Gaby Schumacher

Fürs Stricken denkbar ungeeignet - Wollknäuel mit Charme

Fürs Stricken denkbar ungeeignet –Wollknäuel mit Charme!


Tierische Überlegungen

Kein Gebell im Haus. Wieso eigentlich nicht?
Schon während meiner Kindheit und Jungend kam ich an keinem Hund vorbei. Kulleraugen und Wackelschwänzchen: Um mich war´s geschehen. Davon abgesehen, durften sie gerne aussehen wie eine Mischung aus Kuh und Dampfwalze. Egal! Dieser verrückte Hundetick ließ mir in ähnlich “gefährlicher” Ausprägung auch als Erwachsener später keine Ruhe. Obwohl nach und nach acht zweibeinige Kulleraugen in mein Leben traten. In Gestalt von vier Töchtern. Aber die Sehnsucht nach einem Vierbeiner verschwand keineswegs. Sie wühlte in meinem Inneren und drängte, drängte, drängte...!
Als meine Töchter Sandra 9 Jahre, Nicolette 7 Jahre und die Zwillinge Tina und Katja 5 Jahre waren, ertrug ich den wauwaulosen Zustand nicht länger. Ich ackerte Zeitungsannoncen durch und entschied mich für das Angebot eines Eurasierzüchters aus Viersen. Diese Rasse hatte ich in meinem Hundebuch entdeckt. In ihrem Äußeren ähnelten sie frappierend meinem Lieblingsteddy “Püchen”. Machten deshalb bei mir das Rennen vor den restlichen 395 Hunderassen dieser Welt. Den entscheidenden Ausschlag gab der schlaue Hinweis in jenem Ratgeber, dass die nicht eben kleinen Viecher (bis 60 cm Schulterhöhe) ausgesprochen leicht erziehbar seien. Später, als ich mein Bärchen zuhause hatte, zeigte sich innerhalb kürzester Zeit, dass die Herausgeber des Buches anscheinend in Bezug auf “leichte Erziehbarkeit” an die süßen Stofftierausgaben der Firma Steiff gedacht hatten.( Darüber später mehr!).
Noch ahnte ich ja nicht, welch ein “leicht erziehbares” Knuddelvieh der vierbeinige Ersatzbruder meiner Töchter war. Das (!) Kerlchen hatte es in sich!


Kennenlernen


Der große Tag! Mit meinen beiden älteren Töchtern Sandra und Nicolette reiste ich nach Viersen, um mir die Welpen anzusehen. Meine Jüngsten, die Zwillinge Tina und Katja blieben daheim. Sie waren ängstlicher, hatte damals vor Hunden noch ein wenig Scheu. Besser, sie lernten unser “Baby” zuhause kennen, anstatt in Viersen auf eine ganze Krabbelmeute auf einmal zu treffen.
Vor Nervösität schwitzend saß ich im Zug. Schließlich erfüllte sich mein Kindheitstraum. Fast ein wenig feierlich war mir zumute, was ich aber tunlichst zu verbergen versuchte. Schließlich handelte es doch nur um einen Hund. Aber(!) um meinen zukünftigen vierbeinigen Freund! Mein Herz pochte recht schnell. Sandra und Nicki harrten mit Freude dessen, was da auf sie zukäme.
In Viersen holte uns der Züchter mit dem Wagen vom Bahnhof ab. Er machte auf mich einen sehr sympathischen Eindruck. Kein Mensch, der Tiere quälte. Von der Unterhaltung während der Fahrt bekam ich nur so die Hälfte mit. Dachte unentwegt an jene Wesen mit vier Beinen. Kurz darauf waren wir am Ziel, dem Grundstück des Züchters. Endlich, endlich war es soweit! Herr Großeschallau führte uns zu einer geräumigen Scheune, die teilweise zur Hundekinderstube umfunktioniert worden war. Sechs Welpen wären es. Doch zunächst stellte sich uns deren Mama vor; eine liebe, zutrauliche Hündin. Dann öffnete der Züchter ein niedriges Seitentor. Wie auf Kommando purzelten uns sechs entzückende Teddybärchen entgegen. Ein süßes Bild, wie sie da alle durcheinander wuselten. Vier von ihnen blieben recht zurückhaltend. Doch die restlichen Zwei turnten weitaus kesser herum als ihre Geschwister. Begeistert setzte sich Sandra mitten in die Babyschar und verteilte unentwegt Streicheleinheiten. Auch Nicolette hatte ihre Angst vergessen. Wieder und wieder rief sie mir zu: “Mama, guck mal die Kleine da, wie drollig!”
Es waren vier Schwesterchen und zwei Brüderchen, von denen das eine sich sofort in eine Ecke verkrümelte. Um von dort aus die Besucher und auch seine Geschwister bei deren Treiben zu beobachten. Mit wahrlich tellergroßen Augen. Dieser Augen wegen hatte ich mich an und für sich schon fast für ihn entschieden. Doch, als das Baby sich so gar nicht am kregen Gerangel seiner Geschwister beteiligte, stattdessen die ganze Zeit regungslos in seiner Ecke herum lag, kamen mir Zweifel. Irgendwie war er doch zu ruhig. Und –wenn der dann erwachsen wäre? Nein, etwas mehr Temperament erwartete ich von meinem zukünftigen, vierbeinigen Freund denn doch! Total in diese Überlegungen vertieft, registrierte ich kein bisschen mehr das Geschehen um mich her. Erst ein entzückter Schrei von Sandra riss mich aus meinen Gedanken. Was war da denn passiert? Meine Tochter hatte ihre Taschentuchpackung auf dem Boden neben sich abgelegt, um die Hände fürs Streicheln frei zu haben. Und wo waren die Tempos geblieben? Ich folgte ihrem strahlenden Blick. Oh, ganz offensichtlich glaubte da ein kleines keckes Hundemädchen, meine Tochter hätte jenes toll knisternde Paketchen extra seinetwegen da abgelegt. Wäre übrigens nicht verwunderlich gewesen. So niedlich, wie dieses Wollknäuel aussah. Jedenfalls war die holde Miniweiblichkeit hellauf begeistert. Wirklich eine tolle Idee.
Im Hundebabyalter endete solch ein Spiel damit, dass die armen Tempos hinterher in Fetzen gerissen überall durch die Gegend flogen. (Machte nichts, in meiner Tasche war Ersatz.) Sandra war von der pfiffigen kleinen Kröte hin und weg und futsch. “Mama, lass uns die nehmen. Ach bitte, Mama!” Doch ich nannte schon vier Töchter mein Eigen. Jetzt wünschte ich mir männliche Unterstützung. Aber doch nicht das bierruhige Exemplar in der Ecke. Wie ich beobachtete, war sein Bruder aus einem ganz anderem Holz geschnitzt. Nur aus Neugier zusammengesetzt, trappste dieses Etwas in jede noch so kleine Nische und schnupperte, was das Zeug hielt. Nichts durfte ihm entgehen. Meine Güte, soviel Babyselbstbewusstsein sah man nicht alle Tage. Sein Schnute trug er hoch in der Luft. Leider schienen wir ihm piepegal zu sein. Zeigte auch kein ausdrückliches Interesse an uns. Seufz, der ließ uns einfach links liegen. Und trotzdem: Zwei riesengroße braune Kulleraugen, niedliche Teddyohren in Dunkelbraun, eine entzückende schwarze Babyschnute und sein damals noch kurzes Schwänzchen nahmen mir die Entscheidung ab. Bei mir hatte es schrecklich gefunkt. Der kleine Auserwählte jedoch blieb uns gegenüber auch während der nachfolgenden halben Stunde nach wie vor die Neutralität in Person.
Und wie sollte der Fratz nun heißen? Bloß nicht etwa Waldi, Bello oder Hasso. Furchtbar. Jeder dritte Vierbeiner hieß ja so! Mein Kleiner war etwas ganz Besonderes. Etwas Besonderes brauchte auch einen ausgefallenen Namen. Bevor ich den Racker kennen gelernt hatte, war mir ein schon etwas älterer Hund vorgeführt worden. Der hatte Mato geheißen.
Deshalb schlug Sandra vor: “Mama, wie wär’s mit ‚Mato’?” Klang eigentlich gar nicht schlecht. Ich ließ mir den Namen mehrmals auf der Zunge zergehen. Mit jedem Male fand ich mehr Gefallen daran. Ob das kleine Fellbündel damit einverstanden wäre?


Einbürgerung

Nach Hause

Vierzehn Tage später holte ich mein Baby ab. Diesmal reiste ich allerdings allein. Obwohl sehr gespannt und aufgeregt, wollten die Kinder lieber daheim auf das neue Familienmitglied warten. Nicht weniger gespannt saß ihre Mutter im Zug. Noch zappeliger als zwei Wochen zuvor. Herr Großeschallau traf mich am Bahnhof, Klein-Mato hinten im Wagen. Nach kurzer Begrüßung konnte endlich ich meinen Einkauf begutachten. Hundebaby hockte in einer Plastikschüssel im Kofferraum. “Was bist duu süß!” Baby rührte sich nicht. Ganz ein kleines Häufchen Unglück. Von seiner Mutter weg, ohne Geschwister und zudem noch aus der vertrauten Umgebung herausgerissen! Mein Kommentar zum Züchter: “Mein Gott, fürchtet der sich!” Seine Antwort: “Wer so darauf achtet, wie es einem Tier geht...!” Eine nette Bemerkung.
Als Transportbehältnis für Mato diente mir Sandras großer Handarbeitskorb. Doch in Erinnerung an den Winzling von vor zwei Wochen hatte ich dessen Größenwachstum ein wenig unterschätzt. Nur unter Schwierigkeiten konnte ich ihn dort hinein quetschen. Es war sehr eng für ihn. Aber Mato bewegte sich völlig eingeschüchtert sowieso nicht vom Fleck.
Auf der Heimfahrt redete ich viel mit ihm. Doch Antworten durfte ich von diesem kleinen Angstpaket nicht erwarten. Nicht einmal seine Öhrchen zitterten zum Zeichen seiner Aufmerksamkeit. Lauschte er überhaupt meinen Worten? Nach der Hälfte der Rückreise änderte sich sein Verhalten. Anscheinend war er sich jetzt sicher, dass nichts Schlimmes geschähe. Näschen in die Luft gehoben und so die Situation in unserem Abteil geprüft. Der Test brachte ein beruhigendes Ergebnis. Also ruckte Mato in seinem Behältnis hin und her. Doch ohne Hilfe kam er aus dem engen Ding nicht heraus. Deutlich war ihm anzumerken, was er mittlerweile von seiner ungemütlichen Sardinenbüchse hielt. Deshalb fischte ich ihn heraus und setzte ihn mir auf den Schoß, um ausgiebigst mit meinem Hundekind zu schmusen. Ich lebte ja noch in dem Glauben, ihm seelische Unterstützung geben zu müssen. Irren ist menschlich! Klein-Mato erteilte mir meine erste Lektion: Nur, weil er wie ein Plüschbär aussah, hieß das noch lange nicht, dass er auch wie ein solcher behandelt werden wollte. Nein, das war nicht in seinem Sinne. So lernte ich ihn kennen. Allein das längere Sitzen auf meinem Schoß fand er offensichtlich blöd. Aber ich war vorgewarnt: Fühlten solch junge Hundebabies sich unsicher, machten sie gerne ein Bächlein, sobald man sie auf den Boden setzte. Deshalb traute ich mich nicht, ihn nach unten zu lassen. Das Abteil hatten wir ja nicht für uns allein. Das wäre mir schrecklich peinlich gewesen. Und nicht jeder Mensch war ein Tiernarr! Im Übrigen setzten Welpen abgesehen vom Pipimachen noch ganz andere Ideen in die Tat um. An Einfällen mangelte es ihnen nie! Vielleicht suchte Mato sich die Schuhe eines der gegenüber sitzenden Mitreisenden für ein Schnürsenkelrausziehspiel aus. Der Betreffende wäre dann mit offenen Schuhen solange herum gelatscht, bis die zugehörigen Senkel per Zufall in irgendeiner Ecke des Abteils wieder auftauchten! Wahrscheinlich in etwas anderer Konsistenz; garantiert bis zur Unkenntlichkeit zerkaut. Nein, danke!! Die Umsitzenden bemerkten mein Zögern und ermunterten mich, den kleinen Hund doch nach unten zu setzen. Als ich sie auf mögliche nasse Folgen aufmerksam machte, glaubte ich dann allerdings, mich zu verhören: “Das ist kein Problem. Das kann man doch wegwischen!” Von allen Seiten für mich freundliche und für den kleinen Star des Ganzen fast verliebte Blicke. Bei einer solchen Reaktion ging ich das Risiko ein. Mato hatte in der Zwischenzeit verzweifelte Anstrengungen unternommen, meinem Klammergriff zu entkommen, um dann von dem blöden Schoß herunter zu hopsen. Klar kriegte er spitz, wie mein Griff sich lockerte. Fix das ausnutzend, landete er mit einem kleinen Sprung unten. Das hieß: “Also, Frauchen! Merk´ dir eines: Dein Hund ist keine Knuddelmaschine. Ich will meinen eigenen Platz!” Ein wenig enttäuscht nahm ich diesen deutlichen Wink mit dem berühmten Zaunpfahl entgegen. Schlagartig wurde mir klar, dass dieser mein kleiner Hund ein ziemlich eigenständiges Wesen war. Sich seiner vornehmen Abstammung anscheinend bewusst, produzierte Mato nicht die befürchtete Pfütze, sondern legte sich sehr manierlich zu meinen Füßen. Sein Ziel hatte er erreicht, war deshalb mehr als zufrieden und ließ sich den Rest der Zeit über nur zu gerne von allen bewundern. Er, der Star! Zum Glück waren ihm (noch!) die menschlichen Starallüren fremd. (Die lernte er dann sehr gelehrig später!!). Doch bereits in diesem zarten Alter präsentierte er sich als kleiner Prinz.


Eingewöhnen

Für die Dauer des Heimweges verfrachtete ich das süße Wollknäuel zurück in den hübschen
Weidenkorb, in dem es sogar brav sitzen blieb. Mehrmals stellte ich unterwegs den Korb für eine kurze Pause ab: “Mensch, ein Federgewicht bist du aber nicht grade!” Meine Spannung darauf wuchs, wie Alex, der Papa meiner Kinder und der geliebte Nachwuchs selbst auf den Minibären reagierten. Dann, endlich zuhause, setzte ich aufatmend meinen “Einkauf” in unserer großen Diele ab. “Das war fein anstrengend. Geschafft!” So, wie Klein-Mato aussah, war seine Aufnahme eigentlich schon vorprogrammiert. Er klaute das große und die kleinen Menschenherzen im Nu. Doch nichts bewegte ihn dazu, sein bastiges Gefängnis freiwillig zu verlassen. Stur saß er dort. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Im Korb fühlte er sich sicher. Aber was blühte ihm, wenn er den verließe? Kleine Hunde sind beileibe nicht dumm und gehen in einer solchen Situation auf Nummer Sicher. So zog er es vor, da zu bleiben, wo er war. Ruhig irgendwo zu sitzen war schließlich ganz angenehm, zumindest für eine Weile. Drollig verknautscht guckend rührte er unsere Herzen. Nach den ersten Begrüßungsminuten trug ich ihn nach oben in mein Zimmer, in dem schon ein schickes Hundebett auf ihn wartete. Das hatten wir mit einer weichen Kuscheldecke gepolstert. Ich setzte Hundchen auf eine Ecke dieser Decke. Im Halbkreis gruppierte sich sein neues Rudel um ihn herum, um das neue Familienmitglied erst einmal ausgiebig zu bewundern. Wie würde er sich wohl verhalten?? Erst ´mal sozusagen gar nicht. Er saß, saß und guckte. Mit einem ach soo knuffigen Blick!! Ansonsten tat sich aber nichts, absolut gar nichts. Meines Wissens gab es Hundebabys, die vor lauter Unternehmungsgeist sofort krampfhaft überlegten, was sie in der neuen Umgebung eigentlich als Erstes anstellen konnten. Die mussten deshalb von der ersten Sekunde an im neuen Zuhause dauernd unter Aufsicht stehen. Andernfalls hätten ihre neuen Besitzer ihre Wohnung schon nach dem ersten Tag mit Hund nicht mehr wieder erkannt. Gottlob: Zu denen zählte mein kleiner Liebling nicht! Vielleicht hatte ich genau das Gegenteil erwischt? Anscheinend hatte der kleine Kerl vor Angst vergessen, dass die Natur allen Lebewesen die Fähigkeit mitgegeben hat, sich auch ´mal von der Stelle zu rühren.. Da brauchte er aber dringendst eine liebevolle Nachhilfestunde. Zwecks Aufmunterung zupfte Alex, der Papa meiner Kinder, äußerst vorsichtig am freien Zipfel der Decke. Natürlich in der Hoffnung, das niedliche Etwas würde endlich aktiv. Na ja, immerhin rückte es seine Pfoten neu zurecht, saß dann aber in genau derselben Haltung wie vorher am selben Platz. Dieser Versuch war deutlichst fehlgeschlagen. Denn, wie angewachsen saß Mato da. Unbeweglich, und lieb schüchtern in die Gegend blinzelnd. Wir grinsten. Wie konnten wir diesem ängstlichen Sturköpfchen bloß klarmachen, dass es allmählich an der Zeit wäre, sich gefälligst bei uns heimisch zu fühlen? Unsere Töchter trugen Trinkwasser für ihn heran, damit er wenigstens seinen Durst löschte. Das wurde gnädigst akzeptiert. Schnell war der Napf geleert. Da wir Sorge litten, er käme vor Durst fast um, holten die Kinder rasch Nachschub herbei. Brav nippte er wieder von dem köstlichen Nass. So ging das eine ganze Weile. Als kleiner Prinz vom Scheitel bis zur Sohle schlappte Mato Wasser fast bis zum Umfallen. Folge: Hundebaby wollte in den Stunden danach dauernd aufs Klöchen, weil es so eine Wassermenge nicht verkraften konnte. Generell gingen Hundebabys sehr gerne alle zwei Stunden aufs Klo. Besonders freudig genossen das die neuen Hundeeltern des Nachts, wenn sie eigentlich gerne durchschliefen. Doch darauf nahm Baby keinerlei Rücksicht. Es machte eben solange Radau, bis Frauchen oder Herrchen hocherfreut aus dem Bett torkelten (sie kamen aus dem Tiefschlaf(!)), und glücklich mit ihrem Vierbeiner in die Dunkelheit hinaus stolperten. Genau so tat auch ich in den nächsten Nächten. Pünktlich alle zwei Stunden weckte mich Mato, ließ mir keinerlei kurze Galgenfrist, sondern drängte vehement nach draußen. Notgedrungen erhob ich mich, streifte irgendeine Pluderhose über den Pyjama und wanderte mit Hund an der Leine außer Hause. Besonders amüsant waren diese Spaziergänge bei Sauwetter. Nicht nur, dass ich todmüde war. Nein, natürlich wurde ich zudem pitschnass. Hund übrigens nicht minder. Mein kleiner Liebling war, oh Wunder(!), so rücksichtsvoll, diese nächtlichen Ausflüge auf das Notwendigste zu beschränken. Nach Häufchen und Pipi wollte er Gott sei Dank bereits nach fünf Minuten zurück. Nachdem ich als liebendes und pflichtbewusstes Frauchen jedes Mal den Kurztrip hinter mich gebracht hatte, durfte ich, wieder zu Bett, neidisch meinem Baby bei dessen Einschlafritual zusehen. Es drehte sich einmal im Kreise ums sich selbst, schmatzte vor Wonne vor sich hin und schlummerte selig ein. Ich dagegen hatte diverse Schwierigkeiten mit dem Weiterschlafen. Brauchte dafür deutlich etwas länger. Sauer konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren: “So eine Ungerechtigkeit!“

Sein Zuhause

Am ersten Tag bei uns düste er durch sämtliche Räume. Uff, war das anstrengend! Aber da half alles nichts. Es galt, sich doch seinen neuen Besitz mit allem Drum und Dran zu erobern. Was es da alles zu durchschnuppern gab!? Er verteilte am laufenden Band Zensuren. Die Bewertung fiel sehr streng aus. Ein Hund wie er stellte natürlich hohe Ansprüche. Die kleine Vordiele plus Gästeklo und Abstellraum und die sich daran anschließende große Diele kannte er ja schon. Auch einen besonders wichtigen Raum, die Küche, untersuchte er gründlichst. Sie grub sich, typisch Hund - tief in sein Gedächtnis ein. Das Elternschlafzimmer sowie das große Badezimmer im Erdgeschoss waren für ihn tabu. Das großzügig bemessene Wohnzimmer teilte sich in einen Sitzbereich und ein über Eck integriertes Speisezimmer. Den weichen Teppich im Wohnzimmer erklärte er sofort zu seinem Eigentum und nutzte ihn dann später, vor der großen Fensterfront liegend, oft stundenlang als Sonnenbank. Von da aus kontrollierte er mit einem einzigen Blick die ganze Parterre.
Als Nächstes besichtigte der neue Herr des Hauses die Jugendetage. Mein großes Zimmer, gleichzeitig Hundeschlafraum, drei Kinderzimmer, ein großes Bad, ein kleines Bad und die langgestreckte Diele mit gemütlicher Sitzecke plus einem Miniabstellraum. Danach die Kellerräume: Die waren durchaus interessant! Papas Arbeitszimmer mit dem schönen alten Klavier zog ihn magisch an. Spielte der Vater meiner Kinder auf dem Instrument, flitzte Mato in Windeseile durchs ganze Haus ins Arbeitszimmer, legte sich zu dessen Füßen und lauschte hingerissen. Walzermusik liebte er über alles. “Wuwuuuh!” sang er dann und wedelte begeistert mit dem Schwanz. Bei Popmusik jedoch ergriff der Herr sofort schwer beleidigt das Hasenpanier. Seine armen gequälten Ohren!
Außer der Waschküche, dem großen Handwerks- und Vorratskeller, dem winzigen Hausanschlussraum entdeckte er noch einen tollen Hobbyraum. Spitze, der war ja fast so groß wie das Wohnzimmer. Dort tobten seine Ersatzschwestern mit ihm. Sie spielten Bällchen, Läppchen oder auch Fangen. Fangen spielen fand er auf die Dauer langweilig. Er gewann ja doch immer!
Im zugehörigen Garten aalte er sich stundenlang in der Sonne, ärgerte sich ab und zu über einen verirrten Igel oder regte sich über eine unverschämt durch seinen Garten streunende Katze auf. Den Igel mied er; sein Instinkt warnte: “Vorsicht, das piekst!” Die Katze kriegte er leider nicht. Das wendige Etwas war einfach zu flink. Frustriert schickte er ihr ein wütendes Bellen hinterher. Zu dumm aber auch: Mein Hundekind konnte sich noch nicht einmal einbilden, das Vieh wäre seinetwegen geflohen. Mietzchen saß manchmal sogar im Baum direkt über ihm und lachte sich über diesen Miniwauwau kaputt. Im Gartenzaun entdeckte er ein größeres Loch, durch das er den Spazierweg auf der anderen Seite bestens kontrollieren konnte. Wanderten fremde Vierbeiner dort entlang, deutete er ihnen schon ´mal mit Knurren und Gebell an, wer in Zukunft hier das Sagen hätte. So eine Unverschämtheit! Verärgert meldete er uns solcherlei Frechheiten sehr nachdrücklich.
Von jenem Platz aus hatte er den restlichen Garten, die Küche und vor allem mich, sein Frauchen, bestens unter Aufsicht. Darum wurde dieser Fleck zu seiner Lieblingsgartenecke.

Schlafstätte

Meine Tiere nannten Luxusbettchen ihr Eigen. Mit –zig Decken sowie kleinen Kopfkissen, die ihnen Tina geschenkt hatte. (Richtig gelesen: Mato war nicht etwa Familienvater geworden, sondern aus meinem einen Hund war ein Hundetrio geworden. Erst kam Spitzmischling Quinny, dann später Schäferhündin Fee dazu.)
Die Vierbeiner sollten es also gemütlich haben. Quinny war als einziger der Drei gar nicht so erbaut von dieser Kopfkissenidee. Er steckte seine Schnute lieber zwischen die selbst fabrizierten Falten seiner Kuscheldecke. Fee genoss den zusätzlichen Komfort in vollen Zügen. Auch Mato war damit sehr einverstanden. Doch war es typisch Knödelchen, dass er es trotz dieses hervorragenden Services noch vorzog, sich auf meinen weichen Teppich zu flegeln und dort lang ausgestreckt wohlig zu träumen. Jeden Abend strich Tina den Waulis ihre Decken glatt. Fee legte dann den Kopf zufrieden auf das zurechtgerückte Kissen. Quinny machte jedes Mal auf Aufforderung “Sitz!” und gab die niedliche Pfote, um danach aber strengstens Tinas Werk zu prüfen. Drollig, wie er bei Nichtgefallen versuchte, das Tina klarzumachen. “Nachdenklich” stand der kleine Hund dann für einen Moment vor seinem Bett, wandte sich darauf meiner Tochter zu, sah sie süß flehentlich an und deutete mit seiner Schnute aufs Körbchen. “Ach, Quinnylein – noch mal Bettchen machen? Guck ´mal, Mama, wie niedlich!” Dahin geschmolzen wuschelte sie ein zweites Mal die Decke zurecht. Meistens zeigte sich der Pfiffikus endlich einverstanden, stieg, Tina zur Belohnung, fröhlich schwanzwackelnd in seinen Korb, drehte sich selig schmatzend im Kreis und legte sich zum Schlafen nieder. Sobald aber mein Fernseher lief, verließ er seine Luxusherberge und huschte flugs unter mein Bett. Er hatte sich unter dem hochgestellten Kopfende einen gemütlichen Fernsehlogenplatz ausgeguckt. Ich war ziemlich sicher, dass mein Kleiner sämtliche Tatorte und vor allem alle Tiersendungen auswendig wusste. Mato stellte an seinen Teddyplüschkorb hohe Anforderungen. Aber bitte eine total glatte Schlafdecke! Sonst legte sich doch dieser Herr Hund da nicht rein. Mit der Zeit wurden Tina und ich so perfekt in Sachen “Deckeglattstreichen”, dass unser vierbeiniger Macho uns gnädigst ein großes Lob erteilte. Wir waren mächtig stolz darauf. Als noch winziges Baby hatte er getestet, ob er vielleicht auf meinem Bett nächtigen dürfte. “Nein, das geht zu weit!” Wie oft sehnte ich mich in den nachfolgenden Jahren, dass nicht nur Fee ( jede Nacht!) und Quinny (ab und zu für ein paar Schmuseeinheiten!), sondern vor allem mein großes Wollknäuel zu mir hoch hopste! Doch Matos Einstellung schien zu sein: “Du hättest es mir damals nicht verbieten sollen. Jetzt nicht mehr. Das ist mir nun zu albern, ich bin schließlich Wer!” Ich fand einen Ausweg. Bei Sehnsucht nach einer Matoknuddelstunde krabbelte ich aus meinem Bett, legte mich zu meinem Hund auf den Teppich, redete zärtlich mit ihm und knetete minutenlang seine süßen Ohren. Dagegen hatte er dann allerdings gar nichts einzuwenden. Sogleich reichte er mir seine Pfote. Obwohl er es eigentlich nicht ausstehen konnte, wenn die jemand berührte. Die gehörte nämlich ihm! Nur ich durfte sie tatsächlich lange halten und streicheln. Andere zweibeinige Wesen, die das wollten, schielte er aus den Augenwinkeln sehr ungnädig an und zog prompt die beleidigte Pfote zu sich. Er versteckte sie schnell unter seinem wohl gerundeten Bauch, wo sie sicher ihre Ruhe hätte.


Antrittsbesuch


Für einen Hund von Welt geziemt es sich, der allernächsten Nachbarschaft einen sehr baldigen Besuch abzustatten. Mato richtete sich streng nach dieser Kniggeregel und tauchte direkt am Tage seiner Einbürgerung bei meiner Nachbarsfamilie Haas auf, mit der ich mich ausgesprochen gut verstand. Mein Hund schnüffelte kurz. Auf Anhieb verliebte er sich in meine Nachbarin, der es ihm gegenüber nicht anders erging. “Mensch, ist der süß! Ach Gott, wie niedlich!” Diese Beurteilung stand meinem vierbeinigen Wonneproppen ja wohl mehr als zu. Wegen dieser Bemerkung eroberte Frau Haas einen festen Platz in seinem Hundeherzen. Umgekehrt lief es nicht anders. Die gegenseitige Zuneigung blieb sein ganzes Leben lang unverändert. Hatte Mato kleine Wehweechen, sie war immer zur Stelle.
Noch ein zweibeiniges Wesen, aus seinem neuen eigenen Rudel, war hin und weg von dem kleinen Vierbeiner. Meine Älteste, Sandra (Spitzname Hoppel), erwählte dieses drollige Etwas kurzerhand zu ihrem Liebling. Bald war sie unfähig, das “Engelchen” ´mal objektiv zu sehen. Selbst seine Hundestreiche fand sie einfach nur süß, solange dabei nicht ihre eigenen Sachen dran glaubten! Wie oft erntete er sogar obendrein noch ein Küsschen: “Schmatz!” Darum hätte ich sie ´mal bitten sollen! Reaktion: “Mama – bloß nicht!!”


Schnucki


Nein, so hieße mein Hund nicht! Für einen solch banalen Kosenamen hatte ich den viel zu gern. Da fiel mir Ungewöhnlicheres ein. Wenn ich es nachträglich bedenke, kam er dabei besser weg als meine Töchter, die wegen meiner Wortschöpfungen ein dickes Fell brauchten. Da die nämlich nicht von Pappe waren. In ihrer Winzigphase konnten die Kinderchen sich zu meinem Vergnügen ja nicht dagegen wehren. Doch älter geworden, verbaten sie sich so manchen Kosenamen sehr vehement. Zugegeben: Meine Phantasie hatte ordentlichst Purzelbäume geschlagen! Der Nachwuchs war entsetzt! Schade, dass ich die “schlimmsten” Namensschöpfungen mit Rücksicht auf mein Weiterleben nicht verraten kann. Die vier süßen Wesen würden mich wahrscheinlich direkt lynchen! Ein einziger Einfall war noch grade akzeptabel: Wie schon erwähnt, hatte ich Sandra “Hoppel” getauft. Später stellte sich heraus, dass das prima zu ihr passte. Sie erbte meine Tanzbegeisterung und hopste durch den Tag. Selbst heute mit ihren 23 Jahren ist Hoppel noch Hoppel; auch ihr Verlobter nennt sie so. Und lebt trotzdem weiter! Meine restlichen Erfindungen behalte ich wie gesagt für mich. Nicht enttäuscht sein, doch Sie müssen wissen: Ich lebe ausgesprochen gerne!
Geht es um Schmusenamen, sind vierbeinige Wesen wesentlich einfacher zu handhaben. Sogar “Besenstiel” hätte ich sie rufen können, solange der Tonfall stimmte. Das habe ich weidlich ausgenutzt. Hier eine Liste:
Mato: Knuddelmutzel, Bärwutz, Zwerglein, Hutzelputz, Bärchen, Knödelchen.
Quinny: Smartie, Mister Ventilator, Flumi, Flitzkanone, Schmalzflocke, Knutschiboy.
Feechen: Knalltütchen, Schmusekissen, Mausilein, Fresssäckchen, Fledermäuschen.
Das alles zu speichern, wäre von einem kleinen Hundegehirn etwas zuviel erwartet. Mir zuliebe merkten die Drei sich dann ihren Lieblingskosenamen. Übrigens konnte ich im Lauf der Jahre wiederholt feststellen, wie gut ein Hundegedächtnis funktioniert. Mato hatte sich, endlich erwachsen, “Zwerglein” verbeten und akzeptierte ersatzweise “Knödelchen”. Ein Zwerg war er mit seiner Schulterhöhe von 58 cm ja wahrlich nicht mehr. Vielleicht klang “Knödelchen” in seinen Ohren ein bisschen erwachsener.

Sprechenlernen

Wie jeder weiß, können Menschenkinder nicht sofort richtig reden, sondern bringen zur großen Gaudi der Erwachsenen einige drollige Laute und Silbenzusammenstellungen zustande, von denen sie als Teenager am liebsten gar nicht mehr zugäben, dass dieser oder jener Ausdruck auf ihrem “Mist” gewachsen war. Jetzt konnten wir dasselbe Phänomen bei Mato beobachten. Es klang richtig knuffig, versuchte er eine artgerechte Äußerung. Baby hatte eine unheimlich tiefe, kräftige Stimme. Doch sein “Wauwau” klang in den ersten Tagen alles andere als routiniert. Eher wie “Waulewau – quietsch!” Stellen Sie sich folgende Situation vor: Mato hinter der Glastür zur kleinen Vordiele, Postbote kam, Mato erschnupperte ihn. Sagte sich: “Ich bin ein Wachhund!” Und bellte. Bildete sich bestimmt ein, er hätte furchterregend gebellt. Wieso kriegten aber dann wir einen Lachkrampf, da er doch – schon so tüchtig - den Postboten verjagt hatte?
Wovon mein Hund bestimmt felsenfest überzeugt war. Öfters wegen unseres Gelächters richtig sauer, zeigte er die entsprechende Miene. Denn – was sollte das? Der kleine Kerl konnte ja nicht verstehen, dass es sich für Menschenohren einfach zum Wimmern anhörte, wenn ein winziges Hundekind mit toller Bassstimme sich verzweifelt abmühte, ein richtig erwachsenes Bellen zustande zu bringen. Draußen der unerfahrene Postbote jedoch nahm bei der Stimmgewalt unseres Winzlings mit Sicherheit an, da säße hinter der Türe ein ausgewachsener Bernhardiner. Wenn der das geahnt hätte!
Einige Tage später Aufregung im ganzen Haus! Mato hatte zum ersten Male korrekt “Wauwau” gesagt. Daraufhin wurde er ab geknuddelt, als ob er sozusagen eine Eins in einer Deutschprüfung zustande gebracht hätte. Dieser tollen ihm erwiesenen Aufmerksamkeit wegen übte er in Folge ständig. Doch garantiert staunte er Bauklötze, weshalb das anfängliche Loben sehr bald in Schimpfe umschlug, als er später zu allem und jedem sehr ausdrücklich und lang anhaltend seinen Senf dazugab. Er vertrat offensichtlich die Meinung, ein Prinz v. Emsdahl (sein offizieller Name, reif für einen Heimatfilm!) hätte dazu das Recht. Vielleicht wäre sein Beitrag ja wichtig für die jeweilige Diskussion. Vor allen Dingen, wenn ich ihn anredete, gipfelte seine Gesprächsbereitschaft in einem nicht enden wollenden Freudengejaule und Gefiepse einmal die Tonleiter rauf und runter. Dann konnte er vor Glück einfach nicht an sich halten. Den Knopf zum Ausschalten suche ich noch heute vergeblich!


Babystreiche


Bereits nach zwei Wochen war Mato stubenrein, so dass ich dieses Problem vergessen konnte. Doch gab es andere Dinge, mit denen Baby seine menschliche Mannschaft auf Trab hielt. War Wauwau schließlich endlich aus den Kinderschuhen entwachsen, erzählte sein Restrudel stolz überall, was sich Hundebaby so alles hatte einfallen lassen. Teilweise waren diese Streiche als Menschenerziehungsversuche zu werten, damit wir für Hundchen zu einigermaßen brauchbaren Zweibeinern wurden.

Zusatzernährung

Ich respektloses Frauchen servierte meinem bedauernswerten kleinen Hund nicht etwa das Prestigemenü “Eukanuba”, sondern ganz normales Hundefutter, mit dem er prächtig gedieh. In der ersten Zeit akzeptierte Mato dieses Normalfutter gnädig. Doch bald unterstützten wir ungewollt sein Bestreben, uns klarzumachen, dass eigentlich ein total anderer Speiseplan erwünscht war. Bereits zwei Wochen nach Aufnahme in die Familie bot sich ihm die erste Gelegenheit, uns einen diesbezüglich sehr nachdrücklichen Wink mit dem berühmten Zaunpfahl zu geben. So etwas nennt man Glück für vier Beinchen!

Das schmeckt!

Nach den ersten zwei Wochen der Ruhe für Mato (er sollte sich möglichst stressfrei einleben können), luden wir Freunde ein, damit sie meinen Hund kennen lernten. Sie brachten ihren Sohn mit, der in etwa in Hoppels Alter war. Das geliebte Kind unserer Freunde und die vier ebenfalls geliebten Kinderchen unsererseits waren wie alle ihre Altersgenossen ausgesprochene Leckermäulchen. Im Gedanken daran hatten wir ins Wohnzimmer an den Rundbogen ein Beistelltischchen gestellt. Darauf boten wir mancherlei Gebäck, vor allem aber die heiß geliebten Rosinenschnecken an.
Es zog sich wider Erwarten ein wenig länger hin, bis der Besuch endlich eintraf. Kaffeetafel und Tisch waren fertig vorbereitet, Hund hatte seinen Spaziergang hinter sich. Es konnte also losgehen. Aber nicht allein uns gefiel das tolle Angebot auf dem kleinen Tisch. Der phantastische Duft dieser Köstlichkeiten war auch Mato in die Nase gestiegen. Wauwau hatte sich im Geheimen die passende Gelegenheit herbeigewünscht; ja, dann...! Doch wir noch so herrlich unerfahrene, neugeborene Hundeeltern ahnten ja nichts von den Gelüsten und dem diesbezüglichen Einfallsreichtum unseres neuen Familienmitgliedes. Prompt nutzte das mein Vierbeiner instinktiv aus! Der kleine Tisch hatte ja Hundehöhe. Demnach waren die Leckereien darauf mit Sicherheit für ihn bestimmt. In seinem Innern vergab er garantiert ein inniges Lob an uns. Scheinbar unbeobachtet trappste mein Kleiner bestgelaunt in Richtung Beistelltisch, streckte seine Babyschnute ein wenig vor, schnappte sich eine Schnecke und trug sie voller Stolz mit hocherhobenem Kopf quer durchs Wohnzimmer spazieren. Erst da schnallten seine verdatterten Zweibeiner, was da eigentlich abgelaufen war. Gemäß des Hundeknigges hätte jetzt ein Donnerwetter auf Baby niederprasseln müssen. Doch die Schelte blieb mir im Halse stecken. Der Anblick war einfach zu drollig. Das schwach gehauchte “Pflichtpfui” rief Mato nur ins Bewusstsein: “Na, so ganz doof ist sie ja nicht! Zumindest hat sie es gesehen!” Meckern half nichts mehr. Die Schnecke hatte sich bereits auf den Weg in sein Bäuchlein gemacht. Mein Hund hatte mir eine wichtige Lektion erteilt.

Durststrecke

Anscheinend versorgte ich meine Tiere so mangelhaft, dass Mato dauernd halb verdurstet einher schlich. Wie sonst ich sollte mir die folgende deftige Aktion meines Hundekindes erklären: Der Ort des Geschehens war wiederum das Wohnzimmer, in dem ein sehr wertvoller, runder Mahagonitisch mit aufgelegter Glasplatte stand. (Und tatsächlich heute noch steht!). Mato guckte fasziniert zu, wie die Kaffeetafel abgeräumt wurde. Immer mehr verschwand von dem anregend klappernden Porzellan. Aus unerfindlichem Grund blieben das Büchsenmilchkännchen und eine Kaffeetasse samt Inhalt noch stehen. Kurzzeitig waren sämtliche Menschenfreunde außer Sichtweite. Ich hielt mich bei meinen Töchtern in der Jugendetage auf. Da - ein markerschütternder Schrei des Papas durchs ganze Haus: “ Neiiin!” Vor Schreck zuckte ich zusammen. So schrie hier nur sehr selten jemand. Eigentlich nur, wenn etwas überraschend kaputtgegangen war, oder sich ein Teenager ernsthaft verletzt hatte. Also in der Annahme, es hätte sich jemand verletzt oder es wäre ansonsten etwas Lebensbedrohliches passiert, raste ich wie ein Wiesel wegen “Neiiin!” die Treppe runter in Richtung des Wohnzimmers, weil der Hilferuf von dort gekommen zu sein schien. Meine Ohren vernahmen: “Gehst du da wohl ruunter!!” Ich ahnte ja schon etwas: Da war niemand zu Schaden gekommen. Da ging etwas ganz Anderes vor sich. Hatte sich mein Hundekind etwa unerlaubterweise eine für seine Nase besonders tolle Beschäftigung ausgesucht? Papa freute sich jedenfalls auffällig laut, stellte ich fest. Nur zu “Freude” passte der Tonfall eigentlich gar nicht. Seine Freude war vom Keller bis zum Dachboden mehr als dröhnend zu hören! Gleich würde ich wissen, was los war. Nichts Gutes ahnend, schielte ich durch die angelehnte Tür. Der sich mir dann bietende Anblick spottete wirklich jeder Beschreibung. Eins war sicher. Das vergäße ich mein Lebtag nicht!!
Immer noch standen auf unserem eleganten, teuren Glastisch das Büchsenmilchkännchen sowie die Kaffeetasse; aber nicht mehr so ganz vereinsamt. Ach du heiliger Strohsack! Mitten auf dem Tisch erspähte ich etwas sehr Lebendiges mit Teddyohren, Babyschnute, Hängebäuchlein, Tapspfoten und Stummelschwänzchen. Letzteres wackelte wie toll hin und her! Offensichtlich gehörten alle diese Körperteile zu meinem entzückenden Hundebaby, das sich zu allem Überfluss auch noch höchst zufrieden das Mäulchen leckte. Mato schien sehr stolz auf sich zu sein. Sein Menschenrudel war ja ob seiner Aktion geradezu in Begeisterungstürme ausgebrochen. Da hatte er also eine famose Idee gehabt! So interpretierte Hund das Gebrüll des männlichen Zweibeiners, der noch, im Hintergrund stehend, - eifrigst nach Luft schnappte, um seine Fassung wieder zu erringen. Wie Hund dort auf dem Tisch stand, wirkte der keinesfalls eingeschüchtert des menschlichen Wutanfalls wegen da hinter seinem Rücken, sondern machte eher den Eindruck, als ob er sich köstlich amüsierte. Geknickt zu sein oder vor Angst zu zittern, lag für ihn in weiter Ferne. Von Rechts wegen hatte ich ebenfalls loszupoltern. Keine Chance! Stattdessen riss ich mich verzweifelt zusammen, um nicht laut loszuprusten. Das besorgten dann meine vier Töchter, die sich inzwischen neben mir aufgereiht hatten und über beide Ohren grinsend das Schauspiel verfolgten. Ausnahmsweise (!) einmal alle derselben Meinung: Ach, ist der süß!! Einzig Alex legte noch eine konsequente Haltung an den Tag und verscheuchte energisch den kessen Frechdachs vom Tisch. Schwer gekränkt, verzog sich Baby schnell. Doch was sollte es? Büchsenmilch plus Kaffee hatten hervorragend geschmeckt. In den nachfolgenden Minuten ließ ich meinen Lachtränen freien Lauf. Alles völlig falsch und die Grundsteinlegung zur totalen Hundeverziehung!

Teppichfransen

Hundekinder wissen sich bestens auch allein zu unterhalten. Meines klaute mit Vorliebe Söckchen (waren in allen Ecken und unter den Betten zu finden). Selbst Schuhe gaben ein prima Spielzeug ab. Nur, mehr als verstecken oder sie geniesserisch zu zerkauen, ging nicht. Selbst für Matos Platschpfoten waren die mindestens drei Nummern zu groß. Außerdem: Was sollte mein “Baby” denn mit Frauchens Stöckelschuhen??
Viel erfolgversprechender war da das Teppichfransen-rauszieh-Spiel. Die Regeln waren einfach. Mato-Baby legte sich gemütlich ans Teppichende, lugte vorsichtshalber noch in die Runde, ob Schimpfe zu erwarten wäre: Praktisch, augenblicklich wohl niemand in der Nähe. Flugs begann er mit seiner schönen Arbeit. Andächtigen Blickes nahm er die erste Franse ins Mäulchen und zupfte zur Prüfung, ob man mit ihr etwas anstellen könnte, vorsichtig an dem Faden. Toll, das Ding wurde ja länger! Ob die zweite auch mitspielen würde? Auch sie gab dem Zerren nach. Aufgekratzt setzte Hund seine ganze Kraft ein. So klein er ja noch war, so stark aber doch schon. Selig verfolgte er, wie eine Franse nach der anderen sich aus dem Teppich löste. Mit seinen kleinen scharfen Milchzähnen trennte er sie sorgfältig der Reihe nach ab. Stolz wie Oskar; was war er doch tüchtig! Ob sein menschliches Restrudel genauso darüber denken und seine Freude teilen würde? Darauf hoffte mein Hund sicherlich sehnlichst. Zu seinem Pech teilte ich seine Freude auf meine Weise! Als ich entsetzt die Bescherung entdeckte, kriegte Mato doch tatsächlich ein wenig Schimpfe.


Zweibeinige Freunde

Frauchen II

Wie Sie bereits wissen, hatte Mato bei seinem Antrittsbesuch das Herz meiner Nachbarin im Sturm erobert. Kein Wunder, denn sie war Hundenärrin und besaß auch immer welche. Allerdings schwärmte sie für Terrier. Momentan residierte in ihrem Haus ein Terrierrüde namens Henky. Und dennoch: Hatte Mato irgendwelche gesundheitlichen Probleme, war sie stets für ihren vierbeinigen Verehrer da. Er revangierte sich für diese Zuneigung, indem er ihr Haus zu seinem zweiten Revier erklärte und dementsprechend misstrauisch jeden beäugte, der sich ihrem Grundstück näherte. Henky erfüllte als Aufpasser zwar ebenfalls seine Pflicht, doch war Mato der Platzhirsch und nahm für sich das Recht in Anspruch, die Oberaufsicht zu führen. Kamen Fremde, versetzte das meinen Hund sofort in Alarmbereitschaft: “Wehe, wenn die etwa...!?” Die ließ er dann keine Sekunde aus den Augen, um notfalls für seine Frau Haas den Retter in der Not zu spielen. Für sie hätte er sogar sein Leben riskiert. Erkannte er in den Ankömmlingen jedoch Freunde des Hauses, drängte mein Brummbär bei denen auf Streicheleinheiten. Einen richtigen Narren hatte er am Vater meiner Nachbarin gefressen. Entdeckte er ihn im Haus oder im Garten, flippte er geradezu aus vor Freude und gab keine Ruhe, bis der ausgiebigst mit ihm geschmust hatte. Die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Kehrten wir von Spaziergängen zurück, blieb Knödelchen jedes Mal stur mit sehnsüchtig suchendem Blick vor Frau Haas` Fenster stehen. Vielleicht guckte sie per Zufall ja gerade nach draußen? War ihm dieses Glück beschieden, hob ich aus Jux seine Pfote, und Knödelchen machte brav “Winkewinke!” Am liebsten hätte er meine Nachbarin anschließend für ein paar Minuten besucht. Ob ich das wohl erlaubte? In seinem fragenden Blick lag Hoffen – aber nein! Denn Rüde Henky hätte Matos Auftauchen in seinem Revier bestimmt nicht so toll gefunden. Aus diesem Grunde verbot ich das lieber. Armer Hund!

Angelika

Meine Freundin Angelika war schon seit etlichen Jahren erfahrene Hundemama. Deshalb unterstützte sie mich vor Matos Auftauchen in Hellerhof bei allen Überlegungen, bei denen es um die Sicherheit des neuen Familienmitgliedes ging. Z.B.: In meinem Haus führte einen offene Holztreppe sowohl in die Jugendetage als auch in den Keller. Baby sollte ja nicht sofort durch die Zwischenräume dieser Treppe purzeln und sich dabei schlimmstenfalls den Hals brechen. Wäre vielleicht ein Hundeschutzgitter angebracht? Nach dem, was ich ihr über meinen zukünftigen kleinen Kameraden erzählt hatte, war sie total perplex, als sie ihn dann begutachtete: “ Was hast du mir denn da über ihn gesagt, so winzig ist der doch gar nicht!? Wie groß wird der denn ´mal?” Ich kam mir in dem Augenblick zwar etwas blöd vor, konnte sie aber mit meiner Antwort dann echt zum Staunen bringen: “Och, der kriegt so etwa fast 60 cm Schulterhöhe!” Sie darauf: “Ach du meine Güte!” Klar, im Baby-Outfit fand sie ihn unheimlich putzig. Später vor dem erwachsenen Exemplar hatte sie allerdings gehörigen Respekt. Denn manchmal guckte Mato betont herrschaftlich undurchdringlich. In solchen Minuten konnte man nicht abschätzen, was er plante. Doch alles nur Angabe! Knödelchen war sein Leben lang trotz dieses Blickes einfach wahnsinnig lieb.

Christine und Jo

Christine und ich lernten uns während unserer Ausbildung zur Arzthelferin kennen. Da die ja mittlerweile schon dreißig Jahre zurücklag, währte diese Freundschaft bereits unser halbes Leben. Alles besprachen wir miteinander, konnten uns dabei gegenseitiger Verschwiegenheit völlig sicher sein. Sie wurde Patentante meiner Ältesten, Sandra. Mit ihr versteht sie sich ausgesprochen gut.
Mato gegenüber hielten sich Christine und Jo sehr zurück. Dieser Hund war ihnen in seinem Auftreten einfach zu majestätisch. Und das, obwohl sie zwei Wesens verwandte Tiere daheim hielten; nämlich zwei ganz liebe süße Kätzchen – aber die waren kleiner!

Gisela und Ulli

Mit ihnen war ich seit Sandras Babyzeit befreundet. Leider hatte Gisela eine unüberwindbare
Angst vor Hunden. Ich rechnete es ihr hoch an, dass sie es damals trotzdem wagte, Baby Mato zu streicheln. Er mochte von der Liebkosung nicht allzu viel gemerkt haben. Die Luft über seinen Ohren freute sich. Hündchen blieb unbeweglich liegen, als ob es Giselas Unsicherheit gespürt hätte. Ulli dagegen fand den Kleinen einfach nur süß. “Da hast du einen sehr schönen Hund gekauft!” meinte er zu mir. Obwohl er mit Vierbeinern überhaupt keine Erfahrung hatte, empfand er auch dem erwachsenen Exemplar gegenüber keine Scheu. Mato seinerseits mochte diese beiden Zweibeiner sehr und freute sich sichtlich, wenn die Beiden bei uns auftauchten. Doch hatten er und seine beiden Kumpanen Giselas wegen für die Dauer ihres Besuches sich in meinem Zimmer aufzuhalten. Drei so große Tiere auf einmal wären für sie unzumutbar gewesen.

Gaby und Klaus

Gaby und Mato mochten sich auf Anhieb gut leiden. Doch dann trat Klaus in Hundchens Leben. Wauwau kam, schnupperte und Klaus siegte! Klaus seinerseits war von diesem wuscheligen Etwas sehr angetan. Für Gaby empfand mein Hund offensichtlich Freundschaft, aber an die verrückte Liebe zu Klaus reichte jene Bindung nicht heran. Da sie in Sprockhövel wohnten, was ja nicht zu Düsseldorfs nächster Umgebung zählt, besuchten sie uns seltener. Etwa vierteljährlich erschienen sie in Hellerhof. Ausreichender Grund genug für Mato, bei Klaus´ Auftauchen vor Freude fast durchzudrehen. Er hopste dermaßen eilig die Treppe herunter; dass es an ein Wunder grenzte, dass dieses Riesenknäuel nicht die Stufen runterflog. Verzweifelt suchte er nach einer Methode, seine Pfoten noch schneller als ohnehin schon eine vor die andere zu setzen. Sein Schwanz ruderte wie ein Propeller durch die Luft. Ob er wie ein Hubschrauber abheben würde?? Nach der ersten euphorischen Begrüßung knallte sich Mato an Klaus´ Seite auf den Boden, strampelte mit allen Vieren in der Luft herum und zeigte seinen Bauch. Eine deutlichere Aufforderung zur Schmusestunde kennen Hunde nicht. Lachend folgte Klaus dieser Einladung und kraulte mit dem rechten Arm, was der hergab. Fünf Minuten später allerdings: “Nee, Mato – das reicht! Das wird ja anstrengend!” Doch da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Hund war noch nicht zufriedengestellt. Der hatte doch noch einen anderen Arm – also, bitte! Wofür hatte Klaus den denn sonst? Hund setzte sich ganz dicht an dessen Bein und kratzte an der Hose. Kein Erfolg! Er machte Dackelblick. Kein Erfolg! Da setzte Mato seine durchschlagendste Taktik ein: Er legte seinem Klaus den Kopf so aufs Knie, so dass dessen Blick direkt auf die süßen Teddyohren fiel. Das endlich wirkte! Klaus widerstand nicht mehr. Die Schmuserei wurde noch ein paar Minuten fortgesetzt. Bevor unser Freund sich aber belästigt fühlen konnte, griff ich zu guter Letzt ein, lotste meinen sich sträubenden und mich trotzig anschauenden Hund aus dem Wohnzimmer in die Diele und verfrachtete das schwer beleidigte Etwas zu den beiden anderen Vierbeinern in mein Zimmer. Klaus konnte sich endlich von der anstrengenden Knuddelarbeit erholen. Dann ungestört, widmeten wir Zweibeiner uns der Kaffeetafel.

Zweibeinige Bekannte

Fremden gegenüber zeigte sich mein Vierbeiner sehr reserviert. Seines Teddy-Outfits wegen wollten ihn viele Erwachsene, aber vor allem Kinder dauernd streicheln. Keiner ahnte: Dieses Bärchen war keineswegs der Typ, der sich jede Minute seines Lebens danach sehnte. Klein-Teddy war keine Schmusekatze! Im Babyalter war ihm die ewige Schmuserei sogar extrem gegen den Strich gegangen. Er käme schon von sich aus, wenn er sich nach Liebkosungen sehnte! Notgedrungen arrangierte er sich schließlich mit diesem Tick der Menschheit. Das kam eben dabei heraus, wenn man aussah wie ein Stoffbär! Seine Miene jedoch sprach Bände: “Oh Hund, ist das lästig! Bloß nicht schon wieder!”
Auf Spaziergängen verwöhnten manche Passanten den niedlichen Winzling mit Leckerbissen. Natürlich in der Hoffnung, ihn anschließend streicheln zu dürfen. Nicht mit ihm! Gnädig nahm er die Schluckereien an. Doch das hieß noch lange nicht, dass er sich daraufhin auch bereitwillig zum Ohrenzupfen zur Verfügung stellte. Wildfremden Menschen jedenfalls nicht! Da drehte er dann recht energisch den Kopf zur Seite weg, um deren aufdringlichen Händen auszuweichen. Oder er marschierte zwei, drei Schritte rückwärts: “Ich bin´s leid wie dicke Tinte – nix da!” Im hohen Alter von über 13 Jahren wurde er zwar etwas zugänglicher, aber so ganz gab er selbst da seine reservierte Haltung nicht auf. Er war eben er! Das sollten sich diese nervenden Zweibeiner endlich merken.


Ausreißer


Leider frönte Mato vom ersten Tage an einer Leidenschaft, die für mich sehr problematisch wurde. Wahnsinnig lieb und sanft, doch im selben Maße freiheitsliebend! Deutlicher: Er büchste sofort aus, wann immer sich ihm die Chance dazu bot. Haustür versehentlich offen, Hund war verschwunden, genoss die ersehnte Freiheit und kehrte schlimmstenfalls erst nach vier Stunden zurück. Für mich vier Stunden Schwitzen und Angst bei dem Gedanken, was wohlmöglich Mensch und Tier oder auch nur Tier in dieser Zeit alles zustieße! Einmal radelte ich in die Abenddämmerung hinein zu den Langenfelder Fischteichen, um mein Tier laut nach ihm rufend zu suchen. Dabei beherrschte mich nicht nur die Sorge um mein Hundekind, sondern in jener relativ einsamen Gegend kam noch die Unsicherheit meiner selbst wegen dazu. Aber die Suche blieb erfolglos. Nach ungefähr vier Stunden hörten wir dann ein empörtes Bellen vor der verschlossenen Haustüre. Mato hatte seinen Ausflug beendet und erwartete wie selbstverständlich einen offenen Eingang zu seinem Empfang. Schließlich war “Seine Majestät” nach Hause zurückgekehrt. Dieser Freiheitsdrang war wohl dem Chowchow zuzuschreiben. Der hatte sich in seinem Charakter dominierend durchgesetzt. Warum bloß nicht die beiden anderen Rassen, Samojede und Wolfspitz.? Viele Chows blieben wegen der Gefahr des Ausbüchsens lebenslang Leinenhunde. Ein anderes Mal fahndeten eine Nachbarin und ich in ganz Hellerhof nach dem kleinen Kerl. Alex beteiligte sich und lief genau wie wir die kleineren und größeren Spazierwege ab, um den Ausreißer dingfest zu machen. Letztendlich kam dieser uns dann auf dem Parkplatz vor unserem Einkaufszentrum entgegen. Der langen Sucherei wegen fast mit den Nerven am Ende, atmete ich, völlig erschöpft, doch sehr erleichtert, tief durch.
Trotz dieser Erfahrungen startete ich wiederholt den Versuch, ihm doch noch ein freies Toben zu ermöglichen. Er tat mir leid, weil er nicht frei so fröhlich durch die Felder rasen konnte wie seine “normalen” Artgenossen. Die kehrten doch tatsächlich sofort zu Frauchen oder Herrchen zurück, wenn sie gerufen wurden. Glücklich, weil diese sich überhaupt mit ihnen beschäftigten! Ab und an ging ich das Risiko ein und leinte ihn ab. Vorsichtshalber nur, wenn wir Vierbeiner trafen, die er besonders gerne mochte. Er sollte doch ein wenig mit ihnen spielen können. Ausnahmslos endete es in einem Fiasko. Ließ das Interesse an dem bis dahin rasanten Gebalge nach, halfen weder Leckereien noch gute Worte. Mein Hund war weg! Und ich stand kurz vor´m Heulen! Da alles nichts brachte, entschied ich schweren Herzens, er hätte notgedrungen ein Leinenhund zu bleiben. Das konnte ich nicht verantworten. Ich beruhigte meine liebende Frauchenseele, da ja
1. seine Familie sehr gehorsam nach seiner Pfeife tanzte,
2. er zuhause sogar Artgenossen zum Spielen hatte,
3. und Mato von uns nach Strich und Faden verwöhnt wurde!
Dennoch wollte ich nichts unversucht lassen. Von einer Hundeschule bestellte ich mir einen Ausbilder ins Haus, der aber ohne Vertragsabschluß natürlich keine detaillierteren Ratschläge geben wollte. Doch nur zu gerne schrieb ich mir dessen Beurteilung meines Tieres hinter die Ohren: “Ich habe selten einen so sturen, aber auch selten einen so sanften Eurasier gesehen.” Tja, genau das war ja der Knackpunkt! Rügen und strafen Sie ´mal einen Hund, der 5/6 des Tages guckt wie ein Dackel. Sind Sie dazu fähig??! Mir gelang das nur in Ausnahmefällen; nur, wenn es ganz dicke kam. Schlimmste Strafe für meine Hunde: Reklameblatt aus der Zeitung auf den Po. Das jeweilige Exemplar kriegte einen gehörigen Schrecken und verschwand unter der Eckbank. Garantiert empfanden sie diese Strafmaßnahme wohl als unerhörte Demütigung. Denn ich wählte als Mittel zum Zweck diesen vornehmen Viechern gegenüber nicht etwa ein Blatt aus der “Zeit” oder aus der “Rheinischen Post”, sondern griff zur Bildzeitung. (Die ich übrigens nicht zu meiner Literatur zähle!). Wie konnte ich das meinen Lieblingen bloß antun? Ja, meine Hunde – ich konnte!


Gehorchen –ähem!!


Denken Sie, Sie könnten einen Fast-Chowchow mit Befehlen herum kommandieren? Da erleben Sie Ihr blaues Wunder! Zumindest, wenn Sie wie ich einen Alpha-Rüden erwischt hätten. Eher kommt ´ne Hauswand auf Zuruf als der geliebte Vierbeiner. Samojede und Wolfspitz war ja wohl nichts! Mato erwies sich eindeutig als ein als Eurasier verkleideter Chowchow, ein Machopascha durch und durch! Beispiel: Bei dem Kommando “Komm!” spurtete ein normaler Hund seligst sofort auf Frauchen bzw. Herrchen zu: “Wie schön, dass du mich gerufen hast!” Knödelchen dagegen: Hatten wir Glück, bequemte Herr Hund sich nach dem dritten Zuruf, einen kurzen Blick in meine Richtung zu schicken: “Hatte ich ihn etwa gerufen?” Bei guter Laune setzte er sich dann bereits nach der zehnten Aufforderung auf mich zu in Trab. Da man seinen Hund bei Gehorsam immer loben soll, knuddelte ich ihn seiner ach so prompten Reaktion wegen auch noch minutenlang ab. Ja, ja – es war schon der reinste Wahnsinn!
Auch Alex lernte es, Nerven zu bewahren. Wollte er ausnahmsweise meinem Vierbeiner einen Vorschlag unterbreiten, welche Befehle man ja als Hund eventuell mal befolgen könnte, sah das im Folgenden so aus: Mato im geliebten Garten, sollte rein kommen, wollte aber nicht. Alex an der Terrassentür, ihn bittend: “Mato, komm rein!” Die Gräser hörten es, Hund auch, aber....! Der klappte vorsichtshalber seine inneren Lauscherchen zu und verharrte im Garten. Alex wiederholte seine Aufforderung, zaghaft seine Stimme erhebend: “Sag´ ´mal, kommst du jetzt rein?” In Matos Ohren eine freundliche Anfrage; also ignorierte er das getrost. Alex kam sich langsam dämlich vor und formulierte seine Bitte ein wenig anders: “Wenn du jetzt nicht reinkommst, ...!”Bei diesem Tonfall horchte mein Vierbeiner dann doch höflich auf. Sollte er, oder sollte er nicht? Seiner Mimik nach zu urteilen, hatte sich mein Hund für “Noch nicht!” entschieden. Gespannt, was dann folgte. Einerseits grinste Alex heimlich (Mato durfte das natürlich um Himmelswillen nicht merken!), andererseits ärgerte er sich inzwischen wirklich etwas. Da seine Bitten keinerlei Beachtung gefunden hatten, gab es ja wohl nur noch die Möglichkeit, diesen kleinen Sturkopf einzufangen. Mato machte daraus ein lustiges Fangmichdochspiel; immer um das Weidenkätzchen herum, das Hoppel mitten im Garten vor einigen Jahren gepflanzt hatte. Heißa, das war irre spannend! Ab und an drehte sich mein Hund zu dem hinter ihm her hechtenden Zweibeiner um: “Ätsch, ich bin ja doch fixer!” Die Beiden drehten noch einige Runden; munter Mato vorneweg, Alex sauer hinterher. Meinem Hund war die Gaudi förmlich anzusehen. Komisch, sein Spielgefährte schien dieses lustige Spiel ja gar nicht so toll zu finden. Denn: “Jetzt ist Schluss, Mato! Du kommst auf der Stelle her!” Dem angesprochenen Vierbeiner tat er doch langsam leid. Niemand sollte aber den Eindruck gewinnen, Knödelchen gäbe etwa auf. Deshalb marschierte er erst einmal betont gemächlich auf sein Lieblingsgebüsch zu und goss ausgiebigst Blümchen. Dann schritt er, bedächtig eine Pfote vor die andere schiebend, in Richtung Terrassentür. Allzu sehr frustrieren wollte er den Herrn des Hauses ja nun besser nicht. Der war schließlich die einzige männliche Unterstützung gegen fünf Frauen!

Pflichten


Mato war etwa viereinhalb Monate alt, als ich mich zum Kauf eines zweiten Hundes entschloss. Damit kamen auf meinen Teddy Pflichten ganz besonderer Art zu. Meine Wahl fiel auf einen Spitzmischling mit Wuschelfell und besonders ausdrucksstarken, dunkelbraunen Augen. Was würde mein Hund dazu sagen? Gespannt kam ich mit Baby zuhause an. Erst einmal sagte Mato gar nichts. Sah das kleine dunkle Etwas auf meinem Arm und guckte ganz verdutzt. Der würde doch nicht etwa dableiben? Ein wenig sauer knurrte er ihn leise an, erntete dafür von mir einen leichten Klaps auf seine Schnute und kapierte daraufhin sehr rasch: Dieses Fellbündel zählt ab jetzt zur Familie! Nach wenigen Minuten zeigte er sein Einverständnis, indem er den Kleinen sehr behutsam beschnupperte. “Der heißt Quinny!” erklärte ich meinem Hund. Ab dann nahm Mato dieses Baby unter seine Fittiche und spielte ausgesprochen gewissenhaft Ersatzpapa. Er passte auf ihn auf und beschützte ihn bei jeder Gelegenheit. Niedlich, wie er jeden Morgen Quinny zärtlich weckte. Als erste Aufstehaufforderung kratzte er an dessen Körbchen. Half das nicht, folgte ein sanfter Stubser mit der Vorderpfote. Oh Hund, hoffentlich rührte der sich endlich! Bei solch lieber Geste hielt Quinny nichts mehr in seinem Bett. Mühsam krabbelte der kleine Kerl über den Körbchenrand hin zu Mato. Sie tauschten ein Nasenküßchen und alles, was zu einem liebevollen „Guten-Morgen-Sagen“ dazu gehörte. Dann bemühten sie sich in Gemeinschaftsarbeit eifrigst darum, mich aus den Federn zu locken. Nach den ersten paar Tagen wurde Quinny mutiger und sprang dazu auf mein Bett, um mich mit bemerkenswerter Ausdauer und totaler Hingabe einer Vollwäsche zu unterziehen. Sein großer Freund legte sich derweil so der Länge nach vor meine Schlafstatt, dass ich wegen des Abstandes einfach aufstehen musste, um ihn liebkosen zu können. Nach Quinnys Waschaktion und Matos Knuddelübung war an Weiterschlafen ohnehin nicht mehr zu denken! Tagsüber beaufsichtigte Mato seinen Adoptivsohn äußerst pflichtbewusst. Von der offenen Holztreppe, die zur Jugendetage führte, zog er ihn am Schwanz behutsam zurück. Bloß nicht – der war ja noch so winzig! Sollte der durch diese Treppenzwischenräume plumpsen, kriegte er unter Umständen mit mir wegen Verletzung der Aufsichtspflicht noch Ärger. Nur das nicht! Zeigte Quinny Angst, nahm Mato sofort Habachtstellung ein und machte jedem mit einem undurchdringlichem, strengen Blick klar: “Wehe, es wagt jemand, Quinny auch nur anzurühren; dann...!” Inzwischen war er total vernarrt in seinen Sohn. Fast alles konnte sich Baby erlauben. Seelenruhig verputzte es sogar dessen Futter, während der mit knurrendem Magen daneben saß. Manchmal rief Mato mich dann mit lautem “Wau, der frisst mir schon wieder alles weg. Ich habe doch auch Hunger,” zu Hilfe. So, wie er mich kannte, hetzte ich sofort durchs ganze Haus zu meinen Waulis und schickte Quinny schimpfend zu dessen eigenem Napf. Schlingelchen gehorchte schwer gekränkt. Von Mato erntete ich einen innigen, dankbaren Dackelblick. Dann begann er erleichtert zu mampfen.
Trotzdem gab es selbst für „Baby“ Grenzen. Auf deren Einhaltung mein gutmütiger Mato aller größten Wert legte. Hin und wieder verlor er ernstlich die Geduld, versuchte Quinny die von seinem vierbeinigen Rudelführer aufgestellten Regeln zu umgehen. Dann erntete “Adoptivsöhnchen” eine sehr energische Zurechtweisung.
Mato hatte von mir gelernt, dass Klauereien vom Tisch in gröbster Weise gegen den Hundeknigge verstießen. Der galt anscheinend jedoch nur für die restliche Hundewelt. Er selbst kümmerte sich um solche unangenehmen Begleiterscheinungen im Hundeleben einen Dreck. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit stiebitzte er alles, was nicht niet- und nagelfest war. Schimpfe und Zeitung auf den Po beeindruckten diesen Herrn nicht allzu tief. Erwischte ich ihn bei solch einer Freveltat, führte er mir einen perfekten Dackelblick vor. Mit dem er mich meist sofort schachmatt setzte! Betont langsam von ganz unten nach ganz oben! Mit größter Aufmerksamkeit (und Triumph im Herzen!) registrierte er meine Reaktion darauf. Wie gesagt: Meistens siegte er!!
Quinnylein dachte überhaupt nicht daran, sich nach der Vermutung der Züchterin, er würde eine Schulterhöhe von ca. 20 cm erreichen, zu richten. Als er schließlich 30 cm “geschafft” hatte, gab ihm diese Leistung vermehrtes Selbstwertgefühl. In ihm keimte die Hoffnung, Matos Diebstähle am Tisch nachahmen zu können. (Auch bei 30 cm hörte er nicht auf zu wachsen, sondern stellte schließlich mit 44,5 cm Schulterhöhe seinen eigenen Rekord auf!). Sein neues Lebensmotto wurde: “Ich bin jetzt Wer!”
So kam es eines Tages zu einer drolligen Situation in der Küche. Ich stand vor dem Arbeitstisch, Mato neben meinem linken Bein, Quinny auf der rechten Seite. Baby Nr.2 machte Anstalten, auf den nächststehenden Stuhl zu hopsen. Als kleiner Pfiffikus hatte er längst spitzgekriegt, dass von dort aus der Weg auf den Tisch nur noch ein kurzer war. Doch leider beobachtete Ersatzpapa Mato seine Aktion. Ich hatte gar nichts bemerkt, weil ich gedanklich mit anderen Dingen beschäftigt war. Plötzlich kam von der linken Seite ein empört Aufmerksamkeit forderndes “Wauwuff!” Hochgeschreckt aus meinen Überlegungen sah ich meinen Bären verdattert an. Dann ein Blick zu Quinny, und ich verstand. Ungläubig hatte ich festzustellen, wie Baby meine ungeschriebenen Gesetze auf recht clevere Art zu umgehen versuchte. Ich stimmte dem Unschuldsengel auf meiner linken Seite zu. Quinny hörte ein strenges “Pfui!”, worauf er dann seine kühn geplante Unternehmung lieber rasch abbrach. Zu Mato gewandt, sagte ich: “Stimmt – der darf das nicht. Dir habe ich das früher auch immer verboten!” Mit einem Ausdruck in den Augen: “...Und ich würde ja niemals klauen, ... dazu bin ich viel zu brav,” nahm dieser Bengel meine Bemerkung höchst zufrieden zur Kenntnis. “Ätsch, du auch nicht, Quinny!” mochte er denken. Seine Teilnahme an solchen Wiederholungslehrstunden in Sachen Hundeknigge hinderte ihn aber kein Bisschen daran, bei der nächstbesten Gelegenheit zu klauen wie ein Rabe.
Im Garten vor Matos Zaunfenster nach draußen spitzte sich eines Tages die Situation zwischen den beiden Freunden gefährlich zu. Anscheinend spielte sich etwas ungewöhnlich Aufregendes auf der Außenseite unseres Grundstücks ab. In der Annahme, bei seinem äußerst gutmütigen vierbeinigen Vorgesetzten könnte er sich das erlauben, wagte es Quinny, ausgerechnet in jenen spannenden Minuten keck als Erster durch das besagte Guckloch zu spähen. Das hätte er besser gelassen! Denn Mato als Rudelführer war erst recht brennend daran interessiert, die Lage zu prüfen. Verstoß gegen die Rangordnung. Das wurde geahndet! Außer Kontrolle vor Wut, unterwarf er Quinny mit gefährlichem Knurren und bösartigem Gebell. Sogar im Nackenfell packte er seinen kleinen Untergebenen! Der quietschte vor Angst laut los. Um eine ernste Beißerei zwischen den beiden Zankhähnen zu verhindern, rannte ich auf meinen Teddy zu; der da keinerlei Ähnlichkeit mehr mit den berühmten Plüschbären hatte, sondern eher mit einer wild gewordenen Furie. Ich stieß ihn heftig zur Seite und brüllte auf ihn ein, was das Zeug hielt. Mit dem Ergebnis, dass mein vierbeiniger Liebling daraufhin zitternd vor Aufregung im Gras lag und sich kaputt hechelte. Ich eilte zu Quinny, der bibbernd auf dem Rasen hockte und sichtlich mit den Nerven am Ende war. Beide Hunde hatten psychisch daran zu knacksen, dass es überhaupt zu diesem Scheinkampf gekommen war. Um sie noch unter Aufsicht zu halten, bis sie sich etwas beruhigt hätten, setzte ich mich noch kurz zu ihnen in den Garten. Nachdem er sich ein wenig gefangen hatte, machte Quinny einen weiten Bogen um den im Grase liegenden Mato und trabbste bedröppelten Blickes zu mir, um sich, der größeren Sicherheit wegen, neben meinem Stuhl niederzulassen. Dort beabsichtigte er, abzuwarten, bis sich Matos Laune wieder gebessert hätte. Eine halbe Stunde später herrschte zwischen ihnen wieder Friede, Freude, Eierkuchen. Die vorausgegangene Auseinandersetzung war vergessen.
Noch aus einem zweiten, ebenfalls nicht unerheblichen Grunde riss Mato ab und an der Geduldsfaden. Öfters spendierte ich meinen Tieren die heiß begehrten Schweineohren. Mein Grosser achtete mit Argusaugen darauf, ob Quinny etwa in einem scheinbar unbeobachteten Augenblick versuchte, seine Knabberzeug zu entführen. Das konnte er natürlich nicht dulden. Zähnefletschend und knurrend sorgte Mato dafür, dass sich sein Untertan eingeschüchtert in dessen Körbchen verkrümelte und dann eine Zeitlang unsichtbar blieb. Klaute Quinny frech einen Mato zugedachten Kauknochen vor dessen Nase, reagierte dieser zu Recht deutlich beleidigt und rief mich zur Unterstützung. Ich durfte das dann regeln, und Mato war´s zufrieden!


Hund hoch drei


Gleich tippen sich meine Leser in der berühmt-berüchtigten Weise an die Stirn. Dass ich einem fast Besorgnis erregenden Hundetick erlegen war, belegten ja die letzten 16 Seiten. Aber was dann erfolgte, war kaum noch zu verstehen! War es denn meine Schuld, dass mir während des Spazierganges mit meinem inzwischen einjährigen Mato ein überaus süßes, winziges Schäferhundkind entgegenkam? Ich guckte, guckte noch mal; das war einmal zuviel! Noch nie in meinem Leben hatte ich einen so jungen Schäferhund gesehen. Mein Gott, sah der süß aus! Wenn ich daran dachte, welches schlimme Image ( beißende Bestien usw. ...) dieser Rasse von uns Menschen verpasst worden war... Die Vertreter dieser Ansicht hätten sich besser intensiv mit solch einem Tier beschäftigen sollen! Von wegen “gefährliches Biest und soo ..!” Fasziniert entschied ich: “So etwas hole ich mir auch noch ins Haus.” Ein verrückter Gedanke; doch er ließ mich nicht mehr los. Zusammen mit meiner Nachbarin besuchte ich eine Langenfelder Züchterin, die gerade einen Wurf reinrassiger Welpen anbot. “Babys” mit den sog. roten Papieren; den besten Ahnentafeln, die überhaupt ausgestellt wurden. Diesmal suchte ich mir ein Weibchen aus, denn einen dritten Rüden hätten weder Mato noch Quinny akzeptiert.
Das kleine Feechen wurde von meinen beiden Jungen liebevollst aufgenommen. Sie freundete sich mit ihnen bestens an, was die später gemeinsam ausgeheckten Streiche nachdrücklich bewiesen. Zu dritt tobten sie durchs Haus und den Garten. Unter anderem brachte Mato ihr bei, wie man prima an alles unbeaufsichtigte Essbare herankam. In der Hinsicht erwies sie sich als äußerst gelehrige Schülerin! In einem so großen Haus wie meinem gab es ja fast unendlich viele Möglichkeiten, Blödsinn anzustellen. Meine Tina, Tochter Nr.3, und Fee entdeckten “gleiche Wellenlänge” und wurden zu unzertrennlichen Freundinnen. Das Verhältnis der Beiden zueinander war vergleichbar mit dem Sandras zu Mato, ihrem Bärwutz.
Fee wurde älter und deswegen bei meinen Rüden zusehends beliebter. Trotzdem durfte sie sich zeitlebends Mato gegenüber nie so viel herausnehmen wie sein kleiner Freund, der fast Narrenfreiheit genoss. Wie das zwischen den beiden Jungen so lief, wissen Sie ja bereits. Tat Fee es Quinny nach und versuchte ebenfalls, Mato dessen Futter zu klauen, knurrte er sie böse an. Und das, obwohl sie ein Weibchen war. Seine Sympathie zu ihr war mit der verrückten Zuneigung zu Quinny nicht zu vergleichen. Der blieb sein ganzes Leben lang sein geliebter Adoptivsohn.

Revier – meins!!

Als 5/7 Chow achtete man peinlichst genau auf die Reviergrenzen und deren Verteidigung. Schon mit 5 Monaten entwickelte Mato den Sinn für “Mein” und “Dein”; besonders für “Mein”! Er war als einer der ersten Hunde in Hellerhof aufgekreuzt und deshalb der Ansicht, der ganze Stadtteil wäre sein Eigentum. Eigentlich hätte jeder vierbeinige Zuzögling eine schriftliche Anfrage starten müssen, ob es überhaupt genehm wäre, wenn er sich in Matos Umgebung niederließe. Denn mein kleiner eingebildeter Snob lebte nach dem Motto:
“Mir gehört ganz Hellerhof,
und wer was andres
sagt,
ist doof!!”
Schon im jugendlichen Alter übte er “Revierverteidigung”. Vorne an der Haustür und ebenfalls hinten am Gartenzaun gab es genug Gelegenheiten dazu, seine diesbezügliche Methodik zu verbessern und zu vervollkommnen. Z.B. übte er “Aufpassen”, wenn es an der Eingangstür schellte. Er lernte, dass es manchmal sogar unangebracht war, die Klingel auszuschimpfen. Nämlich dann, wenn nette Zweibeiner Frauchen und den Papa besuchten. Im ersten Moment bellte und knurrte er pflichtgemäß herum; fein unterstützt von Quinny, der sich ohnehin bei jeder noch so geringen Störung schrecklich aufregte und auch nur schwer wieder zu besänftigen war. Feechen dagegen dachte nicht an wortgewaltige Meldungen ihrerseits. Der Krach ihrer beiden Freunde reichte bestimmt aus, um ihre Menschen zu warnen. Außerdem agierte man als waschechte Prinzessin, die sie ja laut Papieren war, selbst in solchen Situationen etwas dezenter. War sie sich tatsächlich ihrer adligen Herkunft bewusst?
Hatte Mato seine Schnupperprüfung beendet und den Ankömmlingen ein positives Zeugnis ausgestellt, schlug seine Stimmung blitzartig um. Dann musste sich der Besuch eine stürmische Begrüßung mit lautem Freudengeheul gefallen lassen. Selbst Fremden zeigte er sich dann als vollendeter Charmeur.

Haustür

Die vordere Grenze hieß “Haustür”. Außer den zweibeinigen Eindringlingen tauchten dort von Zeit zu Zeit die sog. Besucherhunde auf. Die hatten sich daheim gelangweilt, waren über niedrige Gartenzäune entkommen und klapperten das Zuhause sämtlicher vierbeinigen Freunde ab. Vielleicht leistete ihnen ein ebenfalls gleichermaßen gelangweiltes Exemplar Gesellschaft? Dreist stellten sie sich dann direkt vor unsere Türe; selbst die Treppenstufe davor ließ sie nicht zögern. Matos Ansicht: “Das gehört sich aber nun wirklich nicht; auch - wenn es meine Freunde sind!” Mein Hund meckerte sich empört die Seele aus dem Leib. Die Kameraden draußen vor der Tür verstanden und trollten sich. Schade, der hatte offensichtlich keine Zeit und obendrein schlechte Laune. “Wauwau!” Auf Grund meines langjährigen Zusammenlebens mit Hunden beherrschte ich inzwischen Matos Sprache perfekt. Nicht nur die Vierbeiner waren verpflichtet, Zweibeinervokabeln zu lernen. Nein, wir ihnen anvertrauten Menschen hatten gefälligst auch die Hundesprache zu pauken. Zeitalter der Gleichberechtigung: Vierbeiner waren neuerdings, juristisch gesehen, keine Sache mehr. Sondern - man höre und staune(!) - immerhin Mitlebewesen. Und die durften gewisse Ansprüche stellen!
Soll ich zum Beweis meiner diesbezüglichen Dolmetscherfähigkeiten Matos höfliche Ratschläge an seine draußen wartenden Artgenossen übersetzen? Aber seine Ausdrucksweise mildere ich hier ein wenig ab: Mato stammte ja aus gutem Hause; da kannte man ja angeblich keine schlimmen Worte!
Sinngemäß: “Mach ´ne Fliege, sonst mach ich dich zur Schnecke!” Präziser werde ich nicht. Ich würde mich sonst schämen. Mein geliebter vierfacher Nachwuchs, der schon ein bewundernswertes Repertoire an Schimpfwörtern für alle Eventualitäten in seinem Gedächtnis gespeichert hatte, hätte von meinem Hund ohne weiteres noch einiges dazu lernen können.
Auch sein Freund aus dem Nebenhaus, Henky-Boy, zählte öfters zu den Möchtegern-Besuchern. Doch Mato passte es absolut nicht, wenn Henky ohne ausdrückliche Erlaubnis seinerseits vor unserer Haustür herum flanierte. Aber hindern konnte er ihn daran leider nicht. Er selbst saß ja hinter der verschlossenen Tür. Deshalb nahm er dessen Auftauchen vor dem Eingang doppelt übel. Stand er dagegen selbst draußen auf dem Podest, begrüßte er ihn vor Freude wie toll. Dann durfte der sich gerne auch dort aufhalten!

Aktion Briefträger

Sicher hörten oder lasen Sie irgendwann bereits über die besonders innige Freundschaft zwischen Postboten und Hunden. Überwiegend wurde der kleinere oder auch größere vierbeinige Liebling als zähnefletschendes, beißwütiges Monstrum hingestellt. Schenkte man den Schilderungen der armen Briefträger Glauben, hatten dann die Vierbeiner frappierende Ähnlichkeit mit einem Tyrannosaurus gehabt. Vielleicht sollten wir Menschen das Ganze zur Abwechslung aus der Sicht eines Hundes betrachten. Also stellen Sie sich jetzt bitte vor, Sie wären eine solche Mischung gewesen aus “Weiterkraulen, bitte!” und “Warte, bis ich dich kriege...ich mach dich alle!” War kein Postbote zur Stelle, bewegte sich Ihr Puls im Normalbereich der berühmten Skala. Doch das änderte sich in Sekundenschnelle, tauchte jene Spezies Mensch vor der Tür auf. Als Hund benötigten Sie hinterher eventuell Medikamente gegen zu hohen Blutdruck. Ohne es also zu beabsichtigen oder auch nur zu erahnen, waren Postboten seit uralten Zeiten für unsere vierbeinigen Beschützer das beste Gesundheitstonikum der Welt.
Ich machte mir meine Gedanken deswegen. Wieso war das eigentlich so?
Wauwaus betrachteten das Haus ihrer Besitzer als ihr alleiniges Eigentum. Manche der tapsigen Hausgenossen vertraten sogar die Auffassung, das ganze Anwesen gehörte ihnen, und sie erwiesen ihrer Familie eine ausgesprochene Gnade, es mit ihren Hunden teilen zu dürfen. Sozusagen als Belohnung dafür, dass die ihnen anvertrauten Zweibeiner diesen Besitz immerhin bezahlt hatten bzw. sich fortwährend fleißig damit beschäftigten. Alles, alles besaß dieses vierbeinige Wesen mit den unwiderstehlichen Kulleraugen. Angefangen von solchen Banalitäten wie Bleistiften=Ministöckchen über sämtliche bequeme Sitzgelegenheiten wie Sofas plus Sesseln (inoffiziell auch Betten!), schon erwähnten Teppichen bis hin zur Küche, dem wichtigsten Ausstattungsteil des hündischen Reiches.
Jedes Haus hat normalerweise eine Öffnung, vor der und oder auch durch die meistens ein reger Verkehr herrscht. Waren die Ankömmlinge Rudelmitglieder, freute Hund sich halbtot. Doch sechsmal in der Woche musste der arme Kerl sich furchtbar ereifern. Da nahte nämlich irgendwann zwischen 10 Uhr morgens und 3 Uhr nachmittags frech ein mit einer großen Tasche schwer bepacktes, zweibeiniges Individuum. Da Mato solche menschlichen Ausgaben häufig auf Spaziergängen traf, war ihm klar, dass in jener Tasche jedenfalls keine Hundeleckerchen versteckt wären. Ohne vorher mein Tier um Erlaubnis gefragt zu haben, turnte dieser Zweibeiner vor Matos Haus herum. Menschen nannten den “Briefträger” oder auch “Postbote”. Im Gegensatz zu den Vierbeinern strahlten wir um die Wette und spurteten zum Kasten. Die stereotype Frage: “Post für mich dabei?” konnte ich dann entweder bejahen oder hatte sie leider zu verneinen. Bei Verneinung sauste dann ein enttäuschter Teenager in sein Zimmer, knallte wie so oft laut die Türe zu und ward eine Zeitlang nicht mehr gesehen. Gab ich eine zustimmende Antwort, strahlte das entsprechende Exemplar, nahm gnädig alles in Empfang, sauste dann ebenfalls in sein Zimmer, knallte ebenfalls die Türe zu und war ebenfalls eine Zeitlang verschwunden. Doch jener Teenager war dann wenigstens für den Rest des Tages meistens guter Laune!
Gute Laune wegen “Post” zu haben fiel Mato allerdings im Traum nicht ein. Dieser dämliche Zweibeiner da draußen wagte es tatsächlich, sogar jeden Tag an seinem Haus herum zu fummeln, um so knisternde Dinger=Briefe oder besonders gern und oft raschelnde Reklame in den Briefkasten zu stecken. Wie konnte ein Mensch in einer solch infamen Art den Hundeknigge außer Acht lassen? Mato war ja ein absoluter Obermacho. Dementsprechend groß war seine Wut über soviel Dreistigkeit. Dass er nicht durch die Glastür raste, lag nur an seiner diesbezüglichen Unfähigkeit. Schnappte er den Kerl, hätte er ihn mit Sicherheit in eine wohlportionierte Fleischmahlzeit verwandelt. Die verhinderte dann hungrige Hundemägen für mindestens zwei Wochen, je nach Postbote! Mein Gott, wie oft erklärte Mato diesem anscheinend unterbelichtetem menschlichen Exemplar, dass dessen Benehmen einfach unter aller Sau war. Doch diese anspruchsvollen Unterweisungen in “Benimmregeln” meines natürlich hochintelligenten Wauwaus begriff der Postbote einfach nicht. Vom Montag bis hin zum Samstag stieg Matos Adrenalinspiegel also ständig. Den nachfolgenden Sonntag brauchte er dann dringendst, um sich von diesem unmöglichen Stress zu erholen. Das bewies wahrscheinlich meinem Hund ´mal wieder: Von uns Zweibeinern durfte man einfach keine Hundeintelligenz erwarten!

Besuch: Handwerker

Steht ein Haus solange wie unseres, dann beweist eines Tages das ganze Innenleben, dass alles von Menschenhand Gefertigte nicht von ewiger Dauer ist, sondern nach spätestens 15 Jahren bitte schön ausgetauscht bzw. renoviert werden sollte. Meistens hielt dieses Innenleben eine geballte Ladung an Überraschungen parat. Eine Waschmaschine auszuwechseln – no problem! Spannend wurde es, wenn sich an ein und demselben Tage Waschmaschine, Spülmaschine und Wäschetrockner verabredet hatten, und alle zugleich ihren maschinellen Geist aufgaben. Aus Solidarität schloss sich im Extremfall noch die Heizung an. Für uns das absolute Highlight! An solchen Tagen waren unsere Nerven gespannt wie Drahtseile. Der Nachwuchs schrie: “Hurra!” Endlich durfte er seine Teller per Hand selber spülen! Meine Nachbarin war selig, als ich ihr zehn zusätzliche Waschmaschinenfüllungen präsentierte. Ich freute mich, sie dermaßen glücklich zu sehen. Vielleicht sollte ich häufiger...? Ich kann nur sagen: Es war ein Segen, dass wir uns so gut verstanden. In solchen Notfällen brauchten wir keinerlei Hemmungen davor zu haben, gegenseitige Hilfe in Anspruch zu nehmen!
Nicht nur wir Menschen waren seelisch gebeutelt. Nee, meine Vierbeiner kriegten ja in vollem Maße den furchtbaren Rummel und unsere Nervösität mit. Wie sich das dann praktischerweise auf Mato und seine Kumpanen auswirkte... das war für uns sehr(!) amüsant. Natürlich übertrug sich Frauchens Stimmung gerne und schneller als wünschenswert auf deren liebe Tiere. Gestresst wegen der ver-rückten Umstände im Haus, fauchte ich sogar meine Töchter öfter als nötig barsch an. Mein Mato sagte sich offensichtlich: “Frauchens Stimmung ist für mich absolut tonangebend. Also bin ich ab sofort nervtötend. Natürlich meine zwei Untergebenden auch; für die bin ich ja das Vorbild!” Das daraus resultierende Theater ließ sich nur unzulänglich beschreiben. Wahrscheinlich würden wir uns abends, ginge das den ganzen restlichen Tag so, alle in der Klapsmühle wiederfinden. Reif waren wir eigentlich schon nach einer knappen Stunde dafür!
Alle paar Tage tauchten dann die verschiedenen Handwerker auf. Natürlich immer nur die für jeweils einen Aufgabenbereich, damit wir auch möglichst lange an der ganzen Angelegenheit Spaß hätten. Wie toll! Beim ersten Male fanden meine Vierbeiner es ja kaum wert, sich lange aufzuregen. Ich hatte sie in meinem Zimmer verstaut, damit keiner vor Angst einen Herzschlag bekommen sollte. Meine Lieblinge waren relativ groß ausgefallen. Doch nach mehreren Tagen war der ewige Umtrieb in unserem Hause zuviel für das ansonsten so sanfte Hundegemüt. Was suchten die denn alle hier im Haus? Und ich war, für meine Tiere unverständlich, ausgesprochen nett zu den Herren Handwerkern! Wieso eigentlich das, da die einem doch dauernd mit ihrer Bimmelei auf den Wecker gingen? Das konnte ich meinen Tieren ja nicht erklären: Taktik, damit die lieben Besucher ihre Arbeit möglichst rasch und gründlich erledigten. Selbst so kluge Tiere wie die meinigen konnten das nicht durchschauen! Mato als tonangebendes Ungetüm fand diese Korona mittlerweile alles Andere als lustig. Er zeigte ganz deutlich seine wachsende Unzufriedenheit. Der wünschte sich sehnlichst den gewohnten Tagesablauf zurück! Da seine und auch die Laune meiner zwei anderen vierbeinigen Hausgenossen in Richtung Nullpunkt marschierte, brachte ich sie je nach Zuständigkeit der Handwerker entweder im Wohnzimmer oder in meinem Zimmer unter. Dort sollten sie meinetwegen ruhig kräftig vor sich hin schimpfen. Irgendwann ginge ihnen sicher die Puste aus, und es träte Ruhe ein. Fee mit schüchterner Mädchenstimme, Quinny als kleines kratzendes Blechdöschen dazu und mit tiefem Bass mein Mato. Der klang wie ein ausgewachsener Bernhardiner! Alles zusammen für menschliche Ohren ein sehr “melodiöser” Krach. Meine Hinweise, es reichte jetzt, überzeugten sie nicht. Nein, stattdessen bellten meine drei Racker, jeder auf seine Weise, sich langsam, aber sicher in Operngesang hinein. Es fiel ihnen nicht im Traum ein, diese Arien zu unterlassen, um etwa dadurch die ohnehin strapazierten Nerven ihrer Familie zu schonen. Zudem waren sie schwer beleidigt, weil ich sie vom Ort des Geschehens fernhielt. Nein, die hatten sich vorgenommen, so weiterzumachen, bis höchstens noch zwei oder besser nur noch ein oder am allerbesten gar kein Exemplar dieser fremden Mannschaft mehr in ihrem Revier weilte. Zu guter Letzt bat ich meine Töchter, den Rabauken im Zimmer Gesellschaft zu leisten. Das sollte das Vorhaben der Vierbeiner ein wenig eindämmen helfen. Als jene unerwünschten Störenfriede sich dann schließlich endgültig verabschiedeten, eilten meine Hunde aus dem wieder geöffneten Raum hinter ihnen her, um sich durch die der zum Glück verschlossene Glastüre kniggegerecht mit lautem Bellen von ihnen zu trennen. Mit gutem Willen und viel Phantasie konnte ich das Gebell als “Auf Wiedersehen!” deuten. Doch diese Interpretation entstammte mit Sicherheit einer in die Irre geleiteten liebenden Frauchenseele und hatte herzlich wenig mit der reellen Aussage meiner Vierbeiner zu tun. Als wieder Ruhe einkehrt war, legten sich die Drei etwas erschöpft, aber sehr zufrieden in die Diele. Durch anhaltende Hartnäckigkeit hatten ihre Anstrengungen eben doch zum Erfolg geführt. Triumph, Triumph!

Hintere Grenze: Gartenzaun

Die hintere Grenze hieß “Gartenzaun”. Er bot sich für Grenzstreitigkeiten wunderbar an, da nur einen halben Meter hoch. Mato, gar nicht dumm, hatte das sehr wohl registriert. Sein Freund Henky jenseits des Zaunes war mittlerweile ebenfalls fast erwachsen. Und damit Konkurrenz für meinen Hund. An einem schönen Sommertag hielt sich mein Hund direkt dort auf, den anderen Rüden immer im Blickfeld. Beide Jungen gossen zur Reviermarkierung unter Beobachtung des vierbeinigen Freundes auf der anderen Seite fleißigst die Blümchen am Zaun. “Also, damit du es nur weißt: Dieses Grundstück ist mein´s!” So gern Mato den Henky sonst mochte. In solchen Minuten war er recht sauer über dessen Anwesenheit im nachbarlichen Garten. Eigentlich hielt er das für ziemlich überflüssig. Mein Wollknäuel liebte meine Nachbarin sehr und verteidigte das Nebenrevier fast genauso vehement wie sein eigenes. Dort brauchte es also nicht noch unbedingt einen zweiten Aufpasser. Er als Platzhirsch traute sich ohne Weiteres zu, gleichzeitig zwei Häuser zu bewachen. Mato hatte keinesfalls vor, sich seine Vorrangstellung von diesem halben Kind da strittig machen zu lassen. Henky trat seinem fortgeschrittenen Alter entsprechend nicht mehr so unterwürfig auf, was Mato veranlasste, ihn durch den Zaun hindurch warnend anzuknurren. Das ging gegen Henkys neuen Stolz! Nach dem Motto: “Ich lass mir nicht mehr alles gefallen,” erwiderte er die Anmacherei. Da geriet Mato in Rage und nutzte das Niedrigzäunchen, um mit einem Hechtsprung in Nachbars Garten zu landen. Der Zeitpunkt war gekommen, diesem jungen Schnösel zu zeigen, wer hier zu bestimmen hätte. Gerade rechtzeitig erschien Henkys Frauchen auf der Bildfläche. Mit einer mit eiskaltem Wasser gefüllten Gießkanne rannte sie zu beiden Wüterichen. Quietsch, brr! Ein ordentlicher Schwall des schrecklich kalten Nasses war auf Matos Fell geplatscht. Vor Entsetzen machte er einen Satz und fand sich im eigenen Revier wieder. Aber wenigstens konnte er sich sicher sein, dass Henky seine Warnung verstanden hatte.
Ich erinnerte mich noch an eine zweite Szene, die sich am Gartenzaun abspielte. Da war aber Fee die treibende Kraft! Normalerweise draußen viel zu feige für die Auseinandersetzung mit einem Rüden, stach sie jedoch manchmal in unserem Garten mit ihren beiden Kavalieren im Rücken der Hafer. Sie brauchte Selbstbestätigung und fühlte sich in Gegenwart ihrer Freunde unheimlich stark. Immerhin wäre sie eine Schäferhündin! Sie wäre keineswegs schüchtern und auch so gar nicht sanft veranlagt. Nur darf man diese Charakterisierung nicht für wahre Münze nehmen. Sie war schüchtern - und wie! Sie benahm sich normalerweise wie ein als Schäferhund verkleideter Mops. Schmusen, schmusen und nochmals schmusen – dabei aber bitte schön mit ihren 34 kg entweder auf meinem Bauch oder meinen Beinen liegen! Vor Wonne gab es ein lautes Schnurren! Hatte ich da ein verkleidetes Kätzchen gekauft? Meine Schwiegermutter sagte damals zu mir: “Es heißt doch, Schäferhunde sind gefährlich. Sie beißen! Aber, wenn ich mir Fee so ansehe...Meine Güte, die ist doch so richtig lieb!” Dann zu Fee, die natürlich auf Ansprache hin direkt neben ihr auf dem Sofa Platz genommen hatte: “Du bist ein richtig gefährliches Biest, nicht Feechen?” Dabei lachte Oma herzlich und erntete von Fee zum x-ten Male lautes Wonneschnurren. Das Sofa kriegte eine Schwanzmassage, denn mein Hundemädchen freute sich wie toll, wenn Oma sich um sie kümmerte. So war mein Hundemädchen. Selbst ich dachte oft: “Von Biest doch wirklich keine Spur. Was reden manche Menschen für einen Stuss!”
Doch zurück in den Garten: Fee wollte also Henky auf der anderen Zaunseite beweisen, dass sie eine ernst zunehmende Persönlichkeit wäre und auch gefährlich sein könnte. Mato und Quinny standen ja zu ihrer Unterstützung bereit. Henky hatte vom Zaun aus sehsüchtig zugeschaut, wie meine drei Hunde vergnügt Fangen spielten. Er hätte doch so gerne mitgemischt! Fee entdeckte ihn am Zaun und peeste plötzlich drohend knurrend in seine Richtung. Ihre Kameraden kriegten mit, dass ihr Weibchen unverständlicherweise ihren gemeinsamen Freund anmachte. Keine Ahnung, warum? Doch wäre es gegen ihre Hundemännerehre gegangen, ihr nicht beizustehen. Vehement attackierte Mato den Zaun. Er war kurz davor, seinen damaligen Hechtsprung in Henkys Garten zu wiederholen. Nur wäre es diesmal für den nicht so gimpflich abgelaufen! Meine Hunde heizten sich gegenseitig an und gebärdeten sich wie toll. Diesmal holte nicht nur Frau Haas, sondern auch ich eine gefüllte Gießkanne. Wir eilten im jeweiligen Revier auf unsere tobenden Tiere zu und brüllten sie ordentlich an: “Schluss, zurück – aber ganz schnell!” Vor Gießkannen mit ihrem nassen Inhalt hatten Mato und auch Quinny einen Heidenrespekt. Erstens floss Wasser gegen ihren eigenen Willen. Zweitens standen sie anschließend länger unter einem Kälteschock! Meine zwei Hundejungen guckten ganz verstört. Diese ach so mutigen Männer auf vier Beinen erspähten die schreckliche Gießkanne, stutzten und vergaßen vor Angst sogar das Bellen. Mato verzog sich schleunigst mit einem um Gnade flehendem Blick in die Gartenmitte, wo er sich sicherer fühlte. Stand dort unbeweglich auf einem Fleck und hoffte, dass der Kelch an ihm vorüberginge. Für das Angsthäschen Quinny reichte der Rückzug in die Gartenmitte beileibe nicht aus, um sein Selbstbewusstsein wieder aufbauen zu können. Mit einem Blick rückwärts zur Gießkanne flitzte er lieber im Affentempo ins Haus unter die Eckbank, als ob ein Dinosaurier hinter ihm her wäre. Nur Fee hielt noch die Stellung am Zaun. Da sie von Natur aus eine absolute Wassernärrin war, erlitt sie beim Anblick der Gießkanne nur eine Minischrecksekunde, fand dann ihr seelisches Gleichgewicht enorm schnell wieder und fing an, sich “leider” auch noch über deren Erscheinen unheimlich zu freuen. Dieses neue Spiel war ja eine super Idee von mir. So juchzte sie begeistert herum, was ich ja mit dieser Aktion nun wirklich nicht hatte erreichen wollen. Aber wenigstens von Henky war sie so abgelenkt. Stand vor mir und wartete sehnsüchtig auf den nächsten Strahl!
Frau Haas konnte viel kräftiger brüllen als ich. Das Geschrei seines geliebten Frauchens im Ohr, entschied sich Henky, besser schleunigst wieder Ruhe zu geben. So eine furchtbare Gießkanne vor Augen zu haben – entsetzlich! Nein, er war bedient!!



Ordnungsliebe

Tischkultur

Chows sagt man eine extreme Sauberkeits- und Ordnungsliebe nach. Gibt´s eigentlich Menschennachwuchs mit ähnlicher Veranlagung... dann her damit?! Mato galt offiziell als Eurasier; doch ein Eurasier mit mindestens 5/7 Chowchow. Zu meiner großen Freude legte Hund also allergrößten Wert auf Ordnung und Sauberkeit. Hach, war das schön, zu beobachten, wie er nach jeder Mahlzeit seinen Futterplatz von allen noch so winzigen Krümeln reinigte. Sein Sauberkeitsfimmel ging soweit, dass er den Boden sogar auch noch von gar nicht vorhandenen Resten zu reinigen versuchte. Einfach köstlich! Mit schief gelegtem Teddykopf absolvierte er diese ja nun doch etwas ungewöhnliche, da unsichtbare Arbeit. Das sollte ihm erst einmal jemand nachmachen. Schade, Fee und Quinny brachten diese Veranlagung nicht mit. Im Gegenteil. Vor allem Fee benahm sich beim Futtern so gar nicht wie die echte Prinzessin, die sie laut Papieren war, sondern verstreute zu gerne ihr Fressen in sämtliche Himmelsrichtungen. Ich war ja zuvorkommend und putzte den Dreck anschließend weg!
Schon als Minihund von nur wenigen Monaten erzog Mato mich, sein Frauchen, zur Ordnung. Auf selten drollige Art und Weise. Sein damaliges Futternäpfchen war dreieckig mit einem vorne hochgezogenem Rand. So auf Matos selbstverständlich eigenem Hocker stehend, bot es die Mahlzeiten an. Eines Tages bekam ich dann meine Unterrichtsstunde in Sachen “Ordnung halten”. Der Vortag war ein Hundefastentag gewesen, damit die Hundebäuchlein nicht aus allen Nähten platzten. Ich stellte also meinem Zwerglein mit lieben Worten, wie es sich gehörte, sein Futter hin und erwartete, dass er ausgehungert darüber herfiele. Weit gefehlt! “Ja sag ´mal, hast du denn keinen Hunger? Hängt Dir denn nicht der Magen unter den Schuhsohlen?” ( Frage nebenbei: “Wo hat ein Hund Schuhsohlen??!”). Komisch, der rührte sein Fressen einfach nicht an. Ich redete ihm länger gut zu, nichts! Als ich so langsam doch mit Sorge auf seinen Napf sah, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Ach herrje, der stand ja falsch herum. Das konnte doch nicht sein. Sollte mein kleiner Hund etwa deswegen nicht futtern? Das war garantiert Einbildung. So ein Quatsch! Doch grinsend rückte ich probeweise seinen Teller zurecht. Und dann? Matochen schenkte mir einen unglaublich dankbaren Dackelblick, eilte zum Napf und fraß wie ein Scheunendrescher. Mir kamen die Lachtränen: “Entschuldige, mein Kleiner! Das passiert mir bestimmt nie wieder!”

Hopp-hopps!

Mato war und ist das rücksichtsvollste Hundevieh, das ich mir denken kann. Der achtete nicht nur auf “Seins”. Nein, er verknuste es nicht, wenn meinen Kindern ihr Spielzeug etwa umgeworfen und dadurch umsortiert wurde. Mein Hund hatte einen sechsten Sinn dafür, welch eine Mühe es erforderte, aus Legosteinen oder Bergen von Bauklötzchen kunstvolle Bauten zu errichten. Bewundernd schaute er auf die fertigen Produkte. Er selber konnte zwar draußen Löcher buddeln, Stöckchen durch die Luft segeln lassen, nach Mäuschen graben und daheim unter Anderem für die Teppichumgestaltung sorgen. Doch so etwas Kunstvolles herzustellen, das blieb ihm verwehrt. Dieses Talent seiner Ersatzschwestern würdigte er durch Achtung erweisen. Indem er peinlichst darauf achtete, ja nicht versehentlich auf solchen Bauwerken herum zu trampeln, wenn er durch Katjas Zimmer auf den angrenzenden Balkon zustrebte. Nahte er ausnahmsweise im Galopp, vollführte er knapp vor diesen Gebäuden eine Vollbremsung wie ein Albatros, hopste dann äußerst rücksichtsvoll hoch durch die Luft über die Häuser hinweg. Denn schimpfende, oder noch weit schlimmer, heulende menschliche Geschwister wollte er nicht riskieren. Das hätte sein liebendes Hundeherz nur schwer verkraftet.
So aber handelte er sich ein feines Lob von Groß-Mensch plus Klein-Menschen ein und ging garantiert dann davon aus, dass er für die nächsten Tage einen Streich gut hätte!

Mato und die Wandfarbe

Noch entschied ich, und ließ mir doch meine Entscheidungen nicht von meinem Bärchen vorschreiben! Das wurmte meinen Hund sichtlich, aber damit hatte er zu leben. Sein Frauchen hatte nämlich auch ihren Dickschädel.
Veränderungen größeren Ausmaßes in seinem Revier hasste mein Hund wie die Pest. Hunde sind nun einmal Gewohnheitstiere. Ab und zu litt sein Menschenrudel an Um- und Ausräumeanfällen. Horror für einen vierbeinigen Ordnungsfanatiker! Es war ja wohl kaum meine Schuld, dass in den Lieblingskuschelecken meiner Tiere das untere Viertel der Wände aussah, als ob sich dort verwischte Bleistiftwerke durchgeknallter Künstler breitgemacht hätten. Mato und seine Kumpanen liebten nun ´mal das Sichandiewandlehnen. Das war ja soo gemütlich! Nur, dass diese Ecken dann in regelmäßigen Abständen der Reinigung bedurften, sahen meine Hunde natürlich nicht ein. Damit hatte ich eben zu rechnen, da ich mir sie natürlich bezaubernde Exemplare angeschafft hatte. Was das Optische der Wände anging, drifteten also meine Auffassung und die meiner Tiere stark auseinander. Ich bin sehr ordentlich und auf Sauberkeit bedacht. Mir waren diese Flecken einfach ein Dorn im Auge. Ein neuer Anstrich war dringend fällig.
Damit setzte ich Knödelchen sehr unter Stress. Eines Morgens herrschte bei uns ein äußerst geschäftiges Treiben. Wünschten wir keine unregelmäßig weiß gesprenkelte Sitzfläche der blau-fraise-grün-lilafarbenen Eckbankgarnitur, sollten wir sie tunlichst vor dem Streichen aus dem Raum räumen. Sonst hätten wir uns fix einen ebenfalls weiß gesprenkelten Hosenboden holen können. Wandfarbe hat zudem noch die nette Eigenschaft, sich nur sehr schwer wieder entfernen zu lassen. Also: “schieb” und “trag” und “stöhn”, bis diese Bank endlich im Wohnzimmer gelandet war; die zugehörigen Stühle und die beiden kleinen Hundeteppiche hinterher. Danach konnten wir uns in der leeren Küche tatsächlich ungefährdet im Kreis drehen, ohne uns irgendwelche Flecken oder Beulen einzuhandeln. Alex schleppte die Malutensilien heran. Der Spaß konnte beginnen.
Doch da wartete eine echte Viecherei auf ihn, alles Andere als ein Spaß! Die verschiedenen Vorsprünge der Küchenwände erschwerten das Streichen. Trotzdem verschwanden allmählich selbst Matos Lieblingsgrauschleier. Und ein ungewohntes Weiß strahlte uns aus den betreffenden Ecken entgegen. Wie frisch das alles wieder aussah! Es ist vielleicht verrückt, doch ich schwärmte für den Geruch frischer Wandfarbe. Ob mein Hund diese meine Freude teilte?
Auf die Antwort brauchte ich nicht lange zu warten! Zwischenzeitlich knurrte uns der Magen. Wir waren gerade mit der Essensvorbereitung beschäftigt, als plötzlich ein fröhliches Trippeltrapps in Richtung Küche vernehmbar war. Und schon lugte Mato durch die angelehnte Küchentür. Sein Entsetzen war ihm mehr als deutlich anzusehen: “Was war denn da los? Wo war seine geliebte Kuschelecke unter der Eckbank hin? Und sein Teppich, auf dem er es sich dort immer so gerne gemütlich machte? Das war ja wohl die Höhe, ohne seine Erlaubnis die geliebte Küche so zu verunstalten! Und dieser eigenartige Gestank – also, wirklich unzumutbar für seine empfindliche Hundenase!” Offensichtlich begann er, an unserem Verstand zu zweifeln. Dass ich öfters auf verrückte Ideen kam... Nun ja, er kannte mich ja und ertrug das mit Fassung! Aber das hier ging entschieden zu weit! Sauer wie eine Zitrone stolzierte er mit entsprechender Miene betont majestätisch in seine ausgeräumte Lieblingsecke an der frisch gestrichenen Wand. Mit einem extralautem Plumps ließ der Herr sich nieder und strafte uns mit einem Blick voller Verachtung. Wie konnten wir ihm so etwas antun? “Das kommt so schnell nicht wieder vor. Frühestens in ein paar Jahren!” Beeilte ich mich, meinem Hund zu versichern. Diesen tiefempörten, todtraurigen Ausdruck in den Augen meines vierbeinigen Freundes hielt ich nicht lange aus. So beeilten wir uns, die Küche sobald als möglich in den ihm angenehmen Zustand zurückzuversetzen. Doch ein paar Stunden hatte er sich schon noch gedulden. Oder wollte er zu einem untypisch weiß-bunt geflecktem Samojeden werden?
Eingeschnappte vierbeinige Lieblinge sind nur schwer zu ertragen. Mit irrer Ausdauer spielte mein Vierbeiner an jenem Tag stundenlang beleidigte Leberwurst. In “Beleidigtsein” war Mato sowieso ein wahrer Meister! Erst nachdem alles, aber auch wirklich alles an seinen alten Platz zurück verfrachtet worden war, erklärte Herr Hund sich gnädigst zur Versöhnung bereit. Hielt sich dann per Zufall ein erwachsenes menschliches Rudelmitglied in seiner Nähe auf, wedelte er huldvoll wieder freundschaftlich mit dem Schwanz. Die Anklage war aufgehoben. Ich atmete erleichtert auf.


Spaziergang


Ein Leben ausschließlich in Haus und Garten wäre trotz allen Komforts, der Mato geboten wurde, doch reichlich langweilig gewesen. Deshalb machte ich mit meinem Tier lange Ausflüge, die zwar für uns beide sehr schön, doch für meinen Hund noch schöner wurden.
Für Vierbeiner war Hellerhof plus Umgebung einfach ein Paradies. Der ganze Stadtteil ein einziger Park mit Wiesen und Feldern ringsum. In entfernterer Nachbarschaft gab es sogar ein Naturschutzgebiet. Doch hatte ich erfahren, dass dort trotz Begleitung durch große Hunde mehrmals Frauen überfallen worden waren. Also mied ich jenes Ausflugsziel. Aber die Felder blieben uns und sämtliche Umgehungswege. Die reinste Abenteuerroute! Nicht nur den bekannten körperlichen Notwendigkeiten dienten diese Pisten. Die Ausflüge sorgten vor allem für das seelische Wohlbefinden aller Vierbeiner. Menschen beschäftigen sich oft stundenlang mit Zeitungsdurchstöbern (Übrigens sehr wichtig!). Wer denkt aber so von Hunden? Sie, lieber Leser, brauchten nur einmal mit meinem Knuddelvieh spazieren zu gehen. Sie wären baff wegen der Wissbegierde dieses entzückenden Wesens und kämen als geduldigster Mensch der Welt zurück. Denn Mato war, ging es ums Lesen der sog. “Hundezeitung”, der reinste Wissenschaftler. So gründlich prüfte er sämtliche Nachrichten seiner Artgenossen. Und ganz besonders entspannt kehrten Sie heim, falls mein Hund
a) ... einen fremden hochnäsigen Rüden getroffen hätte, den er aufs erste Schnuppern nicht ausstehen könnte
b) ...eine Katze gesichtet hätte, die sogar dummerweise auf ihn zu spurtete
c) ...einen vorwitzigen Hasen hätte vorüberhopsen, oder noch interessanter, einen Fasan weithin sichtbar durchs Feld hätte schreiten sehen
d) ...oder als Krönung des Ausflugs eine wahnsinnig attraktive, da ein extrem sexy Parfum bevorzugende = heiße Hündin getroffen hätte
e) ...oder auch nacheinander a) + b) + c) + d) während ein- und derselben Wanderung zu Gesicht bekommen hätte!!
Ich garantiere Ihnen, nach solchen Wanderungen wären Sie zwei Pfund leichter und reif für die Dusche! Die verliefen nämlich irre spannend. Deshalb möchte ich näher darauf eingehen.

Ad a) Fremder Rüde – pfui!

Mit 5 Monaten erhob Mato bereits hochmütig Besitzanspruch auf ganz Hellerhof. Denn er war ja als einer der ersten Hunde hier aufgekreuzt. Und auf Grund seiner ach so vornehmen Abstammung konnte das seiner Meinung nach außerdem sowieso nicht anders sein. Innerlich zu 5/7 Chinese, war er wahrscheinlich arg empört, dass dieser komische “Pu Yi ( frech, denn zudem eine zweibeinige Ausgabe!) als letzter Kaiser von China galt. Diese Ehre gebührte doch nur meinem Hund! Und deshalb nahm er sich natürlich das Recht heraus, Hellerhof und der weiteren vierbeinigen Umgebung “Unterwerfung!” abzuverlangen. Für Mato artete das in vermehrten Stress aus, doch die männlichen Artgenossen sollten seine Oberherrschaft anerkennen. Ein paar Lieblingsrüden, die er von Babybeinen an kannte, blieben von der anstehenden Erziehungsmaßnahme verschont. Alle anderen aber unterzog er einen strengen Prüfung und sortierte sie dann in “Schubläden”:
Äußerst sympathisch: Er bot Freundschaft an und spielte sogar mit ihnen.
Recht nett: Sie ernteten ein freudiges Fiepen oder sogar ein Nasenküsschen.
Weniger nett: Da fing das Abenteuer an!
Im letzteren Fall fixierte Mato zunächst den Konkurrenten. Wagte der keck, seinen Blick allzu lange zu erwidern, ging´s rund! Mato stellte warnend seine Nackenhaare hoch. Der sollte ihn bloß besser in Ruhe lassen! Brachte diese Warnung nicht den gewünschten Erfolg, knurrte Mato los und hätte sich liebend gerne auf den Rivalen gestürzt. So eine Unverschämtheit! Der hatte seinem Kaiser gefälligst Respekt zu zollen! Da war nichts mehr von dem sanften Stofftier zu sehen. Er wurde zum echten Biest. Wehe, es begegneten ihm Schäferhund- oder Dackelrüden, dann rastete er völlig aus. Wie gut, dass ich ihn per Leine bestens unter Kontrolle hatte. So kam es zu keinen ernsthafteren Auseinandersetzungen.

Ad b) Katze

Katzen lieben das Lustwandeln. Mussten sie aber auf ihren Ausflügen unbedingt den Wauwaus so dicht vor der Nase herum tänzeln? Das blieb mir ein Rätsel! Leider war in Hellerhof nicht nur ein einziger dieser süßen Stubentiger vertreten. Viele Großfamilien dieser süßen Schnurrer erwählten unseren ländlichen Stadtteil zur Wahlheimat. Bequemer wurden einem ja die Mäuschen nirgends serviert! So trafen wir spätestens auf jedem dritten Spaziergang ein solches, kulleräugiges “Monstrum”. Leider blieb Mato im Lauf seines langen Lebens die Erfahrung nicht erspart, daß die niedlichen Tiere außer kreisrunden Äugelchen sowie putziger Schnute auch noch andere, für manche Mitlebewesen nicht so angenehme Dinge vorzuweisen hatten. Dazu zählten vor allem ihre Krallen, die sie normalerweise in ausgesprochen zierlichen Pfoten versteckten, jedoch heimtückisch bei Bedarf blitzschnell ausfuhren. Dann erinnerten sie sehr an ihre wilden Verwandten, von “Schmusekatze” keine Spur! Als Mato einem solchen Tier gegenüber zu aggressiv wurde, führ das kleine Biest fauchend diese gemeinen Dinger prompt aus. Um seine Mordwerkzeuge anschließend auf ziemlich respektlose Art dem “Kaiser von China” so um die Ohren zu hauen, dass diesem Hören und Sehen verging. Klagend jaulend beschwerte Mato sich hinterher bei mir. Was fiel diesem Vieh denn ein? Trotz dieser frustrierenden Erfahrung beherrschte er sich nicht und wagte es immer wieder, Katzen anzugreifen. Anstatt lieber immer oder meistens oder öfters Vorsicht walten zu lassen! Ab und zu bildete ich mir ein, er hätte es endlich kapiert. Von wegen! Grundsätzlich Katzen gegenüber Zurückhaltung an den Tag zu legen, passte nicht zu meinem süßen Dickschädel. So eine Ausgabe war eben nur schwer oder auch gar nicht zu belehren!

Ad c) Jagdinstinkt

Laut Hundebuch hatten Eurasier angeblich keinen Jagdinstinkt! Wie oft dachte ich im Laufe der Jahre an diese Aussage in Schwarz auf Weiß. Danach konnte Mato kein Eurasier sein. Aber was sonst? Nachdenklich schaute ich meinen vierbeinigen Freund an: “Jedenfalls ein Hund!” stellte ich beruhigt fest. Hätte Mato sprechen können, hätte er geantwortet: “Mensch, Frauchen, dir traute ich aber mehr Grips zu! Wie kann man denn auf so´n Quatsch hereinfallen? Eure Hausgenossen stammen ursprünglich vom Wolf ab. Kannst du mir bitte ´mal erklären, wie der in der Wildnis ohne Jagd überleben könnte?” Mein Hund und ich waren stets telepathisch miteinander verbunden. So gab ich ihm frustriert zu, dass ich mich da an der Nase hatte herumführen lassen. Ich entschuldigte mich und betonte, ich hätte ihn keinesfalls in seiner Hundeehre kränken wollen. Gnädigst von oben herab nahm Machochen Mato die Entschuldigung an.
Doch er hielt eine praktische Lehrstunde in Sachen “Jagdtrieb haben” für mich für angebracht! Mein Hund war inzwischen zu einem Langlaufleinenhund avanciert. Er war doch so freiheitsliebend, konnte sich aber wegen der kurzen Leine während unserer Spaziergänge nur wenig von meiner Seite entfernen. Als total vernarrtes Frauchen litt ich mit. Es tat mir so leid, dass er nicht wie die anderen Hunde wild durch die Felder toben durfte. Also kaufte ich eine Leine, die ich per Knopfdruck auf bis zu 10 m Länge ausfahren konnte. Mato genoss die neue Freiheit sichtlich. Endlich konnte er bei meinem Kommando “Komm!” mich entsprechend länger auf die Folter spannen, bis er per Schneckentempo schließlich bei mir eintraf. Aber ich hatte wenigstens ein ruhiges Gewissen!
Ahnen Sie schon, was dann passierte? Wieder einmal wanderten mein Hund und ich in fast vollkommener Harmonie durch die Wiesen. Mato las jeden Grashalm von oben, von rechts, von links und von unten. Und – weil´s so schön war, das Ganze bitte noch mal von vorne. Nun gibt es auf einer Wiese nicht nur ein einziges Grasbüschel. Mato war die Gründlichkeit in Person. Eben ein richtiger Naturwissenschaftler! So brauchten wir für eine 10 m Strecke ungefähr eine halbe Stunde. Das reinste Fitnesstraining! In greller Mittagssonne ist es unheimlich anstrengend, alle zwei Minuten stehen zu bleiben und dann auf demselben Fleck für fünf Minuten zu verharren. Dann schaute ich doch etwas ungeduldig auf meinen Hund herab; zumal, wenn dringende Termine auf mich warteten. Wie ein Kleinkind wusste auch Mato mich unter innerem Stress und ließ sich vorsichtshalber mit Pipi und Häufchen enorm viel Zeit, denn seiner Meinung nach verschwand ich dann nicht ganz so schnell.. Doch da irrte sich mein Kleiner gründlichst! Wir Menschen lebten nach der Uhr. Termine wollten eingehalten werden. Also zog ich nach kurzem Lauf meinen kleinen verdutzten Bären trotz ausgebliebenen Häufchens energisch nach Hause. Er hatte eben bis mittags zu warten. Ich war in Eile!
Und - ohne Termin!? Brav stand ich neben der kleinen Leseratte, die soeben damit beschäftigt war, ein- und denselben Grashalm bestimmt zum zehnten Male auf die beschriebene gründliche Weise durchzuchecken. Er ahnte es sicherlich nicht, aber ich zwang mich zur Geduld, atmete einige Male betont tief durch und machte im Stillen für mich drei Kreuzzeichen. Doll geholfen hat mir das aber nicht. So lustwandelnd, geschah es dann: Hund sollte Bewegungsspielraum haben, die Leine war bis zum Ende ausgefahren. Ausgerechnet da tauchte ein Fasan auf! Klar: Der blieb von Knödelchen nicht unbemerkt. So ein richtiger, in prächtig schillerndem Gefieder einher schreitender Fasan kreuzte unseren Weg und wanderte in gemächlicher Gangart auf das nächste Feld zu. Noch (!) direkt neben meinem Bein stehend, interessierte sich mein Hund garantiert nicht so sehr für dessen tolles Gefieder, sondern hundetypisch für etwas ganz Anderes. Sein Instinkt sagte ihm: “Lieblingsbeute Nr. 1!” Anstatt sich angesichts des vierbeinigen Wesens an meiner Seite netterweise ein wenig schneller zu entfernen, behielt dieser stolze Vogel unbeeindruckt sein gemäßigtes Tempo bei. Wahrscheinlich war es auch dem zu heiß! Der Fasan forderte geradezu unsere Beachtung heraus. Meiner Bewunderung konnte er sicher sein. Und Mato mochte ihn schon aus dieser etwas größeren Entfernung zum Fressen gern! Mein Hund hob seine Steckdosenschnute und schnupperte zusehends aufgeregter in der Luft herum. Das Schnüffeluntersuchungsergebnis versetzte ihn in Wonnestimmung. Um das Opfer seiner Verehrung zu erwischen, musste er über die direkt vor unseren Füßen liegende Wiese flitzen. Hinterher dachte ich: „Gottlob, das war Wiesengrund und kein Steinboden!“ Die dann folgende Szene war filmreif! Mato überlegte kurz ,aber wirklich nur minikurz, passte den seiner Überzeugung nach günstigsten Zeitpunkt für einen Angriff ab und legte sich mit einem überraschenden, tollen Hechtsprung nach vorne mit all seiner Kraft in die Leine. Ohne Rücksicht auf mich, die ich dann recht hilflos hinten dran hing. Peng, platsch machte es, und ich fand mich auf dem glitschig-feuchten Gras in horizontaler Lage wieder. Matos Aktion war einfach zu überraschend gekommen!. Aber die Leine hielt ich eisern fest. Wauwau wäre ja sofort in Richtung Festtagsbraten davon gestürmt! Da ließ ich mich lieber von meinem Vierbeiner etwas durchs Grün schleifen. Zu meiner Rettung stellte sich meinem Hund ein größeres Dornengebüsch in den Weg. Das hatte er vorher in seiner Aufregung gar nicht registriert. An diesem Busch endete gottlob unser für mich ungemütlicher Trip. Mich schmerzten sämtliche Knochen. Außerdem war ich mittlerweile recht wütend! Mein liebes Tier, das wegen des Gestrüpps verdutzt und wegen des misslungenen Fangversuches ziemlich enttäuscht stark hechelnd da lag, hatte dann doch einen leichten Klaps mit der Leine einzustecken.
Zwei Dinge hatte mir mein Hund klargemacht:
1. Er hatte nicht nur keinen Jagdtrieb,
2. Eher wäre er das Musterexemplar eines Jagdhundes gewesen!
Deshalb fasste ich nach dieser Erfahrung den wohl sehr weisen Entschluss, besser in Zukunft auf diese hundefreundliche Leine zu verzichten. Egoistisches Frauchen – armer Hund!
Der Meinung der zweibeinigen Mehrheit nach war in Stadtrandgebieten das beliebteste Jagdobjekt unserer Vierbeiner das dort zahlreich anzutreffende Häschen. Auf Mato gemünzt, widersprach ich ganz ausdrücklich. Bei meinem Wauwau rangierte es eindeutig nur auf Platz “2”. Doch dieses Hoppelding war nicht allzu traurig deswegen. Sprang ein solches Etwas vor Matos Nase herum, regte er sich zwar furchtbar auf, mit Fiepsen und wildem Reißen an der Leine, aber der absolute Knüller blieb für ihn der Fasan. Nur im hohen Alter von 13 Jahren wurde er selbst diesem Federvieh gegenüber etwas gelassener – und bewahrte Continance!

Ad d) Heiße Hündin

Der Charakter meines Hundes brachte mir eine Fülle an Überraschungen. Er war eine ungewöhnlich eigenständige, aber auch ebenso sanfte Persönlichkeit. Genau das band mich an ihn. Es war eine Beziehung voller Widersprüche! Da brauchte ich viel Geduld und gute Nerven.
Sie werden staunen! Matos Kommunikation mit der gleichgearteten Damenwelt: Ein Kapitel für sich!
Schon im jugendlichen Alter ein ausgesprochener Beau, glaubte mein vierbeiniger Macho wohl, auf Grund dessen hätten die Weibchen um ihn Schlange stehen. Dem war aber absolut nicht so, denn mein Halbgroßer machte im Umgang mit ihnen etwas grundlegend verkehrt. Anstatt um das Mädchen seiner Wahl zart zu werben, ging´s nach dem obligatorischen Nasenkuss direkt zur Sache. Den allermeisten Weibchen gefiel das überhaupt nicht. Sie erteilten ihm deftige Körbe! Mein ach so von sich eingenommenes Matochen, das sich draußen wie der King persönlich präsentierte, verstand das nun gar nicht. Seiner Überzeugung nach war er doch so ein toller Rüde. Ja, ja - mein Obermacho!! Traurig stand er neben mir; in seinen Augen die deutliche Frage an mich: “Ich habe mich doch nur so doll gefreut. Was haben sie nur gegen mich?” Meine Tröstungsversuche hätte mein Hund ja nicht verstanden, aber ich dachte im Stillen: “ Auf diese Art kann´s nicht klappen, Mato! Das musst du anders anstellen!”
Hundemädchen bevorzugten zweimal im Jahr eine besonders sexy Parfümnote, die sämtliche Rüden vor Sehnsucht rasend werden ließ. Die begaben sich, wenn eben möglich, schleunigst auf Freiersfüße. Vielen wurde das aber von denen ihnen anvertrauten Zweibeinern strengstens untersagt. Doch kluge Hunde wussten Rat! Wozu hatten Türen Klinken, auf die man drauf springen konnte? Gartenzäune waren dazu da, um überwunden zu werden. Allerdings wurde es sehr kompliziert, wenn diese Zäune nicht ganz niedrig waren. Über 2m Zäune zu entwischen, war äußerst schwierig. Nur die Extremsportler unter den Hunden brachten dieses Kunststück fertig. Unter solchen Zäunen sich rauszubuddeln, schafften in einer akzeptablen Zeit nur die kleineren Ausgaben. Die etwas größeren Hausgenossen hatten bei dem Versuch, sich ein entsprechendes Loch unter dem Zaun hindurch zu graben, großes Pech. Meistens wurden sie bei dieser dann zeitraubenderen Arbeit erwischt und mussten deshalb die Hoffnung auf ein unerlaubtes Liebesabenteuer fahren lassen. Selbst der berühmte Dackelblick verhinderte nicht die nachfolgende Schimpfe. Der hastigen Buddelarbeit fiel nämlich sehr oft ein wunderschönes Blumenbeet zum Opfer!
Mein Mato war Obercasanova; er ließ sozusagen keine “Frau” aus! Seine Beurteilung schwankte zwischen einfach umwerfend, super, sehr nett, nett, weniger sympathisch bis hin zur doofen Pute. Aber selbst die riss ihn zu Begeisterungsstürmen hin, war sie heiß. Die sonstige Antipathie war vergessen, und er folgte nur noch einem “Gedanken”: “Nichts als auf sie drauf!” So wurden die Spaziergänge im Frühjahr und dann wieder im Herbst zu besonders “geruhsamen” Ausflügen. Mit anderen Worten: Training für Fitness und Nerven! Tauchte eine solchermaßen attraktive Diva auf, ermahnte ich mich eindringlich: “Bloß Matochen festhalten. Sonst gibt es den berühmt-berüchtigten Salat!” Mato fiepste los wie toll. Es blieb nicht beim Fiepsen allein. Er hing noch einige Jaulschleifen dran. Das ergänzte sich zu einem richtig melodiösen Lärm. Aber nur für seine (!) Ohren. Mato blieb stur stehen. Ich zog! Hund riss an der Leine. Ich stemmte mich dagegen! Hatte ich meinen Vierbeiner in Gehrichtung buchsiert, machte er blitzschnell eine Kehrtwende zurück zum Weibchen. Da halfen weder Leckerchen noch gute Worte! Mir blieb nur noch der Griff ins Halsband, mit dem ich Hund tunlichst Schrittchen für Schrittchen von seinem Wunschziel auf vier Beinen wegführte. Unwillkürlich dachte ich an das Abführen eines Menschen in Handschellen. Nach einigen Metern machte ich die Probe, ob mein Hund eventuell geneigt wäre, wieder brav neben mir her zu laufen. Vielleicht sogar in die Richtung, die ich unter den gegebenen Umständen für die weitaus bessere hielt. Ein paar Schritte lang spielte Mato mit, erinnerte sich dann an das anbetungswürdige Geschöpf in der entgegengesetzten Wegrichtung und streikte. Selbst die geliebten Schweineohren hätten da nichts mehr ausgerichtet. Mato zeigte ein Trotzgesicht wie ein Kleinkind. Doch ausschimpfen durfte ich ihn nicht. Sein Benehmen entsprach nur seinem Instinkt! Also wieder im Halsband nehmen und abermals wie einen Verbrecher abführen. Die einzige Möglichkeit, ihn mit viel Mühe doch noch in die gewünschte Richtung zu lotsen! Er versuchte wiederholt, sich aus meinem Klammergriff heraus zu winden. Doch ich war entschlossen, diesem Theater ein Ende zu setzen. Während der restlichen Wegstrecke bis nach Hause unterhielt mich mein Liebling äußerst fleißig mit vermehrtem “Operngesang”, zusammengestellt aus Fiepsen, lautem Jaulen und ab und zu wie aus Versehen auch einem Bellen, das aber so gar nicht zu der übrigen sehnsüchtig “hingehauchten” Singerei passte. Dementsprechend “begeistert” genoss ich diese verrückten Arien!
Mit zitternden Knien und klatschnass geschwitzt kam ich mit meinem Hund am Wickel endlich daheim. Zum Verschnaufen sank ich auf den nächstbesten Stuhl. Fast ein wenig schadenfroh registrierend, dass auch mein Wollknäuel anscheinend recht groggy war. Wie ein Flokati mit Beinchen dran lag er da zu meinen Füßen; offensichtlich fertig mit der Welt! Ich meinerseits schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass ich diesen Wahnsinn hinter mir hätte! Nach all den Jahren mit Hunden weiß ich, dass mein Liebling mit Sicherheit der tonangebende, also Alpharüde, seines Wurfes war. Deshalb die enorme Selbstbestimmtheit und sein tolles Selbstbewusstsein. “Hallo, Matochen, warst du vielleicht der Erstgeborene deiner Mama?” Doch die Antwort auf diese Frage blieb Matos Geheimnis.

Ad e) A+b+c+d!

Es konnte eigentlich nicht mehr viel verrückter kommen, oder? Oh, doch - der gemischte Salat anschließend geriet dann zur absoluten Spitzenvorführung, mit der mein süßer Liebling mich endgültig auf die Palme brachte! Ach, wie genoss ich den Zirkus! Wir kamen beide gar nicht dazu, unserem durch die Aufregungen per a, b, c und d schon mehr als gesund rotierendem Kreislauf etwas Erholung zu gönnen. So rasch folgten die Szenen dieses Theaterstückes dann aufeinander. Kaum war der doofe fremde Rüde geschafft (mein immer noch beleidigter Hund stand anhaltend grollend neben mir), da sichtete Mato eine Katze und wurde auffallend krege. Kätzchen zählte aber zur pfiffigen Sorte und brachte sich schleunigst in Sicherheit. Mit einem eleganten Weitsprung rettete es sich ins angrenzenden Feld. Man soll den Tag ja bekanntlich nicht vor dem Abend loben! Denn, kurz darauf nahte in hoppelnder Windeseile die Lieblingsbeute Nr.2, ein Häschen. Das hielt meinen Bären unverschämt zum Narren. “Scheiß Leine!” mochte Mato da denken. Glücklicherweise verschwand Langöhrchen relativ fix aus seinem Blickfeld. Puh, war ich froh! Mein Hundewesen hatte diesem Tier doch wahrscheinlich ein wenig imponiert. Nur wenige Minuten danach hörte ich jemanden sehr sehnsüchtig-sentimental übers Feld rufen. Die Stimme gehörte unverkennbar einem verliebten Fasanenmännchen, das sein Weibchen suchte. Hoffentlich spürte er es noch vor unserer Wegstrecke auf. Wünsche sind nie verboten; aber ob sie in Erfüllung gehen, ist eine zweite Geschichte. Zu dumm! Sein Mädchen war nicht im entfernten Gebüsch zu finden, sondern hockte in der Nähe am Rand unseres Weges. Wie hätte das auch anders sein können!? Klar, dass Mato durchdrehte! Pech für ihn, denn ich war durch das “tolle” Langlaufleinenerlebnis aufs Beste vorgewarnt. Als er die damalige Hechtsprungmethode nochmals einzusetzen versuchte, reagierte ich in Sekundenschnelle. Ätsch, mein Hund – keine Chance! Glauben Sie übrigens bloß nicht, ich hätte mir den ganzen Schabernack nur ausgedacht. Nichts als die Wahrheit! Aber an jenem Tage sollte mein Sporttraining wohl einfach kein Ende nehmen. Mir kam der Gedanke: “Kommt jetzt noch eine heiße Hündin vorbei, bin ich für heute bedient.” Es war ja fast voraussehbar, dass der Kelch nicht an mir vorüber ging. Sofern die zugehörigen Besitzer wenigstens so einsichtig agierten, ihre Lolita eng bei sich an der Leine zu führen, war mein in sämtlichen Tonlagen jubilierender Hund ja noch zu bändigen. Doch manche Zweibeiner ließen nur zu gerne den Hundeknigge außer Acht. Heiße Hündinnen an der Leine waren genauso nervtötend wie die ihnen begegnenden jaulenden Verehrer. Diese Leute zu bitten, ihr Tier bitte anzuleinen, oder sie auf ihren Fehler hin zu weisen, das Weibchen in unverantwortlicher Weise ohne Leine herumlaufen gelassen zu haben, konnte ich mir getrost sparen. Antwort 1: “Ich weiß nicht, ob sie heiß ist!” ( Im selben Moment legte Madämchen ihren Schwanz paarungsbereit zur Seite!). Antwort 2: “Vielleicht ist sie ein bisschen heiß!” So´n Blödsinn hörte ich besonders gerne! Komisch, meine Fee war eigentlich nie nur ein wenig heiß gewesen, sondern wenn, dann richtig. Da hatte ich ja doch noch etwas über Hunde dazugelernt. Es gab also auch ein “bisschen heiß”! Fast wurde ich wegen ihrer ach so tollen Antworten ein wenig neidisch auf deren Phantasie. So etwas hätte ich nicht gebracht.
Die Spitze an Ignoranz und Unwissenheit bewies mir aber das nächste mir entgegen kommende Paar! Auf meine Frage nach “Hitze” kam tatsächlich doch der folgende Satz. “Die tut nichts!” Im ersten Moment zweifelte ich am Verstand meiner Gegenüber, dann fast am eigenen! Was hatte denn “Hitze” mit “Nichts tun” zu tun? Wahrscheinlich war ich nicht klug genug, um den Zusammenhang zu verstehen. Garantiert schaute ich im ersten Moment ob dieser Auskunft etwas schockiert drein. Dann fing ich mich und meinte trocken: “Wenn sie sie nicht schnell zur Seite nehmen, mein Hund gleich aber!” Das wie wild hin und her hopsende Etwas an meiner Leine gab mir bester Laune aus vollstem Herzen Recht. Er mochte sich fragen: “Aber, warum lässt sie mich dann nicht einfach...?” Meinen Hinweis hätte ich mir genauso gut schenken können. Von solchen Exemplaren der menschlichen Rasse war ohnehin keine vernünftige Reaktion zu erwarten. Mir blieb nichts Anderes übrig, als trotz heftigster Gegenwehr meines Wauwaus zuzusehen, dass sich der Sicherheitsabstand zu dem attraktiven Objekt dessen Verehrung so schnell als möglich vergrößerte. Das klappte da nur noch mit „Aktion Wäscheleine!“ Was das schon wieder war?? Ganz einfach: Mittels Griff ins Halsband zerrte und schleifte ich meinen Möchtegern-Casanova neben mir her. Von Matos lautem Jaulquietschgesang bestens unterhalten, erreichte ich schließlich mit meinem Zappelphilipp im Schlepptau unser Haus. Ein erleichterter Seufzer: “Finit!”


Hundefreundschaften

Freunde

Henky wohnte im Nachbarhaus. Als er dort einzog, war Mato mit seinen sechs Jahren bereits im besten Mannesalter. Mein Hund erklärte ihn sofort zum Freund, obwohl der ab dann als zweiter Rüde in allernächster Nähe lebte. Sogar direkt vor unserer Haustür freute Mato sich wie toll, wenn er ihn traf. Dort einfach aufzukreuzen, durfte sich kein anderer fremder Rüde erlauben. Da wäre die Hölle los gewesen! Doch selbst diese innige Freundschaft hatte Grenzen. Matos Revier durfte selbst Henky nicht betreten. Und doch kriegten sich die beiden Rüden nur ein aller einziges Mal in ihrem Leben vor unserem Haus in die Wolle. Frau Haas wollte Mato eine Freude machen und spendierte ihm vor ihrer eigenen Haustür in Henkys Futternapf einige Leckerbissen. Doch ihr Hund beobachtete das und wurde schwer sauer. Erstens war das sein Napf, und zweitens obendrein sein Futter! So nicht! Sein Frauchen bemerkte zu spät, dass sich ihr Vierbeiner an ihr vorbei gedrückt hatte. Böse knurrte er Mato an. Ein paar Sekunden lang ließ mein Hund das mit sich machen. Aber dann verlor er die Geduld und reagierte. Es kam zu einer ernsthaften Keilerei zwischen den beiden Freunden. Meine Nachbarin schnappte sich ihren Liebling im Nackenfell und wies ihn heftig zurecht. Derweil riss ich Mato an der Leine zu mir. Passiert war nichts. Trotzdem entschuldigte sich Frau Haas bei mir ihres Fehlers wegen ganz ausdrücklich. Dabei hatte ich ihr diesen Zwischenfall überhaupt nicht übel genommen.
Unsere beiden Kampfhähne beruhigten sich rasch. Am nächsten Morgen führten wir sie, vorsichtshalber ein wenig Abstand wahrend, behutsam aneinander vorbei. Leises Knurren – das war alles! Einen Tag später herrschte wieder eitel Sonnenschein zwischen den Beiden. Wir Frauchen atmeten auf!
Im Babyalter schloss Mato enge Freundschaft mit einem gleichaltrigen Afghanenjungen, Angelo. Auch als erwachsene Rüden verstanden sie sich ausgesprochen gut. Selbst dann noch, wenn sich beide für ein- und dasselbe Weibchen interessierten. Als dieser Freund starb, machten seine Besitzer mich in Hellerhof ausfindig. Angelo hätte bestimmt, dass sein bester Freund alles erben sollte: die Leinen, die Fressnäpfe samt einer großen Dose Leckereien. Das rührte mich damals sehr!
Eine Querstraße weiter wohnte der Labrador Benny, ein irre freundlicher und lieber, aber auch genauso lebhafter Hund. Mato und Benny waren ein Herz und eine Seele. Übrigens hatte Benny sein Herrchen sehr gut im Griff. Grub Benny nach Mäuschen, half ihm sein Besitzer sogar dabei. Mato stellte fest, dass auch dessen Eltern Benny prima gehorchten. Sein Freund konnte zufrieden sein!
Rico und Bani, zwei superliebe Collies, zählten ebenfalls zu den besten Freunden. Trafen sie sich, war die Freude groß. Besonders mit Rico tobte Mato gern herum. Der war sehr lebhaft und immer fröhlich. Nie gab es Streit. Rico mochte mich ausnehmend gern. Sah er mich von weitem, stürmte er auf mich zu und gab mir vor Freude einen deftigen Nasenstüber. Selbst, als Mato älter geworden war, durfte Rico sich mir gegenüber fast alle Zärtlichkeiten erlauben, ohne von meinem Hund schief angesehen zu werden. Sie waren ihr Leben lang dicke Freunde.
Bonito war ein kleiner schwarzer Mischling, Höhe etwa 30 cm, Aussehen wie ein kleiner Mopp. Wo vorne und wo hinten war, blieb meistens ein Geheimnis. Es sei denn, man spendierte ihm einen Leckerbissen. So etwas nahmen Hunde normalerweise mit der Schnute entgegen. Dann war das Rätsel gelöst! Er war viel temperamentvoller als Mato; doch tat das ihrer lebenslangen Freundschaft keinen Abbruch.
Damit erschöpfte sich der Bekanntenkreis meines Hundes beileibe nicht. Nur würde es an dieser Stelle zu weit führen, wenn ich sie alle namentlich erwähnte. Hätte ich ihn fragen können, worüber ich als Nächstes berichten sollte, forderte er garantiert, dass ich endlich zu einem seiner Lieblingsthemen, den Weibchen, überwechselte. Da gut erzogen, gehorche ich hiermit auf ´s Wort.

Freundinnen

Gleich werden Sie staunen! Hätte ich die Veranlagung meines Hundes erahnen können, hätte ich ihn wahrscheinlich schon in jungem Mannesalter kastrieren lassen. Überlegung: “Tausend kleine Matos ..., und erst die Alimente...!”
Als Hundebesitzerin lernte ich während unserer Spaziergängen enorm viele Leute kennen. Kein Wunder! Vierbeiner waren immer ein Grund für tierliebende Zweibeiner, kurz stehen zu bleiben und mit Frauchen und Hund ein paar nette Worte zu wechseln. Eher natürlich mit Frauchen; doch Hund war selig. Denn meistens drehte sich das Gespräch um ihn. So traf ich eine junge Frau, die gleich acht Hundebeine ausführte. Vier davon gehörten zu einer süßen Bernersennen-Hündin, die von einem Collie-Mix begleitet wurde. Beide überaus freundliche Tiere. Wir Zweibeiner unterhielten uns eine Weile und verstanden uns auf Anhieb blendend. So verabredeten wir gemeinsame Ausflüge zu fünft. Mato hatte nicht nur nichts dagegen einzuwenden; nein, er war regelrecht begeistert von diesem Plan. Das Hundemädchen, Balu mit Namen, hatte sein Herz im Sturm erobert.
Doch diese Begeisterung war einseitig. Seine verehrte Balu erwiderte seine Zuneigung nicht und verhielt sich ihm gegenüber weiterhin ziemlich neutral. Da sein Werben absolut nicht den gewünschten Erfolg brachte, stand er enttäuscht neben mir. Trostworte konnte mein Hund ja nicht verstehen. Doch selbst ohne den ersehnten vierbeinigen Flirt wurden die nachfolgenden Ausflüge für uns Zweibeiner und die drei Racker zum Vergnügen. Manchmal allerdings trennten sich relativ plötzlich unsere Wege. Aus dann triftigem Grund!
Menschen haben Termine; die eingehalten werden müssen:
Und da deren Tiere sich nach ihnen zu richten haben, lebten demnach auch die Waulis nach der Uhr. Mato las ja so gerne seine Grashalme auf die altbewährte, nur ihm eigene Art von allen Seiten, und noch mal von vorne. Meine Bekannte meinte dann öfters: “Du, ich geh schon ´mal ein wenig vor. Matos Tempo ist ja einfach umwerfend!” Dabei schaute sie mich belustigt grinsend an. Oder bildete ich mir das nur ein? Flugs entschwand sie mit ihren Vierbeinern. Ich stand da innerlich seufzend neben meinem geliebten Knuddelvieh und hoffte auf dessen Erlaubnis, mich mit ihm endlich auf den Weg heimwärts machen zu dürfen. Die wurde nur selten schon bereits nach nur ein paar Minuten zusätzlicher Schnüffelei erteilt. Häufig hatte ich bis zu einer halben Stunde Verlängerung des Spazierganges einzuplanen. Spannenderweise ließ sich das nie voraussagen!
Fast jedes entgegen kommende Weibchen begrüßte Mato grundsätzlich mit lautem, freudigem Gequietsche. Doch er war wählerisch. Sein Herz eroberten nur wenige. Sein Schwarm aus Kinderzeiten hatte ihn ja schmählich im Stich gelassen. Auch Hunde kannten Liebeskummer! Doch die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden. Älter geworden, stellte er begeistert fest, dass in Hellerhof noch viele andere nette Weibchen herum liefen. Warum sollte eigentlich so ein toller Kerl wie er kein Glück bei denen haben? – Soo ein Macho! Da hielt ich es aber für Mato für angebracht, fix von seinem hohen Ross wieder abzusteigen. So stürmisch und direkt, wie er mit den Weibchen umzuspringen versuchte, erntete er am laufenden Band deftige Körbe. Die diesen Dickschädel aber nicht vernünftiger werden ließen. Er lernte da einfach nichts dazu.
Hoppels Schulfreundin Ines bekam von ihren Eltern ein kleines Schäferhundmädchen geschenkt, das sie Senta nannte. Ines und Sandra hockten sehr oft zusammen. So spielte Senta häufig mit meinen drei Tieren. Die Vier wuchsen fast zusammen auf. Hundekinder werden rasch erwachsen. Senta wurde zur jungen Dame und entdeckte in meinem Mato die große Liebe ihres Lebens. Die gibt es auch im Hundeleben! Sentas Verehrung stieß auf Sympathie. Auch einem vierbeinigen Mann schmeichelt es, umworben zu werden. Doch mehr als Sympathie war nicht drin. Senta gab sich jedoch nicht so schnell geschlagen und warb und warb. Ohne Erfolg! Beim Treffen auf Spaziergängen wusch sie ihm vor Freude minutenlang die Schnute. Gnädigst beschnupperte Mato sie kurz, wandte sich gelangweilt ab und widmete sich mit Inbrunst den aufregenden, frischen Hundenachrichten auf der Wiese. Jedoch bewies Senta eine erstaunliche Hartnäckigkeit und umschmeichelte das Opfer ihrer Verehrung, wo und wann immer sie es erwischen konnte. Mittlerweile war Fee darob sehr eifersüchtig. Sie fand Sentas Anbiederei ziemlich unangebracht und dreist. Wie diese Lieblingsfreundin ihren Mato umgarnte, ging ihr mächtig gegen den Strich. So kam es eines Tages beim Vierertreff direkt vor unserem Haus zu einer heftigen Auseinandersetzung, bei der Fee per Attacke Senta deutlich und vehement in deren Schranken verwies. Doof sind unsere Vierbeiner wahrlich nicht. Senta verstand die Warnung und ließ endlich von Mato ab. Meinem Knödelchen merkte ich deutlich die Erleichterung an, von dieser Schleckerschnute befreit zu sein. Sein Wink mit dem Zaunpfahl, nämlich durch energisches Wegdrehen des Kopfes seinen Unwillen zu zeigen, hatte ja leider nicht gefruchtet. Endlich Ruhe vor dieser Nervensäge! Quinny hatte sich aus diesem Streit vorsichtshalber heraus gehalten. Ihm waren die drei großen Zankhähne in ihrer Wut doch unheimlich geworden.
Kessy, eine zweite Verehrerin in Hellerhof! Die hübsche Retriever-Hündin schwärmte ihr ganzes Leben lang für meinen Mato. Sie schmiss sich vor seine Pfoten und schwebte auf Wolken, wenn er sie dann nicht nur beschnupperte, sondern ihr ab und zu ein Nasenküsschen schenkte. Dann wirbelten die roten Herzchen beinahe sichtbar durch die Luft. Wurde Kessy von ihrer Hundeclique begleitet, ließ sie diese oft einfach stehen, wenn sie ihren Mato entdeckte. Sie hatte nur noch Augen und Nase für ihn. Alle anderen Hundejungen ignorierte sie dann. Was ihr wohl an ihm gefiel? Er konnte doch noch nicht einmal wild mit ihr herum toben, da immer angeleint. Zudem behandelte er sie nach Machoart meistens von oben herab. Doch das bremste ihre Zuneigung zu ihm keinesfalls!

Seine erste große Liebe

Mato war sechs Monate alt, als ihm ein süßes Schäferhundweibchen über den Weg lief. Beidseitig funkte es schrecklich. Sein Hundeherz stand in Flammen! Und nicht nur seins. Es war ein irres Gequietsche und Freudengejaule beiderseits, wenn die Beiden sich vor der Grundschule auf der schönen Spielwiese trafen. Seine kleine Auserwählte, Senta mit Namen, war eine überaus niedliche Ausgabe mit riesigen Kulleraugen. Jedes Mal war es ein echter Kampf, das Liebespärchen nach kurzer Zeit wieder zu trennen. Mein kleiner Twen lebte im siebenten Himmel. Diese Romanze hielt solange, bis Senta nach einigen Wochen der Freundschaft frecherweise untreu wurde und mit ihrer Familie in einen anderen Stadtteil Düsseldorfs zog. Mein Hund litt sehr unter dem Verlust seiner Freundin.


Hund mit Teppich


In Bezug auf alles, was es im Hause toll fand, meldete mein Wollknäuel energisch Besitzansprüche an. Bescheidenheit war für ihn ein Fremdwort; wie gesagt: “Kaiser von China”! In vielerlei Hinsicht teilte er unseren Geschmack. Absolut nicht nur, ging es dabei um Essbares. Als Hund von Fast-Adel (nur der besagte Zettel fehlte!) nannte er vielseitige “Bildung” sein Eigen und schwärmte wie wir für edle Dinge. Und falls er sogar urgemütlich darauf liegen konnte, dann erst recht. Gemeint war damit der echte Orientteppich im Wohnzimmer, den er seiner Kuscheligkeit wegen einfach zu seinem Eigentum erklärte, ohne unsere Erlaubnis einzuholen. Das per Augenkontakt wäre allerdings der Beweis von Knigge-Kenntnis gewesen. Doch, wieso sollte er denn...? Das hielt mein Hund offensichtlich für unnötig! Fortan durften Fee und Quinny diesen Teppich ausschließlich mit seiner Genehmigung nutzen. Wagten sie es, sich ohne demütige Anfrage zu ihm auf seine geliebte Kuschelunterlage zu lümmeln, schielte er sie ausgesprochen missbilligend an. Mato selber dagegen träumte oft stundenlang darauf vor sich hin.
Der Not gehorchend, stiegen wir auf dem Weg zu unserer Schrankwand über ihn hinweg: Monsieur lag selbstverständlich genau quer zur Laufrichtung und dachte nicht im mindesten daran, vielleicht einmal für seine Menschen ein Stückchen zur Seite zu rücken. Eigentlich wäre er als Hund doch dazu verpflichtet gewesen. Finden Sie nicht auch?
Als der Eigentümer dieses Teppichs verlangte Herr Hund, dass der bitte natürlich ausschließlich auf dem von ihm(!) gewählten Platz läge. Doch sein menschliches Restrudel hatte sich mutig vorgenommen, einmal, ja wirklich nur ein einziges Mal unserem Vierbeiner gegenüber einen Emanzipationsversuch bis zum eventuell dann für uns doch deprimierenden Ende durchzustehen. Waren doch wir die Menschen, und dieses Haus unser Eigentum. Ich hatte nämlich die Idee, dass der “berühmte” Lieblingsteppich in der Diele noch schmückender wäre als im Wohnzimmer. Also wagte ich es eines Morgens, das gute Stück vor den Augen seines entsetzten Besitzers dorthin zu verfrachten. Die Wirkung war umwerfend, der Raum nicht wiederzuerkennen. Sichtlich verärgert registrierte Mato meine Zufriedenheit deswegen. Als Belohnung meiner dreisten Tat erntete ich einen stinksauren Blick. Der erklärte mich für total übergeschnappt! Wenn Blicke töten könnten, hätte ich innerhalb einer Sekunde platt am Boden gelegen. Ich sah ihm den Vorsatz an, mich für diese Frechheit irgendwie zu strafen. In seinen Welpentagen hatte er von mir gelernt: Strafe folgte immer direkt! Andernfalls ahnte der Sünder nämlich nicht mehr, worum es eigentlich ging. Also Aktion. Er schnappte probeweise nach den Fransen seines Teppichs und versuchte dann, den auf Grund seiner Größe und seines Gewichtes widerspenstigen Kerl ins Wohnzimmer zu zerren. Verdammt, da hatte mein Hund aber arg zu arbeiten. Mato kapierte sehr schnell, dass leichtes Ziehen nicht ausrichtete. Also volle Kraft voraus! Mit einem kräftigen Biss in eine der selbst produzierten Falten klappte alles doch wesentlich besser. Der Teppich gab sich endlich geschlagen. Er schlug rutschend tatsächlich die Richtung ein, die Mato für ihn vorgesehen hatte. Stückchen für Stückchen bewegte sich das Ding auf seinen angestammten Platz zu. Wegen jedes überwundenen Zentimeters an Boden tat Mato mit “Wuwuwuuh!” die Tonleiter rauf und runter seinen Triumph kund. Unterbrochen wurde sein Jubelgesang nur durch lautes Japsen der ungewohnten Anstrengung wegen. Geschafft. Das 1,20 m mal 1,80 m große Ding landete auf dem alten Fleck! Stolz schielte mein Hund über die Schulter zurück zu mir. Ich hatte doch hoffentlich diese tolle Leistung staunend verfolgt? Eins gestand ich meinem Liebling zu: Trotz plus Hartnäckigkeit gehörten zu seinen charakteristischsten Eigenschaften. Nach diesem erfolgreich abgeschlossenen Manöver doch etwas groggy, ließ sich Mato leicht hechelnd, aber ausgesprochen zufrieden, ostentativ für mich auf seinen(!) Teppich plumpsen. Das sollte mir klar machen: “Frauchen, dir habe ich es aber gezeigt!” “Matochen, wenn du annimmst, du könntest auf diese Weise dein süßes Trotzköpfchen durchsetzen, dann hast du dich aber verrechnet!” erklärte ich meinem Liebling. Noch hatte ich das Sagen!! Also die ganze Teppichprozedur von vorne. Die Diele gewann bereits zum zweiten Male an Atmosphäre. Mato beobachtete mein Treiben, konnte es offensichtlich nicht fassen: “Na warte, Frauchen!” sagte mir der zugeworfene Blick Doch irgendwie gab er dann doch klein bei. Denn die weiche Unterlage blieb tatsächlich dort liegen, wo sie war. Nur, für meinen gekränkten Hund war ich war Luft. Er strafte mich mit absoluter Ignoranz. Ihm reichte es! Tauchte ich in seiner Nähe auf, drehte er ostentativ den Kopf zur Wand. Nee, so durfte ich mit dem vierbeinigen Herrn des Hauses nicht umspringen!
Später nahm er dann seinen Teppich in der Diele in Besitz!!


Hürdenlauf


Sich schön quer zur Laufrichtung in den Weg zu legen, das machte Mato einen Heidenspaß.
Uns blieb nichts anderes übrig, als wohlerzogen über ihn hinweg zu steigen, wollten wir nicht der Länge nach hinfliegen. Zwar hörte er deswegen von uns manchmal lautes Gestöhne. Jedoch störte das diesen Hund, so stur wie der war, nicht die Bohne. Fee und Quinny ahmten diesen Quatsch mit Wonne nach. Fortan lagen sie mit Vorliebe dort herum, wo wir sie am wenigsten brauchen konnten. In diesem für sie anscheinend höchst amüsanten Spiel entwickelten sich meine Drei zu Perfektionisten. Hintereinander aufgereiht lagen sie brav quer mitten im Weg. So riefen sie sich immer wieder in meine Erinnerung zurück. Sie wären auch noch da!
An einem Samstagmorgen passierte es: Das Frühstück sollte ohne die Gesellschaft der Vierbeiner ungestört in der Küche stattfinden. Aber erst ´mal da hin kommen! Inzwischen erwies sich das in meinem Hause als relativ kompliziert. Aus der großen Diele führte ein langer, schmaler Gang zur Küche. An jenem Morgen zogen wir alle ziemlich doofe Gesichter! Genau in diesem Gang hatten sich meine drei Stofftiere breitgemacht. Sie lagen, wie gründlichst in der letzten Zeit geübt, quer zur Laufrichtung. Nur dass, wie eben schon angedeutet, nicht nur ein Vierbeiner, sondern alle drei diese glorreiche Idee in die Tat umgesetzt hatten.. Von der Diele kommend, fand man als ersten Hund Quinny ordentlich quer ausgerichtet im Gange liegend, dann sah man Fee in ähnlicher Lage und ihrer Veranlagung entsprechend schon bedeutend näher der Küche platziert und zuletzt auf dem dem Rudelführer gebührenden Platz, nämlich mit der Schnute fast in diesem meistgeliebten Raum, meinen Mato. Auch auf den regelmäßigen Abstand zueinander hatten sie peinlichst geachtet. Jeweils ungefähr 50 cm. Nicht, dass eins dieser verwöhnten Viecher sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle gerührt hätte, um uns den Weg freizugeben. Von wegen! Sie hatten uns Zweibeiner ja bestens im Griff. Ungewollt lieferten wir ihnen dafür dann auch noch den Beweis. Wir lernten “Hürdenlauf” und mutierten in wenigen Minuten von einer total untrainierten Meute zu Hochleistungssportlern.
“ So ist das brav!
Frauchen,
Alex,
Sandra,
Nicki,
Tina und Katja!”
Was taten wir Zweibeiner nicht alles für ein solches Lob aus drei solch entzückenden Hundeschnuten!


Mitreisende

Flöhe

Was suchten denn bloß Flöhe in einem Kapitel über Mitreisende? Ne Menge, denn die waren sie im wahrsten Sinne des Wortes. Diese niedlichen Tierchen hatten sogar ihre ureigene Touristikbranche. Hellerhof gehörte zu den bevorzugten Flohluxuswohngebieten. Mit mindestens sieben Sternen! Diese entzückenden Gäste buchten nicht schon vor Reiseantritt ihr zukünftiges Hotel, sondern überließen das mehr oder weniger dem Zufall. Angebote liefen in jeglicher Größe und Ausstattung massenweise in unserer Gegend herum. Nach zartem Biss wurden die leckeren Menüs mit leichten Entzündungen samt starkem Juckreiz bezahlt, an denen die Wirte sich dann über einen längeren Zeitraum erfreuten. Auf ihren Ausflügen wechselten die Komfort gewöhnten Hellerhofschen Flöhe auch schon ´mal zwecks Routenänderung ihr Hotel. An wärmeren Tagen suchten sie sich Sonnenbänke, bei kühlerem Wetter bevorzugten sie eher waldreiche Gefilde. Selbstverständlich haben meine natürlich überdurchschnittlich intelligenten Leser diese “Bildsprache” längst durchschaut.
Für diejenigen, die noch zweifeln, was ich denn meinte, hier eine kurze Erklärung. Flöhchens Hotels waren unsere Hunde. Große, kleine sowie selbst kleinste Ausgaben. Die Menüs waren winzige Blutstropfen, die dem Wirt abgezapft wurden. Netterweise bezahlte dann Flöhchen, dankbar für sein opulentes Mahl, mit der entsprechenden Menge eines Giftes. Das bewirkte dann die erwähnte Entzündung der Wunde und den ebenfalls erwähnten Juckreiz. War der Gast mit dem Service seines Hotels zufrieden, sorgte er im Wuschelfell, im kurzen Fell oder auch im selteneren Gar-kein-Fell für zahlreichen Nachwuchs, was nicht allein den Hund beglückte. Nein, alle gewissenhafte Hundebesitzer liebten das nachfolgende auf sie dann zukommende Theater über alles. Denn: Es war Hundebad angesagt! Mit einem Spezialshampoo, das sich gerne nicht nur ausschließlich im Hundefell verteilte. Das ausgesprochen gerne bei den fast unvermeidbaren, anschließenden vierbeinigen Ausflügen durchs Haus überall und nirgends seine Spuren hinterließ. Ach so praktisch: Das Zeug hatte eine enorm lange Einwirkzeit. Zwar bot der Handel ein paar Artikel wie Flohhalsband und spezielle Antiflohtropfen an, die im Nackenhaar des Hundes eingerieben wurden. Doch hatte ich den Eindruck, dass manche Flöhe sich über so geartete, verzweifelte Verteidigungsversuche von Mensch und dessen Haustier nur köstlich amüsierten. Matos dichtes Wollknäuelfell galt als besonders gemütlich. Ich hatte nach jedem Spaziergang mindestens eine Viertelstunde lang irren Spaß bei einer nicht gerade erfolgversprechenden Beschäftigung. Finden Sie ´mal im Fell eines Chowchow-ähnlichen Tieres Flöhe! Ich versichere Ihnen: Der menschliche Kandidat erzielt dabei nur selten 100 Punkte! Fast ausschließlich per Zufall entdeckte ich während des extra gründlichen Bürstens ein hopsendes Etwas, das sich enorm sprungtüchtig ins nächste entgegen trippelnde Hotel rettete. Bei Lebensgefahr war es diesen Viechern natürlich egal, wo sie landeten. Ich wurde zur Mörderin ohne auch nur die Spur eines schlechten Gewissens!
Ein bestimmtes Flohindividuum zeigte sich von Matos Service extrem begeistert. Es vergalt ihm seinen Dienst per saftigem Trinkgeld in Form einer deftigen Schwanzwurzelentzündung. Die behandelte ich in der Folgezeit mit speziellen Bädern und Salben. Die Entzündung bezwang ich. Aber der 5 cm große felllose Fleck an seinem Schwanz verschwand nie mehr. Mato allerdings störte das nicht im Geringsten. Er trug ja sein Schwänzchen sowieso am liebsten ordentlich auf dem Rücken gekringelt.
Quinny fing sich ab und zu einen ehemaligen Gast von Mato ein. Er war resoluter, hob sein Bein fast im 45 Grad Winkel und kratzte die Stelle wie toll. Vielleicht machte er dadurch sogar dem Floh selbst den Garaus.
Eigenartig! Fee dagegen mochten diese Winzigbiester überhaupt nicht!!

Wer hat die schönsten Zangen?

Kein von mir erfundenes Kinderspiel! Es geht hierbei um ebenfalls winzige Tierchen, die eine den Flöhen ähnlich entsprechend intensive Zuneigung zu unseren Hunden pflegten. Nur das Von-Hotel-zu-Hotel-Springen ersparten sie sich. Das ging doch viel bequemer! Es reichte, an Gräsern oder an der Unterseite des Buschwerkes herum zu krabbeln. Die sehnsüchtig mit hungrigem Magen erwarteten Hotels kamen schon von alleine. Von ausgesuchter Höflichkeit, streiften sie sich ihre Gäste beim Schnuppern selber ins Fell. Toller Service! Wer waren diese kleinen Passagiere? Zangen bewaffnete winzige braune, schwarze bzw. auch beige Ungeheuer. Uns Menschen unter dem Namen “Zecken” bekannt. In Hellerhof überwogen die beigen Exemplare. Ideale Tarnfarbe für Zecken in Matos Fell, aber auch als Rettungsmittel gegen mich als seinem Frauchen, das per gründlichster Untersuchung ihres Tieres mit Argusaugen darauf bedacht war, um Himmelswillen ja keine zu übersehen. Schlimmstenfalls übertrugen sie gefährliche Krankheiten, die für einen vierbeinigen Freund den Tod bedeuteten. Beige Zecken in einem beigen Fell...grauenhaft! Während der dann wegen “Zeckenjagd” zusätzlichen Schmusestunde redete ich besänftigend auf meinen Hund ein, damit er sich bloß nicht von der Stelle rührte. Mato war ja sehr brav und muckste sich auch kein bisschen. Jeden Zentimeter tastete ich ab. Fündig wurde ich immer nur per Zufall! In Details möchte ich auf diese Schweinerei nicht eingehen. Jedenfalls landeten die Tierchen, hatte ich sie gegen den Uhrzeigersinn aus der Haut herausgedreht (der Kopf sollte mit raus, sonst gab es schlimme Entzündungen!), nicht im Klo, sondern ich tötete sie durch Drauftreten. Wie eklig! Nach einer gerade vorgenommenen Mahlzeit waren sie vollgesogen mit Blut, das bei meinen Mordversuchen richtig heraus spritzte. Schwierig, ihnen den Garaus zu machen, denn sie trugen einen Rückenpanzer, der enormen Druck aushielt. Also, nur mit Schwung – ihh! In manchen Sommern waren es an jedem Tag mehrere Tiere, die ich auf diese Weise ins Jenseits beförderte. Hinterher war mir meistens übel!


Streiche


Erwachsene Hunde sind beileibe keine Engel. Da sie zeitlebends im Kindesstadium verharren, bringen sie auch in höherem Alter Streiche, die Zweibeiner eigentlich in dem(!) Ausmaße von “reifen” Vierbeinern doch nicht mehr erwarten.
Mato hatte sich das Vorrecht auf Klauereien im Küchenbereich gesichert. Was den nicht unerheblichen Rest unseres Hauses anging, teilten sich die Drei, handelte es sich um verbotene Unternehmungen, freundschaftlich sämtliche restlichen Betätigungsfelder, sprich: Räume.

Der Widerspenstigen Zähmung

Gemeint ist nicht das berühmte Theaterstück von Shakespear! Strenggenommen war es aber tatsächlich ein bühnenreifes Schauspiel, das Mato mir da präsentierte. Von jeher war ich eine Pflanzenfanatikerin. Wie gerne hätte ich in einem Urwald gelebt! Also wimmelte es in meinem Haus von Palmen, Efeuaralien, Philodendron, Efeututen und Kakteen. Allein in meinem Zimmer auf dem Schreibtisch standen zwei Sukkulten, vor den Dachfenstern eine Kaktee auf und ein großer Weihnachssternbusch neben meinem Nachttisch, direkt unter den Dachfenstern zwei Maranten. Von denen brachte die eine sogar schon seit Monaten am laufenden Band winzige kleine, weiße Blüten hervor. Außerdem schaukelten natürlich von der Decke noch mehrere Blumenampeln. Wegen der Tropenluft unterm Dach gedieh sogar eine Bergpalme ausgezeichnet. Sie war schon bis zu einer Höhe von 1,50 m gewachsen und mein ganzer Stolz, denn diese Pflanzenart ist relativ empfindlich. Nicht jeder kennt sich mit Gewächsen aus. Also, die Bergpalme hat lange, schmalen Grashalmen nicht unähnliche Blätter. Genau das war meinem Mato auch aufgefallen. Und das hatte Folgen:
Seit mehreren Tagen wunderte ich mich morgens nach dem Aufstehen darüber, wieso jedesmal eines, aber nur eines dieser Bergpalmenblätter neben dem Blumentopf lag. Am unteren Ende sah es wie exakt abgeschnitten aus. Ich hatte die Pflanze doch schon eine solch lange Zeit. Hoffentlich ging sie mir jetzt nicht doch noch ein. Merkwürdigerweise strotzten optisch sowohl die Palme als auch das abgeschnittene Blatt vor Gesundheit, wie ich bei gewissenhafter Überprüfung feststellte. Weder Läuse noch Blattkrankheiten! Die glatte Schnittkante des Blattes machte mich misstrauisch. Da stimmte doch etwas nicht. Moment einmal! Seit ein paar Tagen lag doch Knödelchen frühmorgens stets so verdächtig dicht neben dem Topf. Gab es da eventuell einen Zusammenhang?
Meiner diesbezüglichen Verunsicherung wegen wartete ich noch mehrere Nächte ab, um entweder meinen Verdacht bestätigt zu sehen oder ihn vielleicht doch verwerfen zu können! Jeden Morgen dasselbe Ergebnis. Jeden Morgen beförderte ich ein weiteres Blatt in den Abfalleimer. Die Blume sah mittlerweile erbärmlich aus. Nur oben an der Spitze trug sie ein paar kümmerliche Blätter. Eines Abends lüftete sich das Geheimnis: Mato merkte nicht, dass er beobachtet wurde: Er marschierte langsam zu der besagten Pflanze, betrachtete sie kurz liebevoll und guckte sich dann andächtigen Auges ein bestimmtes Blatt seiner Wahl aus. Das knipste er fein säuberlich ab. Aber anstatt auf dem armen Etwas herum zu kauen, ließ er es vor sich auf den Boden fallen und besah es von oben mit schief gelegtem Kopf. Dann legte er sich möglichst nah des grünen Stengels neben dem Übertopf nieder, schmatzte so richtig zufrieden vor sich hin und schlief selig ein. Da ich es versäumt hatte, was aber angebracht gewesen wäre, direkt auf seine Aktion hin mit ihm zu schimpfen, ließ ich ihn schlummern. Als am darauffolgenden Tag dieses Spiel dann zum x-ten Male wiederholt werden sollte, da schritt ich ein. Mato bekam einen leichten Klaps auf seine Schnute und ein deutliches “Pfui!” zu hören. Ich sah nicht ein, diesem Tick meines Hundes die aparte Blume zu opfern. Wie von mir voraus geahnt, schmollte mir mein Liebling der Schimpfe wegen daraufhin ordentlich was vor. Doch ausnahmsweise kümmerte mich das da herzlich wenig!

Seltsame Tiere

Trotz eigenes Spielzeuges, den überall herumliegenden Bällen, Baumwollknoten und Quietschetieren, bevorzugte mein Hundekleeblatt das umfangreichere Spielesortiment meiner Kinder. Bälle jeglicher Größe sowieso, aber auch alles Andere fanden sie mordsmäßig interessant. Obwohl schon fast erwachsen, horteten meine Töchter in ihren Zimmern regelrechte Stofftierzoos. Doch vernachlässigten sie ihres fortgeschrittenen Alters wegen diese „Kinder“ in geradezu sträflicher Weise. Fanden zumindest meine Tiere! Früher hatten sie beobachten können, wie mit diesen “Wesen” gespielt und geschmust worden war. Warum sollten nicht auch sie sich mit denen prima beschäftigen können? Als Mato als noch junger Hund z. B. Katjas großen Steiffbernhardiner zum ersten Male zu Gesicht bekam, wunderte sich mein Tier doch beträchtlich. Frech, sich einfach hier niederzulassen! Merkwürdig – sah aus wie ein Artgenosse und richtete sich in keinster Weise nach dem Hundeknigge. Nämlich, auch wie jeder ordentliche Hund seinen Pass( persönliche Duftnote) mit sich zu führen. Außerdem schien der an einer Lähmung zu leiden. Der war doch zu keiner noch so geringen Bewegung zu animieren! Ratlos stand mein Hund vor diesem arg komischen Kerl. Ich bildete mir ein, dass er angestrengt überlegte, was wohl mit dem los wäre. Irgendetwas stimmte mit dem aber überhaupt nicht! War der etwa gar kein richtiger Hund? Eine andere Erklärung fiel Mato wahrscheinlich dazu nicht ein. Der war ihm einfach zu blöd. So ließ er ihn denn erst einmal links liegen!
Doch der Frieden zwischen den echten und den unechten Vierbeinern währte nicht allzu lange. Fee zeigte ihren beiden Kumpanen, dass solche Ausgaben durchaus eine praktische Daseinsberechtigung hatten. Mit denen ließ sich doch etwas anfangen! Diese Idee setzte Madame spontan in die Tat um. Die “Frauchen” dieser komischen Kerlchen waren nicht zu sehen. Also schlich sie mit schöner Regelmäßigkeit in eines der Jugendzimmer, mopste ein Stofftier, raste damit zu ihren vierbeinigen Freunden und machte Spielvorschläge. Die zwei Hundejungen beteiligten sich begeistert am nachfolgenden Gerangel. Sie hängten sich zu dritt an das bedauernswerte Stoffwesen und führten mit vereinten Kräften einen strengen Haltbarkeitstest durch. Wie lange wäre es fähig, die wilde Zerrerei auszuhalten? Ich dagegen überlegte: “Wann gibt das Teil wohl seinen Geist auf, so dass ich anschließend die Stofffetzen überall im Haus zusammen klauben darf?” Denn, meine Vierbeiner entfernten wohl kaum die Spuren ihrer Toberei! In der Beziehung verhielten sie sich eher wie meine Töchter, wenn etwas in Ordnung gebracht werden sollte. Außerdem wäre “Aufräumen” ja wohl kein Hunde gemäßes Verhalten gewesen! Allerdings anscheinend auch nicht “normal” für den menschlichen Nachwuchs: Meine reizenden Kinder jedenfalls hüteten sich in der Regel davor, der Mama Hilfe bei der Hausarbeit anzubieten. Sonst hätten sie sich daran nämlich häufiger beteiligen dürfen!
Entdeckten meine Mädchen, dass schon wieder eines ihrer Stoffkinder auf die oben beschriebene Weise “gestorben” war, setzte bei ihnen berechtigte Wut ein: “Mensch Mato, Quinny, Fee! Seid ihr total plemplem? Macht euer eigenes Spielzeug kaputt, ihr bekloppten Viecher!” Beleidigten Blickes beschwerte Mato daraufhin sich bei mir. “Frauchen, wir sind doch keine bekloppten Viecher. Wir benehmen uns immer soo vornehm!” Ach, dieser Kulleraugenblick! Trotzdem - ich blieb hart! Nach einem solchen Streich durften er und seine beiden Kameraden nicht mit meiner Unterstützung rechnen. Im Gegenteil! Zur Strafe sauste ihnen das berühmte Reklameblatt auf den Po. Ich stand auf der Seite meiner zweibeinigen Kinder. Ihr Pech!

Der Misthaufen

Wegen seines unstillbaren Freiheitsdranges blieb Mato sein Leben lang ein Leinenhund. Zuhause nervte ich meine Töchter mindestens dreimal pro Tag: “Macht bloß die Tür zu. Sonst ist Matochen futsch!” Von Zeit zu Zeit vergaß ein in Gedanken versunkener Teenager natürlich diese Ermahnung, ließ die Tür offen. Mato nahm das hocherfreut zur Kenntnis und düste zu einem längeren Ausflug ab in die goldene Freiheit. Endlich ´mal keine Kommandos. Nur sein eigener Wille zählte! Mich kosteten diese unerlaubten Touren meines Lieblings enorm Nervenkraft. Verursachte er einen Unfall? Oder, was wäre, wenn er auf die nicht allzu weit entfernte Autobahn rannte...? Lieber nicht intensiver darüber nachsinnen!
Das nachfolgende Abenteuer liegt schon einige Jahre zurück. In Erinnerung daran lache ich heute herzlich darüber. Natürlich spielte sich das ab, als ich an einem Nachmittag nicht daheim war. (So ahnte ich ja nichts...!).
Mato war durch die ´mal wieder offenstehende Haustür von dannen gedüst. Die Erinnerung an den schönen Misthaufen des nahegelegenen Gutes Hellerhof veranlasste meinen Hund, genau den Weg dorthin einzuschlagen. Es war ja niemand da, der ihn daran gehindert hätte. Mir fiel es relativ leicht, mir mit etwas Phantasie auszumalen, was sich während dieses Alleintrips abspielte: Nach wenigen Minuten erreichte er flotten Tempos sein Wunschziel. Ein paar letzte Hopser, und er stand auf dem herbeigesehnten Misthaufen. Hach, war der weich, warm und soo kuschelig! Da musste er sich doch unbedingt erst einmal ausgiebigst drin wälzen! Typisch Hund: Der Gestank versetzte meinen vierbeinigen Schatz in Hochstimmung. Per Rolle vorwärts und wieder zurück rieb er sich diesen Duft so gründlich als möglich ins Fell. Mit dieser Gymnastikübung würdigte er sämtliche Seiten des kleinen Berges. Fazit: Mein Hund verwandelte sich, was seine Duftnote anging, zunehmend in eine Miniausgabe dieses Berges. Er schwebte dabei garantiert im sechsten Himmel. Ob er wohl mit jenem tollen Duft seinen Hellerhofschen Artgenossen vermehrt imponierte? Bestimmt wagte es keiner, dem noch besonders keck entgegenzutreten. Solch einen tollen Geruch hatten die alle nicht vorzuweisen! Tja, in meinem Innern stellte ich mir vor, was Mato überlegt hätte, wenn er dazu fähig gewesen wäre. Schade, mir war das zweifelhafte Vergnügen nicht vergönnt, ihn bei seinem munteren Treiben auf diesem “duftenden” Berg zu beobachten. Ob ich den Gestank lange ertragen hätte?
Zuhause hatten meine Töchter entsetzt festgestellt, dass Knödelchen ´mal wieder auf Tour war. Im ganzen Haus hatten sie ihn gesucht. Nichts! Nervös überlegten sie, welches Ausflugsziel er gewählt haben könnte. Richtig: Der Misthaufen! Also beschlossen sie, dort zuerst nach Mato zu suchen. Zum Glück waren es nur wenige Schritte bis zum Bauernhof. Als sie um die letzte Kurve bogen, fiel ihnen ein Stein von Herzen. Wen sahen sie denn da, sozusagen als Ersatzhahn, oben auf dem kleinen Berg herum hopsen? Die reinsten Kapriolen schlug mein Hund vor Freude. Noch war seiner Meinung nach dies toll stinkende Etwas seins! Irgendwie mussten meine Töchter dieses vor Glückseligkeit vor sich hin quietschende Tier schleunigst aus dem sechsten Himmel zurück auf den Boden der Tatsachen befördern. Also: “Runter da, Mato!!” Doch nein, soo einfach machte es ihnen ihr vierbeiniger Freund nicht. Dazu war es da oben drauf viel zu gemütlich. Er hatte sich ein noch längeres Verbleiben vorgenommen. Meine Töchter hörten Hund fiepsen vor Glück; ab und an unterbrochen von einem regelrechten “Jubel-Wuwuuuh!” Unfähig, seine Freude zu teilen, hielten sie sich des Geruches wegen nur noch verzweifelt die Nase zu. Bei dem gedanklichen Rückschluss, höchstwahrscheinlich den stinkenden Berg erklimmen zu müssen, um das geliebte Knuddelvieh herunter zu lotsen, sank ihre Stimmung erstaunlich schnell in den Minusbereich. Das würde eine schwierige Aktion! Der käme doch nie freiwillig da weg! Notgedrungen kletterten sie zu Mato, erwischten ihn am Halsband und zogen das sich heftig sträubende Wollknäuel energisch auf den Weg zurück. Mato mochte denken: “So´n Mist! Wie haben die mich denn so rasch gefunden?” (Ich, sein Frauchen, meinte im Nachhinein dazu: “ Matochen, wir kennen dich!”).
Daheim eingetroffen, beratschlagten meine vier Mädchen, wie sie ihren Mato wieder in einen normal parfümierten Hund zurück zaubern könnten. Unser Haus hatte den Geruch bereits angenommen und sich in einen riesigen Misthaufen verwandelt. Es war einfach nicht mehr auszuhalten. Sie kamen zu dem Schluss: Eine Volldusche für Hund war unumgänglich! Doch bei dem Gedanken daran wurde es ihnen leicht mulmig. Mato und gegen seinen Willen auf ihn niederplatschendes Wasser – ein Vergnügen besonderer Art. Denn das hasste Hund wie die Pest! Anders als mit Wasser funktioniert “Duschen” aber nicht. So war ein entsprechender Zirkus vorprogrammiert.
Offensichtlich spürte Mato, dass etwas von ihm Ungewolltes und für ihn Unangenehmes auf ihn zukam. Jedenfalls sträubte er sich nach besten Kräften, als Hoppel ihn am Halsband die Treppe hochzog, unterstützt von ihren drei Geschwistern, die eifrig von unten schoben. Voller Angst und Verzweiflung piepste Mato wie ein Vögelchen herum. Fremde hätten bei diesen schrillen Geräuschen argwöhnen können, ob da Tierquäler am Werke wären. Oben angekommen, näherte sich ihm in beängstigender Schnelligkeit die Badezimmertür. Für Matos Hundegehirn stand spätestens dann fest, was ihn da erwartete. Knödelchen versuchte sich durch starkes Rucken los zu winden. Pech für ihn! Erstens waren meine Töchter in der Überzahl, und zweitens im Klammergriff gut geübt! Hoppel verfütterte vorne Salamischeiben. Derweil manövrierten Nicki, Tina und Katja Mato mit “ hau-ruck!” von hinten in die Dusche hinein. Ohne Wurstscheiben hätte die meinen Hund wohl nie gesehen! Es fing an zu rauschen. Gleichzeitig fing Mato vermehrt an zu singen. Anfangs waren es leisere Übungsquietscher, die sich aber in Windeseile zu weithin hörbaren Opernarien emporschwangen. Mit meinen Worten: Hund heulte sich aus Leibeskräften die Tonleiter rauf und runter vor lauter Panik. Selbst die dargebotene Wurst brachte ihn nicht mehr zum Schweigen. Stellen Sie sich vor: Da tropfte doch frech lauwarmes Wasser auf mein Angsthäschen herab; einfach entsetzlich! Mato hätte bei Fluchtversuchen sicherlich das ganze Badezimmermobiliar umgeräumt. So sehr stand der arme Kerl unter Anspannung! Deswegen hielten meine vier Töchter ihn eisern fest. Sicherheitshalber hatten sie sogar die Badezimmertür verschlossen, damit er nicht etwa trotz aller Vorsicht noch entwischte. Mato konnte nämlich Türen öffnen. Ein Talent, das Hundebesitzer bei ihren Tieren außerordentlich schätzen. Doch da war mein Nachwuchs sich einig: Den ließen sie erst wieder raus, wenn der unmögliche Gestank verflogen wäre! Sein Jaulen und Brüllen scholl in beachtlicher Lautstärke durchs Haus. Fee und Quinny eilten besorgt in Richtung Bad heran. Fee als Wasserratte hatte das Rauschen zwar richtig als Duschgeräusch erkannt, doch Matos Jammern klang zunehmend durchdringender. Deshalb bezweifelten seine beiden Kameraden so langsam, was da hinter der Türe denn tatsächlich mit ihrem Rudelführer passierte. Die Ungewissheit ließ sie immer nervöser werden. Nach weiteren 10 Minuten Gebrülls waren sie so in Alarmbereitschaft versetzt, dass sie sich nur allzu gern durch die Türe durchgebissen hätten, um Mato aus den Händen dieser potentiellen Tierquäler zu befreien. Das wäre aber auf Kosten ihrer süßen Beißerchen gegangen, mit einem garantierten, anschließenden Tierarztbesuch. Bloß das nicht! Die verschlossene Tür vor Augen, blieben sie deshalb vernünftig und zogen es vor, sich stattdessen mit einem wahnsinnigen Bellkonzert zu bescheiden. Dessen Qualität konnte sicher unser ganzer Stadtteil beurteilen. Ein Höllenspektakel! Meinen Töchtern ging dieser Krach mächtig an die Nieren: “Gebt ihr endlich Ruhe, ihr dämlichen Viecher? Wir murksen euren Mato schon nicht ab!” Doch trotz dieser Beteuerung in keinster Weise beruhigt, keiften Fee und Quinny in unveränderter Lautstärke munter weiter.
Etwa eine Viertelstunde später öffnete sich endlich, endlich die Zaubertür. Mato war nicht wieder zu erkennen. Der tolle Misthaufenduft war verschwunden, Hund nervlich am Ende. Total entkräftet schlich er wie in Trance an seinen beiden vierbeinigen Freunden vorbei zu seinem Körbchen. In dem kringelte er sich erschöpft zusammen, um sich von dem ausgestandenen, seiner Überzeugung nach ihm eigentlich unzumutbaren Stress zu erholen. Wir alle zwei- und vierbeinigen Hausbewohner kannten unseren Knödel ja doch schon etliche Jahre. Bis der seine volles Selbstsicherheit wieder hätte, würde es gut und gerne mehrere Stunden dauern. Mato tat seinem Quinny sehr leid. Knutschiboy versuchte, Trost durch Ohrenknabbern zu spenden. Aussichtslos! Mato war einfach zu groggy, um er auch nur den Versuch zu starten, wenigstens minimal auf diese Zärtlichkeit zu reagieren.
Hoppel schilderte mir dieses wilde Abenteuer abends am Telefon. Ich erschrak Matos´ unerlaubten Ausfluges wegen, lachte Tränen über das Duschabenteuer und war letztendlich sehr stolz auf meinen Hund. Schließlich hatte der trotz seiner Panik während des ganzen Theaters auch nicht ein einziges Mal meine Töchter angeknurrt. Deswegen lobte ich ihn in dem Gespräch mit Hoppel über den grünen Klee! “Matochen ist ja auch sowas von lieb!” bestätigte mir daraufhin meine Älteste selig. “Bärwutz ist der liebste Hund auf der ganzen Hundewelt!” Bärwutz nannte sie ihn, wenn sie neben ihrem Liebling auf dem Teppich liegend, dieses Riesensteifftier abknuddelte.

Hitze

Haben Hündinnen alle halbe Jahre. Meistens (zumindest offiziell!) im Frühjahr und nochmals im Herbst. Inoffiziell richteten sich die modernen vierbeinigen Prinzessinnen schon längst nicht mehr nach dieser von ach so schlauen Hundezüchtern aufgestellten Regel. Sie entschieden das sehr emanzipiert selbst! Also begegnete ich das ganze Jahr über zu jeder offiziell unmöglichen Zeit heißen Weibchen. Wie schön für meine beiden Hundejungen, die vor Begeisterung stets total aus dem Häuschen gerieten. Das war aber nur zu verständlich, denn das Parfum dieser Mädchen war einfach umwerfend. Wahre Hundemänner begaben sich schleunigst auf Freiersfüße. Vielen wurde das leider von den ihnen anvertrauten Zweibeinern strengstens untersagt. Doch kluge Hunde wussten Rat: Wozu hatten Türen Klinken, auf die man draufspringen konnte? Was hinderten einen denn im Liebeswahn die üblichen Niedrigzäunchen? Ein Hopser, und es war geschafft! Schwierig wurde es allerdings, über 2m Zäune zu entwischen. Das brachten nur die Hochleistungssportler unter den Hunden. Und unter diesen sich in angemessener Zeit durchzubuddeln, blieb den kleineren Ausgaben vorbehalten. Versuchten größere Exemplare, sich durch sehr viel zeitraubendere Arbeit ein entsprechend tieferes Loch zu graben, wurden sie meistens erwischt und hatten frustriert die Hoffnung auf ein unerlaubtes Liebesabenteuer fahren zu lassen. Auch Dackelblicke konnten die nachfolgende, deftige Schimpfe nicht mehr verhindern. Oft hatte bei der eifrigen Buddelarbeit ein besonders geliebtes Blumenbeet daran glauben müssen. Waren clevere Exemplare doch wider Erwarten in die Freiheit entkommen, stöberten sie die Dame ihres Herzens problemlos auf. Die Hundenase nahm solch attraktive Gerüche schon aus Kilometer weiter Entfernung wahr. Zur Freude des Besitzers dieser Hundedamen, vor deren Häusern sich manchmal ganze Scharen vierbeiniger Verehrer versammelten und wie auf Kommando ihren Liebesgesang anstimmten. Twens hätten wahrscheinlich ihre Mädchen gefragt: “Sag einmal, wo hast du denn dieses tolle Parfum her. Ist ja irre!” Vierbeinige Männer schnüffelten, schnüffelten, schnüffelten...!!
So taten auch Mato und Quinny. Von Tag zu Tag schnupperten sie engagierter an Fee herum. “Madämchen” fand das gar nicht mehr lästig und genoss es mit zunehmender Begeisterung. Meine beiden Jungen waren ja nicht kastriert, also vollständige Hundemänner, die zudem sehr gut Bescheid wußten. Fees Duft wurde immer intensiver. Mato regte sich viel zu sehr auf! Damit keine Katastrophe in Gestalt von bis zu 13 Welpen auf mich zukäme, ließ ich mir so Manches einfallen. Mein Tierarzt verschrieb ein Mittel, das das Engagement der beiden Rüden stark bremste. Fee kaufte ich eine schicke schwarze Hundemonatshose (ja, so etwas gibt´s wirklich!), die sie sich aber nach ein paar Tagen durch vermehrte Strampelanstrengung abzustreifen lernte. Das schicke Ding tauschte ich schließlich gegen eine ausrangierte weiße Unterhose aus, bei der ihr Ausziehtrick nicht fruchtete. Und der richtige Kniff blieb ihr gottlob verborgen. Meinen zwei Casanovas verpasste ich als zusätzliche Sicherung eine Modeeigenkreation. Aus alten Bettlaken schnitt ich breite Streifen, in die ich Monatsbinden klebte. Diese entzückende Konstruktion wurschtelte ich ihnen an entsprechender Stelle um den Bauch. Gehalten wurde das Ganze durch eine große Bettlakenschleife, die sie in Rosa (!) auf dem Rücken trugen. Mato und Quinny wirkten in ihren Kostümen mit den rosa Schleifchen fast wie Geschenkpakete, was bei meinen Töchtern lautes Kichern hervorrief. In ihrer Mannesehre gekränkt, verdünnisierten sie sich unter die verschiedenen Eckbänke, um sich unsichtbar zu machen. Noch lieber wären sie zu diesen Zweck auf dem Dachboden verschwunden. Doch um sich dort verkrümeln zu können, hätten sie eine ausziehbare, sehr steile Leiter hinaufkraxeln müssen. Dazu waren sie aber zu unsportlich. Die Stunden unter der Eckbank waren für beide Hunde garantiert nicht so sehr unterhaltsam. Doch sie nahmen sicherlich an, so sähe sie wenigstens niemand.
Mato büchste nach wie vor nur zu gerne aus. Wieso sollte er ausgerechnet zur Hitzezeit, in der es überall überaus interessant roch, darauf verzichten? Eines Nachmittags stand die Tür offen, Mato sah das, reagierte blitzschnell und war prompt weg. Von Fee kannte ich keine unerlaubten Touren. Doch, durch „Hitze“ innerlich umgepolt, wurde sie neugierig, was Mato wohl geplant haben mochte. Sie entschied, ihn in ihrer weißen Unterhose nach draußen zu begleiten. Es war bestimmt ein Bild für die Götter: Mato in Begleitung einer jungen Dame ganz in Weiß! Meine beiden Racker durchkreuzten zunächst Hellerhof. Dann rannten sie in Richtung der Felder, an denen ich sehr oft mit ihnen entlang wanderte. Sie erreichten eine gottlob nicht sehr befahrene Umgehungsstraße, überquerten diese und spurteten fröhlich auf das dann nahe Naturschutzgebiet zu. Bevor sie das erreichten, gefiel ihnen zum Glück eine riesige freie Lichtung als Spielwiese ausnehmend gut. Sie hielten sich weiterhin dort auf und tobten selig wie die Verrückten miteinander herum.
Derweil zu Hause: Zwei Hunde weg. Meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Wenigstens Quinny war daheim geblieben. Lieber nicht darüber nachdenken, was den Beiden alles zustoßen könnte! Allein würde Mato nicht ins Naturschutzgebiet verschwinden. Dafür roch Fee zu gut. Sie vergnügten sich auf alle Fälle nur gemeinsam und gingen garantiert nicht getrennter Wege. Dessen war ich mir sicher! Schuhe an, und rennend die beliebtesten Spazierwege abgeklappert. Am Feld an der Grenze zu Monheim-Baumberg traf ich zufällig eine Bekannte, selbst Hundebesitzerin und meinen Tieren ausgesprochen wohl gesonnen, die mir verriet: “Ihre Lieblinge habe ich gerade auf der Wiese vor dem Naturschutzgebiet spielen sehen. Die sahen so glücklich aus!” Vor allem das Letztere glaubte ich ihr aufs Wort. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Gottlob waren die Schlingel wenigstens gesehen worden. Aber klar waren die happy! Endlich keiner dabei, der sie herum kommandierte! Trotzdem konnte ich mich besorgter Gedanken nicht erwehren. “Was wird, wenn die Beiden ins Waldgebiet rennen?” Es waren mir Fälle zu Ohren gekommen, in denen Hunde erschossen worden, da man sie für wildernde Tiere gehalten hatte. Nein, jetzt nicht solch pessimistischen Überlegungen! Lieber positiv denken! Ich flitzte noch schneller. Als ich dann ein breites, dichtes Buschwerk umkurvt hatte, durfte ich endgültig aufatmen. Waren diese beiden riesigen Tiere wirklich mein Knödelchen und mein Fledermäuschen? Meine Bekannte hatte deren Spielverhalten mehr als zutreffend beschrieben. Soo gebärdeten die sich in meiner Gegenwart nur selten! Von etwa Kleinlautwirken ihres unerlaubten Ausfluges wegen konnte keine Rede sein; noch nicht! Wegen der ausgestandenen Aufregung zitterten mir ein wenig die Beine. Ich stand still und holte erst einmal tief Luft. Dann rief ich Fledermäuschen zu mir, die sofort begeistert wedelnd auf mich zusprang. Sie hatte mich wohl direkt erspäht. In viel gemäßigterer Gangart folgte Mato. Der kannte mich ein ganzes Jahr länger als Fee und erahnte schon das nicht vermeidbare Donnerwetter. Gerade, als die Zwei bei mir angekommen waren, trat vom anderen Ende der Wiese ein Liebespärchen auf die Lichtung. Das sah meine Fee in deren weißer Unterhose und lachte sich halb kaputt. Je näher die jungen Leute kamen, um so deutlicher kriegten sie mit, welche Schimpfkanonade ich jetzt auf meine Tiere runter prasseln ließ. Sie amüsierten sich königlich, was mir in meiner aufgestauten Wut aber piepegal war. Ich machte meinem Herzen ordentlich Luft: “Habt ihr eigentlich einen Knall?” zeterte ich. “Frauchen hat aus Sorge um euch ganz Hellerhof durchkämmt. Das war ja wohl die Höhe, was ihr euch da geleistet habt!” Ich schimpfte mir die ganze Wut von der Seele. “Siiitz!” hieß es. Das klang so sauer, dass meine beiden Sünder allein vor Schreck direkt auf ihre vier Buchstaben plumpsten. Selbst Mato wagte es nicht, vielleicht doch einen Moment lang zu zögern. Meine Hunde verständigten sich per mehr als vielsagendem Seitenblick. Der war soo aussagekräftig. Ich übersetzte das gerne: “Oh Hund, hat die aber jetzt eine Laune. Ich glaube, es ist besser für uns, wir gehorchen!” Damit hatten sie allerdings auffallend Recht. “Ihr geht jetzt die halbe Stunde Wegstrecke nach Hause streng bei Fuß. Wehe, ihr muckst auf!” Stinksauer legte ich sie an die Leine. Eng nebeneinander trabten sie dann an meiner linken Seite. Knödelchen versuchte kein einziges Mal, seinen Kopf in irgendeiner Weise durchzusetzen. Eindeutig und doch mehr als erstaunlich: Der Macho hatte Muffensausen! Die Zwei schlichen regelrecht geplättet neben mir her. Meine augenblickliche Stimmung sagte ihnen nun gar nicht zu. Um Himmels willen jetzt nicht unangenehm auffallen! Eine zusätzliche kleine Strafaktion ließ ich dann bei der Ankunft daheim folgen. Um die beiden Frechdächse kümmerte ich mich kein Bisschen mehr, sondern ließ sie einfach stehen. Stattdessen knuddelte ich ostentativ meinen kleinen Smartie ab, der sich an diesem unverschämten Streich nicht beteiligt hatte. In den nächsten Minuten bewies mir Quinny, wieso er den niedlichen Kosenamen unbedingt verdiente. “Frauchen, ich würde das nie tun, dafür habe ich dich viel zu lieb!” Er aalte sich darin, absoluter Mittelpunkt zu sein. Stand mit übergroßen Kulleraugen da und schmalzte mir nach Kräften was vor: Sein Dackelblick verriet mir soo viel! Nur zu gerne ließ ich mich von dieser süßen Schmalzflocke einwickeln. Mato plus Begleiterin nahmen das sehr gekränkt zur Kenntnis. Tja – sie hätten ja nicht ausbüchsen müssen!!

Der Bio-Eimer

So ein kleiner Eimer hinter der Küchentür ist eine anregende Sache. Begeisterte Hundenasen, geht es um wohlriechende Abfälle! Mato hielt mich bestimmt für ein extra gemeines Frauchen. Ich hatte doch tatsächlich für solche Köstlichkeiten ein Behältnis mit einem schweren Deckel gewählt. Hund roch leckeres Fleisch, alarmierte seine Kameraden, worauf die Drei schleunigst in Richtung Bio-Eimer marschierten. Klasse, ich nicht in der Nähe, der Papa auch unsichtbar und die liebe Kinderschar sicher verwahrt in der oberen Etage, also los! Aber wie sollte er bloß diesen schweren Deckel anheben? Zu dumm. Welch ein phantastischer Geruch! Sie bemerkten es nicht. Aber ich beobachtete meine Racker schon seit geraumer Zeit, wie sie da so ratlos vor dem „schönen“ Eimer standen. Bei dem süßen Anblick dieses seiner Unfähigkeit wegen bedröppelt dreinschauenden Hundetrios grinste ich: “Ätsch, meine Süßen! Das habt ihr euch so fein gedacht. Der bleibt zu!” Erschrockenen, dann beleidigten Blickes zu mir marschierten Mato und Genossen deprimiert an mir vorbei in die Diele. Soo ein Frauchen aber auch!

Wie nett

Mittagessen zog mein Hundetrio von jeher magisch an. Doch dreifache Hundebettelei am Tisch war recht lästig. Deshalb hatten sich die Tiere für die Dauer unserer Mahlzeiten in der Diele aufzuhalten. Erst nach deren Beendigung stand die Küche für sie wieder offen. Meine Töchter entschwanden in die oberen Gefilde. Natürlich, ohne vorher ihr Geschirr pflichtgemäß in der Spülmaschine unterbracht zu haben. Öfters stand dann noch ein halb leerer Teller verwaist herum, da der zugehörige Teenager sich einbildete, ausgerechnet durch den letzten Bissen drastisch an Gewicht zuzulegen. Keine Mama und keine Töchter da – prima! Wollte Mato etwas stiebitzen, war er alles andere als eine träge Ausgabe Hund. Vor dem Preis kam bekanntlich der Fleiß. Und den bewies dann mein ältester Wauwau! Er sprang auf die Kücheneckbank und setzte sich wohlerzogen brav an den Tisch. Aber bitte eine Vorderpfote rechts, die andere links vom Teller. Ein schlechtes Gewissen wegen der unerlaubten Aktion, weshalb denn das?! Viel eher lobte der sich insgeheim, da er ja auf dem Tisch für Sauberkeit sorgte. Doch manchmal stießen trotz seiner behutsamen Vorgehensweise Geschirrteile mit lautem Klirren aneinander. Bei solchen Geräuschen war ich nun einmal sofort in Alarmstimmung versetzt. Und ich flitzte im Irrsinnstempo in meine Küche, um dann dort Knödelchen dabei zu erwischen, wie er soeben das letzte Krümelchen andächtig auf schleckte: Sein Pech! “Piept es bei dir?” fragte ich ihn ein wenig unhöflich. Dazu schwieg sich Mato lieber aus. Einzige Reaktion: Ein schwer beleidigter Blick! Worauf mein Hund sich dann, taktisch klug, schnellstens unter der Eckbank verkroch. Den sähe ich frühestens in einer guten halben Stunde wieder. So lange pflegte Mato nämlich auf Schimpfe dieses Ausmaßes hin zu schmollen. “Wieso aber,” würde er rätseln, “hatte sein Frauchen das schon wieder spitzgekriegt?” “Tja, Matochen, wenn das Porzellan so toll klappert!”

Kochhilfe

Ein äußerst hilfsbereiter Hund. Den quälte es, zuzusehen, wie ich mich mit der täglichen Kocherei abplagte. Da hatte er mich zu unterstützen! Diese edle Idee bemächtigte sich seiner komischerweise vorwiegend dann, wenn es ein Fleischgericht gab.
Eines Mittags war ich mit der Vorbereitung der von Katja geliebten Frikadellen beschäftigt. Um nach dem Kochen nicht stundenlang zwecks Reinigung meine Arbeitsplatte scheuern zu müssen, hatte ich die vorbereiteten Fleischbällchen auf eine Schicht Alufolie gelegt. Um sie dann in der Pfanne zu braten. Knödelchen schaute mit wachsendem Interesse zu. Sein Plan stand innerhalb einer Sekunde fest. Wie er ja durch langjährige Erfahrung gelernt hatte, wäre es ein Leichtes, mich auszutricksen. Er kannte mich ja lange genug! Im Sicherheitsabstand von 1m zu mir stellte er sich neben mich vor die Arbeitsplatte, schnupperte angeregt. Ja, heute wäre ein Versuch lohnenswert! Blitzschnell reckte sein Schnute ein wenig in die Höhe und schnappte sich den frei überstehenden Zipfel der Folie. Aus nur zu gutem Grunde hatte ich die Frikadellen recht weit nach hinten gelegt. Durch Rucken an der Folie versuchte er, sie näher in seine Richtung zu ziehen. Ob ich das wohl merkte? Schon kam von mir die Zurechtweisung: “Matochen, lass das sofort sein!” Wegen des Tonfalls dieser Kritik entschied er, dass das nur eine sehr sanfte Anmerkung meinerseits gewesen war. Also, nach charmantem Seitenblick und kurzem Schwanzwedeln setzte er beruhigt seine Arbeit fort. “Na warte, du Frechdachs!” Jetzt war es soweit: “Hörst du jetzt sofort auf damit, oder möchtest du die Zeitung?” Nein, der(!)Vorschlag gefiel ihm überhaupt nicht! Wegen meiner nun energischeren Sprechweise und dem ekligen Wort “Zeitung!” verlor er den Spaß an jener tollen Beschäftigung und suchte fix total deprimiert das Weite. In diesem Falle den Wohnzimmertisch mit seiner weit herunter hängenden Tischdecke, unter dem er sich versteckte. Da käme die Zeitung bestimmt nicht drunter gekrabbelt. Gott sei Dank sah Knödelchen da meinen Gesichtausdruck nicht. Ich habe nämlich schrecklich gelacht! Mein süßer Hund hatte es wirklich faustdick hinter seinen niedlichen Ohren.

Schleckermäulchen

In überraschend vielen Dingen sind sich Mensch und Hund einig. Insbesondere, handelt es sich dabei um exklusive Menüs. Auch wir, meine Tiere und ich, waren da keine Ausnahme. Demgemäss liebte Mato es, mit Argusaugen aufzupassen, was sich so in der Küche tat. An einem Sonntagmorgen saß Alex am Küchentisch und belegte Erdbeertörtchen. Zu seinen Füßen hockte Knödelchen und zählte aufmerksam Erdbeerchen. In grenzenlosem Vertrauen zu meinem Hund verließ der Vater meiner Kinder nach vollbrachter Tat den Raum. Die Törtchen standen verwaist auf dem Tisch. Dafür erntete Alex in Wauwaus Herzen sicherlich ein großes Lob: “Das ist aber lieb von Dir!” Eine Minisekunde noch zögerte Mato, doch solch einer Versuchung widerstand er nicht. Keiner in Sichtweite. Achtung, fertig und...los! Mit einer beachtenswerten Schnelligkeit verputzte er dann nicht etwa nur eine dieser Köstlichkeiten, sondern entfernte gründlichst sämtliche störenden Farbflecke vom Tisch. Ein bereit stehender Stuhl machte alles einfacher. Der Rest war kein Problem!
In der Diele kam mir Alex entgegen: “Du, ich hab Erdbeertörtchen vorbereitet. Sie stehen in der Küche.” “Klasse!” erwiderte ich und dachte: “Dann kann ich mir heute das Backen sparen!” Erfreut wanderte ich zur Küche. Wie angewurzelt blieb ich in der Tür stehen. Wo waren denn da Erdbeertörtchen? “Wo hast du die denn versteckt? Auf dem Tisch sind keine!” “Hääh!”, machte Alex wenig intelligent. “Ich habe sie doch dahin gestellt!” Als Hundemama kam mir sehr rasch ein bestimmter Verdacht, zumal von meinem ältesten vierbeinigen Liebling nichts zu sehen oder zu hören war. Sollte er etwa...?
Kurz darauf trippelte mir Knödelchen auf der Treppe vom Weg aus dem Keller ins Erdgeschoss mit verdächtig geknicktem Blick entgegen. Aha! Den(!) Ausdruck in seinen Augen kannte ich nur zu gut. Der konnte mich nicht mehr täuschen. Zumal ich ihm noch etwas ganz Anderes anmerkte: Nämlich grenzenlose Zufriedenheit! Und wodurch es zu der gekommen war, brauchte es kein längeres Nachdenken. Armer Mato! “Hör ´mal! Schon wieder du...?? Ich bin`s leid. Jetzt gibt´s die Zeitung!” Wäre mein Hund dazu fähig gewesen, hätte er seine putzigen Stehohren in Sekundenschnelle gegen weit herunter hängende Cockerspanielohren eingetauscht. Da ihm diese Kunst aber nicht gegeben war, musste der arme Kerl dann doch tatsächlich dran glauben und den festen Klaps mit dem Reklameblatt ertragen. Allerdings beeindruckte ihn der herzlich wenig. Wieso auch? Die Erdbeertörtchen verwahrte er ja längst sicher in seinem Bauch. Die konnte ihm keiner mehr nehmen!

Kommuniontorte

Evangelisch oder katholisch? Das spielte keine Rolle, ging es um die Vorbereitungen für gewisse Festivitäten. Für solche Feiern buk man massenweise Kuchen und/oder auch Torten. In der Annahme, sämtliche Gäste stünden bei ihrer Ankunft knapp vor dem Hungertode. Diesmal feierte Nicolette, (gen. Nicki – Tochter Nr.2) ihren Ehrentag. Ich hatte ihr bereits ein süßes schlichtes, gerade deshalb leider recht teures Kleid gekauft. Die Brautkostüme a la Hollywood für Kommunionkinder konnte ich einfach nicht ausstehen. Das hatte doch mit “Kommunion” gar nichts mehr zu tun. Diese teilweise Pailletten überhäuften, schrecklich geschmacklosen Dinger! Nicki mit ihrer Püppchenfigur hätte unmöglich darin ausgesehen.
Die letzten Tage vor dem großen Fest verbrachte ich des Backens wegen fast ausschließlich in der Küche. Mit stand mein vierbeiniges Kleeblatt äußerst hilfsbereit zur Seite, um drei Stunden am Stück die herabfallenden Teigkrümel mit wahrer Begeisterung aufzuschlecken. Das war ihre Methode, ausgesprochen gewissenhaft den Küchenboden zu reinigen. Am Vortage der Feierlichkeiten fabrizierte ich eine komplizierte Torte. Die sollte als Krönung die Tafel zieren. Ich mischte, rührte und buk den halben Nachmittag, bis ich das Kunstwerk am frühen Abend zur Bewunderung freigab. Irre stolz, wie die Torte gelungen war! Auch meine Vierbeiner bewunderten diesen Kuchen. Ihre Mienen sprachen Bände: “Mensch Frauchen, wie die duftet, Wahnsinn!” Ihre Verehrung für diesen Kuchen wuchs sichtlich langsam, aber sicher schier ins Unermessliche. Sie verspürten offensichtlich Gelüste, die gut erzogene Hunde sofort verdrängten. Gut verzogene wie meine dagegen rissen sich immerhin noch solange am Riemen, wie ihr menschliches Leittier in der Nähe war. Verschwand es überraschend aus nur dann bestimmt unumgänglichen Gründen, hatten die Vierbeiner immer noch Zeit genug, den Grad ihrer eigenen Standhaftigkeit zu überprüfen.
Manchmal winkte auch Hunden das Glück. Wenige Minuten später ergab sich genau eine solche Situation. Es klingelte so dreist an der Haustür, dass ich die Torte auf dem Tisch Torte sein ließ und zum Eingang hechtete. Verflixt noch eins! Solcherlei Störungen konnte ich in den letzten Stunden vor dem Fest wahrlich nicht gebrauchen. Es gab noch irre viel an Vorbereitungen zu erledigen. Außerdem, wem mochte es einfallen, in einer dermaßen impertinenten Weise am frühen Samstagabend zu schellen? Was “Öffnen” anging, konnte ich gerne meine Töchter vergessen. Wozu hatte man denn eine Mama, die sich ach so praktisch in der unteren Etage aufhielt? Reichlich unter Stress, geigte ich meinem Gegenüber nachdrücklichst die Meinung. Da wollte doch jemand am Samstagabend etwas an der Türe verkaufen. So eine bodenlose Frechheit! Die Tür knallte zu. Peng. Mensch, war ich wütend. Schnell spurtete ich zurück in die Küche, um mich nochmals stolz am Anblick meiner Torte zu erfreuen. Ach du Scheibenkleister! Dafür bot sich keinerlei Gelegenheit mehr. Ich sah nämlich keine Torte! Wo war die denn bloß? Wie erstarrt stand ich da, stierte fassungslos auf meine leere Arbeitsplatte und glaubte es einfach nicht. Das war doch hoffentlich nur ein böser Traum. Unter Schock stehend, wäre ich fast willens gewesen, mich sogar doch tatsächlich krabbelnd unterm Tisch auf die Suche nach meinem Kuchen zu machen. Nur mühsam hielt ich mich davor zurück. Plötzlich fiel bei mir der Groschen: Meine drei Tiere hatten sich ja noch dort aufgehalten, als ich die Küche hastig verlassen hatte, um zum Eingang zu eilen. Oh nein, so ein Mist! Leider fiel mir kein treffenderes Wort ein, um meiner Stimmungslage Ausdruck zu verleihen. Viel Phantasie benötigte ich nicht, um mir lebhaft vorstellen zu können, wie das Ganze abgelaufen war.
Garantiert zu Recht schrieb ich diese Wahnsinnsidee meiner Fee zu, diesem verrückten Fresssäckchen. Drehte es sich um irgendwelche Klauereien, war sie sehr dreist. Es glaubte alles dran, was nicht niet- und nagelfest war. Zeitweise war ich schon versucht gewesen, alles Essbare in Blumenampeln direkt unter die Zimmerdecke zu hängen. Damit wir Zweibeiner eventuell auch noch etwas abkriegten! Bei ihren Raubzügen durch die Jugendetage stellte sie sich die wildesten Mahlzeiten zusammen: Menüs aus Chips + Mon Cherie + Salmiakpastillen + halbe Brötchen + Salzstangen sowie ihren über alles geliebten Gummibärchen. Das letztere entzückende Schluckerzeug fand sie an allen möglichen und auch unmöglichen Stellen; z.B. unter den Betten, wo es sich ganze Familien dieser süßen Wesen gemütlich machten.
Und nach solchen Fressorgien war der noch nicht einmal schlecht!!
Zurück zur Rekonstruktion des Verbrechens:
Garantiert hatte Mato zunächst aus Solidarität zu mir gezögert, sich an der nachfolgenden Unverschämtheit zu beteiligen. Allein der Reiz der vor seiner Nase köstlich duftenden Versuchung war denn doch zu groß. So erklommen alle Drei wie auf Kommando die ach so praktisch bereitstehenden Stühle. Wie ich es von Mato schon mehrmals beobachtet hatte, setzten sich dann ebenfalls Fee und Quinny mit tadellosen Manieren zu Tisch, um dann allerdings schnellstens zur Vollendung ihrer Greueltat zu schreiten. Die Zeit drängte! Zu dritt klappte so etwas natürlich dreimal so fix. Da Mato aber immer auf Sauberkeit bedacht war, wurde der Tisch total blank geputzt. Kein einziger Pfotenabdruck blieb zurück! Vielleicht hatte er seine Kumpanen ermahnt, ja nichts zu verschmutzen: “Passt ja auf das Tischtuch auf. Frauchen hat eventuell kein zweites!” Wäre er kein Hund, sondern ein Mensch gewesen, hätte er derart argumentiert. Ich war irre wütend. In ausgeglichenerer Stimmung hätte es mir vielleicht auch noch passieren können, dass ich den blitzblank hinterlassenen Tisch anschließend noch bewunderte. So aber kochte ich innerlich, was mir wahrscheinlich deutlichst anzusehen war. Denn Quinny hatte mich gesichtet und raste ohne Zögern sicherheitshalber an mir vorbei in die Diele und weiter in die oberen Gefilde. Hinein in mein Zimmer, wo er fix unter mein Bett krabbelte. Klar, dem Kerlchen schwante etwas! Jetzt zu den anderen beiden Sündern. Die süße Hauptperson dieses Buches brachte sich schnellstens unter der Kücheneckbank in Sicherheit. Dort gedachte mein Liebling sicherheitshalber den restlichen Nachmittag zu verweilen. Nur Fee fand nicht mehr rechtzeitig ein für ihre Größe geeignetes Versteck.
In geduckter Haltung hoffte sie mit Ohrenanlegen, geknicktem Blick sowie heftigem Schwanzwedeln das zu erwartende Donnerwetter abwenden zu können. Vergeblich! Auf sie prasselte jetzt die Schimpfe-hoch-Drei nieder: “Ihr verdammten Hundeviecher!” Begann ich meine nicht gerade liebevolle Ansprache. “Euch hat doch der Hafer gestochen. Seid ihr denn völlig durchgeknallt?” In diesem Moment bedauerte ich es fast, feste Prinzipien zu haben; auch, was die Bestrafung meiner Tiere anging. So konnten die in jenen Minuten “extrem geliebten” Viecher davon ausgehen, dass ihnen abgesehen von einem festen Klaps mit dem Reklameblatt auf den Po nicht allzu viel passierte. Doch selbst das schienen diese vornehmen Tiere als Beleidigung schrecklichen Ausmaßes zu empfinden. Ich impertinentes Frauchen griff nicht etwa zur “Zeit” oder wenigstens zur “Rheinischen Post”, sondern wählte dafür ein Blatt der Bildzeitung. (Die ich übrigens nicht zu meiner Literatur zähle!). Dieses dermaßen niveaulose Papier sauste dann auf deren Allerwertesten nieder. Praktisch: Fee stand für diese Strafaktion direkt vor mir. Die Arme. Stellvertretend für das ganze Hundetrio heimste sie dann die gesamte Dresche ein. Anschließend verfrachtete ich auch diese zwei Sünder (der dritte war ja schon oben!) in mein Zimmer, in dem sie sich den Rest des Tages allein vergnügen durften. Die kamen nicht mehr runter!!
Frustriert, da es sich bei dem Opfer dieses Verbrechens ausgerechnet um mein Prestigestück gehandelt hatte, eilte ich zurück in die Küche. Zufällig waren noch sämtlich nötigen Zutaten vorrätig. Und womit verbrachte ich dann die nächsten zwei Stunden? Sehr wahr: Brav buk ich dieselbe Torte ein zweites Mal. So eine Sch...! Und diesmal verzichtete ich auf die Hilfe bestimmter, auch Ihnen inzwischen bestens bekannter Lebewesen. Warum wohl??

Grillabend

Gisela und Ulli, die beiden Bochumer, kannte ich seit Hoppels Babyzeit. Wir verstanden uns prima. Deshalb hatte Gisela auch die Patenschaft für Nicki, meine Zweitälteste, übernommen. Ulli wurde Katjas Patenonkel. Wir trafen uns ziemlich regelmäßig.
Eines märchenhaften Sommerabends wollten wir mit den Beiden gemeinsam grillen. Während dieses besagten Treffens rutschten sowohl alle anwesenden Zweibeiner als auch ein bestimmtes vierbeiniges Wesen in ein kleines Abenteuer, das vor allem wir Menschen lange nicht vergessen sollten. In gemütlicher Runde saßen wir mit unseren Freunden auf der Terrasse. Auf dem Grill bruzzelten bereits Koteletts und Würstchen. Mit Rücksicht auf Giselas Angst vor Hunden hatte ich meine Tiere für die Dauer ihres Besuches in mein Zimmer gesperrt. Dessen große Dachfenster standen der Hitze wegen sperrangelweit offen. So stieg der aufsteigende, köstliche Fleischgeruch natürlich meinen Vierbeinern gehörig in die Nase. Das ließ die keineswegs ungerührt. Sie schnupperten angestrengt nach draußen. Aber leider: In den Garten durften sie da ja nicht. Aus Mitleid besuchte Tina sie von Zeit zu Zeit, damit die Waulis nicht den ganzen Nachmittag sich selbst überlassen wären. Bei einer solchen Stippvisite vergaß meine Tochter, die Zimmertür zu schließen. Fee und Quinny trauten sich nicht, einen Abstecher nach unten zu wagen. Mato dagegen kriegte sofort mit, welche Möglichkeit sich da bot und hopste an meiner völlig überraschten Tochter vorbei wie ein geölter Blitz die Treppe runter. Sie war zu perplex, als dass sie ihn rechtzeitig erwischen und per Klammergriff hätte zurück halten können. Knödelchen marschierte also mit triumphierender Miene in Richtung Garten, immer zielsicher das Näschen in Richtung Grill streckend. Seine Vermutung hatte ihn nicht getrogen. Da lagen ja die Würstchen und warteten seiner Überzeugung nach nur darauf, von ihm abgeholt zu werden. Ob mein Hund es schaffte, gewisse Hindernisse in Form von Onkel Ulli, Papa und ein paar blöden Gartenstühlen zu umrunden? Wäre Mato ein Winzling, Rehpinscher oder eine ähnliche Taschenausgabe, gewesen, hätte er sein Wunschziel nullkommanix erreicht. Für solche Minis ist es nämlich eine Kleinigkeit, sich zwischen den Stuhl- und/oder Menschenbeinen hindurch zu mogeln. Doch Mato zählte eher zu den Hunderiesen. Somit fiel diese Möglichkeit flach. Notgedrungen wandte er eine andere Taktik an. Als ich gerade, besorgt bei dem Gedanken an Gisela wegen des immer wahrscheinlicheren Zusammentreffens mit dem Hund, meinen Kindern zurief: “Wie konntet ihr so doof sein, Matochen raus zu lassen; ihr wisst doch, Tante Gisela fürchtet sich...!?”Setzte sich Knödelchen ausgerechnet neben deren Stuhl, da der dem Grill am nächsten stand. Erstarrt saß Gisela da, wagte es nicht, sich zu rühren. Davon gänzlich unbeeindruckt, führte Mato ihr seinen aller drolligsten Dackelblick vor. Dann leckte er sich bettelnd die Schnute. Giselas Nerven lagen blank. Mühsam Haltung bewahrend, brachte sie kaum hörbar mit letzter Kraft über die Lippen: “Gaby, ich habe Angst!” Ich schnappte mir eiligst meinen Teddy. Natürlich versuchte der durch stures Stehen bleiben noch eine leichte Gegenwehr. No chance! Mit sanfter Gewalt schleifte ich ihn in die Küche. Dort hatte er dann eine Standpauke über sich ergehen zu lassen: “Was fällt dir denn ein? Wenn ich sage, du bleibst oben, dann rast mein Hund nicht nach unten. Ist das klar?” Trotzend ließ Mato sich wieder oben zu den Anderen ins Zimmer verfrachten. Was wollte ich eigentlich? Wo er doch mit “Schnuteschlecken” nicht Gisela, sondern die Köstlichkeiten auf dem Grill gemeint hatte! Dass der mich erst einmal für eine Weile ignorieren würde, da war ich mir ganz sicher. Garantiert hatte ich ihn mit meiner Meckerei seiner Auffassung nach in schlimmster Form in seiner Hundeehre gekränkt!
Zum Glück nahm mir Gisela diesen Zwischenfall nicht übel. Wie ich sie kannte, schämte sie sich wahrscheinlich ihrer Panik wegen sogar. Mir tat das Ganze sehr leid.


Tierarzt und Ähnliches

Vom Schicksal gebeutelt – der eingebildete Kranke!

Hier folgt nicht die berühmte Geschichte von Molière! Jedoch ließ Matos Verhalten gewisse Vergleiche durchaus zu durchaus. Sie müssen wissen: Dieses Riesenvieh war nämlich eine Mimose bis zum Gehtnichtmehr! Eben ein typischer Mann!(Bei der Aussicht auf eine bevorstehende Operation z.B. müsste ein Exemplar dieser Gattung oft gar nicht erst unter Narkose gesetzt zu werden. Denn es kippte schon vorher freiwillig um!). Doch zurück zu meinem ach soo tapferen Knuddeltier.
Hellerhof war lange Zeit ein super sauberer Stadtteil gehobenen Niveaus. Die Zeiten waren mittlerweile vorbei. Das gehobene Niveau galt nach wie vor, doch in Punkto Sauberkeit hatte sich alles leider sehr zum Nachteil verändert. Überall standen Container für die unterschiedlichsten Abfälle parat. Eigentlich brauchte man nur die passenden Tüten zu nehmen und deren Inhalte in die betreffenden Behälter zu entsorgen. Anscheinend überschätzte die Stadt Düsseldorf die diesbezügliche Einsatzbereitschaft seiner Anwohner beträchtlich. Auch schienen hier alle schlecht zu Fuß zu sein. Wie sonst sollte ich es mir erklären, dass sämtliche Wege zunehmend wahren Mülldeponien glichen? Nicht nur Schuld der Kinder und Jugendlichen, die alles einfach irgendwo liegen ließen. Nein, viele liebe Erwachsene waren da mindestens ebenso begabt! Eines Tages beobachtete ich eine gar nicht fußlahme ältere Dame, wie sie nach sichernder Rundumschau seelenruhig ihre Mülltüte ins Gebüsch entleerte, obwohl nur zwanzig Schritte entfernt der für ihre Müllsorte zuständige Container stand. Nicht allein leere Dosen kamen dabei zum Vorschein, sondern auch alle möglichen stinkenden Lebensmittelreste. Die wenigen Schritte bis zu jenem Behälter waren diesem Musterexemplar von Mensch ganz offensichtlich zuviel der Mühe! Ebenfalls boten die Randstreifen der Umgehungsstraßen teilweise einen schlimmen Anblick. Stets versuchte ich, über all den Unrat hinweg zu sehen. Sonst wäre mir die Freude an meinen Spaziergängen fast vergangen.
Überall zerstreut lagen jede Menge Glassplitter zerbrochener Bierflaschen. Das kümmerte offensichtlich keinen Menschen. Niemand hielt es für nötig, sie zu entfernen. Wie hätte ich mir gewünscht, Knödelchen und ich könnten solche Glasberge durch die Luft schwebend umrunden. Dieses Talent war uns leider verwehrt. Deshalb fing sich mein Hund ab und an während unserer Wanderungen über die Wiesen einen größeren auch die tückischeren, kleineren Splitter ein. Quietsch, humpel, klag! Darin war mein großer Hund sowieso absolute Spitze. Er mutierte innerhalb einer Sekunde zu einem schwerkranken Geschöpf. Dermaßen hätte ich mich ´mal anstellen sollen, schnitt ich mich in den Finger. Da war dann nur selten jemand zum Trösten in der Nähe. Wie am letzten Faden hängend ließ Knödelchen seine arme, arme vom Splitter erwischte Pfote herunter baumeln. So. wie er sich anstellte, erschien es mir wie ein wahres Wunder, dass die während des restlichen Spazierganges noch dranblieb und nicht stattdessen einfach abfiel. Wiederholt sah er mich mit Schlachttiermiene an. Ich zu ihm: “Ach Gott, Matochen, so ein böser Splitter! Komm, Frauchen guckt ´mal. Vielleicht finde ich das Biest ja!” Genau das hatte Mato wohl schon befürchtet: Er sollte sich doch da tatsächlich setzen, und ich prumpelte dann auch noch an seiner todkranken Pfote herum. Konnte ich denn nicht einmal, ein einziges Mal Gnade vor Recht ergehen lassen? Trotz aufkommender Panik war er ja, manchmal (!), ein folgsamer Hund und ließ sich denn brav auf den Allerwertesten nieder. Reichlich widerstrebend gab er mir seine Pfote. Hm, ja also: In den meisten Fällen blutete die noch nicht einmal. Dauerte die Untersuchung zu lange, versuchte er mit wehleidigem Blick, sie mir ängstlich wieder zu entziehen. Das fand dann ich blöd: “Wie soll ich dir denn helfen, wenn du solch ein Theater machst. Pech, dann bleibt der Splitter eben drin!” Mit dem festen Vorsatz, zuhause in Ruhe der Sache auf den Grund zu gehen, (mit Hilfe von vor Matos Nase baumelnden Salamischeiben war alles viel einfacher...), zog ich ihn hinter mir her. Doch es bedrückte mich sehr, ihn humpeln zu sehen. Endlich kam ich mit Mato im Schlepptau daheim an. Nach nur zwei Minuten hatte ich den Übeltäter aus der Pfote entfernt. Mato natürlich trotzdem beleidigt, denn ich hatte schließlich an der herum gezupft! Schnellstens versteckte er sie danach unterm Bauch, wo die Pfote sicher ihre Ruhe hätte. Seine Leidensmiene behielt er aus taktischen Gründen noch etwas länger bei. Denn guckte man als Hund dermaßen geknickt, wurde man doch so toll bemitleidet. Bekanntlich wussten auch Vierbeiner das sehr zu genießen!
Aber manchmal war da wirklich eine blutende Pfote. Dann starb Mato fast. Bestimmt bedeutete dies sein nahendes Ende! Entsetzt betrachtete Wauwau sein Bein. Mein Gott, Molieres eingebildeter Kranker führte sich ja fast “gesund” dagegen auf!
Trotz Mitleids konnten wir Menschen uns das Grinsen nicht verkneifen. Um Hundchens Stimmung zu heben, holte ich Salben plus Mullverband und verarztete den kleinen Patienten. Vergebliche Liebesmühe! Der fühlte sich mit jeder Minute der Behandlung dreckiger. Offensichtlich verlor er jeglichen Lebensmut. Als ich den Mullverband mit Pflastern befestigt hatte, suchte ich meinem Hund zuliebe einen farblich zu seinem Fell passenden, ausrangierten Kindersocken in Babygröße. Der dann sogar so ungefähr passte. Unten drunter waren Antirutschnoppen, damit er mit den ungewohnten Dingern nicht sofort die Treppe herunter purzelte. Tina und ich wollten ihm lange Wege mit Söckchen ersparen und trugen seinen Schlafkorb nach unten in die Diele. Einen schlimmeren Fehler hätten wir nicht begehen können. Das bestätigte Matos insgeheime Befürchtung: Dies war der Anfang vom Ende! Weshalb sonst quartierten wir ihn aus seinem geliebten Schlafraum aus?
Draußen vor der Tür schilderte ich Frau Haas diese Episode. Erst recht Matos Anstellerei: “Wie könnt ihr denn nur sein Körbchen nach unten holen? Der glaubt doch, sein letztes Stündlein habe geschlagen! Und übrigens: Bedauert diese Mimose bloß nicht. Du kennst doch dein Matochen, wie er darauf reagiert!” Dann, nach kurzer Überlegung: “Pass auf! Jetzt jubelt ihr tüchtig rum und bringt flugs den Korb wieder hoch! Ich garantiere dir, dein Hund ist in ein paar Minuten wieder ganz der Alte!” Sie hatte mit ihren Bemerkungen den Nagel auf den Kopf getroffen. Und ich mit meiner achtjährigen, dreifachen Hundeerfahrung kam mir dementsprechend dämlich vor. “Ich glaub, du hast recht”, seufzte ich, “ alles zurück, marsch–marsch!” Tina kriegte den Auftrag, schnellstens den Korb zurück nach oben zu hieven. Ich sang betont fröhlich. Na ja, ob mein Gesang dazu angetan sein konnte, dass es einem Mitlebewesen besser ging, sei dahingestellt! Eigentlich sollte sich Mato gewundert haben, wieso alles um ihn herum so urplötzlich von einer Sekunde zur nächsten so irre munter herumlief. Klar, dass mein Hund das toll fand. Aber: Mitleid war eigentlich auch fein gewesen!
Meine Nachbarin behielt natürlich Recht. Einige Minuten später vergaß Mato, froh über die wieder fröhliche Stimmung in seinem Haus, sogar die Humpelei. Er bellte wie in alten Zeiten selbstbewusst durch die Gegend und brachte ein paar spitzenmäßige Hopser zustande. Soo ein armes, todkrankes Tier!!

Krallenkürzen und Ohrensäubern

Mato und Quinny strotzten nur so vor Gesundheit. Schlimmstenfalls plagte Mato ab und zu ein blödes Ekzem. Jedoch störte das meinen Hund beileibe nicht so wie Ohrensäubern, Krallenkürzen oder etwa (entsetzliche Vorstellung!) gar eine Impfung. Ihn zu einem Tierarztbesuch zu überreden, war eine echte Kunst. Das Krallenkürzen machte der Doktor jedes Mal, denn bei Hundchens Anstellerei mit Pfote wegziehen und Jammerlauten traute ich mir das nicht zu. Selbst nach dieser doch banalen Prozedur spielte er den gequälten Patienten. Mit allem, was dazugehört! Schwer gekränkt, nahm Herr Hund die hinterher angebotenen Trostleckerchen generell innerhalb der Praxis niemals an.
Das Ohrensäubern nahm ich zu Hause selber vor. Allerdings geschah das in einer regelrechten Zeremonie. Sah Mato nämlich dieses berüchtigte Stäbchen, erlebte ich die sekundenschnelle Verwandlung eines Machos in einen Floh, der kläglich vor sich hinpiepend vor mir auf dem Boden lag. Aus den Augenwinkeln schielte er ängstlich das Wattestäbchen an, dann flehentlich zu mir. “Mato, das ist ja nun wirklich nichts Schlimmes! Tut absolut nicht weh. Hör auf zu wimmern, als ob ich dich abschlachten wolle!” Diese Ermahnung brachte gar nichts. Bei jeder vorsichtigen Berührung seiner Ohren mit dem Wattebausch zuckten diese heftig, wahrscheinlich in der Hoffnung, ich würde mein Vorhaben aufgeben. Aber schmutzige Hundeohren sehen sehr ungepflegt aus. Außerdem bietet Dreck in den Ohren die Grundlage für Entzündungen. Also kein Pardon! Damit er sich nicht mehr muckste, handelte er sich einen Miniklaps auf seine Schnute ein. Bedröppelt ob dieser deutlichen Ermahnung seiner Adoptivmama ergab er sich frustriert und natürlich schon wieder um ein weiteres Mal mehr beleidigt, in sein Schicksal ergab. Siehe da, ich konnte ganz in Ruhe „arbeiten“. und ich konnte ganz in Ruhe “arbeiten”. Ich merkte ihm an, wie erleichtert er dann feststellte: “Tut gar nicht weh!” Bis zum Ende meines ja eigentlich frechen Eingriffes in seine Privatsphäre lag er völlig entspannt er zu meinen Füßen. Nach zwei Minuten hatte er es dann überstanden. Diese entsetzliche Vergewaltigung seiner armen Ohren war vorbei. Solche kaum fassbare Tapferkeit schreit regelrecht nach Belohnung. Also regnete es anschließend für die süße Hauptperson dieses kleinen Dramas Berge von Leckerchen. Hoffentlich grübe sich das tief in sein Gedächtnis ein: Für´s nächste Mal!!

Impfung
S-Bahn

Die Tierarztpraxis lag in Langenfeld. Ohne Auto blieb nur die Fahrt mit unserer S-Bahn, die an jedem noch so kleinen Bahnhof hielt. Nur zwei Stationen, sagte ich mir! Das blieb aber auch der einzige Lichtblick auf dieser Reise!
Menschen gehen gepflegt und sauber zum Arzt. Für Hunde gilt gleiches. Also schnappte ich mir meinen Liebling und bürstete und bürstete. Letztendlich verschwand der halbe Hund in der bereitgestellten Plastiktüte. Mensch, hatte der eine Wolle! Nach einer Dreiviertelstunde stand er endlich schick frisiert vor mir. Dann hatte mein Mato von dieser Prozedur aber auch die Nase gestrichen voll. Ich ebenso, und war zudem nassgeschwitzt. Erst ´mal duschen! Wieder erfrischt, suchte ich seinen Impfpass heraus, der so in etwa dem Gegenstück für Menschen entsprach. Dem Heft war zu entnehmen: Mato hatte in all den Jahren schon so manche Arztbesuche wohlbehalten überstanden, war regelmäßig zur Impfung erschienen. Und ich demnach ein ausgesprochen gewissenhaftes Frauchen. Eigenlob stinkt. Stört mich aber nicht im Geringsten! Fein gebürstet glich Mato wahrhaftig einem Dressman auf vier Beinen. Toll sah er aus. Mit Sicherheit hätte er auf einer Schönheitskonkurrenz einen der ersten Plätze belegt. “Was siehst du süß aus!” flüsterte ich ihm zärtlich ins Ohr. Stolz genoss ich den Anblick. Mato machte aus Dank dieses eigentlich schon längst überfälligen Komplimentes wegen geschmeichelt Dackelaugen. Er trug in den nachfolgenden Minuten sein Nase noch ein Fitzelchen höher als ohnehin schon! Zumindest bildete ich verliebtes Frauchen mir das liebend gerne ein.
Aus taktischen Gründen verstaute ich noch eine Handvoll Leckerchen in eine bei jeder Bewegung laut knisternde kleine Tüte (ausschließlich echte Frolics!). Sollte mein Hund seine berühmten Wegen-zum-Tierarzt-gehen-stur-stehenbleiben-Versuchsanfälle unterwegs kriegen, wollte ich diese Tüte dem Vierbeiner vor seine süße Steckdosenschnute halten. Knisterei (oh, wie verlockend!) und intensiver Frolic-Geruch (einfach unwiderstehlich; man bedenke: Hunde laufen meilenweit für Frolic!), sollten mein Knuddelvieh von der wachsenden Erkenntnis ablenken, wohin dieser Spaziergang führte. Bei früheren Ausflügen dieser Art hatte “Frolic” stets Matos gute Vorsätze, sich gegen die Annäherung an die Praxis zu wehren, bestens zunichte gemacht. Mit diesem Trick ersparte ich mir für wenigstens die Hälfte des Weges den berühmten Zieh-Kraftsport!
So ausgerüstet zogen wir, Mato noch (!) bester Laune, ich nicht ganz so fröhlich gestimmt, los zur S-Bahn. Für diesen normalerweise 10-minütigen Weg hatte ich etwa 20 Minuten eingeplant, um in möglichst üblicher Bummelmanier zum Bahnhof zu wandern. Vielleicht konnte ich so Mato täuschen, welche Richtung wir nähmen? Denkste!! Hunde kann man nicht so leicht an der Nase herumführen. Sie spüren, was der ihnen anvertraute Zweibeiner da im Schilde führt. Bevor wir in Hellerhof den Bahnhof erreichten, überquerten wir den großen Parkplatz vor unserem kleinen Einkaufszentrum. Da dämmerte Mato etwas. Zwar noch sehr diffus, aber immerhin. Nie im Leben war das ein normaler Spaziergang. Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste! Auch mir drängte sich in diesem Moment genau dieser Gedanke auf. Deshalb hielt ich meinem Wauwau schon ´mal mit lieben Worten das knisternde Tütchen zum Anschnuppern vor die Nase. Ich hoffte, seine Gedächtnisarbeit dadurch verlangsamen zu können. Vergeblich! Mein Hund fand zwar die Tüte klasse, aber ablenken von den bei ihm plötzlich eingesetzten Überlegungen konnte sie ihn nicht mehr. Die hätte da sogar nach Pansen riechen können. Wohlmöglich hätte selbst das nichts mehr geholfen! Wenigstens blieb er, (etwa mir zuliebe?), nicht bereits schon vor der Ankunft am Bahnhof schon stehen, sondern trappste brav neben mir her. Aber allein deutlich bedächtiger! Oben auf dem Bahnsteig änderte sich Hundchens Verhalten. Mato fing an zu nerven. Leise vor sich hin fiepsend, trippelte er nervös von einer Pfote auf die andere und schaute mich wiederholt schräg, vorwurfsvoll-klagend so richtig von unten nach oben hin an. Prompt erntete er tröstende Worte samt Streicheleinheiten. Auch ich war ein wenig unruhig bei dem nicht ganz abwegigen Gedanken, was mich wohl von Matos Seite her bei der Ankunft in Langenfeld erwarten könnte. Das würde spannend! Ohne Zögern stieg er in den Zug. Geschafft! Aufatmend sank ich auf den nächstbesten Platz, befahl “Sitz!” Mato gehorchte sofort;. Blieb auch lieb für ein paar Sekunden sitzen. Jedoch, da ziemlich verunsichert, erhob er sich aber mehrmals, piepste los und sah ängstlich zu mir. Der wusste Bescheid. Den konnte ich jetzt nicht mehr täuschen. Die bewundernden, lieben Worte der Mitreisenden, an meinen Hund selbst gerichtet, brachten auch nichts. Ihm war klar: “Es geht zum Tierarzt. Oh Gott!“
Langenfeld-Mitte stiegen wir aus. Der Rest – nur Kampf! Mato verharrte stur auf einem Fleck. Ich zog wie verrückt. Es wartete ein fester Termin auf uns. Den wollte ich pünktlich wahrnehmen. Weil es ja nicht anders ging, gab Hund nach und ließ sich einige Schritte vorwärts schleppen. Aber nur wegen der besagten Tüte vor seiner Nase. Die verlor auffallend schnell ihren Inhalt. Die Leckereien hinderten Mato nicht daran, sich noch weitere Trotzvarianten einfallen zu lassen. An der nächsten Straßenecke blieb er nicht einfach nur stehen. Nein, dieses Angstpaket setzte sich mit einem lautem Plumps ostentativ auf seinen Po und verweigerte jeden weiteren Schritt. Klasse gemacht, mein Kleiner! So kämen wir nie rechtzeitig zum Tierarzt, was ja auch Sinn und Zweck dieser Übung war. Derartig konnte das nicht weitergehen. Ich herrschte meinen Kameraden rabiat an, was ihn doch ein wenig beeindruckte. Immerhin erhob er sich zögernd und begleitete mich zerknirscht, aber gehorsam nächsten Meter. Allerdings im Schneckentempo. Wir erreichten die Straßenecke Nr.2. Da erinnerte sich mein Hund ganz offensichtlich seiner an der vorigen Straßenecke doch recht erfolgreichen Methode, die Annäherung an die verhasste Praxis noch ein wenig hinaus zu zögern. Wenigstens ein paar lumpige Minuten. Das schrie nach Wiederholung! Ein wenig Abwechslung in diesem schönen Spiel würde nicht schaden. So stemmte Mato sich diesmal im Stehen vehement gegen die Laufrichtung. Leider saß sein Halsband zu fest. Er schaffte es nicht, das Ding loszuwerden. Ich kannte ja meinen Liebling und hatte es sicherheitshalber ein Loch enger geschnallt. Seine Anstrengung wäre also umsonst. Die brächte nichts. “Ja, glaubst du denn im Ernst, Frauchen kennt dich so wenig?” meinte ich. Wir setzten das nervtötende Spiel die ganze Reststrecke lang fort. Für das zu erwartende Theater in der Arztpraxis blieb gerade noch ein minimaler Rest der Schluckereien in der Tüte zurück Endlich standen wir vor dem gefürchteten Eingang. Hochleistungssport! Ich packte meinen Hund am Halsband und trug ihn halb durch die Luft ins Innere der Praxis. Uff, drin waren wir!! Groggy von dem ganzen Zirkus schloss ich schleunigst die Tür hinter ihm.
Angekommen. In der Höhle des Löwen.

Galgenfrist

Leider waren wir nicht die Einzigen, die den Tierarzt in Anspruch nahmen. Das Wartezimmer platzte aus allen Nähten. Mir kam der passende Gedanke: Theaterstück – 2.Akt! Da ich ja nicht voraussehen konnte, auf welches Gegenüber mein Hund hinter der Türe stieße, nahm ich lieber die Leine ganz kurz. Denn mit fremden Rüden hätte es auf diesem engen Raume vielleicht Schwierigkeiten gegeben. Welch ein Glück! Da saßen, um die Wette zitternd, nur kleinere Ausgaben, so etwa von Dackelhöhe. Die wagten es hier sowieso nicht, sich aufzuspielen. Sie hatten genug mit ihrer eigenen Angst zu kämpfen. Die Gesichter mancher zugehörigen Besitzer sprachen ebenfalls Bände. Denn nicht alle vierbeinigen Patienten waren nur einer Impfung wegen erschienen wie mein Mato.
Alle anwesenden Herrchen und Frauchen versuchten gleich mir, gelassen zu bleiben und diese Stimmung auf ihre Tiere zu übertragen. Doch die kleinen oder auch etwas größeren Patienten rochen gegenseitig ihre Furcht, weswegen unsere menschlichen Bemühungen zu keinem Erfolg führten.Vergebliche Liebesmühe! Darin waren sich in einem solchen Raum alle tierischen Wesen, ob Vogel, Maus, Kaninchen, Katze oder Klein-Hund bzw.Groß-Hund erstaunlich einig. Ja, beim Tierarzt hielten sie alle zusammen. Aggressionen gegen irgendwelche unsympathischen Artgenossen wurden in den meisten Fällen erfolgreich verdrängt; so nach dem Motto: Wenn das hier alles überstanden wäre, könnte man sich ja gerne vor der verhassten Praxistür ein wenig raufen!
Als anständiger Hund z.B. fiepste man kräftig die ganze Zeit vor sich hin, versteckte sich, wenn man nicht zu groß ausgefallen war, möglichst weit hinten unter dem Stuhl seines Besitzers. Dort suchte man dann verzweifelt Mauselöcher, in die man hätte verschwinden können. Außerdem bibberte man sich pflichtgemäß fast zu Tode. Eins gestand ich Matochen zu. Er verhielt sich seinen Artgenossen gegenüber sehr solidarisch und schloss sich, was Zittern und Jaulen anging, äußerst willig an. Er hatte absolut kein Interesse an irgendeiner vierbeinigen Auseinandersetzung. Im Gegenteil: Mato wollte da nur schnellstens wieder weg. Die blöde Impfung konnte ihm gerne gestohlen bleiben. Seiner Meinung nach könnte ich mich ja gerne pieksen lassen. Er jedenfalls nicht! In seiner Panik riss Mato an seiner Leine, um sie irgendwie doch noch los zu werden. Er wechselte dabei von einer Stuhlseite zur anderen. Mein Riesenstofftier zählte natürlich wieder einmal zu denjenigen, die am lautesten vor sich hin jaulten und/oder sich bellend die Aufregung von der Seele redeten. Ich beschäftigte mich mit wachsender “Begeisterung” ununterbrochen damit, ihn durch Zureden und Schmusen plus Spenden aus der fast geleerten Tüte einigermaßen im Zaum zu halten. Neben mir trug eine Frau ein Katzenkörbchen auf dem Schoß, aus dem es kläglich miaute. Draußen vertrat Mato stets die Ansicht, diese miauenden Ungeheuer gehörten sofort in den Römertopf. Hier kümmerte ihn das Biest (wie merkwürdig!?) gar nicht. Sie durfte sogar die ganze Zeit miauen. Er hatte mit sich selbst genug zu tun. Uns direkt gegenüber hockte ebenfalls in einem schönen Weidenkorb ein kleiner Hase, dessen Näschen vor Aufregung hin und her zitterte. Mato roch das wohl (Lieblingbeute Nr. 2), doch er hatte momentan wirklich andere Sorgen. Trotzdem achtete ich auf einen gehörigen Abstand. Wusste ich denn, ob der Jagdtrieb trotz seiner Angst nicht doch die Oberhand gewänne? Also besser aufpassen! Als mein Liebling seine vergeblichen Befreiungsversuche deprimiert endlich aufgab, kroch er in höchster Verzweiflung unter meinen Stuhl. Er robbte soweit als möglich mit der Schnute voran zur Wand. Wohl in dem Glauben, da fände ihn kein Tierarzt der ganzen Welt jemals. Doch da täuschte er sich. Ihm war nur ein Teilerfolg vergönnt. Mato war nun ´mal ein relativ großer Hund. So lugte sein Schwanz deutlich sichtbar zwischen meinen Beinen hervor.
Mit der Zeit leerte sich zum Glück das Wartezimmer. Und unser Termin rückte endlich näher!

Ans Messer geliefert

Nach geschlagenen 1 ½ Stunden Wartezeit waren wir endlich an der Reihe. Ein Griff ins Halsband. Nochmals die Schlepperei von vorne. Leckerchen halfen nicht mehr. Ich schleifte Mato einfach über den Boden. Sonst hätte ihn der Behandlungsraum wohl nie zu Gesicht bekommen. Dieses Zimmer kam meinem Hund bekannt vor. Er schielte zu der großen Fensterfront, deren Fenster der Wärme wegen auf Kippe standen. In der irrigen Annahme, er könnte durch die Lücke entfleuchen, machte Hund Männchen und landete mit seinen Vorderpfoten auf der Fensterbank. Ein paar darauf abgelegte Zettel glaubten dran und segelten zu Boden. “Mato! Kommst du da wohl runter. Das geht nicht!” wies ich meinen Hund zurecht. Energisch lotste ich ihn auf den Boden zurück. Gott sei Dank. Die Ärztin trat ein. Mato konnte sie sehr gut leiden. Trotz seiner Panik ließ er sich wohlig von ihr streicheln. Auch die herbei zitierten Hilfskräfte, (irgendwer sollte ihn ja festhalten!), durften das. Im Grunde genommen hatte diese Ärztin vor chowchow-ähnlichen Hunden Respekt. Aber in Bezug auf meinen Hund meinte sie: “Vor Mato habe ich keine Scheu; der ist ja lieb!” Solch ein Kompliment zogen Mato und erst recht ich uns gerne an Land. Ich war sehr stolz auf ihn, wie brav er sich den von mir erbetenen Maulkorb überstreifen ließ; ohne auch nur den geringsten Versuch einer Gegenwehr. Doch meiner eigenen Nervösität wegen landete das Ding dummerweise falsch herum auf seiner Schnute. “Ach entschuldige, Knödelchen,” bekannte ich meinem immer noch gehorsam vor mir sitzenden Tier meinen Fehler. Ein fixer Griff und der Maulkorb saß richtig. Es sollte losgehen. Das blöde Ding auf seiner Schnute fand mein Hund äußerst lästig. Natürlich hatte er sofort mitgekriegt, dass ich es aus zu großer Vorsicht heraus zu locker umgeschnallt hatte. Um ihm ja nicht weh zu tun. Ein paar Male mit der Pfote an der Schnute herumgestrichen, und der Korb hing unter derselben. Bevor Knödelchen aber diesen kleinen Triumph uns gegenüber so richtig auskosten konnte, griff ich nochmals blitzschnell zu und befestigte dieses Ärgernis ein wenig enger. Verflixt, zu dumm für ihn!
Ausgerechnet an diesem Tag wurden fast alle Praxisangestellten vom Bandscheibenvorfall oder zumindest Hexenschuss geplagt. Den hatte ich gerade glücklich überstanden. Die behandelnde Ärztin erzählte mir, sie hätte sich wochenlang mit einem massiven Bandscheibenvorfall herum geplagt. Selbstverständlich wollte sie keinen Rückfall riskieren und deshalb Mato nicht auf den Behandlungstisch heben. Ich aber konnte es auch nicht, denn mein Hund war nicht gerade ein Leichtgewicht. Zusätzlich erschwerte seine panische Strampelei das Ganze. Doch gottlob fand sich eine Assistentin, die von Rückenbeschwerden jeglicher Art verschont geblieben war. Mit geübtem Griff schnappte sie sich meinen Teddy, der dann total unglücklicher Miene wehrlos auf ihrem Arm hing. Wie ein nasser Sack. Der stieß dann so komisch klägliche Laute hervor und versuchte, der Helferin wenigstens mit seinen Pfoten wenigstens der Helferin ein bisschen gegen den Bauch zu treten. Diese Hampelei meines Hundes verunsicherte das junge Mädchen jedoch keineswegs. Ehe er sich´s versah, stand Mato auf dem zu allem Überfluss auch noch wackeligen Tisch. Es war ihm anzusehen: Da fühlte sich mein Hund alles andere als wohl. Die Höhe war ja nicht das Schlimmste. Aber das komische Ding unter ihm verschob sich dauernd seitlich, grauenhaft! Es schien mir so, als ob es meinem Mato fast schwindelte. Diese Bangebuxe ähnelte so gar nicht dem kleinen Macho, mit dem ich von daheim losgezogen war. Innerlich verwandelte der sich erst in eine Maus, dann schrumpfte er doch tatsächlich auf Flohgröße zusammen. Das Stadium einer Mikrobe blieb ihm dummerweise verwehrt. (In der Hundeschule hatte der den entsprechenden Lehrstoff wahrscheinlich ignoriert und sich lieber mit wahrer Begeisterung dem Fach “Fasanenjagd” gewidmet). Das erwies sich jetzt als Nachteil. Doch versuchte er verzweifelt, dieser Freiheitsberaubung durch dreifachen Klammergriff von vorne, seitlich und hinten zu entkommen. Ganz allmählich, Stückchen für Stückchen, rutschte mein Kleiner rückwärts indem er ganz allmählich auf das hintere Ende des Tisches zu rutschte.(Bestimmt hoffte er, das merkte niemand!). Dass dahinter aber keine Balken zum Auffangen parat standen, und er, statt sich vor uns retten zu können, höchstens mit einem Plumps recht unsanft auf dem Boden landen würde, hatte er sich nicht klar machen können. Selbst einem Prinz v. Emsdahl fehlte dazu die nötige Einsicht! Doch die Gefahr des Fallens bestand ja gar nicht. Ich erahnte selbstverständlich seinen Plan und schubste ihn zurück zur Mitte des Tisches. “Nix da, mein Kleiner! Ist doch gleich vorbei. Du bleibst hier oben!” Im Stillen dachte ich: “Meine Güte; dieses Zinnober nur einer Impfung wegen. Das dauert ja länger als der eigentliche Dreiviertelsekundenpieks. Welch ein Schwachsinn!” Das nächste Mal bäte ich darum, ob Mato nach Möglichkeit unten auf dem Boden verarztet werden könnte. Das wäre für alle Beteiligten eine Mordserleichterung, vor allem für meinen kleinen Angsthasen. Doch jetzt hieß es: “Festhalten!”. Denn es näherte sich bereits die böse, böse Spritze. Mato ruckte verzweifelt, ohne Erfolg!. Weinerlich schielte er erst zu mir und dann auf das spitze Ungetüm. Dessen Länge: etwa 7cm. Oh nein, das brannte gleich! Wahrscheinlich hatte er sich vorgenommen, im entscheidenden Augenblick los zu quieken wie ein Schweinchen. Aber die Spritze war schneller, mein Kleiner quiekte kein bisschen und schaute nur sehr überrascht drein. Doch da waren ja meine Hände. Die knuddelten ihn liebevollst ab. Da er sich eines dicken Lobes wegen ausgesprochener Tapferkeit mehr als würdig erwiesen hatte. So, wie ich meinen Racker kannte, nahm er das nach Hundeart alles fein für wahre Münze!
Der Hauptakt lag hinter uns. Bärchen sollte wieder runter. Doch vor dieser erneuten Kraftanstrengung kurz für einen Moment verschnaufen! Wir alle waren klitschnass geschwitzt bis auf die Haut. Ein geübter Griff. Mato landete wiederum auf dem Arm des jungen Mädchens. Völlig kleinlaut, wehrte er sich gar nicht mehr, ließ die Pfoten kraftlos in der Luft baumeln und mit sich alles Weitere frustriert geschehen. “Noch schlimmer würde es doch jetzt hoffentlich nicht mehr werden?” fragten seine Augen bange. Nein, im nächsten Moment spürte er endlich festen Untergrund unter seinen Beinen, wuchs vom Floh über die Maus wieder zu einem Prachtexemplar von Eurasier. Nun erkannte ich ihn auch wieder. Da stand ja tatsächlich mein Hund vor mir und versuchte fix, da die Behandlung beendet war, eine hochnäsige Miene aufzusetzen! Erleichtert ließ er sich vom Maulkorb befreien, (endlich war das lästige Ding weg), von allen streicheln und schnupperte dann prüfend nochmals den Boden ab. Nicht, dass da etwa irgendwo noch eine nachträgliche Gemeinheit auf ihn wartete. Tja nun, so ganz gutgläubig war mein Mato ja nicht. Eher der sehr kritische Typ! Nach dieser gründlichen Überprüfung atmete er auf. Es war anscheinend alles wieder in bester Ordnung. Er lebte noch, und seine vier Beine waren auch noch dran.
Die Ärztin war begeistert von Mato, der trotz seiner Panik soo brav gewesen war. Ja, für meinen Liebling kam selbst in solchen Situationen Knurren oder gar Schnappen keinesfalls in Betracht. Er achtete sozusagen peinlichst auf gutes Benehmen. Er spürte, die wollten ihm alle nur helfen, und ich war ja bei ihm. Doch glaubte die Ärztin, er nähme nach der ausgestandenen Angst trotz anschließenden Lobes sogar im Behandlungszimmer dann gnädigst Leckerchen entgegen, so hatte sie sich getäuscht. So toll war das Ganze nun doch nicht gewesen! Er spielte also sehr routiniert den gequälten, beleidigten Patienten. Selbst “Frolic” futterte er doch hier nicht! Draußen vor der Praxis würde mein Hund mir wegen “ Frolic” fast die Finger abbeißen. Da war ich mir sicher. So etwas nennt man Wiedergeburt eines süßen Machos!
Zum Abschluss seines Besuches beim Tierarzt nahm Matochen noch hoheitsvoll seine Belohnungsmedaille in Empfang. “Tollwut geimpft!” Stand auf dem Orden. Kaum hatten wir dann beim Verlassen der Praxis die Eingangstür hinter uns zufallen lassen, setzte sich Knödelchen mit Bettelblick vor mich hin, so richtig a` la Dackel, hob seine Pfote und forderte mit einem eher kecken “Wuwuuh-Wau!” sein “Frolic”! Frau Dr. D. schaute zu und lachte sich kaputt. Das erlebte sie auch nicht jeden Tag.
Bis wir zu hause an kamen, war Mato wieder ganz der Alte und hatte dann nichts Besseres zu tun, als seinem Quinny die Ohren voll zu bellen. Um sich die Restaufregung von der Hundeseele zu reden. Er war in seinem eigenen Reich und hatte wieder Oberwasser.


Krankenpfleger


Anders als meine beiden Rüden war Fee dauernd krank. In gesunden Tagen zog dieser Pechvogel sich dann (es wäre auch zu schön gewesen, wenn nicht...!) regelmäßig Verletzungen zu. War sie ausnahmsweise einmal gesund, zog sie sich mit Sicherheit Verletzungen zu. Meistens Schnittwunden durch irgendwelche Splitter. Sie war eben ein typischer Elefant im Porzellanladen und ließ keine Gelegenheit aus, in etwas Scharfes zu treten. Oft war ich der Verzweiflung nahe. Sechs Jahre alt geworden, steckte sie sich in einer Pfütze mit einem Erreger an, der nie genau diagnostiziert werden konnte. Ihre Krallen lösten sich nacheinander und fielen ab. An den Wundstellen strich ich entsprechende Salben auf. Sehr häufig hatte sie voluminöse Schutzverbände zu tragen. Die Verbände anzulegen, war manchmal recht kompliziert. Deshalb nahm ich es lieber in Kauf, alle paar Tage wegen des notwendigen Verbandwechsels zum Tierarzt zu fahren. Über die oft voluminösen Binden zog ich bei Regenwetter zusätzlich ausrangierte Kinderstrümpfe sowie Gefrierbeutel. Die Wundstellen durften keinesfalls feucht werden. Einmal hatte ich sie in die Klinik gebracht, weil eine der Krallen sich nicht von selbst gelöst hatte. Sie sollte mit einem kleinen Eingriff entfernt werden. Nachmittags erlebte ich einen Schock. Der Arzt eröffnete mir, dass nicht nur die eine, sondern ebenfalls die neun restlichen Krallen hatten gezogen werden müssen. Als ich Fee abholte, waren ihre Beine in den riesigen Verbänden kaum noch auszumachen. Meine Töchter daheim guckten entsetzt, als sie ihre vierbeinige Freundin so wiedersahen. Mato und auch Quinny merkten sofort, dass es ihrer Freundin schlecht ging. Sie sahen mich hilflos an. Es war rührend zu beobachten, wie behutsam Mato an ihr schnupperte, um sie zu trösten. Immer wieder schaute er mich flehend an: “Hilf ihr doch, bitte!” “Ihr fehlt nichts Schlimmes!” versuchte ich meinen Tieren zu erklären. Die verstanden das natürlich nicht, aber ich hatte mich durch diese Worte selbst etwas beruhigt und blieb gelassener. Meine beiden Hundejungen wetteiferten miteinander, ihr Weibchen zu liebkosen; mit Nasenküsschen noch und noch. Sie legten sich dicht zu ihr; auch mein Mato, der sonst immer gerne Abstand hielt. Sein Blick sagte deutlichst: “Frauchen, du wenigstens musst doch Rat wissen!” Doch was diese komische Pfotengeschichte betraf, war auch ich machtlos. Fee durchlitt dieser periodisch wiederkehrenden Krankheit schlimme Schmerzen. Mato und Quinny litten mit. Süße Kameraden!


Westerwald

Ferienhaus

Wie schön! Voraussichtlich könnte Feechen für die Dauer eines halben Jahres ihr Leben wieder genießen. Zum x-ten Male war die Pfotenerkrankung zum Stillstand gekommen. Mein damaliger Freund Otmar und ich nutzten diese Zeit, um mit meinen drei Vierbeinern ein Wochenende in einem gemieteten Ferienhaus des Westerwaldtreffs bei Oberlahr zu verbringen. Das Haus stand auf einem riesigen, wunderschönen Grundstück mit einigen Tannen. Auch das Haus selbst war für einen Urlaub mit Tieren ideal. Ein sehr großer, zweigeteilter Wohnraum; in der einen Hälfte Küchenzeile mit Esstisch, in der anderen eine durch eine bodenlange Portiere abgeteilte Schlafecke. Vor der Fensterfront zum Garten stand noch eine größere Sitzgarnitur. Der Mittelpunkt des Zimmers aber war ein gemauerter offener Kamin: Genau mittig vor die beiden Fensterfronten platziert, sorgte er abends für eine ausgesprochen anheimelnde Atmosphäre. Mit Decken baute ich meinen Vierbeinern ein eigenes Schlafzimmer. Mato als Rudelführer hätte dieses Komfortbett am liebsten für sich ganz alleine genutzt. Doch da waren ja noch seine beiden Kumpanen. Ich wies ihn zurecht. Die anderen Beiden hatten gleiche Rechte. Gezwungenermaßen teilte er sich dann dieses schöne Lager mit Fee. Zufrieden stellte Mato fest, dass er von dort aus prima die “Küche” unter Aufsicht hatte. Quinny legte keinen gesteigerten Wert auf das große “französische” Bett. Er wollte seine Schlafstatt unter dem Esstisch eingerichtet wissen. Darunter schlief er wie in einer Höhle. Es war fast so gemütlich wie daheim unter meinem Schreibtisch. Mit einem Dach über dem Kopf. Außerdem konnte er sich dort bei Zwistigkeiten mit seinen doch viel größeren Kameraden bestens in Sicherheit bringen. Manchmal war es ein Vorteil, klein zu sein!

Tischsitten

Meine Drei erinnerten sich der Gepflogenheiten von daheim und leisteten uns mit vielen flehenden Blicken während des Frühstücks Gesellschaft. Es gehörte sich so, dass Zweibeiner ihr Frühstück keinesfalls selber aßen. Höchstens einen Teil! Dackelblick hoch drei brachte eine Menge mehr als Betteln mit nur zwei Kulleraugen. Meine Tiere darbten wirklich nicht! Otmar verwöhnte seine vierbeinigen Freunde auf noch verrücktere Art als ich. Die bekamen doch tatsächlich echten Lachs! Für Hundemägen ist solche Ernährung nicht so toll (viel zu fett!). Darum versuchte ich diese Leckerei von Speiseplan zu verbannen. Doch ich hatte die Rechnung ohne die Wirte gemacht. Mein zweibeiniger plus meine vierbeinigen Kameraden verbündeten sich gegen mich. Ich bekam schlimme Vorwürfe und klagende Hundelaute zu hören. Natürlich setzten die Drei bzw. Vier sich durch. Mit: “Dann verderbt euch doch den Magen! Von mir kriegt ihr aber hinterher keine Kompensan-Tabletten!” gab ich klein bei. Jeden Morgen gab es ein Stückchen Lachs. Den Magen verdarben sie sich dann an ganz anderen Dingen!

Schlafgewohnheiten

Für die Nacht stellte ich im Ferienhaus für meine Tiere strenge Regeln auf. Meinem Knödelchen machte ich als Erstes klar: Die Schlafecke hinter der Portiere bliebe ausschließlich uns Zweibeinern vorbehalten. Vierbeiner hätten dort absolut nichts verloren. Daraufhin beratschlagten meine Tiere, wie sich dieses Verbot eventuell umgehen ließe. Vor allem Fee war schwer beleidigt. Denn zu Hause schlief sie ja auch jede Nacht auf meinem Bett. Wieso dann hier nicht?
Absolut nicht mit dieser meiner Vorschrift einverstanden, entschied sie, dass es trotzdem auf jeden Fall einen Versuch wert wäre, gegen diese Vorschrift zu protestieren. Also hopste sie auf ein als zusätzliche Sperre quer ans Fußende des Bettes gestelltes Sofa und sprang mit einem besonders knuffig-lieben Blick in meine Richtung auf unsere Schlafstätte. Pech, Otmar kam hinzu, sah und siegte! Denn: Fee war einfach an meinem Bauch zusammen gekringelt liegen geblieben. Sie dachte nicht im Traum daran, auf den kleinen Triumph, uns ausgetrickst zu haben, zu verzichten und ihn nicht wenigstens noch für ein paar Minuten auszukosten. Doch: Nicht nur wir Menschen können uns irren. Auch Hunde. Fee nämlich sah sich am Nackenfell gepackt und mit sanfter Gewalt, aber dennoch ohne Verbleibchance vom Bett verbannt. Ein wenig Schimpfe gab es obendrein plus der Aufforderung, sich gefälligst schleunigst zu Mato auf die große Decke zu verkrümeln. Na, der Versuch war ja wohl schiefgegangen!
Aber Hunde mit den Namen Mato, Quinny, Fee gaben nicht so schnell auf. Am nächsten Morgen übernahm Mato das Kommando bei einem ähnlich gearteten Manöver. Ihrer Meinung nach hatte Otmar ihnen gar nichts vorzuschreiben. Schließlich war nicht er ihr Frauchen, sondern ich. Und mich konnte er bestimmt irgendwie erweichen. Das hatten ihn seine gesammelten Erfahrungen aus unserer gemeinsamen Vergangenheit gelehrt. Also standen meine drei Racker pünktlich um halb acht vor dem Sofa. Als ich mich rührte, juchzte Mato laut vor Freude. Quinny guckte selig mit großen Kulleraugen, und Fee spielte Eule (Kopfschieflegen bis zu 130 Grad war ihre Spezialität). Dann erinnerte sich Mato seines Planes. So rasch, wie er die Lücke zwischen Sofa und Bett nutzte, um durch zu flutschen, konnten wir, seine geliebten Zweibeiner, gar nicht reagieren. Wir guckten nur völlig verdutzt aus der Wäsche. “Häh? Ähem!” Ob dieses pfiffigen Einfalls stand mein Hund eine Sekunde lang stolz vor meinem Bett. Dann zog er es vorsichtshalber vor, drunter zu kriechen. Seiner Meinung nach sah man dann nichts mehr von ihm. Wir würden gar nicht registrieren, dass da ein gewisses Wollknäuel Platz genommen hatte, das der Ordnung und des lieben Knigges wegen da eigentlich nichts zu suchen hatte. Mato war aber eine sehr große Ausgabe Hund! Seitlich des Bettes lugte sein Schwanz in seiner ganzen Pracht gut sichtbar hervor. Zu drollig: Empörtes Schimpfen war nicht drin! Stattdessen: “Hallo, Matochen!” Sofort wedelte dieser Schwanz heftig hin und her. Denn: Jetzt schenkte ich ihm und nicht dem Otmar meine Aufmerksamkeit. Ätsch! Da mir klar war, dass Mato diese Aktion auch aus leichter Eifersucht heraus gestartet hatte, redete ich betont zärtlich mit ihm. Mein Hund sollte annehmen, dass er das für mich wichtigere männliche Wesen war. Sonst hätte es nämlich vielleicht auch ´mal brenzlig werden können. Wegen meines zärtlichen Tones ihm gegenüber wackelte aber sein Schwanz nur wie verrückt ohne Unterlass durch die Luft. Eine einzige Liebeserklärung auf vier Beinen! Er freute sich eben, triumphierte Otmar gegenüber, und freute sich ohne Ende. “Süß?” fragte ich selig meinen Freund. Diese Frage war völlig überflüssig. Der guckte den Propeller da unterm Bett genauso verklärt an wie ich. Aha: Ich hatte zweifelsohne in meinem von Mato zur Verfügung gestelltem Pantöffelchen Gesellschaft bekommen. Dieser Hund wusste eben, wie...!
Fee und Quinny standen weiterhin unschlüssig vor dem Sofa. Augenscheinlich trauten sie sich nicht, es Mato nachzutun. Denn es war ja geschimpft worden! Außerdem wäre es für drei so große Vierbeiner unterm Bett so gemütlich geworden wie in einer Sardinenbüchse. Diese letzte Überlegung stammte allerdings von mir. Meine Vierbeiner verwarfen natürlich der Schelte wegen ihren ach so schönen Plan!

Wanderung

Da wir nicht vorhatten, den lieben langen Tag im Bett zu verbringen, fischte ich meinen Hund unter demselben hervor. Das fand Mato gar nicht so toll: “Nur, wenn du auch aufstehst!” gab er mir zu verstehen. Ich gehorchte aufs Wort. Da wir uns eine besonders lange Tour mit den Vierbeinern vorgenommen hatten, war es so und so anzuraten, möglichst früh aufzubrechen. Tags zuvor hatte es wie aus Eimern geschüttet. Also würden wir auf unserer Waldtour tunlichst Regenstiefel tragen. Nur ein paar Meter vom Haus entfernt führten die Wege in das weit ausgedehnte Waldgebiet. Die Vierbeiner schnupperten selig die klare und mordsmäßig interessante Waldluft. Hach, wie herrlich! Herrlich war auch das Temperament, das Quinny zeigte. Knutschiboy wollte anscheinend unbedingt seine tolle Kondition beweisen. Es ging bergan. Der Weg verwandelte sich immer mehr in eine tiefe Schlammspur, durch die mein kleiner Hund putzmunter Stunde um Stunde stapfte, ohne auch nur die geringsten Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Ja, stapfte, denn der Dreck stand für seine doch kürzeren Beine fast knietief. Ihm egal! Mato genoss ebenfalls diesen Spaziergang. Aber, wir waren im Wald. Wo blieben denn “seine” Häschen? Wäre ein solches Hoppelwesen da aufgetaucht, hätte mein vierbeiniger Freund dem Otmar voller Begeisterung bewiesen, was ein Hund ohne Jagdtrieb so zustande brachte.
Wie angekündigt, erwärmte es sich rasch an diesem Tag. Wir Fünf, zwei zwei- und drei vierbeinige Wesen, gerieten sehr bald ins Schwitzen. Der Spaziergang wurde bei der zunehmenden Hitze zusehends strapaziöser. Mato war nicht der Typ Hochleistungssportler. Ihm machte die anhaltende Kraxelei sichtlich zu schaffen. Fee bemühte sich angestrengt, nicht durch Schlappmachen dem Image Schäferhund zu schaden. Nur Quinnylein behielt sein enormes Renntempo selbst nach Stunden noch bei. Mato schien sich zu fragen, ob sein kleiner Untertan wohlmöglich gar kein normaler Hund war. Auch ich dachte: “Wie kann er nur nach vier Stunden Wanderung ohne Pause bei der Hitze noch immer in solch einem Tempo flitzen?”Ich kam zu dem Ergebnis: “Der ist ´ne Mischung aus Düsenjet plus Wüstenrennmaus mit ´nem bisschen Alarmanlage dran!” So wie ich das einschätzte, hätte mein ältester Wauwau mir da sofort zugestimmt. Mato keuchte vor sich hin, betrachtete kritisch seinen kleinen Freund Quinny. Sein Augenausdruck sprach Bände: “Uff! Wird der eigentlich nie müde? Puh, ich kann bald nicht mehr! Quinny nennt garantiert einen eineiigen Zwillingsbruder sein Eigen. Und der vertritt ihn etappenweise auf dieser Marathontour.“ Und, dann total deprimiert: „Hilfe, der hat ja eine Kondition, ausreichend für vier weitere Artgenossen!” Beim Anblick seines kleinen dahin rasenden Freundes hätte der Gedanke an einen möglichen Quinny-Zwillingsbruder Matos angeknackstes Selbstbewusstsein etwas heben können. Doch noch blieben solch komplizierteren Überlegungen uns Menschen vorbehalten. Armer Mato. Er tat mir richtig leid! Mein Hund schleppte sich sichtlich mit letzter Kraft dahin. Trotzdem, er als Rudelführer hatte sich am Riemen zu reißen und konnte unmöglich eher aufgeben als sein kleiner, kreger Quinny.
Die letzten hundert Meter zum Haus liefen vier Wesen wie in Trance. Das fünfte war nicht kaputt zu kriegen und raste weiterhin in einem Affentempo voran. Zu den vier ausrangierten Spaziergängern zählten natürlich auch Otmar und ich. Beruhigt sah ich, dass meine Beine noch an derselben Stelle saßen. Ich fühlte sie nämlich nicht mehr. So groggy! Fee schien ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken: “Lieber Gott, du liebst auch uns Tiere. Bitte, lass uns gleich da sein!” Mato übte sich offensichtlich in Selbsthypnose: “Du machst nicht schlapp, die müssen dich nicht tragen, du bist noch ganz frisch...!” So erreichte er, eine Pfote vor die andere schiebend, endlich die Haustür. Ich glaube, selten nur waren Lebewesen dermaßen glücklich beim Anblick eines solchen Bauelementes. Kaum drinnen, rasten meine Hunde zum Wassernapf und leerten ihn binnen Sekunden. Dann hörten wir einen beachtenswert lauten Plumps. Mato knallte sich einfach auf den Teppich und entschwand ins Traumland des Südens. Fee sah das, entschied, dass das eine überaus kluge und zudem die einzige noch im Rahmen des Möglichen umsetzbare Idee wäre und legte sich aufseufzend zur Ruhe. Flugs war sie eingeschlafen. Damit waren zwei meiner Tiere bestens aufgehoben. Aber da war ja noch das dritte Adoptivkind – ja, ja!
Das war leider aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Das wunderte sich sichtlich, was seine beiden Kameraden denn eigentlich wohl hatten. Es war ja nicht zu fassen! Die würde er wieder auf Vordermann bringen! Kritisch betrachtete er erst Mato und dann seine Freundin. Hm, das wäre aussichtslos! Die waren ja total hinüber! Aber, da saßen doch noch Otmar und ich. Mal gucken! Natürlich hatte er registriert, dass wenigstens wir noch nicht eingeschlafen waren. Der hatte sich ganz offensichtlich vorgenommen, das auch tunlichst zu verhindern. Fix holte er sein Lieblingsspielzeug, schmalzte mich aus großen Bettelaugen an. “Quinnylein – soll das jetzt ein Witz sein? Nee, Frauchen ist k.o.!” Und da der auf meine Absage hin drollig flehend zu Otmar geschielt hatte: “Der übrigens auch!” Quinnys fröhlicher Augenausdruck verschwand und machte einem todtraurigen Dackelblick Platz, mit dem er aber bei uns auch nichts mehr ausrichtete. Wir Zweibeiner waren ebenfalls fertig mit der Welt! Quinny sah das endlich ein, legte sich seufzend hin und entschloss sich zu einem Höflichkeitsnickerchen. Wenn der geahnt hätte, wie dankbar ich ihm dafür war! Auch wir streckten unsere Beine aus und verdösten den restlichen Nachmittag.

Von Kühen und Bullen

Wohnt man wie ich am Stadtrand, hat man die Chance, Kühe sogar nicht nur als Rindersteaks, sondern in lebendigem Zustand zu erleben. Der Bauer in Hellerhof hielt mehrere von ihnen. Sie gehörten noch zu denen, die eine schöne große, sogar mit Bäumen bewachsene Weide ihr Eigen nannten. Dort grasten sie friedlich und unterzogen vorbeigehende Spaziergänger neugierig einer optischen Prüfung. Meistens bestanden wir Zweibeiner den Test mit einer annehmbaren Note. Wir wurden als freundliche Wesen angesehen. In Hellerhof hatten die Kühe noch eine solch hohe Meinung von uns Menschen! - Doch auch anderswo kennt man diese Tierart. So auch im Westerwald. Allerdings hielten da die Bauern wohl nicht soviel von den Weibern auf vier Beinen, sondern hatten sich auf deren männliche Artgenossen spezialisiert, die Bullen. Das bot sich auch an. In dieser waldreichen Gegend gab es viele einsam gelegenen Weiden, auf denen sich diese Tierchen dann durch den lieben Tag hindurch langweilten. Nicht nur in der Tierwelt sind Männer manchmal gefährlicher als Frauen. (Nein, in der Menschenwelt ist Ähnliches zu beobachten!). Also, die Mehrheit der Menschen ist von der Gefährlichkeit der männlichen Rindviecher überzeugt. Auch ich hing mit mulmigem Gefühl dieser Auffassung der Allgemeinheit an. Waren diese Tiere gereizt, wurden sie sehr aggressiv.
Diese Bullen waren ausgesprochene Machos. Von sich sehr überzeugt und mit hochmütigem Blick für alle anderen Lebewesen. Bald sollte ich ein Machotreffen sehr ungleicher Art miterleben. Eine Frau wie ich erwischte immer Machos. Mein süßer Mato war der beste Beweis dafür. Er gab sich allerdings nicht damit zufrieden, als “normaler” Macho durch die Welt zu laufen, sondern bevorzugte die interessantere Kombination “Machopascha”. Zum Glück einer der extrem sanften Sorte! Was resultiert eigentlich aus der Begegnung zweier Machos? Schwere Frage? Nein, da gibt es nur die eine richtige Schlussfolgerung. Voller Selbstwertüberschätzung blähen sie sich voreinander auf wie Pfaue. Der echte Macho gibt vor, diese Charakterisierung noch nicht einmal zu kennen. Genau dadurch ist er als der Macho der Güteklasse1 zu entlarven! (Klassifizierung wie bei Eiern!).
Eine ziemlich lange, umständliche Vorrede zu folgendem kleinen Abenteuer!
Wieder einmal wanderten wir mit den Tieren durch Berg und Tal. Um uns herum herrschte inzwischen Stille und Einsamkeit. Nur vereinzelt hörten wir entfernt Vögel zwitschern. Ansonsten rührte sich außer unserer eigenen fünfköpfigen Mannschaft überhaupt nichts. Das waren die bestgeeigneten Gebiete für die sog. Bullenweiden. Schön abgelegen, damit der menschliche Bestand bei aufkeimender Aggression dieser Tiere nicht zu gravierend dezimiert wurde. Nichtsahnend zogen wir fröhlich unseres Weges. Zu unbefangen, wie wir dann sehr rasch einsehen mussten. Nach einer Linkskurve verbreiterte sich unser Pfad stark bis hin zu einer weiten Lichtung. Und da sahen wir es! Ich nahm einen dünnen gespannten Draht wahr, der uns augenscheinlich von einer großen Weide trennen sollte. Der war aber nur in höchstens 50 cm Höhe angebracht. Mich beschlich ein äußerst mulmiges Gefühl in der Magengegend; so richtig dort, wo solche Gefühle gerne auftreten. Prompt fing mein Magen schon vorsichtshalber an zu rumoren. Denn hinter diesem entzückendem Draht standen vier noch viel entzückendere riesige Bullen, die uns auffallend aufmerksam beäugten. Die waren mit Sicherheit etwas sauer, in ihrer Idylle gestört zu werden. Wir beiden Menschen waren ja noch klug genug, uns möglichst still zu verhalten. Diese Tiere wollten wir lieber nicht aufregen! Doch ich hatte meine vierbeinigen Freunde bei mir. Nicht ganz so klug und nicht ganz so vorausschauend denkend wie wir! Daraus resultierte dann, dass Mato nicht etwa schüchtern seine Klappe hielt, sondern bei deren Anblick empört los bellte. Im Grunde genommen bestimmt aus Angst, aber das liess man als richtiger Macho ja tunlichst nicht durchblicken. Gottlob stand er ja nicht mutterseelenallein diesen Winzlingen gegenüber, sondern wusste seine Leittiere und auch noch seine vierbeinigen Kumpane um sich. Also meckerte er munter vor sich hin, eifrigst von Fee und Quinny unterstützt. In der Erinnerung an dieses Abenteuer denke ich, Quinny machte sich in diesen Minuten eher vor Angst in das nicht vorhandene Höschen. Aber er spielte selbstverständlich den tapferen Mann auf vier Beinen. Auch Fee beteiligte sich emsig an der Bellerei: Sie war Schäferhündin und hatte uns in dieser brenzligen Lage zu beschützen. Egal, wie es ihr dabei zumute war. Die Drei machten einen Höllenlärm, der nicht gerade zur Beruhigung ihrer Zweibeiner und erst recht nicht zur Besänftigung der mittlerweile arg nervösen Bullen führte. Das jedes sensibel veranlagte Lebewesen auf die Palme treibende Gebell ging auch den Bullen mächtig auf den Keks. Stellen Sie sich das Orchester aus der Alarmanlage Quinny, dem wild gewordenem Handfeger Fee und deren wutschnaubendem Rudelführer Mato vor. Oder ersparen Sie sich das besser. Ich kenne Ihr Nervenkostüm ja nicht! Das der Bullen kannte ich übrigens ebenfalls nicht! Doch allzu gute Nerven behielten die garantiert nicht mehr allzu lange. Ich herrschte Mato und Kumpanen energisch an: “Um Himmelswillen, haltet endlich die Schnauze! Was glaubt ihr, wenn die da in Rage geraten. Dann sehen wir hier aber alt aus. Still, verdammt noch ´mal!” Diese Brüllerei hätte ich mir sparen können. Mato war außer sich. Der ließ sich in jener Situation nicht mehr beeinflussen. Zumal er meine wachsende Angst mehr als deutlich spürte. Selbstverständlich würde doch ausgerechnet mein vierbeiniger Bodygard sich da nicht beruhigen lassen!
Doch nicht nur ich empfand Panik. Otmars Nasenspitze sah farblich irgendwie verändert aus, nämlich eher weißlich. Trotzdem versuchte er noch, mir meine Angst auszureden, vergebens! Eines der Tiere hinter dem Zaun, wahrscheinlich der Oberbulle, geriet wegen der unverschämten Anmacherei durch Mato arg in Wut. Besonders sauer, da das auch noch in seinem eigenen Revier passierte! Dieses in seinem Zorn ach so sympathische Kerlchen hatte sich anscheinend zum Rachefeldzug entschlossen. Er scharrte mit den Hufen, senkte den mächtigen Kopf und brachte seine Freunde, die auch Bullen hießen, dadurch ebenfalls auf Trab. Das hieß für uns: Wir hatten hilflos zuzusehen, wie die lieben Tiere langsam, aber sicher sich stetig dem Grenzdraht näherten. “Ach, du Scheiße!” Zu unserer Sicherheit sollten wir schleunigst den Rückzug antreten. So, wie die aus sahen, brächten sie es mit Leichtigkeit, ihr Zäunchen zu überspringen. Und dann viel Spaß! Meine Vierbeiner führten sich auf wie die Irren. Mato legte sich in seine Leine und gebärdete sich so, als ob er tatsächlich der Meinung wäre, gegen diese Fleischkolosse etwas ausrichten zu können. Hätte ich ihn nicht krampfhaft festgehalten, wäre Knödelchen in seiner Wut so dämlich gewesen, über den Zaun zu hechten und einen der Bullen ins Bein zu beißen. Dann hätte er sich aber sehr gewundert. Diese Tiere besaßen unheimliche Kräfte. Bei Gefahr traten sie sehr gerne auf allem, was sich ihnen in den Weg stellte, mit geballter Wucht herum. Mato wäre dann auf deren Weide als Pfannkuchen geendet. Damit mein Hund nicht uns allen durch sein wahnsinniges Benehmen zu einem solchen Outfit verhalf, kamen Otmar und ich überein, schnellstens mit unseren Wüterichen das Weite zu suchen. Mittlerweile war auch er in Panik geraten, denn die Bullen hatten eine schnellere Gangart angeschlagen. Vor unserem geistigen Auge sahen wir sie schon über den Zaun hopsen. Deshalb rafften wir die Hundeleinen noch kürzer als ohnehin schon und rannten in Richtung des sichereren Waldes um unser Leben, ohne uns nochmals zu den Ungetümen umzudrehen. Wir bildeten uns doch wahrlich ein, sie kämen hinterher. Erst, als wir am Waldesrand eine Sekunde verschnauften, warf ich einen ängstlichen Blick zurück und konnte erleichtert feststellen, dass sie vor ihrem wahrscheinlich elektrisch geladenem Draht offensichtlich Respekt hatten. Sie standen zwar dicht davor, hatten aber zu unserem Glück das Drüberspringen nicht gewagt! Da wir uns nun in Sicherheit wussten, galt es dann, die aufgebrachten Hunde zu beruhigen. Mato als echter Macho wollte verständlicherweise nicht so schnell zugeben, dass er bei dieser Auseinandersetzung den Kürzeren gezogen hatte. Also schickte er aus sicherer Entfernung dem Leitbullen noch ein wütendes “Wau” rüber. So, wie das sich anhörte, hieß das: “Scheißkerl!” Von drüben kam ein besonders liebevolles Gebrumm. Das bedeutete: “Dreckskerl!” Nach diesem überaus freundlichen Abschied voneinander wurde Mato endlich friedlich. Das wirkte sich sofort positiv auf Fee und Quinny aus, die wahrscheinlich heilsfroh waren, mit dem Leben davongekommen zu sein.
Nie während unseres Urlaubs kehrten wir so froh wie an diesem Tage in unser Ferienhaus zurück. Besser, wir mieden in Zukunft mit den Vierbeinern dermaßen einsame Bergpfade! Es reichte uns!

Hühnerhof

Mato liebte Federvieh. Vor allem Fasane! Leider waren die nicht überall zu finden. So gab er sich notgedrungen mit Hühnern zufrieden. Die hatten ja auch Federn! In seiner Nase avancierten sie dann zu “ Ersatzfasanen”.
Wir planten die Heimfahrt. Zwei Hunde und auch die Koffer waren schon im Auto untergebracht. Nur Mato fehlte noch. Beim Abschiednehmen vom Westerwald lauschten wir Zweibeiner und erst recht interessiert die Vierbeiner dem lauten Gegacker von einer in der Nähe gelegenen Hühnerwiese. Zwischenzeitlich war auch Gänsegeschnatter auszumachen. Das weckte Matos Neugierde. Zu blöd, dass es gerade jetzt gen Heimat gehen sollte. Mein Hund sträubte sich, ins Auto zu springen. Das Gekrächze klang viel zu anregend. Nein, der wollte noch nicht, nicht bei diesen lockenden Vogellauten! Anstatt sich brav in den Wagen zu setzen, ruckte er rückwärts, streifte sich dabei erfolgreich das Halsband ab und düste fröhlichst zum Hühnerhof. Entsetzt sah ich auf die leere Leine in meiner Hand. Was sollte ich denn bloß machen? Dummerweise kannte ich den Weg zum Federvieh nur so vage. Den Gedanken, Mato könnte vielleicht nach dem Besuch dort hier in der Fremde endgültig davonlaufen, verdrängte ich schnell. Er kannte sich hier natürlich überhaupt nicht aus, und ich hätte Knödelchen nie wiedergesehen. Nicht daran denken!
Zum Glück vom Hundefraucheninstinkt sicher geleitet, spurtete ich in der richtigen Richtung zum Federvieh. Erleichtert ertappte ich dort meinen Hund, wie er sich gerade etwas näher mit diesen Tierchen beschäftigte. Ich rief den Schlingel zu mir, der doch tatsächlich sofort mit Unschuldsmiene auf mich zukam. Sogar gegen “Anleinen” wandte er, wie komisch(!), nichts ein. Da ein solcher Gehorsam untypisch für meinen Liebling war, dachte ich mir im Stillen: “Hat der etwa Bekanntschaft mit einem der überaus zärtlich zu pickenden Schnäbelchen gemacht?” Eigentlich völlig egal; Hauptsache, ich hatte ihn zurück! Brav hopste er dann ins Auto, und wir starteten. Ein paar Minuten brauchte ich aber doch, um mich von dem Schrecken zu erholen. Es war ja noch einmal gut ausgegangen!
Zuhause begrüßten die Hunde als Erstes mit ohrenbetäubendem Lärm ihre Ersatzgeschwister. Fee brachte meine Tochter Tina fast um vor Freude. Endlich, endlich hatte sie ihre so lang entbehrte Freundin wieder! Zufrieden fanden die Drei ihre Körbchen noch am alten Platz, kringelten sich jeder in seinem eigenen Bett zusammen und schliefen dem gewohnten Alltag entgegen.


Wettergespenster


Gespenster zu sehen, war wohl mehr der menschlichen Phantasie vorbehalten. Vierbeiner brauchten sich damit nicht auch noch herum zu plagen. Schließlich bot solch ein Hundeleben schon genug Probleme!
Bevor ich Mato mein Eigen nannte, vertrat ich diese Auffassung. Doch, wie ich erfahren sollte, war er in der Hinsicht die absolute Ausnahme auf vier Beinen. Zwar erschien ihm nicht das Gespenst von Canterville, aber - Geister pflegen in verschiedendster Gestalt aufzutreten. Bekanntlich waren die da keinesfalls an eine bestimmte Erscheinungsform gebunden. Genau das machte ihnen ihr Jahrhunderte- bzw. Jahrtausende langes Spuken wahrscheinlich erträglich. Denn sie konnten sich immer wieder anders den zu Tode erschrockenen Menschen präsentieren. Dafür hatten sie aber in Kauf zu nehmen, nur des Nachts von Mitternacht bis 1 Uhr ihr Unwesen treiben zu dürfen. Im Gegensatz zu so manchem menschlichen Nachwuchs, der mit Vorliebe gerne die halbe Nacht das Haus und, besonders einfühlsam, das Elternschlafzimmer unsicher machte. Zum Leidwesen von Papa und Mama verschwanden dann die lieben Kinderchen häufig längst nicht so schnell wieder im eigenen Bett wie die besagten Geister in ihrem Gespensterverlies.




Regenfritze

Nein, Hund machte die Bekanntschaft ganz anders gearteter Gespenster, die ihm aber mindestens ebensoviel Angst einjagten. Eines davon sorgte dafür, dass er nach jedem “Rendevous” patschnass nach Hause kam. Deshalb taufte ich es “Regenfritze”. Die Beiden verabredeten sich meistens bei verhangenem Himmel mit schweren dunklen Wolken. Oder auch ansonsten sehr ungemütlichem Wetter. Sein nasser, von ihm gänzlich ungeliebter Freund tauchte dann urplötzlich auf, begrüßte ihn je nach Wolkenausprägung tröpfelnd oder platschend aufs Herzlichste. Matos Reaktion nach zu urteilen, teilte er dessen übergroße Freude überhaupt nicht. Das war ja wohl eine Unverschämtheit, ohne seine Erlaubnis einfach auf ihn nieder zu regnen und sein armes Fell total zu durchnässen! Mein derart schrecklich gequälter Hund hatte doch danach tatsächlich zitternd vor Kälte eine Zeitlang durch die Gegend zu laufen, bevor er endlich in seinem warmen Zuhause ankam. Mato schaffte es jedoch nicht, mich dahingehend zu beeinflussen, ihm bei der Vermeidung eines solchen Treffens zu helfen. Dabei wäre das so einfach für mich gewesen. Bei solch ungemütlichem Wetter hätte ich nur den Spaziergang mit meiner kleinen Mimose ausfallen lassen zu brauchen. Doch ich gemeines Frauchen spazierte trotz Sauwetters mit meinem Hund einigermaßen gutgelaunt durch die Pfützen. Konnte ich auch, denn mich schützten Regenstiefel. Gut jedoch, dass ich Matos Mimik weitgehendst ignorierte: Allerdings wäre ich trotz dessen Augenausdrucks keinesfalls in einem dieser verrückten Geschäfte gelandet, in denen es angefangen von Trainingsanzügen bis hin zum Frack für Hunde alles gab, was das Herz von allerdings meiner Meinung nach total schwachsinnigen Leuten höher schlagen ließ. Um dort dann wohlmöglich aus schlechtem Gewissen meinem Liebling gegenüber Hunderegenstiefel zu erstehen! Mato hätte mir auch garantiert deswegen kein Lob erteilt, sondern mich am liebsten beim Anblick dieser Dinger direkt ins nächste Irrenhaus verfrachten lassen. Hatte ich denn kein Gefühl dafür, dass dieser Mist die reinste Tierquälerei bedeutete? Auf dermaßen abartige Ideen kam ich zu seinem Glück einfach nicht. Ich war kein entsprechend durchgedrehtes Frauchen. Zum Glück für meine Vierbeiner. So lieb ich sie hatte, aber sie blieben trotzdem Hunde! Trafen mein schwer beleidigter Hund und ich nach einem “nassen” Spaziergang wieder daheim ein, vertrieb ich verantwortungsbewusst die Reste von “Regenfritze”. Und zwar so: Tina flitzte ins Badezimmer, holte ein großes Badetuch. Mit dem wurde Pascha minutenlang abgerubbelt, bis auch wirklich jedes einzelne Haar trocken war. Danach war endlich dieser lästige nasse “Freund” futsch. Und Matos Laune stieg.
Quinny war Regen piepsegal Hautsache, draußen rennen!
Fee war ausgesprochen begeistert vom Regen. Sie liebte Wasser über alles. Mein Hundemädchen juchzte vor Freude in den höchsten Tönen los, sah sie an manchen Tagen, dass Hellerhof zu einem beinahe schwimmenden Stadtteil geworden war. Dann hielt sie nichts mehr im Haus!

Schneeflöckchen

“Regenfritze” und “Schneeflöckchen” waren enge Verwandte. Das stellte Mato eines Tages entsetzt fest. Es war klirrend kalt geworden. Man sah den Atem vor Augen. Der Himmel war grau in grau und verhieß nichts Gutes. Der Kälte wegen gäbe es keinen Regen, sondern Schnee. Für Mato, dem damals sehr jungen Hund, war Schnee noch etwas Unbekanntes. Na, wie reagierte er wohl auf diese Überraschung? Mein Gefühl trog mich nicht. Gegen Mittag roch ich förmlich die Schneeluft. Kurz darauf segelten die ersten feinen Flocken zur Erde. Vereinzelt, sozusagen noch relativ schüchtern. Doch bald bildeten sie eine Armee gleich gearteter weißer Bällchen, wurden kesser, blieben also selbstbewusst liegen, anstatt wie vorher verlegen wieder dahin zu schmelzen. Mato stand verdattert vor der Fensterscheibe und starrte ungläubig nach draußen. Er fragte sich bestimmt: “Was war das denn? So viele neue Bällchen fielen da vom Himmel. Und alle weiß? Hoffentlich erwartete ich nicht nachher von ihm, dass er sie alle der Ordnung im Garten wegen wieder einsammelte!?” Hund stand da und staunte: “Der Bällchensegen fand kein Ende! Komisch: Komisch, die lagen auf dem Boden sogleich ganz still da und kullerten gar nicht umher, wie es sich eigentlich für anständige Bälle gehört hätte!” Garantiert kontrollierte mein Hund nachher während eines Kurzbesuches in seinem Garten, was mit denen los war. So verdattert, wie Mato guckte, amüsierte ich mich königlich über diesen verunsicherten Vierbeiner. Wie der sich wohl nachher im Garten aufführte...?
Nachmittags war es dann soweit: Mato und Kumpanen sollten die weiße Pracht, die mittlerweile alles in eine Märchenlandschaft verwandelt hatte, im Garten ausgiebigst genießen dürfen. Fee und Quinny stürmten nach einer Minute des Zögerns außer Rand und Band in das kalte weiße Zeug, fanden das klasse und freuten sich dann wie toll. Quinny vollführte mehrmals Rollen links- sowie auch rechts herum und tobte mit Fee im köstlichen Matsch. Meine beiden Wildfänge erfanden lustige Spiele. Wer fing mehr von den selbst hoch gewirbelten weißen Flöckchen rechtzeitig wieder auf, bevor diese auf den Boden zurückfallen konnten? Da war ganz eindeutig Quinny der viel geschicktere Hund. Nach jedem geglücktem Versuch steigerte sich seine Begeisterung für dieses weiße Zeug. Schließlich ließ er sich in den Schnee plumpsen und fabrizierte strampelnd tolle Kapriolen. Fee spielte mit meinen Töchtern Schneeballfangen. Allerdings verstand sie nicht, wieso sich die kalten Bällchen beim Zuschnappen einfach auflösten. Mit Wonne ließ sie sich mit Schnee bewerfen. Beide Tiere hatten eine Mordsgaudi!
Wie verhielt sich aber mein ältester Wauwau? Im Garten war der jedenfalls nicht. Nein, dieser Fastpolarhund stand neben mir in der geöffneten Terrassentür und schaute fassungslos dem verrückten Treiben seiner vierbeinigen Freunde zu. Sichtlich zweifelte er an deren Verstand: “Was ist denn mit denen so plötzlich los? Haben die etwa Frauchens Barfach einen heimlichen Besuch abgestattet?” Fragend schaute er mich an. “Matochen, das macht doch Spaß da draußen im Schnee! Geh du doch auch in den Garten. Sieh mal, wie Feechen und Quinnylein sich freuen!” Mit diesen Worten versuchte ich Knödelchen den weißen Spaß schmackhaft zu machen. Umsonst! Er hegte große Zweifel und zog es vor, von der sicheren Türe aus nur zuzusehen. Als ich ihm aber noch weitere Minuten gut zugeredet hatte, startete er doch endlich einen zögerlichen Versuch. Vorsichtig setzte er seine eine Vorderpfote in das weiße Zeug, um sie aber blitzschnell höchst beleidigt wieder ins Warme zu ziehen. Das war ja nicht nur unmöglich kalt, sondern obendrein unverschämt nass! Seine arme Pfote tropfte ja richtig! Mato ähnelte urplötzlich einer extra sauren Zitrone. Anscheinend wütend auf mich, denn schließlich hatte ich ihn zu dieser Miniaktion überredet. An diesem Nachmittag kriegte ich den mit Sicherheit nicht mehr nach draußen! Mato verzog sich ins Wohnzimmer unter den Couchtisch, um ja einem erneuten entsprechenden Vorschlag meinerseits zu entgehen. Seine Einstellung zu jener weißen Patsche stand felsenfest. Da wäre nichts mehr dran zu rütteln: Sollten sich seine beiden vierbeinigen Kameraden doch die Pfoten ”gerne” abfrieren, wenn sie das unbedingt wollten! So, wie ich Knödelchen kannte, übernähme der dafür mit Sicherheit keine Verantwortung!
Die Kaltfront hielt sich auch am nächsten Tag. Der Anblick der schneebedeckten Bäume und Blumen war Balsam für die Seele. Alles wirkte wie verzaubert! Nach den Erfahrungen des vorherigen Tages warteten Fee und Quinny ungeduldig darauf, in den Garten zu dürfen. Freudequietschend rasten die Zwei dann in den Schnee. Sie tobten mit einer fast noch größeren Begeisterung herum als am Vortage. Hach, war das schöön! Auch meine Töchter waren selig. So tobten meine zweibeinigen- und zwei meiner vierbeinigen Kinder stundenlang in dem weißen Matsch. Nicki, Tina und Katja bauten einen Schneemann, dem sie als Nase eine Möhre verpassten. Fee setzte sich natürlich sofort davor und schien zu überlegen, ob sie nicht diese Leckerei klauen sollte. Aber beleidigte Ersatzschwestern fand sie nicht so toll. Die hätten dann bestimmt nicht länger mit ihr so schöne Schneespiele veranstaltet. Also verzichtete sie.
Wer damit rechnete, Mato spielte dann zumindest im Garten Zuschauer: Von wegen! In diesen nassen Spaß kriegten ihn keine zehn Pferde. Doch, als er längere Zeit zugesehen hatte, mit welcher Freude seine vierbeinigen Kameraden mit meinen Kindern sich draußen vergnügten, schmolz sein Trotz etwas dahin. Kaum zu fassen: Hund stolzierte doch tatsächlich, natürlich mit betont hochmütiger Miene, an seinen beiden Kameraden vorbei, setzte sich an einer bevorzugten Stelle in den Schnee. Und ließ sich voll schneien, bis er fast wie ein kleiner Eisbär aussah. Etwa eine halbe Stunde hockte er dort auf einem Fleck. Keiner sollte ihm nachsagen können, er hätte Scheu vor dem weißen Matsch gezeigt!

Gewitter

Schwüle Tage sind für Mensch und Tier gleichermaßen anstrengend. Mit lief der Schweiß. Meine Vierbeiner litten ebenfalls unter der hohen Luftfeuchtigkeit. Zumal sie sich nur durch starkes Hecheln Erleichterung verschaffen konnten. In den Mittagsstunden lagen sie völlig apathisch auf den kühlenden Fliesen im Erdgeschoss. Überlegung: Schade, in meinem Kühlschrank war es zu eng! „Spaziergang“ durfte ich höchstens noch Quinny vorschlagen. Dem war trotz der Hitze die damit verbundene Anstrengung völlig egal. Hauptsache, raus! Fee und vor allen Dingen Mato baten mich dagegen mit einem erbarmungswürdigen Blick um Gnade: “Bitte nicht. Dreh` du allein deine Runde. Wir warten auch brav auf dich!” Damit kamen sie aber bei mir nicht durch. Schließlich mussten die auch ´mal auf´s Klo. Also setzte ich mich durch. Fee resignierte und lief brav mit. Doch für Mato war das der Beweis: Sein Frauchen war wahrscheinlich dem gefürchteten Sonnenstich bereits zum Opfer gefallen. Wie könnte ich sonst bei der schwülen Luft da draußen auf eine so abwegige Idee kommen? Stöhnend erhob Herr Hund sich und ließ sich gottergeben sogar anleinen. Doch klar, was dann folgte. Er stand vor der Haustür, schnupperte kurz und machte alle Anstalten, bedient vom Schnüffelergebnis in Richtung des kühlen Hauses wieder umzukehren. Mir fiel es verdammt schwer, ihn trotz der Schwüle deswegen ordentlich anzuherrschen: “Matochen! Verflixt noch mal! Für mich ist das bei der Hitze auch kein Vergnügen. Also, sei ein lieber Hund und mach mir das Ganze nicht noch schwerer. Komm endlich!” Frustriert setzte er daraufhin brav Pfote vor Pfote. Doch seine Mimik war zum Schreien: “Hund – wann kehren wir bloß wieder um? Ich verkrabbel mich im Keller! Ist ja die reinste Viecherei!!” Sekundenlang schien er sogar an meiner Zuneigung zu zweifeln: “Ein liebendes Frauchen schickt doch bei dieser Hitze nicht ihren Hund vor die Tür, oder ?”
Nach 10 Minuten reichte es ihm endgültig. Es wurde immer drückender. Die Luft war zum Schneiden. Jeder Schritt eine Überwindung! Mato blieb mitten auf dem Wege stehen, streckte seine Schnute nach oben und zeigte mir durch seine ganze Haltung: “Ich will nach Hause. Mich kriegst du keinen Zentimeter weiter in die falsche Richtung!“ Merkte ich denn nicht, dass etwas Unangenehmes und Angsteinflößendes auf uns zukam?”
Der tolle blaue Himmel war inzwischen alles andere als blau. Aus der Quellwolken hatten sich schwer hängende Regenwolken gebildet. Verdächtig: Selbst die Vögel waren selbst verstummt. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass da ein kräftiges Gewitter im Anzug war. Auch lag die dafür typische Stimmung in der Luft. Mato ahnte die drohende Gefahr, dann höchstwahrscheinlich tropfnass zu werden. Und, wie Sie ja wissen, hasste er nichts mehr, als gegen seinen Willen und ohne sein Zutun mit Wasser in Berührung zu kommen. Schon gar nicht von oben und wie aus Eimern! Mato war ja bereits beleidigt, besaß Pfützenwasser die Frechheit, seine hochadligen Pfoten ohne seine ausdrückliche Zustimmung zu benetzen. Verstimmt versuchte er dann, diesen Wasserlachen seitlich auszuweichen und sein armes Bein vor einem solchen Überfall zu schützen. Klappte das nicht, war Herr Hund prombt schwer gekränkt!
Mein vierbeiniger Liebling drängte in den folgenden Minuten vehement auf Umkehr. Ich war einverstanden, denn der Himmel war stellenweise schon fast nachtschwarz. Das gäbe ein heftiges Unwetter! Draussen...bei Gewitter? Nein, lieber nicht! Vor Blitzen hatte ich einen gehörigen Respekt. Schließlich waren sämtliche Wege von Bäumen eingerahmt. Zu oft hatte es Leuten unter denen schon erwischt.
Die Haustür war gerade eben hinter uns ins Schloss gefallen, da krachte es. In letzter Minute waren wir gottlob noch rechtzeitig daheim eingetroffen. Ein Blitz jagte den anderen und ließ das Innere meines Hauses für Sekundenbruchteile gespenstisch hell werden. Jeden Blitz begleitete gewaltiges Donnergrollen. Doch im sicheren Haus kümmerte es Mato herzlich wenig, ob draußen die Welt zu Bruch ginge. Seines Wissens nach dränge dieser riesige, brüllende Hund mit seinen aufblinkenden Augen da draußen ja nicht in sein Revier ein. So war es ihm gleichgültig, was dieses Ungetüm mit dem restlichen Hellerhof anstellte. Nur ihn und sein geliebtes Rudel hatte der gefälligst in Ruhe zu lassen. Da legte Hund allergrößten Wert drauf. Ansonsten konnte der wüten bis zum Gehtnichtmehr!
Während draußen das Unwetter tobte, legte Mato sich drinnen pflichtbewusst vor meine Zimmertür, um vor allem mich, aber auch Fee und seinen Quinny, diese beiden um die Wette zitternden Angsthasen, zu beschützen. Doch war er von der Schwüle total groggy. Da trotz des tosenden Gewitters da draußen die Ruhe selbst, stand er vor Erschöpfung das Bewachen nicht mehr lange durch und schlummerte trotz des unmenschlichen Lärms friedlich ein. Amüsiert beobachtete ich das. So richtig verstand ich es ja nicht, dass ein Lebewesen bei diesem Getöse schlafen konnte. Ausgerechnet mein Hund brachte das fertig. Mato war wirklich ein ungewöhnlicher Kerl!
Dieser Hund träumte friedlich. Das war für mich von beachtenswertem Vorteil. So musste ich mich nur noch um meine beiden Zitterespen Fee und Quinnilein bemühen. “Nur noch” war allerdings eine maßlose Untertreibung! Quinny hopste in totaler Panik auf mein Bett und suchte Schutz bei mir. Er zitterte wirklich wie Espenlaub. Mit Engelszungen versuchte ich, meinen kleinen Smartie zu beruhigen. Er wirkte in seiner Hilflosigkeit besonders süß. Mir wurde ganz weich ums Herz. Sein eines Pfötchen hatte er mir auf meinen Unterarm gelegt, wie um sich noch zusätzlich festzuhalten. Ich streichelte und streichelte mir die Arme lahm. Doch die Panik war zu groß. Er bebte sich halbtot. Da kam mir die Idee, ihm leise den Kaiserwalzer vorzusingen. Wie sehr hatte doch diese sanfte Melodie Mato immer fasziniert und in Stresssituationen auch beruhigt. Eventuell half das ja auch Fee und Quinny. Ich fing an zu trällern. Bis sich aber ein merkbarer Erfolg einstellte, durfte ich meine Stimmbänder eine ganze Zeitlang strapazieren. Doch die Mühe lohnte sich! Quinny entspannte sich. Sein aufgeregtes Hecheln ließ etwas nach. Nach Ende des Gewitters hopste er erleichtert vom Bett und verschwand auf seinen Lieblingsplatz unter diesem. Ich ahnte, was das heißen sollte: “Frauchen, jetzt schalte fix den Fernseher an. Heute kommt: „Tiere suchen ein Zuhause!” Quinny kannte mit Sicherheit mittlerweile alle Tiersendungen wie auch Tatorte auswendig.
Während so mancher Gewitter leistete mir auf meinem Bett ein enorm viel größeres Angstpaket Gesellschaft. Schäferhunde gelten ja als ausgesprochen mutige, tapfere Tiere, die selbst in Gefahrensituationen starke Nerven beweisen. Im Gedanken daran hätte ich fast Fees Abstammung bezweifelt. Dieser Winzling mit seinen 61 cm Schulterhöhe und 34 kg Gewicht landete nämlich beim ersten Donnerschlag mit einem resoluten Satz auf meinem Schoß: “Frauchen, Hiiilfe, ich hab´ eine solche Angst!” Ich, ihr Frauchen, versuchte dann an dem Koloss auf meinem Schoß vorbei durchs Fenster zu schielen, ob die Blitze tatsächlich so heftig waren, dass mein Fledermäuschen mich deshalb platt saß? Das hätte sie übrigens keine große Mühe gekostet. Platt war ich von Natur aus sowieso! Wenn 34 kg fleißig bibbern, wackelt der Untergrund gerne mit. So tat auch mein Bett. Es vibrierte regelrecht. Für mich bedeutete Fees Hilfeschrei: Schmusen, schmusen und nochmals knuddeln! Als sich endlich die Welt draußen wieder beruhigt hatte, war ich dann diejenige, die völlig geschafft von dieser Streichelhöchstleistung erschöpft einschlief. Gottlob wurde es trotzdem noch eine erholsame Restnacht für uns Vier. Meine Tiere schliefen tatsächlich durch bis zum nächsten Morgen um halb sieben Uhr. Dann jedoch kommandierten sie: “Aufwachen, Frauchen!”

Silvester

Manchmal haben Menschen den für Vierbeiner unverständlichen Ehrgeiz, Naturgewalten imitieren zu wollen. Einmal im Jahr schnappten wir Zweibeiner in dieser Hinsicht echt über. Anscheinend reichten uns die grauenhaften Gewitter nicht, die wir doch von Jahr zu Jahr in unterschiedlichsten Versionen genießen durften. Tja, Vierbeiner haben kein Verständnis für den von herausragenden Zweibeinern eingeführten Kalender. Wir dummen Menschen ließen uns nach Kräften von diesem blöden Ding dirigieren. Doch gestanden uns unsere Tiere diesbezüglich mildernde Umstände zu. Denn an manchen Tagen, hatten ihre Besitzer auf diese Blätter geschaut, machte sich urplötzlich eine auffallend fröhliche Stimmung breit Vor allem während der warmen Jahreszeit konnten meine Hunde dieses Phänomen beobachten. Ganz extrem zeigte sich das beim menschlichen Nachwuchs, wenn das Wort “Ferien” fiel. Mato schätzte “Ferien” sehr. Denn dann blieb wenigstens ein Teil seiner Ersatzschwestern auch morgens daheim. Sonst verließen die ja immer extrem früh das Haus, um zu dieser komischen „Schule” zu gehen. Kamen sie mittags zurück, hatten sie meistens schlechte Laune, massenhaft Hausaufgaben und keine Zeit für ihn. Für Hunde jedoch bedeutete es das größte Glück, wenn die menschlichen Rudelmitglieder sich ausgiebigst mit ihnen beschäftigten!
Doch wie sollten Lärm verabscheuende Hunde verstehen, dass ihre Zweibeiner bei dem Wort “Silvester” geradezu ausflippten. Mato hatte nun schon 13 Male dieses Theater ertragen. So sehr positiv davon beeindruckt war er aber nie gewesen. Mitten in der Nacht riss meinen Hund die Knallerei aus den schönsten Träumen. Nicht nur für die Dauer eines Gewitters, sondern gleich für mehrere Stunden. Was sollte denn bloß diese alberne Störung? Und dass ich dann auch noch bereit war, aufzustehen, obwohl doch Schlafenszeit war, konnte ich meinem Vierbeiner natürlich nicht erklären. Er mochte dazu denken: “Wieso zieht sie sich denn vollständig an, ich muss doch gar nicht aufs Klo?” Jedoch blieben diese unausgesprochenen, dafür umso deutlicher im Raume stehenden Fragen unbeantwortet. Doch gottlob musste ich mir zu Silvester des Lärms wegen um Mato keine Sorgen machen. Der war nur knatschig, weil seine Träume gestört wurden. Dafür aber benötigten Fee und Quinny umso mehr Beistand. Sie zitterten vor Angst. Fast noch schlimmer als bei Unwettern. Nur für ein paar wenige Minuten verschwand ich deshalb nach unten, um mit meiner Familie mit dem obligatorischen Schluck Sekt auf das neue Jahr anzustoßen. Vorsichtshalber aber auch wirklich nur einen winzigen Schluck. Ich wurde sonst so komisch munter. Ostentativ marschierte ich nicht wegen des anschließenden Feuerwerkes mit vor die Haustür. Ich hatte vor den abzischenden Raketen viel zu sehr Manschetten. Zudem hielt ich das Ganze auch unabhängig von meiner eigenen Angst für viel zu gefährlich. Ich schaute mir die Farbenpracht lieber durchs sichere Fenster an. Nur ab und zu gesellte ich mich meinem Nachwuchs zuliebe für ein paar Minuten zu ihnen an die Türe. Doch die unmittelbare Nähe der Raketen war für meine Nerven nicht das Wahre.
Nach kürzester Zeit eilte ich zurück zu den Tieren, um dieselbe Pflichtübung zu absolvieren, die ich schon ausführlich (s. das vorige Kapitel “Gewitter!”) beschrieben habe. Nur dauerte diese Übung in der Silvesternacht nicht nur wenige Minuten, sondern zog sich gerne über 1 ½ Stunden hin. Erst dann verglühten nämlich die letzten Raketen am Himmel. Kehrte dann Stille ein, verwandelten sich meine Angsthäschen wieder in Hunde. Wir Vier überließen uns erneut unseren Träumen und schliefen bis zum nächsten Morgen ungestört durch.
Tags darauf ärgerte nicht nur ich mich beim frühen Spaziergang über den weit verteilten Dreck überall. Mato rümpfte empört die seine empfindliche Hundenase. Deswegen...und, weil er den Raketengestank schlichtweg unzumutbar fand. Welche Schweinereien hatten die menschlichen Vorgesetzten da auf allen geliebten Wegen hinterlassen ? So ein schrecklicher Mief!


Trauer auf vier Beinen


Inzwischen war Fee, mein jüngster Hund, bereits acht Jahre alt. Die Pfotenkrankheit hatte sich endgültig verabschiedet. Ich freute mich riesig für mein Tier. Endlich könnte sie ein normales Leben führen. Die Spaziergänge fielen wieder länger aus. Wir tobten wie die Wilden durch Pfützen. Das war eindeutig ihr Lieblingsspiel. Eine regelrechte Sucht! Nach Spielende waren wir beide pitschnass und dreckig von unten bis oben. Fee konnte man nur noch mit zwei Fingerspitzen anfassen. Ein einziges Schlammknäuel!
Doch ein paar Monate später, es ging bereits wieder auf die wärmere Jahreszeit zu, veränderte sich ihr Verhalten. Sie trabte auf unseren Spaziergängen auffallend ruhig neben mir her. Da sie im Haus immer noch wie eine Wilde tobte, schob ich ihr verändertes Verhalten auf ihr Alter. Ich gönnte ihr vermehrt Ruhepausen.
Ende April war dann Ende für meinen Seelenfrieden. Morgens nach dem Spaziergang hatte Fee meine Älteste oben in der Jugendetage begrüßen wollen, es aber nur mit größter Anstrengung geschafft, die Treppe zu steigen. Alarmiert führ ich mit ihr zum Tierarzt. Nach gründlicher Untersuchung die Diagnose: Leberkrebs plus schlimmer Leberentzündung. Ein Keulenschlag aus heiterem Himmel! Sie direkt zum Einschläfern in der Klinik zu lassen, brachte ich nicht übers Herz. Stattdessen nahm ich sie nach Absprache mit dem behandelnden Arzt wieder mit heim, damit wir alle uns in Ruhe auf ihren nahenden Tod einstellen konnten. In dieser schlimmen Situation lernte ich meinen Mato von seiner sensibelsten Seite neu kennen. Einfach zu rührend, wie er versuchte, seine ganz offensichtlich leidende Freundin zu trösten. Der Hund, der sonst immer gerne ein wenig Distanz hielt, strich die ganze Zeit um sie herum, gab Nasenküsschen, schleckte sie sogar ab und bat mich mit flehenden Blicken: “Frauchen, du musst ihr doch helfen können!” Doch da war ich machtlos. Leberkrebs war nicht heilbar. In diesem Krankheitsstadium wurde auch nicht mehr operiert. Quinny tat es seinem großen Freund nach und versuchte, Fee durch Ohrenknabbern zum Aufstehen zu bewegen. Im Nachhinein betone ich ausdrücklich: Menschen könnten vom Verhalten dieser treuen Gefährten so Einiges lernen! In diesen letzten Lebenstagen meines Hundemädchens erkannte ich meinen Mato nicht wieder. Er bot ein wunderbares Beispiel für Hilfsbereitschaft und Liebe auf vier Beinen!
Da Fee so sehr litt, wartete ich nicht bis zum Anfang der nachfolgenden Woche ab, wie mit dem Tierarzt besprochen, sondern ließ sie bereits am Samstag, dem 1.Mai 1999, einschläfern. Sie starb einen idealen Tod. Liebevollst umsorgt und von der netten Ärztin in ihren letzten Lebensminuten noch mit vier Leckertütchen verwöhnt. Die schlang sie in alter Manier hastig hinunter. Auf ihrem Hundeteppich dicht an mich gedrängt liegend, schlief sie sanft ein. Das erleichterte mir den endgültigen Abschied sehr!
Wieder daheim, erlebte ich dann vierbeinige Verzweiflung in schlimmer Form. Hunde wie Mato sind auch in dieser Hinsicht extrem veranlagt. Mit Fee war ich gegangen, ohne sie zurückgekehrt. Er spürte meine Stimmung und rastete aus. Mein Gott, war mein Tier verzweifelt! Im letzten Moment konnte ich verhindern, dass er seinen Teddyplüschkorb zerfetzte. Anscheinend musste er sich abreagieren. Quinny suchte Fee im ganzen Haus, konnte sie nicht finden. Er brach vor lauter Aufregung. In den zwei Wochen danach fütterte ich die beiden Rüden mit der Hund, weil sie vor Trauer sonst eingegangen wären. Sie rührten nämlich von selbst ihr Fressen nicht an. Nach dieser Zeit allerdings normalisierte sich ihr Verhalten relativ fix. Sie fingen wieder an zu spielen. Ihre alte Fröhlichkeit kehrte mehr und mehr zurück. Das tröstete mich. Endlich konnte ich die lustigen Erlebnisse mit ihnen wieder aus vollem Herzen genießen.


Neue Rangordnung


Durch Fees Tod verschob sich die Rangordnung. Quinny rutschte automatisch vom dritten auf den zweiten Platz. Zwar hätte er den normalerweise sowieso innehaben müssen, doch auf Grund ihrer Körpergröße war Fee ihm weit überlegen gewesen. Sie hatte ihm das deutlichst gezeigt. Ihn von zeit zu Zeit auch ein wenig geärgert.
Dann, nach ihrem Tod, stellte mein kleiner Lümmel fest, dass der Schmuseplatz auf meinem Bett frei geworden war. Da Mato lieber in seinem eigenen Körbchen oder auf meinem weichen Teppich schlief, gab es keinen Artgenossen mehr, der ihm diesen Platz verwehrt hätte. Also stand er eines Abends mit riesengroßen Augen und Wackelschwänzchen vor meinem Bett. Selbstverständlich erreichte der kleine Charmeur auch sein Ziel. Von da an nächtigte er liebend gern zwischen Kuscheldecke und Oberbett. Nur die süße kleine Schnute und seine Kulleraugen lugten dann noch hervor.
Mato hatte gegen diese neue Angewohnheit seines Untertan nichts einzuwenden. Wahrscheinlich fand er Quinnys Verhalten eines älteren Hundes für unwürdig. Und, davon abgesehen: Gleichgültig, wie nah Quinny nachts bei mir läge...Mato war sich völlig sicher, in meinem Herzen für immer der Hund Nr. 1 zu bleiben!
Mittlerweile ist Fee schon drei Jahre tot. Mato und Quinny, beide über 13 Jahre alt, toben noch immer gesund durchs Haus. Quinny ist etwas selbstsicherer geworden. Mato hat sich von dem Hundebaby, das Schmusen äußerst lästig fand, zu einem absoluten Stofftier entwickelt. Mein Hund knuddelt nur noch! Wehe, ich gehe mit Wäschekorb an ihm vorbei. Nein, ich habe den abzusetzen, um ausgiebig mit ihm zu schmusen. Dann ertönt jedes Mal das von mir so ersehnte Wolfsgeheul, mit dem er mir seine überschäumende Freude zeigt. Wie froh erst ich dann bin...
Ich glaube, mein Hund spürt es!
Über ein Leben ohne meine beiden Lieblinge mag ich lieber nicht nachdenken!


Gaby Schumacher, im Nov.2003










Eher ein kurzer Roman...
Eine Liebeserklärung an meinen ältesten Hund!

Für Kommentare zu dieser Geschichte wäre ich sehr dankbar.

Gaby Schumacher
Gaby Schumacher, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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