David Weber

Die erste Reise eines jungen Nordmanns

Mühsam stapfte er mit seien Pelzstiefeln durch das Unterholz des Waldes. Er brütete vor Wut und Hitze vor sich hin und seine Laune besserte sich nicht gerade als sein rechter Fuß im dornigen Gestrüpp hängen blieb und er der Länge nach hinschlug.

„Bei allen Göttern“ rief er dem dichtem Blätterdach zu „ was tue ich hier bloß?“

Er verharrte eine Weile auf dem Boden, schwer atmend, seine langen Haare schweißnass und die Anstrengung deutlich in sein Gesicht geschrieben.

„Ich bin ein Mann des Nordens“ mühsam kam er auf die Beine „kein Waldläufer“.

Der Anfang seiner Reise war angenehm gewesen. Er durchwanderte das eisige Hochplateau, dass seine Heimat, die Heimat der Nordmänner, war und stieg aus den kalten Höhen hinab in die Tundra. Hier war er bereits früher einige Male zum Jagen gewesen, und so wanderte er frohen Mutes südwärts.

„Wäre ich nur öfters jagen gegangen“ brummte er in seinen Bart, und wirklich wäre das von Vorteil gewesen. Er war zwar kein schlechter Jäger, doch stapfte er so geräuschvoll und tollpatschig durch den Wald, dass jedes Wild längst das Weite gesucht hatte, ehe er es überhaupt bemerkte. So bestand sein Proviant aus getrocknetem Hammelfleisch und einigen Früchten die er unterwegs fand.

Nach guten zehn Tagesmärschen hatte die Tundra begonnen sich in saftiges Grasland zu wandeln und er hatte auch den ersten richtigen Regenschauer abbekommen.

Er schrak zusammen blitzschnell zog er sein Kurzschwert. Nur zwanzig Fuß vor ihm stob ein Reh aus dem Dickicht. Er ließ sein Schwert fallen und griff nach dem Bogen, zog einen Pfeil, legte an und schoss. Der Pfeil zischte durch die Luft auf den köstlichen Braten zu und versenkte seine Spitze tief in einem Baum. Er hörte das Reh zwar noch hatte es aber aus den Augen verloren und nach kurzer Zeit brach er die aussichtslose Verfolgung ab. Genauer gesagt war er bei dem Versuch einen umgestürzten Baum elegant zu überspringen aus dem Gleichgewicht geraten und hatte wieder einmal Bekanntschaft mit dem Waldboden gemacht.

Die grünen verregneten Wiesen waren in etwas hügeligeres Gelände übergegangen und die Hitze war von Tag zu Tag drückender geworden, und so war er froh als er den großen Wald erreichte.

Anfangs noch dankbar und glücklich über den Schatten, hatte sich seine Stimmung langsam zu der üblen Laune gewandelt, die er nun hatte.

Er richtete sich langsam wieder auf und stutzte. Ihm war als hätte weit vor ihm im Wald etwas geblitzt oder geblinkt. Er steuerte darauf zu und als es wieder blinkte war ihm klar was es war. Ein erfahrener Seemann, für den er sich hielt, erkannte die Sonne, die sich im Wasser spiegelte. Dort musste ein See sein.

Und tatsächlich brach er nach einer Weile aus dem Unterholz auf eine Lichtung mit einem kleinen See. Linkerhand standen mannshohe gelbe Blumen umflattert von faustgroßen Schmetterlingen. Ein Tier flatterte in den Kelch einer Blume und tauchte wieder auf über und über mit Blütenstaub bedeckt. Als es davon flatterte zog es einen Schweif hinter sich her in dem sich glitzernd das Sonnenlicht spiegelte.

Rechterhand erblickte er einige Fasane, die eine vorzügliche Mahlzeit abgeben würden. Doch was ihn am meisten fesselte war der See. Er stand an einem flachen Ufer, an den Seiten des Sees stieg das Gelände an und fiel fast senkrecht zum See ab. „Na das wäre ein schöner Sprungturm für die Kinder“ sage er laut und ging lachend das Ufer entlang.

Er stand nun oben auf der Böschung und blickte hinab in den See, der fast schwarz da lag. So schwarz wie die Weiten des Eismeers im Norden. Die Weiten, die er schon oft zum Fischen durchkreuzt hatte. Unendlich, undurchdringlich und majestätisch dunkel. Er hatte sich immer gefragt was das Meer zu verbergen suchte. War es etwas Schreckliches, das aus Scham verdeckt wurde. Oder verdunkelte es sich angstvoll um Schätze zu verstecken.

Er stand unbeweglich, so tief in Erinnerungen versunken, dass es ihn nicht verwundert hätte, wäre aus dem See ein Eiswal aufgetaucht.

Jäh kam er zu sich als ihm beide Füße mit ungeheurer Kraft nach hinten gezogen wurden, er nach vorn überkippte und mit rudernden Armen auf die Wasseroberfläche zu stürzte. Er tauchte in das kalte Wasser , schlug die Augen auf und erschrak fürchterlich. Er blickte direkt in das Gesicht einer Leiche, die auf dem Grund des Sees lag.

Er riss seinen Blick los um aufzutauchen und fuhr erneut zusammen als er etwas kaltes spürte, das sein Fußgelenk packte und fest hielt. Er sah nach unten und merkte, dass sich wieder einmal seine tollpatschigen Füße mit einigen Pflanzen verheddert hatten.

Er griff nach unten und zerriss die Schlinge, die ihn hielt und betrachtete noch einmal das Gesicht des Toten.

„Verdammt“ dachte er und zog die Stirn in Falten. „Das sind ja mindestens ein Dutzend“. Da er nun etwas weiter entfernt vom Grund war erkannte er, dass der See ein Massengrab war. Ekel und der Drang zu atmen ließen ihn den Entschluss fassen aufzutauchen.

Sein Blut gefror vor Schreck, als die Leiche unter ihm die Augen aufschlug und ihn mit ungeheurer Kraft nach unten zog.

Er sah unmittelbar in ausdruckslose Augen.

„Das Schwert!“ schoss es ihm panisch durch den Kopf und er griff danach bekam aber nur die leere Scheide zu fassen. Er hatte das Schwert im Wald liegen lassen. Ihm wurde schwarz vor Augen und strampelnd kämpfte er verzweifelt gegen die vielen Arme, die ihn hielten.

An der Wasseroberfläche war davon bis auf einige kleine Wellen nichts zu bemerken, und kurz darauf lag der dunkle Teich wieder vollkommen ruhig inmitten der malerischen Lichtung.

Die Kolonie der Wasseruntoten hatte einen neuen Einwohner.




-- Geschichte, die den halbstarken Heranwachsenden im Norden erzählt wird--


-- Die Nordmänner halten verbissen daran fest, dass es sich einst wirklich so zugetragen hat und oft machen sich einige auf die Suche nach der „Kolonie der Wasseruntoten“ - bisher ohne Erfolg--

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.06.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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