Mühsam stapfte er mit seien Pelzstiefeln durch das Unterholz des Waldes.
Er brütete vor Wut und Hitze vor sich hin und seine Laune besserte sich
nicht gerade als sein rechter Fuß im dornigen Gestrüpp hängen blieb und er
der Länge nach hinschlug.
„Bei allen Göttern“ rief er dem dichtem
Blätterdach zu „ was tue ich hier bloß?“
Er verharrte eine Weile auf
dem Boden, schwer atmend, seine langen Haare schweißnass und die Anstrengung
deutlich in sein Gesicht geschrieben.
„Ich bin ein Mann des Nordens“
mühsam kam er auf die Beine „kein Waldläufer“.
Der Anfang seiner
Reise war angenehm gewesen. Er durchwanderte das eisige Hochplateau, dass
seine Heimat, die Heimat der Nordmänner, war und stieg aus den kalten Höhen
hinab in die Tundra. Hier war er bereits früher einige Male zum Jagen
gewesen, und so wanderte er frohen Mutes südwärts.
„Wäre ich nur
öfters jagen gegangen“ brummte er in seinen Bart, und wirklich wäre das von
Vorteil gewesen. Er war zwar kein schlechter Jäger, doch stapfte er so
geräuschvoll und tollpatschig durch den Wald, dass jedes Wild längst das
Weite gesucht hatte, ehe er es überhaupt bemerkte. So bestand sein Proviant
aus getrocknetem Hammelfleisch und einigen Früchten die er unterwegs
fand.
Nach guten zehn Tagesmärschen hatte die Tundra begonnen sich in
saftiges Grasland zu wandeln und er hatte auch den ersten richtigen
Regenschauer abbekommen.
Er schrak zusammen blitzschnell zog er sein
Kurzschwert. Nur zwanzig Fuß vor ihm stob ein Reh aus dem Dickicht. Er ließ
sein Schwert fallen und griff nach dem Bogen, zog einen Pfeil, legte an und
schoss. Der Pfeil zischte durch die Luft auf den köstlichen Braten zu und
versenkte seine Spitze tief in einem Baum. Er hörte das Reh zwar noch hatte
es aber aus den Augen verloren und nach kurzer Zeit brach er die
aussichtslose Verfolgung ab. Genauer gesagt war er bei dem Versuch einen
umgestürzten Baum elegant zu überspringen aus dem Gleichgewicht geraten und
hatte wieder einmal Bekanntschaft mit dem Waldboden gemacht.
Die
grünen verregneten Wiesen waren in etwas hügeligeres Gelände übergegangen
und die Hitze war von Tag zu Tag drückender geworden, und so war er froh als
er den großen Wald erreichte.
Anfangs noch dankbar und glücklich
über den Schatten, hatte sich seine Stimmung langsam zu der üblen Laune
gewandelt, die er nun hatte.
Er richtete sich langsam wieder auf und
stutzte. Ihm war als hätte weit vor ihm im Wald etwas geblitzt oder
geblinkt. Er steuerte darauf zu und als es wieder blinkte war ihm klar was
es war. Ein erfahrener Seemann, für den er sich hielt, erkannte die Sonne,
die sich im Wasser spiegelte. Dort musste ein See sein.
Und
tatsächlich brach er nach einer Weile aus dem Unterholz auf eine Lichtung
mit einem kleinen See. Linkerhand standen mannshohe gelbe Blumen umflattert
von faustgroßen Schmetterlingen. Ein Tier flatterte in den Kelch einer Blume
und tauchte wieder auf über und über mit Blütenstaub bedeckt. Als es davon
flatterte zog es einen Schweif hinter sich her in dem sich glitzernd das
Sonnenlicht spiegelte.
Rechterhand erblickte er einige Fasane, die
eine vorzügliche Mahlzeit abgeben würden. Doch was ihn am meisten fesselte
war der See. Er stand an einem flachen Ufer, an den Seiten des Sees stieg
das Gelände an und fiel fast senkrecht zum See ab. „Na das wäre ein schöner
Sprungturm für die Kinder“ sage er laut und ging lachend das Ufer
entlang.
Er stand nun oben auf der Böschung und blickte hinab in den
See, der fast schwarz da lag. So schwarz wie die Weiten des Eismeers im
Norden. Die Weiten, die er schon oft zum Fischen durchkreuzt hatte.
Unendlich, undurchdringlich und majestätisch dunkel. Er hatte sich immer
gefragt was das Meer zu verbergen suchte. War es etwas Schreckliches, das
aus Scham verdeckt wurde. Oder verdunkelte es sich angstvoll um Schätze zu
verstecken.
Er stand unbeweglich, so tief in Erinnerungen versunken,
dass es ihn nicht verwundert hätte, wäre aus dem See ein Eiswal
aufgetaucht.
Jäh kam er zu sich als ihm beide Füße mit ungeheurer
Kraft nach hinten gezogen wurden, er nach vorn überkippte und mit rudernden
Armen auf die Wasseroberfläche zu stürzte. Er tauchte in das kalte Wasser ,
schlug die Augen auf und erschrak fürchterlich. Er blickte direkt in das
Gesicht einer Leiche, die auf dem Grund des Sees lag.
Er riss seinen
Blick los um aufzutauchen und fuhr erneut zusammen als er etwas kaltes
spürte, das sein Fußgelenk packte und fest hielt. Er sah nach unten und
merkte, dass sich wieder einmal seine tollpatschigen Füße mit einigen
Pflanzen verheddert hatten.
Er griff nach unten und zerriss die
Schlinge, die ihn hielt und betrachtete noch einmal das Gesicht des
Toten.
„Verdammt“ dachte er und zog die Stirn in Falten. „Das sind ja
mindestens ein Dutzend“. Da er nun etwas weiter entfernt vom Grund war
erkannte er, dass der See ein Massengrab war. Ekel und der Drang zu atmen
ließen ihn den Entschluss fassen aufzutauchen.
Sein Blut gefror vor
Schreck, als die Leiche unter ihm die Augen aufschlug und ihn mit ungeheurer
Kraft nach unten zog.
Er sah unmittelbar in ausdruckslose
Augen.
„Das Schwert!“ schoss es ihm panisch durch den Kopf und er
griff danach bekam aber nur die leere Scheide zu fassen. Er hatte das
Schwert im Wald liegen lassen. Ihm wurde schwarz vor Augen und strampelnd
kämpfte er verzweifelt gegen die vielen Arme, die ihn hielten.
An der
Wasseroberfläche war davon bis auf einige kleine Wellen nichts zu bemerken,
und kurz darauf lag der dunkle Teich wieder vollkommen ruhig inmitten der
malerischen Lichtung.
Die Kolonie der Wasseruntoten hatte einen neuen
Einwohner.
-- Geschichte, die den halbstarken
Heranwachsenden im Norden erzählt wird--
-- Die Nordmänner halten
verbissen daran fest, dass es sich einst wirklich so zugetragen hat und oft
machen sich einige auf die Suche nach der „Kolonie der Wasseruntoten“ -
bisher ohne Erfolg--
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (David Weber).
Der Beitrag wurde von David Weber auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.06.2004.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
David Weber als Lieblingsautor markieren
Momentaufnahmen des Lebens: Gedichte über Alltägliches und Besonderes
von Marion Neuhauß
Kleine Begebenheiten des Lebens, die uns zum Schmunzeln bringen oder zum Nachdenken. Die 35 Gedichte nehmen sich dieser Momente an und lassen sie -unterstützt von sorgsam ausgewählten Fotos- intensiv wirken. Ein tolles Geschenk!
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: