Hans Pürstner

Der Mörder war nicht der Gärtner, Teil 6

6.Kapitel
Als sie zur Dienststelle zurückkamen, saß Britta Wilhelm, die als einzige nicht mit zur Beerdigung gefahren war, schon erwartungsvoll an ihrem Schreibtisch. „Na, Kollegen, habt ihr was rausgekriegt aus der noblen Familie?“ Sie wartete erst gar nicht auf eine Antwort, sondern fing gleich an zu erzählen, was sie bei der Versammlung der Umweltaktivisten erfahren hatte. „Ich glaube, es gibt bestimmt einige Leute, die den alten Rabbisch zum Teufel gewünscht haben“, berichtete sie, „die Art und Weise, wie er seine supergünstigen Preise erreichen konnte, war manchmal fast kriminell. Er hat zum Beispiel einem kleinen Produzenten von Gewürzgurken angeboten, exklusiver Lieferant für Sauerkonserven bei den Rabbisch Märkten zu werden. Der gute Mann vergrößerte seine Produktionshalle, kaufte neue Maschinen ein und schloss Verträge mit Bauern für deren Jahresernte an Industriegurken ab. Als dies alles unter Dach und Fach war, verlangte Rabbisch von ihm eine Preissenkung um 10 Prozent. Und das von einem Preis, der so schon an der untersten Grenze kalkuliert war, zu dem er gerade noch einen bescheidenen Gewinn hätte machen können. Da er diese Mengen anders gar nicht hätte los werden können, blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Am Ende zahlte Rabbisch den viel zu niedrigen Preis auch noch mit erheblicher Verspätung, so dass der Mann Konkurs anmelden musste!“. Sie blickte die Beamten mit funkelnden Augen an und fuhr fort. „ Ein Mitglied der Umweltgruppe erzählte mir, dass sie vor zehn Jahren einmal das Schnittbrot vom Rabbisch-Markt auf Konservierungsmittel haben überprüfen lassen. Als der positive Befund vorlag, habe Rabbisch dem Hamburger Bäckermeister fristlos gekündigt. Obwohl dieser beteuert hatte, den Konservierungsstoff auf ausdrückliche Anweisung des Einkaufsleiters der Rabbisch Märkte verwendet zu haben. Das Brot sollte möglichst lange in den Regalen im verkaufsfähigen Zustand bleiben. Andernfalls hätte der Bäcker Unmengen an Brot retour nehmen müssen. Bei der knallharten Preiskalkulation ein Ding der Unmöglichkeit. Der Arme war seinen Exklusivabnehmer los, seine Überkapazitäten an Backwaren konnte er auf dem freien Markt nicht unterbringen, und die Bäckerinnung ließ ihn auch im Regen stehen. Schließlich hatte er ihnen durch die Belieferung von Rabbisch lange Zeit die Preise verdorben. Seine Frau ließ sich scheiden, den größten Teil seiner Angestellten musste er entlassen und sein Sohn, der die Firma in Kürze übernehmen sollte, arbeitet jetzt als Produktionsleiter bei der Großbäckerei, die seither exklusiv die Rabbisch Märkte beliefert.“ Nachdem sie sich richtig in Rage geredet hatte, hielt sie beinahe erschöpft inne und wartete auf die Reaktion von Woldmann. Doch der zuckte nur mit den Schultern und meinte „Dass der Rabbisch ein ganz ausgekochter ist, wissen wir ja. Aber so ganz freiwillig gehen die Lieferanten eben nicht vom Preis runter, oder?“ „Komm, Albert!, mischte sich Pallhuber ärgerlich ein, „musst du denn den alten Geizkragen auch noch verteidigen?“.
Aber Woldmann ließ sich nicht beirren. „Ich glaube immer noch, dass wir den Täter in der Familie finden, da bin ich mir fast sicher!“
In dem Moment ging die Tür auf und Kriminalobermeister Grabert kam herein. „Mensch Grabbi, ich denke, du fährst zur Kur?“ fragte Britta Wilhelm ihn ganz entgeistert. „was heißt hier zur Kur“ entgegnete Grabert peinlich berührt, „ich bin doch kein alter Mann. Du weißt genau, dass ich zur Reha in die Lungenheilanstalt muss. Es kann doch nicht sein, dass ich jedes Jahr ne Lungenentzündung bekomme!“ Woldmann nickte und sagte wehmütig „Ja, das wäre wirklich schön, wenn du nicht mehr dauernd ausfallen würdest!“ Grabert winkte ärgerlich ab und erzählte „Ich war grade beim Oberrat Berger, um mich offiziell abzumelden. Er sagt, ihr sollt heute Nachmittag noch zur Besprechung in sein Büro kommen. Punkt 17 Uhr! Es geht um die Sonderkommission.“ Und schon winkte er den Kollegen zu, erleichtert, sich verdrücken zun können und verabschiedete sich.
Noch bevor sie die Nachricht verdauen konnten, die ihnen vielleicht den Fall Rabbisch abnehmen würde, kam ein Anruf vom MEK, das auch die Verhaftung von potentiell gefährlichen Tätern vornimmt. „Hallo, Kollege Woldmann!“, grüßte der Beamte, hier Ulrich vom MEK „wir haben gerade in Rahlstedt einen Mann festgenommen, der wegen mehrfachen Zechbetrugs in teuren Lokalen auf der Reeperbahn und wegen einer damit zusammenhängenden Schlägerei zur Verhaftung ausgeschrieben war. Der hat die ganze Wohnung voll von Sadomaso Utensilien und anderem. Sieht aus, wie im Puff. Außerdem hat er bei der Festnahme gefragt, ob ihn die Helga vom Club 77 verpfiffen hätte. In dem Club ist doch letzte Woche ein Mädchen umgebracht worden, oder? Ich dachte halt, vielleicht ist das euer Nuttenmörder!“ „Mensch, Ulrich“, rief Woldmann erleichtert, „wir waren so mit dem Fall Rabbisch beschäftigt, dass wir die Sache fast aus den Augen verloren hatte. Das wäre ja zu schön, um wahr zu sein! Ich werde gleich beim Berger anrufen, dass er uns euren Mann überstellen lässt. Danke noch mal für den Hinweis!“ Er verabschiedete sich von dem Kollegen und legte den Hörer auf. Er informierte auch die Anderen über diese erfreuliche Entwicklung und begann, ein Positionspapier zu entwerfen für die Besprechung beim Kriminaloberrat. Inzwischen war er in den Fall doch auch emotionell involviert und würde ihn nur ungern abgeben. Zumal die Geschichte mit dem Prostituiertenmörder offensichtlich wohl bald ad acta gelegt werden konnte.
Verdächtiger Nr.1 Robert Rabbisch, der älteste Sohn. Er hätte seine Expansionspläne begraben müssen , anstatt einen deutsch-amerikanischen Einzelhandelskonzern zu führen, hätte er bestenfalls Geschäftsführer der Stiftung werden können. Für den ehrgeizigen Mann wohl ziemlich hart, aber ein Grund für einen Mord, noch dazu an seinem eigenen Vater?
Blieb Verdächtiger Nr.2, ja, wer denn eigentlich? Woldmann wurde das Gefühl nicht los, dass die Leute vom Restaurant Waldschlösschen ihm nicht die ganze Wahrheit erzählt hatten. Vor allem die Verbindung zwischen dem alten Bellmann und dem Koch. Bellmann, der einstige Weinhändler, der jetzt ausgerechnet als Gärtner bei Rabbisch arbeitete, einem Mann, der vielleicht nicht ganz unschuldig war am Niedergang der Weinimportfirma. Dem wollte er als nächstes nachgehen, wenn es da einen Zusammenhang gab, wäre ein Motiv gefunden. Zudem kannten sich ja Bellmann und der Koch vom Waldschlösschen anscheined schon länger. Derjenige, der das Essen geliefert hatte. Wenn bloß endlich die genaue Analyse des Giftes vorliegen würde. Er rief noch mal im Institut an und machte Druck. Man versprach, das Ergebnis noch morgen Vormittag zumindest telefonisch bekannt zu geben.
Nummer 3, den Bäckermeister, konnte man von der Liste streichen. Der lebte, laut Recherche von Pallhuber, seit einem Jahr in einem Altenheim, verbittert zwar und durchaus noch in der Lage, finstere Pläne zu schmieden, aber bestimmt nicht mehr fähig, um sie auch auszuführen. Woldmann nahm die Liste, packte sie zu der Ermittlungsakte und rief seine Leute zusammen, um gemeinsam ins Besprechungszimmer von Doktor Berger zugehen.
Dort trafen sie auf zwei ältere Hauptkommissare, den einen kannte Pallhuber von einem Lehrgang, der andere stellte sich vor als Christian Pammer, Leiter des Wirtschaft- und Ordnungsamtes Bezirk Mitte. Oberrat Berger hatte ihn gebeten, sich der Sonderkommission als Berater zur Verfügung zu stellen. „Ich habe vierzehn Jahre lang als Lebensmittelkontrolleur gearbeitet, war in Restaurants, Supermärkten etc. ein - und ausgegangen. Sicherlich kann ich ihnen da den einen oder anderen Insidertipp geben, meine Herren!“ Die guckten zuerst etwas erstaunt, aber nach und nach fanden sie die Idee gar nicht so übel. „Sie brauchen hier zwar nicht die Qualität von Frittierfett überprüfen oder die vorgeschriebene Länge der Currywürste überprüfen, Herr Pammer!“, meinte Woldmann, „aber sobald wir die Analyse des Giftes, das den Tod verursacht haben soll, wissen, können sie uns bestimmt dabei helfen, den Weg des Gifts bis in den Magen von Rabbisch zu zurückzuverfolgen.“ Inzwischen war Doktor Berger zu den Beamten in den Raum getreten und rief erfreut „Schön, dass sich die Herren bereits bekannt gemacht haben! So spare ich mir lange Erklärungen“ und guckte Woldmann dabei leicht schuldbewusst an. „Ich habe hiermit eine Sonderkommission in der Leichensache Rabbisch zusammengestellt, deren Leitung ich natürlich offiziell übernehmen werde. Ich bitte Herrn Kollegen Woldmann, mich dabei zu vertreten, da ich mich natürlich nicht die ganze Zeit nur um diese eine Sache kümmern kann!“ Der Angesprochene verdrehte die Augen und dachte „Ach der arme Berger, der ist ja so überlastet, rennt von einem Sektempfang zum anderen, dann noch Gastredner auf Seminaren. Da muss man ihm natürlich helfen!“. Nach außen hin ließ er sich nichts anmerken und bejahte die Frage seines Chefs höflich und bestimmt. Sie gingen alle Einzelheiten noch einmal durch, aber Berger hielt nicht viel von praktischen Erwägungen, er wollte Ergebnisse sehen. Fein säuberlich zu Papier gebracht. Und zwar so, dass er bei den abschließenden Pressekonferenzen keine peinlichen Zwischenfragen mehr fürchten musste. Kurzerhand schob er einen wichtigen dienstlichen Termin vor und verabschiedete sich eilig.

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