Iris Feller

Bobby, der kleine Spatz

1) Bobby erblickt das Licht der Welt

Es war ein warmer Frühlingsmorgen. Die Sonne lachte. Bienen und Schmetterlinge flogen fröhlich umher. In einer schönen großen Birke wohnte eine Großfamilie Spatzen, unter ihnen das frisch verheiratete Pärchen Emmi und Philip, die gerade Nachwuchs erwarteten. Sie hatten fünf Eier und freuten sich schon riesig, wenn ihre Küken endlich schlüpfen würden.

Doch plötzlich tauchte eine große hungrige Ratte auf und alle Spatzen waren in heller Aufregung. Gemeinsam versuchten sie, die Ratte mit ihren spitzen Schnäbeln zu pieksen und sie damit in die Flucht zu schlagen. Sie jagten der Ratte hinterher. Doch sie hatten dabei eine zweite Ratte übersehen, die sich unbemerkt an das Nest von Emmi und Philip heranschlich, während alle Spatzen der ersten Ratte folgten und das Nest unbewacht gelassen hatten. Als die Spatzen hörten, wie die Eier zerbrachen, flogen sie in großer Sorge sofort zurück, allen voran natürlich Emmi und Philip, die ihre Babys retten wollten. Sie konnten die zweite Ratte zwar auch verjagen, aber das Nest war übersät mit Eierschalen. Emmi brach sofort in Tränen aus. „Meine armen Babys, meine armen Babys!“ schluchzte sie. Philip versuchte verzweifelt, zu retten, was zu retten war.

Und tatsächlich. Ein Ei war unversehrt geblieben. Ein einziges. Dann auf einmal fing dieses Ei an, sich zu bewegen. Kleine feine Risse entstanden in der Schale. Emmi und Philip und alle anderen Spatzen scharten sich um das Ei. Dann lugte ein winziger Schnabel hervor, dann das ganze Köpfchen. Das kleine Spatzenküken befreite sich mit aller Kraft von den Schalen und blieb dann erst einmal erschöpft sitzen. Die erwachsenen Spatzen flatterten erregt und neugierig um das Küken herum. „Was ist es denn? Ein Junge oder ein Mädchen?“ fragte einer. „Ist es gesund?“ fragte ein anderer. Emmi und Philip rückten an ihr Küken heran und liebkosten es. „Es ist ein Junge!“ jubelte Philip. „Wie wollen wir ihn denn nennen?“ fragte Emmi. Das kleine Küken hob den Kopf und piepste mit noch schwacher Stimme „Bobby! Bobby möchte ich heißen!“ Alle Spatzen lachten vergnügt und Emmi und Philip sagten wie aus einem Munde „Willkommen Daheim, Bobby!“

2) Erste Flugversuche

Bobby hatte seine Eltern schon oft beobachtet, wie sie ihre Flügel ausbreiteten und losflogen, um etwas zu essen zu besorgen. Seit dem Überfall der Ratten auf das Nest hatten die Spatzen in der großen Birke immer ein paar Wachen aufgestellt, solange die anderen auf Nahrungssuche waren oder Zweige und Blätter holten, um neue Nester zu bauen oder ihre alten Nester zu renovieren. Deshalb hatten Emmi und Philip keine Angst, ihren kleinen Sohn Bobby im Nest zurück zu lassen. Sie wussten ja, dass die anderen Spatzen auf ihn aufpassen würden.

Kaum waren seine Eltern aus dem Blickfeld verschwunden, dachte Bobby, dass er doch auch mal versuchen könnte zu fliegen. Emmi und Philip hatten ihm zwar verboten, ohne sie Flugversuche zu unternehmen, aber Bobby war halt ein kleiner neugieriger Spatz und wollte es dennoch wagen. Also hüpfte er auf den Rand des Nestes, breitete seine kleinen Flügel aus und sprang. Seine Flügelchen schlugen auf und nieder, auf und nieder. Bobby mühte sich ab und war schon nach ein paar Sekunden völlig außer Puste. Und leider waren Bobbys Flügel einfach noch nicht stark genug. Er verlor immer mehr an Höhe und dann machte es „Plumps“ und Bobby war auf den Boden gefallen. Wie gut, dass sein Nest nicht allzu hoch war, sonst hätte er sich bestimmt weh getan. Glück gehabt, Bobby! Die erwachsenen Spatzen, die eigentlich Wache schieben sollten, hörten den Plumps und waren total erschrocken. Als sie jedoch sahen, dass Bobby nichts passiert war, fiel ihnen ein Stein vom Herzen und sie schworen feierlich, nie mehr so unachtsam zu sein. Denn es hätte Bobby ja wirklich etwas Schlimmes zustoßen können. Sie halfen ihm wieder zurück in sein Nest, denn alleine hätte er es nicht geschafft.

Als Emmi und Philipp nach Hause kamen, saß Bobby wieder quietschvergnügt im Nest und freute sich über den leckeren Wurm, den seine Eltern für ihn mitgebracht hatten. Als er satt und gestärkt war, beichtete Bobby seinen Eltern, dass sein Flugversuch fehlgeschlagen war. Emmi und Philip schimpften mit ihm, weil er nicht auf sie gehört hatte. Aber sie waren total froh, dass ihrem Küken nichts zugestoßen war.

3) Elisa

Bobbys Flugkünste wurden immer besser. Jetzt traute er sich schon zu einer Pappel, die fast zehn Meter von der heimischen Birke entfernt war. Seine Eltern Emmi und Philip waren richtig stolz auf ihn. Eines Tages, als Bobby wieder einmal in der Pappel saß, entdeckte er ein Eichhörnchen, das sich richtig abmühte, von Ast zu Ast zu hüpfen. Es war noch ganz klein und Bobby schaute sich um, ob vielleicht die Eltern des Eichhörnchens irgendwo in der Nähe waren. Aber er sah außer diesem kleinen Fellknäuel keine anderen Eichhörnchen.

Da Bobby von Natur aus sehr neugierig war, flatterte er auf das Eichhörnchen zu und fragte, wie es denn heißt und was es hier so macht. Das Eichhörnchen erschrak zuerst, weil Bobby sich von hinten genähert hatte und nun ganz dicht hinter dem Eichhörnchen war. Daher war Bobbys Stimme sehr laut. Als sich das Eichhörnchen umdrehte und sah, dass nur ein kleiner Spatz hinter ihm saß, hatte es keine Angst mehr. „Elisa heiße ich“, sagte das Eichhörnchen. Doch dann fing Elisa plötzlich an zu weinen. Bobby versuchte sie zu trösten aber Elisa schluchzte nur „ich weiß nicht mehr, wo meine Eltern sind“.

Elisa war nämlich mit ihren Eltern, sieh hießen Sarah und Toby, unterwegs gewesen, um Nüsschen zu sammeln. Und obwohl ihre Eltern ihr verboten hatten, sich zu weit von ihnen zu entfernen, ist Elisa einem Schmetterling nachgehüpft, weil der so schön bunt war. Dabei hatte Elisa nicht gemerkt, dass ihre Eltern schon nicht mehr in Sichtweite waren. „Meine Eltern sind bestimmt böse auf mich. Und vielleicht finden sie mich gar nicht mehr“, weinte die kleine Elisa. Aber Bobby, der ja schon ganz stolz auf seine Flugkünste war, bot Elisa an, ihre Eltern zu suchen. Sie solle in der Pappel sitzen bleiben und er würde dann von hoch aus der Luft nach ihren Eltern Ausschau halten. Denn schließlich habe er ja einen besseren Überblick von dort oben.

Gesagt, getan. Bobby düste in die Lüfte und suchte mit seinen scharfen Augen die Gegend ab. Und tatsächlich. Nur ein paar Bäume weiter sah er zwei Eichhörnchen hektisch umher hüpfen. Das konnten nur Elisas Eltern sein, denn man sah ihnen die Sorge um ihr Kind förmlich an. Bobby flog sofort auf sie zu und fragte sie, ob sie Elisas Eltern seien. „Oh ja“ riefen sie, „weißt du wo unsere Kleine ist?“ Klar, Bobby wusste es und erzählte ihnen von seiner Begegnung mit Elisa. Dann führte er Elisas Eltern zu ihrem Kind und alle drei waren überglücklich. Die Eltern waren so froh, dass sie Elisa wieder hatten, dass sie gar nicht mehr mit ihr schimpfen wollten.

Von da an waren Bobby und Elisa die besten Freunde.

4) Susi, Anna, Dora

Bobby war außer sich vor Freude, denn er hatte Geburtstag. Er konnte es kaum abwarten, seine Geschenke auszupacken. Seine Eltern Emmi und Philip hatten ein paar Würmer und Rosinen in Blätter gepackt und dünne Zweige als Geschenkkordel verwendet. Für Emmi und Philip war es ebenfalls ein besonderer Tag. Denn schließlich hatten sie vor einem Jahr nur ein Ei retten können, als die beiden Ratten ihr Nest überfallen und alle anderen Eier zerstört hatten. Sie waren sehr traurig aber auch sehr froh, dass wenigstens ein Ei unversehrt geblieben war. Aus diesem Ei schlüpfte dann Bobby.

Bobby und seine Eltern hatten noch einen Grund zum Feiern. Es gab nämlich wieder Nachwuchs. Drei kleine Eier lagen friedlich in ihrem Nest. Diesmal waren alle Spatzen in der Birke besonders wachsam, damit den Eiern nichts passieren konnte. Auch bei den anderen Spatzen in der Birke hatte sich Nachwuchs eingestellt. Bald würde die Birke erfüllt sein mit dem Gezwitscher ganz vieler kleiner Spatzenküken.

Dann war es soweit. Überall knirschten und knackten die Eierschalen und kleine, noch etwas unsichere Küken schlüpften hervor. Bei Emmi und Philip war es genauso. Das erste Küken schlüpfte. Es war ein Mädchen und sie nannten sie Susi. Kaum war Susi aus dem Ei, schnappte sie sich schon eins von Bobbys Geschenken. Aber Bobby konnte seiner kleinen Schwester nicht böse sein und überließ ihr das Geschenk. Dann kämpfte sich das zweite Küken aus dem Ei. Es war wieder ein Mädchen. Sie sollte Anna heißen. Anna schaute sich erst einmal um und strahlte dann ihre Familie freudig an, wohl wissend, dass sie hier geborgen und sicher sein würde. Das dritte Ei bewegte sich ein bisschen aber ansonsten tat sich noch nichts. „Sie ist wohl schüchtern“ meinte Philip. „Sie?“ fragte Emmi. „Meinst du, es wird wieder ein Mädchen?“ „Egal, wichtig ist erst einmal, dass er oder sie sich überhaupt blicken lässt“ schmunzelte Philip. Dann redeten sie alle behutsam auf das Ei ein. Und endlich traute sich das Küken aus dem Ei. „Aller guten Dinge sind drei“ lachte Bobby, denn es war wieder ein Mädchen und ihr gaben sie den Namen Dora. Da Bobby so viele Geschenke von seinen Eltern bekommen hatte, gab er seinen beiden Schwestern Anna und Dora auch jeweils eins ab. Susi hatte ihr Päckchen ja bereits.

Bobby freute sich schon darauf, wenn er seinen Eltern bald dabei helfen durfte, seinen kleinen Schwestern das Fliegen beizubringen.

5) Der Fischteich

„Ich möchte die Fische besuchen!“ rief Susi und wollte gerade loshüpfen. Doch Bobby konnte sie gerade noch festhalten. Schließlich konnte sie noch nicht richtig fliegen und wäre bestimmt abgestürzt. Sie fing jämmerlich an zu weinen, weil sie ihren Willen nicht bekam. „Das hat Bobby richtig gemacht!“ lobte seine Mama. „Ihr kleinen Mädels könnt noch nicht richtig fliegen, deshalb dürft ihr nur hier im Baum ein bisschen umherhüpfen und die Flügelchen trainieren. Mehr dürft ihr noch nicht!“ betonte Papa Philip. „Ich kann ja verstehen, dass ihr zu den Fischen wollt. Das ist etwas Neues für euch. Aber ein bisschen warten müsst ihr halt noch“ sagte Bobby.

Vor ein paar Tagen hatte der Mensch, er hieß Rainer, in dessen Garten sich die Birke der Spatzen befand, einen Fischteich angelegt. Die erwachsenen Spatzen und auch die größeren Spatzenkinder, die schon fliegen konnten, hatten die Fische bereits mehrmals besucht. So natürlich auch Bobby. Er war oft am Teich gewesen und hatte versucht, mit den Fischen zu sprechen. Manchmal war auch Elisa das Eichhörnchen, seine beste Freundin, mit dabei. Aber bisher hatten sich die Fische nicht sehr mitteilsam gezeigt. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen mussten. Irgendwann würden sie bestimmt zugänglicher sein.

Eines Tages hatte Susi es satt zu warten, bis sie endlich richtig fliegen konnte. Sie wollte unbedingt zu dem Teich. Also hüpfte sie von Ast zu Ast immer weiter nach unten. Aber der letzte Ast war noch recht hoch. Daher musste sie wohl oder übel das letzte Stück zur Wiese runterspringen. Sie nahm allen Mut zusammen und sprang. „Pardauz“ machte es und Susi lag auf der Wiese. Sie hatte sich schon ein bisschen weh getan. Aber nach ein paar Tränchen waren die Schmerzen wieder vorbei und sie hüpfte voller Erwartungen zum Fischteich. Dort angekommen, rief sie nach den Fischen. Aber keiner kam an die Wasseroberfläche. Susi jammerte und zeterte „Jetzt bin ich euretwegen von der großen Birke gehüpft, um euch zu besuchen, habe mir sogar weh getan und ihr begrüßt mich noch nicht einmal! Ihr seid gemein!“ Das haben sich die Fische dann doch zu Herzen genommen und kamen alle an die Wasseroberfläche geschwommen. Sie begrüßten Susi und stellten sich alle der Reihe nach vor. Susi konnte sich allerdings nicht alle Namen merken. Aber sie war glücklich, dass sie nicht umsonst den gefährlichen Weg gewagt hatte. Einer der Fische, es war ein kleiner roter Goldfisch namens Goldi, war genauso frech und vorwitzig wie Susi. Er fing plötzlich an, Susi nass zu spritzen. Die anderen Fische hatten auch ihren Spaß dabei. „Goldi“ riefen sie vergnügt, „mach Susi nicht zu nass, sonst kann sie nicht mehr zurück fliegen!“

„Nicht mehr zurück fliegen ...“ wiederholte Susi in ihren Gedanken. Dann fiel ihr mit Erschrecken ein, dass sie zwar die ganze Zeit darüber nachgedacht hatte, wie sie zu dem Fischteich kommt. Sie hatte aber überhaupt nicht überlegt, wie sie wieder auf die Birke herauf kommt. Sie verabschiedete sich von den Fischen, vor allem von Goldi, den sie sofort in ihr Herz geschlossen hatte. Dann hüpfte sie auf dem Rasen entlang zur Birke. Dort angekommen, war sie ziemlich verzweifelt. Sie sprang immer wieder hoch und flatterte wild mit ihren Flügelchen. Aber sie kam nicht hoch genug. Wenn jetzt ihre Eltern heimkämen, würde sie großen Ärger bekommen.

Dann kamen Emmi und Philip nach Hause und fanden ihre kleine Susi unten am Baustamm sitzen. Von dem vielen Gehüpfe war sie nämlich müde geworden und eingeschlafen. Emmi und Philip nahmen sie behutsam mit nach oben ins Nest. Dort angekommen, wurde Susi wieder wach und ihre Eltern schimpften mit ihr, weil sie mal wieder nicht gehört hatte und ihr etwas Schlimmes hätte zustoßen können. Aber sie waren froh, dass die Kleine wieder wohlbehalten im Nest saß. Bobby kam auch kurze Zeit später wieder nach Hause und seine Eltern erzählten ihm die ganze Geschichte. Auch er war total erleichtert, dass Susi nichts passiert war. Bobby freute sich sogar, dass Susi Erfolg hatte, mit den Fischen in Kontakt zu treten.

So hatten die Spatzen wieder ein paar Freunde mehr.

6) Marcel

Elisa warf gerade ein paar Nüsschen in den Fischteich, um mit den Fischen zu spielen, als Rainers kleiner Sohn Marcel in den Garten stürmte. Marcel war oft im Garten, jedenfalls wenn er nicht gerade im Kindergarten war oder seiner Mama Sonja auf die Nerven ging. Bisher hatten sich weder die Spatzen noch das Eichhörnchen an den kleinen Rabauken herangetraut. Sie dachten wohl, er würde ihnen – auch wenn er es gar nicht beabsichtigte – vielleicht weh tun. Schließlich war er ja, obwohl er erst fünf Jahre alt war, viel größer als die kleinen Tiere. Aber jetzt dachte sich Elisa, dass sie mutig abwarten sollte, um zu sehen, was Marcel denn jetzt vorhatte. Ungefähr einen halben Meter vor Elisa blieb Marcel stehen. Er wusste wahrscheinlich selber nicht so genau, was er denn mit dem Eichhörnchen anfangen sollte. Aber er sprach es trotzdem an. „Hallo du kleines Eichhörnchen, ich bin Marcel. Wer bist du?“ Elisa freute sich, dass der kleine Junge sie ansprach und antwortete natürlich höflich „Hallo Marcel! Ich heiße Elisa!“ Aber Marcel schaute nur etwas unbeholfen. Da fiel Elisa ein, dass Menschen die Sprache der Tiere gar nicht verstehen konnten. Sie hatten es im Laufe der vielen Tausend Jahre verlernt. Natürlich hofften die Tiere, dass die Menschen sich irgend wann einmal wieder zurück besinnen und sich doch wieder mit den Tieren unterhalten würden. Aber jetzt herrschte erst einmal ein wenig Ratlosigkeit bei Elisa und deshalb rief sie nach Bobby, ihrem besten Freund, denn sie hoffte, dass er vielleicht eine Idee hätte, wie sie mit Marcel kommunizieren könnten.

Bobby hörte Elisa rufen und kam sofort zu ihr geflogen. Sie erklärte ihm kurz, dass sie mit Marcel reden wollte, es aber aufgrund der Sprachschwierigkeiten nicht funktionierte. Marcel freute sich, dass sich nun auch noch ein Spatz zu ihm gesellte. Er streichelte Bobby und Elisa und beide fanden es gar nicht schlimm, dass sie nicht mit dem Menschenjungen reden konnten. Denn schließlich war es ja auch möglich, sich mit Gesten und Berührungen verständlich zu machen. Jedenfalls war allen dreien klar, dass sie gute Freunde werden würden.

„Marcel! Komm essen!“ rief Sonja, Marcels Mama. Marcel verabschiedete sich von seinen beiden kleinen Freunden, drehte sich um und ... fiel mit einem lauten „Platsch“ in den Fischteich. Er erschrak zutiefst, denn er konnte noch nicht schwimmen. Und da er mit seinen Beinen nicht auf den Grund kam – der Fischteich war zu tief – paddelte er verzweifelt mit den Armen, damit er nicht unterging. Bobby und Elisa waren in Panik, denn sie konnten Marcel ja nicht aus dem Teich ziehen. Sie alarmierten Bobbys Familie und so flogen die sechs Spatzen zu Marcels Haus und Elisa rannte hinterher. Sie piepsten und tobten wie wild und schlugen gegen das Terrassenfenster. Sonja wollte die Tiere verscheuchen, denn schließlich wusste sie ja nicht, warum sich die Tiere so aufführten. Aber weder die Spatzen noch das Eichhörnchen ließen locker. Sie zupften an Sonjas Kleidung, an ihren Haaren und versuchten, sie zum Teich zu ziehen. Sonja bemerkte, dass die Tiere sie in Richtung des Fischteichs zerrten, also sah sie dort hin. Sie wurde kreidebleich, als sie bemerkte, dass Marcel im Wasser zappelte und kaum noch Kraft hatte, sich an der Wasseroberfläche zu halten. Sie rannte so schnell sie konnte zum Fischteich und holte ihren kleinen Sohn aus dem Teich heraus. Marcel weinte und zitterte erbärmlich vor Angst. Aber nun war die Gefahr vorbei und Marcel war gerettet.

„Wenn ihr nicht gewesen wärt“, wandte sich Sonja an die Spatzen und das Eichhörnchen, „hätte ich meinen kleinen Marcel heute verloren. Ich danke euch aus tiefstem Herzen!“ Bobby, Elisa, Susi, Anna, Dora, Emmi und Philip hüpften vor Freude und Erleichterung um Marcel und seine Mama herum und es war ihnen völlig egal, dass Menschen nicht die Sprache der Tiere verstehen. Beide Arten konnten sich trotzdem miteinander verständigen und dadurch wurde Marcels Leben gerettet.

7) Joe

Diesmal hatte Bobby vor, in den nahe gelegenen Wald zu fliegen. Er fragte seine Schwestern, ob sie ihn vielleicht begleiten wollten, aber alle drei hatten etwas anderes vor. Susi wollte mit Goldi, dem Goldfisch spielen. Anna half ihren Eltern bei der Renovierung des Nestes. Und Dora traute sich nicht so weit weg vom Nest und wollte lieber Susi bei den Fischen Gesellschaft leisten. Also zog Bobby zunächst alleine los. Unterwegs traf er Toby und Sarah, Elisas Eltern. „Wo ist denn Elisa?“ fragte er die beiden. „Sie ist zu Hause und passt auf ihren kleinen Bruder Eddy auf.“ Das hatte Bobby ja ganz vergessen. Bei Toby und Sarah gab es kürzlich Nachwuchs. Wenn also die Eltern auf Futtersuche waren, blieb Elisa daheim und achtete auf den Kleinen.

Also flog Bobby weiter und erreichte nach ein paar Minuten den Wald. Kaum war er dort angekommen, huschte auch schon ein großer Schatten an ihm vorbei. Bobby erschrak, denn er dachte, dass es eine Elster sei. „Uhuuuuhuuuuhuuuu!“ hörte Bobby plötzlich und er wunderte sich. Denn es hörte sich an, als ob eine Eule rufen würde. Aber es war helllichter Tag und Eulen sind normalerweise nachts aktiv. „Uhuuuuhuuuuuuu!“ schallte es wieder. Bobby drehte sich nach allen Seiten um. Es war ihm schon etwas unheimlich zumute. Auf einmal kam dieser Schatten wieder auf Bobby zu und Bobby wollte gerade wegfliegen. Aber dann ließ sich der Schatten neben ihm auf dem Ast nieder und Bobby erkannte, dass es tatsächlich eine Eule war. Sie war braun schwarz gemustert und hatte leuchtend gelbe Augen. „Wie heißt du denn und was machst du um diese Zeit hier? Wieso schläfst du nicht?“ fragte Bobby die Eule. „Ich heiße Joe und ich bin nachtblind“ antwortete die Eule. „Deshalb muss ich tagsüber wach sein und nach Futter suchen. Nachts geht das ja leider nicht. Und wie heißt du? Und was machst du hier?“ fragte die Eule zurück. „Bobby heiße ich und ich möchte gerne die Welt erkunden, oder zumindest erst einmal diesen Wald hier“ schmunzelte Bobby.

Die Eule freute sich, dass der kleine Spatz sie nicht schief von der Seite ansah wie die anderen Tiere des Waldes, weil sie so anders war als andere Eulen. Aber Bobby machte das nichts aus. Schließlich war er ja auch mit Eichhörnchen, Fischen und sogar Menschen befreundet. Also konnte es auch kein Problem sein, mit einer nachtblinden Eule Freundschaft zu schließen. Denn es ist nicht wichtig, was jemand ist, sondern wie. Und da die Eule nett zu sein schien, war es doch wirklich unerheblich, dass sie tagsüber anstatt nachts aktiv war.

Bobby und Joe plauderten noch eine ganze Weile und flogen von Baum zu Baum. Joe zeigte Bobby viele schöne Plätze, wie zum Beispiel ein Bach, in dem sogar Fische schwammen. Bobby freute sich, denn dieser Bach erinnerte ihn an den Fischteich zu Hause. Also fühlte er sich auch im Wald daheim. Als es langsam dunkel wurde, verabschiedeten sich Bobby und Joe und Bobby lud Joe ein, das nächste mal ihn und seine Familie und Freunde zu besuchen. Joe nahm die Einladung glücklich an.

8) Bobby und Trixi, Teil 1

„Der Tag fängt ja gut an!“ maulte Bobby, als ein anderer Spatz ganz dicht über ihm vorbei flog und ihn dabei sogar ein wenig streifte. Bobbys Federn sahen richtig verwuschelt aus. Aber damit nicht genug. Der andere Spatz kam schon wieder auf Bobby zugeflogen. Doch diesmal konnte Bobby noch schnell ausweichen, so dass der andere Spatz gegen den Baumstamm prallte und auf die Wiese fiel. Das hatte Bobby natürlich nicht gewollt und flog sofort zu dem am Boden liegenden Spatz, um zu sehen, ob er sich weh getan hatte. Als er bei dem Spatz ankam, erkannte Bobby, dass der Spatz ein Mädchen war. Er stupste sie an, doch zuerst tat sich nichts. Das Spatzenmädchen lag benommen auf dem Rasen und hatte alle Viere – Füßchen und Flügel – von sich gestreckt. Bobby war traurig, denn er dachte, dass der Spatz sich ernsthaft verletzt haben könnte und das nur, weil Bobby ausgewichen war. Aber warum musste sie ihn auch anrempeln wollen. Das war schon seltsam.

Dann kam das Spatzenmädchen zu sich. Sie schüttelte sich, schwankte auf ihren Füßchen noch ein wenig umher. Sobald als sie Bobby entdeckte, fing sie ganz fürchterlich zu schimpfen an „Was fällt dir ein, mich so gegen den Baumstamm fliegen zu lassen!“ „Du bist selber Schuld!“ entgegnete Bobby „Schließlich wolltest du mich anrempeln. Das hast du davor ja auch schon gemacht!“ „Gar nicht! Ich wollte dich nur mal aus der Nähe sehen!“ antwortete das Mädchen pikiert. „Wie heißt du eigentlich?“ fragte Bobby, um ein bisschen die Situation zu besänftigen. „Trixi. Aber du brauchst gar nicht vom Thema ablenken!“ schmollte sie „Meine Eltern und ich sind gerade in die Birke gezogen. Da wollte ich mich nur mal umschauen, wer noch so da wohnt. Da habe ich dich gesehen. Du bist halt in meinem Alter und deshalb wollte ich dich aufmerksam auf mich machen.“ erklärte Trixi. „Das ist dir auch gut gelungen“ schmunzelte Bobby. „Es tut mir leid, dass du gegen den Baum geflogen bist“ entschuldigte sich Bobby. „Es ist ja nichts passiert“ säuselte Trixi „Außerdem habe ich mein Ziel erreicht. Wir haben uns kennen gelernt“ sagte Trixi und fing an, herzhaft zu lachen. Auch Bobby konnte nicht anders, er lachte mit.

9) Bobby und Trixi, Teil 2

„Komm, lass uns in den Wald fliegen!“ rief Bobby Trixi zu. Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Also flogen beide Spatzen dem Wald entgegen. Bobby hatte Joe, die nachtblinde Eule, schon länger nicht gesehen. Deshalb wollte er Joe besuchen und ihm Trixi vorstellen. Joe war total erfreut, Bobby wieder zu sehen und natürlich freute er sich auch, Trixi kennen zu lernen. Als es langsam anfing zu dämmern, verabschiedeten sich Bobby und Trixi von Joe und versprachen, ihn bald wieder zu besuchen.

Bobby und Trixi verbrachten mittlerweile viel Zeit miteinander, so dass Elisa, das Eichhörnchen, Bobbys beste Freundin, ein bisschen eifersüchtig war. Aber Bobby beruhigte sie „Du bist und bleibst immer meine beste Freundin. Aber das mit Trixi ist ja ganz etwas anderes.“ Elisa wusste genau, was Bobby meinte. „Bobby liebt Trixi! Bobby liebt Trixi!“ neckte Elisa die beiden. Und sowohl Bobby, als auch Trixi schmunzelten verlegen. Aber dass die beiden sich lieb hatten, war ja schon lange kein Geheimnis mehr. Susi, Bobbys kleine freche Schwester, hatte schon längst jedem, der es hören wollte, oder auch nicht, erzählt, dass sie Bobby und Trixi gesehen hatte, wie sie sich aneinander gekuschelt und geschnäbelt hatten. Mittlerweile wussten bereits alle Spatzen in der Birke, dass Bobby und Trixi ein Pärchen waren. Emmi und Philip freuten sich sehr, denn sie hofften, dass ihr Sohn Bobby seine Trixi heiraten und eine Familie mit ihr gründen würde.

Es war ein schöner warmer Sommermorgen, als Bobby seiner Trixi einen Heiratsantrag machte und Trixi überglücklich den Antrag annahm. Beide versprachen, dass sie sich immer lieb haben und für den anderen da sein würden. Bobby und Trixi flatterten aufgeregt zuerst zu Trixis Eltern, Tamara und Tom, um ihnen die frohe Botschaft zu überbringen. Tamara und Tom waren außer sich vor Freude und sausten sofort los, um den anderen Spatzen in der Birke Bescheid zu geben. Bobby und Trixi flogen dann zu Bobbys Eltern und Schwestern, die genauso glücklich über die Nachricht waren. Dann wurde geplant und organisiert. Denn schließlich sollte es ein schönes und unvergessliches Hochzeitsfest werden.

Ein paar Tage später war es dann soweit. Kaum nachdem Bobby und Trixi sich das „Ja-Wort“ gegeben hatten, ging die Party los. Nicht nur die Spatzen in der Birke waren eingeladen, sondern natürlich auch das Eichhörnchen Elisa, ihre Eltern, ihr kleiner Bruder Eddy und Joe, die Eule. Bobbys Eltern flogen sogar zu dem Menschen Rainer, seiner Frau Sonja und seinem Sohn Marcel und wollten auch sie einladen. Die Spatzen zupften und zerrten an der Kleidung der Menschen und zogen sie ein bisschen in Richtung Birke. Sonja erkannte dieses Verhalten der Spatzen wieder. Es erinnerte sie an den Tag, als ihr Sohn Marcel in den Fischteich gefallen war und die Spatzen ihr mit einem ähnlichen Verhalten verständlich machen konnten, dass Sonja ihnen folgen sollte, um Marcel zu retten. Also folgte Sonja auch diesmal den Spatzen, ihr Mann und ihr Sohn ebenfalls. Dort angekommen, sahen sie im Geäst des Baumes aufgeregt umher flatternde Spatzen, sogar eine Eule und vier Eichhörnchen waren dabei. Dann sahen die Menschen auch zwei entzückende, mit Blüten und Zweigen sehr kunstvoll geschmückte Spatzen. Das waren Bobby und Trixi, das Brautpaar. Und drei weitere, nicht ganz so „pompös“ geschmückte Spatzen. Das waren Susi, Anna und Dora, die Brautjungfern. Da war Sonja klar, dass es sich um etwas ganz Besonderes, vermutlich eine Hochzeit, handeln müsse. Also schickte sie ihren Sohn Marcel ins Haus, um ein paar Kekse – als Hochzeitsgeschenk – zu holen. Als Marcel ihr die Kekse brachte, zerbröselte sie diese und hielt die Krümel den Spatzen hin. Freudig nahmen die Spatzen das Geschenk an.

Die Feier ging noch stundenlang. Erst, als die Sonne langsam unterging, ging auch die Party dem Ende zu. Die Spatzen flatterten erschöpft aber glücklich in ihre Nester. Bobby hatte Tage zuvor in emsiger Anstrengung ein eigenes Nest für sich und Trixi gebaut, in das beide jetzt hineinflogen und selig entschlummerten. Elisa, Sarah, Toby, Eddy und Joe machten sich ebenfalls auf den Heimweg. Auch die Menschen gingen wieder in ihr Haus zurück und plauderten noch lange über die wunderschöne Hochzeitsfeier. Sie hatten noch nie solch ein fröhliches Fest erlebt, bei dem so viele verschiedene Spezies – Spatzen, Eule, Eichhörnchen und Menschen – friedlich miteinander ausgekommen waren.

In der Nacht wachte Trixi kurz auf, wahrscheinlich, weil sie das „Uhuuuuhuuuu“ einer Eule gehört hatte. Sie fröstelte ein wenig und schmiegte sich an Bobby. Er wachte ebenfalls auf und kuschelte sich an Trixi. Beide sahen sich tief in die Augen und flüsterten gleichzeitig „Ich habe dich ganz doll lieb und werde immer für dich da sein“.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.05.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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