Hans Pürstner

Die Lederhose


Als Kind lief ich am liebsten in der Lederhose herum, da konnte man toben so viel man wollte, nichts ging kaputt, nichts wurde dreckig. Das ideale Kleidungsstück für einen kleinen Buben eben.
Aber zur ersten Kommunion in der Lederhose erscheinen, das geht natürlich nicht. Das hab sogar ich eingesehen. Also musste ein Anzug her, wohl oder übel. Meine Mutter setzte all ihre Überredungskunst ein und nach endlosen Diskussionen gingen wir zum Schneider.
Der holte sein Maßband hervor und begann mich „auszumessen“. Zwar etwas unangenehm, aber gerade noch zu ertragen. Danach trug er alle Maße in sein Auftragsbuch ein und wir gingen wieder nach Haus.
Nach zwei Wochen kamen wir dann wieder, um den Anzug abzuholen.
Stolz präsentierte der Meister sein Werk und schritt zur Anprobe. Erst in die Hosen geschlüpft, der Schneider zog hier und zupfte da, bis ein zufriedenes „passt!“ seinen Mundwinkeln entschlüpfte. Danach war die Jacke an der Reihe, der „Rock“ wie man bei uns in Österreich zu sagen pflegt. Wieder zog und zupfte der Meister, wieder „passte“ es.
Als nächstes musste auch noch ein weißes Hemd her, dem Anlass entsprechend. Wozu muss eigentlich so ein Hemd unbedingt weiß sein? Wird ja eh gleich dreckig.
Na ja, zu guter Letzt fehlte noch die Krawatte oder ein “Mascherl“. Keine echte, die hätte ich gar nicht zu binden gewusst. Ein „Gummipropeller“ war die passende Lösung.
Uff, geschafft, das war ganz schön anstrengend, das Anzug kaufen.
Aber das Anstrengendste kam erst
Das Vorführen!
Im ganzen Haus sollte ich rumlaufen und allen meinen neuen Anzug zeigen.
Das war ja wohl das Allerletzte! Ich bin doch kein Model!
“Nein, ich will nicht, ich möchte wieder meine Lederhose anziehen!“ rief ich zornig.
“Jetzt geh schon und zeig der Frau Pilz, wie toll du mit dem neuen Anzug aussiehst! So was Undankbares. So viel Geld hat er gekostet!“ antwortete meine Mutter gekränkt.
“Na und, hättest ja keinen kaufen müssen, ich hab doch eh meine Lederhose!
So ging es hin und her, ich schimpfte und bockte solange,bis ich meine Ohrfeigen eingefangen hatte.
Heulend schloss ich mich im Zimmer ein, fertig mit der Welt und vor allem mit dem blöden Anzug. Meine Mutter war sauer, aber die Nachbarn mussten auf mich verzichten. Nichts war’s mit der Modenschau.
Und am nächsten Tag durfte ich endlich wieder was Vernünftiges anziehen.
Meine Lederhose

Kommentar: Die Sorgen und die Nöte eines Kindes, das aufwächst in der Welt der Erwachsenen, Staunen und Ratlosigkeit über alles Neue und Ungewohnte. Der Zwang, Dinge tun zu müssen, deren Sinn man nicht einsehen will. Wer von uns hat das nicht erlebt. Denken wir auch daran bei der Erziehung
u n s e r e r Kinder(?)

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Hans Pürstner).
Der Beitrag wurde von Hans Pürstner auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.05.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Hans Pürstner als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

FREUDE - Das dichterische Werk 2002 - 2006. Freude beim Lesen von Manfred H. Freude



Gedichte Edition. Manfred H. Freude, geboren in Aachen, lebt und arbeitet in Aachen. Erste Gedichte 1968. Er debütierte 2005 mit seinem Gedichtband: Alles Gedichte – Keine Genichte. Weitere Gedichte und Essays in verschiedenen Anthologien, Zeitschriften; Prosa und Lyrik im Rundfunk und in weiteren sechs Gedichtbänden. 2007 wurde eines seiner Dramen mit dem Titel: Im Spiegel der Ideale aufgeführt; 2008 sein Vorspiel zum Theaterstück: Faust-Arbeitswelten. Sein letzter Gedichtband heißt: Vom Hörensagen und Draufsätzen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Anerkennungen. Er studiert an der RWTH Aachen Literatur, Kunst und Philosophie.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Kindheit" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Hans Pürstner

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Reich ins Heim, Kapitel 1 von Hans Pürstner (Krimi)
Schnell wird man ein Ewald von Rainer Tiemann (Kindheit)
Abschiedsbrief von Carrie Winter (Trauriges / Verzweiflung)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen