.
Meine Stute hält an. Fast unmerklich hat sich die Landschaft um mich herum verändert. Die Berge liegen vor mir. Dort ist der Winter länger und kälter und jeder Schritt ist ein Wagnis.
Ich bleibe noch einige Zeitreglo sitzen und starre mit leerem Blick in das Schneetreiben vor mir, genieße einfach nur die Nähe des Tieres. Dann springe ich, geschickt wie eh und je, von seinem Rücken. Fast sofort versinke ich bis über die Knie im Schnee.
Ab hier muss ich alleine gehen.
"Lauf nur meine Freundin", flüstere ich dem Tier zu, "Lauf zu den deinen Erbe des Einhorns. Kehr zurück in deinen Wald."
Die Stute stupst mich ganz sacht mit ihrer Schnauze an und schnaubt leise. Dann urplötzlich wirft sie sich herum und jagt in wildem Galopp davon, flieht vor der Gefahr, die in den Bergen lauert.
Schon nach wenigen Metern verschluckt der Schnee das Donnern der Hufe und es wird still.
"Ja, ich kann es.", sage ich leise als ich zusehe wie das prachtvolle Tier lautlos in einem Vorhang aus wirbelnden Flocken verschwindet.
Natürlich kann ich die Menschen retten. So ist es bestimmt. Die Frage ist:Will ich das überhaupt?
Ich dachte ich könnte es nicht verantworten sie einfach sterben zu lassen, aber wie kann ich es ann verantworten sie leben zu lassen wo sie doch nichts als Tod und Zerstörung bringen?
Letztendlich spielt es keine Rolle. Dieser Krieg muss beendet werden, so oder so. Mein Weg ist längst gewählt. Nicht mehr lange, dann darf auch ich mit meinen Brüdern unter dem Schnee ruhen.
Ich drehe mich um und setze meinen Weg fort, mitten hinein ins eisige Herz des Winters. Ich bin allein und ich ziehe in die Schlacht für die, die mir alles genommen haben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.04.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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