Angelika Maier

Liebe mit Hindernissen

Es klingelte bereits zum achten Mal an der Türe. Julia kam gerade aus der Dusche. Ihre langen, braunen Haare, die sich normalerweise zu wunderschönen Locken kringelten, lagen triefend nass und völlig durcheinander auf ihrer Haut. Sie hatte nur ein kurzes Handtuch um ihren makellosen Körper gewickelt. Das betonte die Länge ihrer eh schon unendlich scheinenden Beine.

Sie öffnete schnell die Tür und begrüßte den Mann, der schon eine halbe Ewigkeit vor der Tür wartete so stürmisch, dass sie fast ihr Handtuch verlor. Er lächelte sie kurz an und sah an ihr hinunter.

Der junge Mann war eher durchschnittlich. Er war zwar schlank und durchtrainiert, machte sich aber nicht viel aus seinem Aussehen. Und das, obwohl er eine so faszinierende Ausstrahlung hatte, dass sich fast jede Frau nach ihm umdrehte. Seine smaragdgrünen Augen funkelten jedesmal noch mehr, wenn er lachte oder er etwas ausgeheckt hatte. Seine schwarzen Haare trug er etwas länger. Das machte seinen Look, das eigentlich keiner war, perfekt. Er sah damit immer zerwühlt aus.

Julia kannte jedes Detail in seinem Gesicht. Immer wenn er es nicht bemerkte, beobachtete sie in.

Es störte ihn nicht, dass sie nie pünktlich war. Er war ein sehr geduldiger Mensch und rechnete die halbe Stunde, die Julia ihn entweder vor der Tür oder in ihrem Wohnzimmer warten ließ, schon immer bei ihren Treffen mit ein.

Wer jetzt glaubt, dass die beiden ein Liebespaar sind, der irrt sich.

Sie haben zwar schon eine traumhafte Liebesnacht gemeinsam erlebt, beschlossen aber im beidseitigem Einverständnis, dass das einmalig war.

Seitdem war das Verlangen dieses jungen Mannes für diese junge Frau bis ins unermessliche gewachsen. Er glaubte aber, dass es für sie nur ein One-Night-Stand war, da sie den Vorschlag machte, dass sie es dabei belassen sollten.

Michael, so hieß der junge Mann, hatte sich auf eine Offenbarung seiner Liebe an diesem Abend vorbereitet. Dazu fehlte ihm eigentlich der Mut, aber da er nach dem Motto, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, lebt, bleibt ihm nichts anderes übrig. Vielleicht mochten ihre Eltern ihn ja nicht. Er kannte sie nicht, wusste nur, dass sie eine große Firma besitzen und viel reisen. Er hatte Angst, dass sie mit einem einfachen Mechaniker nicht zufrieden sind. Julia war ihre einzige Tochter, sie studierte und bekamm alles von ihren Eltern finanziert.Ihre große Wohnung war auch ein Geschenk der Eltern.

Aber noch mehr Angst hatte er davor, dass sie ihn nicht liebte.

"Bin gleich wieder da!" sagte Julia kurz und verschwand hinter der blauen Tür im Flur.

Wie gewöhnlich hörte man den Föhn, ein paar Schränke auf und zu fliegen und ein lautes Fluchen. Dafür liebte er sie.

15 Minuten später kam sie zurück. Sie hatte ihre Locken nun getrocknet und sie locker nach oben gesteckt. Ein rotes, kurzes Trägerkleid bedeckte das, was Michael so gefiel. Sie wusste, wie sie mit ihren Reizen umzugehen hatte. Und sie wusste, dass es ihm gefiel.

Zum Schminken brauchte sie nicht viel Zeit. Make up konnte sie ganz weg lassen. Ein bisschen Lipgloss und Wimperntusche reichten völlig aus.

Sie war ja schon geübt darin, wenig Zeit zu brauchen, weil sie immer zu spät dran war.

"Gehen wir" fragte Michael sie lächelnd. Sie nickte und lächelte kurz zurück. Michael glaubte, ein gewisses Leuchten in ihren Augen zu sehen, das man auf Liebe von ihrer Seite aus deuten könnte. Den Gedanken verwarf er aber schnell wieder.

Eine halbe Stunde später parkte Julia ihren neuen BMW (ein Geschenk ihrer Eltern zum 21. Geburtstag) auf dem Parkplatz des Restaurants, in das Michael sie für heute Abend eingeladen hatte. Ganz im Gegensatz zu den bisherigen Treffen der beiden, sprachen sie während der Fahrt kein Wort miteinander. Er war sehr nervös.

"Verdammt, ich hab was vergessen!" Mit diesem Satz unterbrach Michael die Stille.
"Was hast du vergessen?"
"Siehst du dann schon!", sagte er, sah sich kurz um und lief auf die andere Straßenseite.

Da es draußen ziemlich kalt war, ging Julia schon mal vor ins Restaurant. Der Tisch, den sie reservierte, lag am Fenster. Sie bestellte immer Tische mit Blick nach draußen. Denn sie wusste, dass Michael das liebte.

Es waren bereits 10 Minuten vergangen, und Michael war immer noch nicht zurück. Suchend sah sie aus dem Fenster.

Einen Augenblick später sah sie etwas durch die Luft fliegen, hörte ein Hupen und sah, wie einige Leute vom Gehweg auf die Straße stürmten und irgendwas herum brüllten. Sie bekamm ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend. Dann stand Julia ganz langsam auf, in der Hoffnung, ihre Vorahnung würde sich nicht bestätigen.

Als sie auf die Straße ging, hörte sie schon Sirenen und sah die Blaulichter eines Krankenwagens. Sie ging langsam auf die Unfallstelle zu und sah etwas auf ihrem Weg dorthin am Boden liegen. Sie hob es auf, und bemerkte, dass es die Kette war, die sie Michael zu ihrer 10-Jährigen Freundschaft letztes Jahr schenkte. Am Boden lag noch ein Strauß roter Rosen. Ihr blieb die Luft weg, einen Augenblick später wurde ihr schwarz vor Augen und klappte zusammen.

Einen Tag später wachte sie auf. Um sie herum war alles weiß und hell erleuchtet. Alles, was sie sah, waren 2 dunkle Gestalten. Sie hatte ziemliche Kopfschmerzen, dadurch sah sie noch nicht ganz klar und erkannte die Gestalten noch nicht.

Kurze Zeit später wurde alles schärfer und sie erkannte ihr Eltern, die nur noch auf ihr erwachen gewartet haben.

Sie richtete sich schnell auf, worauf sich ihre Kopfschmerzen zu einem stechenden Schmerz entwickelten. Langsam ließ sie sich auf ihr Kissen zurück sinken.

"Ist er ..." Sie sah ihre Eltern mit Tränen erfüllten Augen an.

Ihr Vater sah ihre Mutter mit fragendem Blick an. Sie nickte ihm kurz zu.

"Nein, ist er nicht! Er ist aber noch nicht außer Lebensgefahr. Seit einer halben Stunde wird er operiert! Die Ärzte wissen noch nicht, ob er es schaffen wird. Er hat schwere innere Verletzungen!"

Ihre Eltern wussten, wer er war. Julia erzählte immer von ihm, wenn sie bei Ihnen war, bzw. oft auch in den E-mails, die sie ihnen schickte. Ihre Eltern waren ja oft unterwegs.

"Was ist passiert?"

"Er hat Rosen gekauft. War unachtsam, als er wieder über die Straße ging. Da erfasste ihn das Auto einer jungen Frau. Den Rest kennst du ja schon!"

Sie sah ihren Vater an und begann wieder zu weinen!

"Ich bin schuld, dass ihm das passiert ist. Wenn er stirbt, das könnte ich mir nie verzeihn..."

"Du kannst nichts dafür!" Ihre Mutter setze sich zu ihr ans Bett, wischte Julias Tränen weg und nahm ihre Hand. Mit der anderen Hand holte sie ein Päckchen aus ihrer Jackentasche und gab es Julia. "Das hatte er dabei." Auf dem schön eingepackten Päckchen stand: Für die Liebe meines Lebens, Julia!

Mit zitternden Händen öffnete sie das Päckchen. In dem Päckchen befand sich eine mit blauem Samt überzogene Schachtel. In dieser Schachtel lag auf blauer Seide ein Ring mit einem grünen Smaragd. Wieder begann Julia zu weinen. Ihr wahr klar, dass Michael wusste, dass sie smaragdgrün so liebte.

Es lag noch ein kleiner Brief dabei.

Darauf stand:
Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll!
Wir kennen uns jetzt 11 Jahre.
Sind zusammen durch dick und dünn gegangen.
Wir sehen uns fast jeden Tag.
Ich kenne all deine Besonderheiten, aber auch deine Fehler.
Ich liebe es, wie du jedesmal noch eine halbe Stunde brauchst, wenn wir uns sehen.
Ich liebe es, wie du mich immer beobachtest, und glaubst, ich würde es nicht sehen.
Ich liebe es, dass du mich hälst, wenn ich falle.
Ich liebe es, wie du mich anlachst, wenn du meine Augen ansiehst.
Ich liebe es, wie du dich in einer viertel Stunde fertig machst zum ausgehen.
Ich liebe es, wenn du dich ärgerst, wenn du nichts anzusiehen findest.
(Du bist so süß, wenn du dich ärgerst!)
Ich liebe es, wie deine Haare nach dem Duschen auf deiner Haut kleben.
Ich liebe es, dich zu sehen.
Ich liebe es, dich einfach in meiner Nähe zu haben.
Ich will immer mit dir zusammen sein.
Willst du meine Frau werden! Dann würde sich mein größter Wunsch erfüllen.

Er wollte ihr einen Heiratsantrag machen.

Den Brief fand sie wunderschön. Er war auf braunen Papier mit scharzer Tinte geschrieben und hatte etwas besonderes an sich. Denn er wurde mit Liebe geschrieben.

Sie sah zu ihren Eltern auf."Wann kann ich ihn sehn?"
"Sobald er aus der Narkose erwacht ist!"

Aber er wachte nicht auf. Er lag im Koma. Julia verbrachte die ganze Zeit an seinem Bett. Ihr Studium war ihr im Augenblick egal. Sie kümmerte sich nicht mehr um ihr Aussehen oder ihr Gesellschaftliches Ansehen. Oder ihre Zukunft. Für sie gab es nur noch ihn. Ihren Michael.

Ein halbes Jahr war bereits vergangen. Die Ärzte hatten schon jegliche Hoffnung aufgegeben. Sie hätten seine Maschinen schon längst abgestellt, wenn sich Julia nicht so dagegen gewehrt hätte.

Julia hatte in den letzten Monaten nicht viel Schlaf gefunden, aber in der letzten Nacht kam sie gar nicht zur Ruhe. Sie träumte, dass Michael gestorben sei und blieb dann die ganze Nacht wach.

Am Nachmittag fielen ihr dann die Augen zu, als sie an seinem Bett seine Hand hielt.

Plötzlich spürte sie, dass etwas ihre Hand drückte. Sie schreckte auf, und sah, dass Michael sie anlächelte. Er hatte sie bereits einige Zeit angesehen. Auch den Ring an ihrer Hand hatte er nicht übersehen.

"Ich liebe Dich" hachte sie ihm ins Ohr.
"Ich liebe Dich auch" Er sah sie fragend an. "Was ist passiert?"
"Du bist angefahren worden"
"Warum, was ist geschehen?"
"Das erzähl ich dir ein anderes Mal. Wenns dir wieder besser geht. Für das haben wir alle Zeit der Welt."

Darauf hin war er noch verwirrter. Sie zeigte ihm den Ring und er sagte:"Du hast also meinen Brief gelesen und kennst meine Frage schon..."

Sie beugte sich zum hinunter, lächelte, hauchte ein leises "Ja, ich will dich heiraten" und küsste ihn.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.06.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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