Gaby Schumacher

Autsch - knacks!!



Ein wunderschöner Sommertag. Blauer, wolkenloser Himmel, strahlender Sonnenschein und selbst in den frühen Abendstunden noch Temperaturen um die 25 Grad, wie sie sich das doch so sehr gewünscht hatte. Aber: „Ja, Sommer," brummelte sie zähneknirschend vor sich hin, „und dann bleibt´s lange hell!“ Ausgerechnet heute, da sie sich ganz besonders nach Romantik und auch Zärtlichkeit sehnte. Logo, das dürfte sie noch ein bisschen länger tun. Denn es dauerte mindestens noch zwei Stunden, ehe die Dunkelheit hereinbräche. Im Stillen seufzte Gerti vor sich hin. Wie immer hatten Jörg und sie sich wunderbar verstanden, waren sich in jeder Minute ihres Zusammenseins so nahe gewesen. Hatten geredet, gelacht. Gelacht und geredet, und gemeinsam geschwiegen. Ja, vor allem das gemeinsame Schweigen hatte sie als sehr beglückend empfunden. Es war kein Schweigen der Leere gewesen. Nein, ein Schweigen der Nähe, der Übereinstimmung. Es hatte mehr ausgesagt als tausend Worte. Es verband beide auf´s Innigste.

Sie bummelten durch die Stadt, in der immer noch reger Verkehr herrschte. Ab und zu zog Gerti ihren Freund in eines der großen Kaufhäuser und tingelte mit ihm durch sämtliche Abteilungen. Beide waren sie sehr eitel. Beide genossen sie es, sich gegenseitig beim Klamottenkauf zu beraten. Sie waren ein hübsches Paar. Gerti klein und äußerst zierlich. Jörg sehr hochgewachsen und nicht ganz so zierlich. Um ehrlich zu sein, mit einem imponierenden Bäuchlein ausgestattet. Das störte Gerti nicht im Geringsten. Sie liebte ihren Jörg, so wie er war. Umgekehrt war es genauso. Als sie es leid waren, noch länger durch die immer noch überfüllten Geschäfte zu streifen, setzten sie sich in der Fußgängerzone an einen der vor einer großen Eisdiele aufgestellten Tische. Gerti entschied sich für einen Eisbecher mit ganz vielen Früchten. Jörg bestellte sich ebenfalls Eis mit Obst. Interessiert beobachteten sie die vorüber schlendernden Leute. Deren Mimik war ausgesprochen vielsagend. Einigen war es deutlichst anzusehen: Die hatten einen äußerst strapaziösen Arbeitstag gemeistert: Erschöpfter Gesichtsausdruck, hängende Schultern. Andere dagegen, fröhlich und munter, unternahmen bestimmt nur einen Einkaufsbummel. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.

„Mensch, wann wird´s denn endlich dunkel?!“ murmelte Gerti ihrem Jörg ins Ohr. Der grinste, dachte aber garantiert dasselbe und sagte es dann auch:“ Ja, jetzt müssen wir länger warten. Pech für uns!“ Sie strahlten sich an. „Komm, wir gehen schon mal langsam zum Auto!," schlug Jörg vor. Arm in Arm marschierten sie los. Nach 10 Minuten Fußweg standen sie vor dem kleinen in elegant blinkendes Schwarz gehüllten, zweitürigen Miniwägelchen, dass Jörg gehörte. Jörg war Kavalier. Er öffnete ihr wie immer die Wagentür, bevor er selber einstieg. Für das, was sie beabsichtigten, war dieser Parkplatz denkbar ungeeignet. Also kutschierten sie los, um sich einen einsameren Stellplatz zu suchen. Gleich, gleich nähme er sie in den Arm. “Wie schön alles mit ihm gemeinsam ist!", ging Gerti durch den Sinn. Es war noch etwas Anderes schön. Nämlich die Tatsache, dass denn doch die Dunkelheit ein Einsehen hatte und so langsam hereinbrach. Die ersten Sterne erschienen und der Mond stand als strahlender Lampion dort oben am Himmel. Was wünschte man sich denn mehr!

Der konnte dann zuschauen, wie dort unten auf der Erde zwei Menschen, die sich lieb hatten, näher zueinander rückten und sich zärtlich in den Arm nahmen, sich froh in die Augen sahen und sich küssten. Den Mond schockierte das nicht. Der war noch ganz Anderes gewohnt. Auch das, was dann folgte. Es blieb nämlich nicht beim Küssen allein. Es artete in eine wilde Knutscherei aus. Für Gerti und Jörg gab es nur noch sie beide. Die Umwelt war vergessen. Sie lebten nur noch ihrem Gefühl. Nur blöd, dass das Autochen ein Winzling war. Vor allem der arme Jörg musste sich so einige Knoten in die langen Beine flechten, um Platz genug zu haben.

Natürlich genau in den schönsten Minuten (wie passend aber auch!) meldete sich aufgebracht ein nicht ganz unwesentlicher Anteil des Innenlebens ihres fahrbaren Untersatzes. "Herr Schaltknüppel“ fühlte sich zutiefst missachtet und in seiner Ehre gekränkt. Nein, soo eine Frechheit! Immerhin war ihm von der Chefetage seiner Autofirma jener von ihm mit berechtigtem Stolz dann eingenommene Platz vorne zwischen den beiden Vordersitzen zuerkannt worden und somit eine Position von größter Bedeutung. Bzw. zumindestens drittgrößter. Erst der Motor, dann der Zündschlüssel und dann er. Demnach durfte er sich als ausgesprochen wichtige Persönlichkeit in Sachen Autofahren einstufen. Diese Erkenntnis verhalf ihm zu einem ausgeprägten Selbstbewusstsein, mit dem er dann entsprechend selbstbewusst und energisch protestierte. Die anhaltende Drängelei von beiden Seiten ging ihm nämlich inzwischen gehörig gegen den Strich. Immer, wenn es zwischen Gerti und Jörg so richtig heiß her ging, hatte der arme Schaltknüppel einen Rüffel einzustecken. „Klatsch!“, machte es und er wurde heftigst hin und her gebeutelt. Nur, weil diese beiden verrückten Menschenkinder einfach nicht genug kriegen konnten. Schließlich reichte es ihm. „Peng!“ Erbost knallte er mit Elan Gerti in die Seite. „Aua, verdammt!“ Sie robbte nach hinten und angelte sich ein Kleidungsstück, dass sie als Puffer zusammengefaltet über diesen hartnäckigen Störenfried legte. Das bewies sich als vorteilhaft, weil Jörg und sie danach, endlich daran ungehindert, noch enger und ohne Gefahr von Beulen zusammenrücken konnten. So, jetzt hätten sie endlich ihre Ruhe. Ja, so war es wunderbar gemütlich. Sie aufseufzend und er vor sich hin brummend, setzten sie selig die Schmuserei noch stundenlang fort. Ab und zu wechselten sie die Lage, um es sich dann aufs Neue bequem zu machen. Hach, war das toll. Beide waren der Meinung, das hätte eigentlich die ganze Nacht so weitergehen dürfen..

Doch selbst die bequemste Position wird nach einer geraumen Zeit unbequem. Das erfuhr dann Gerti. Und nicht allein sie, sondern anschließend auf eine extrem beeindruckende Weise auch ihr armer Jörg, der das dann deutlich hörbar genoss. Seine geliebte Freundin hatte registrieren müssen, dass sogar die Rückenlage mit der Zeit quälend wurde. Sie hatte sich deshalb hochgerappelt, um ihre angestrengten Knochen zu sortieren. Denn jene festen Bestandteile ihres Körpers begannen beträchtlich mit gutem bis sehr gutem Erfolg zu meckern.  Gegenkeifen nutzte nichts. Die waren im Vorteil. Deren Taktik: Die taten ganz einfach gehörig weh und hätten sich durch Schimpferei sowieso nicht beschwichtigen lassen. „Puuh!“, stöhnte Gerti dieser ungehorsamen Körperteile wegen, drehte sich ein wenig zur Seite. Sie fühlte sich gleich wohler, strahlte ihren Freund an, stützte der Gemütlichkeit wegen den Kopf in ihre Hand und dabei ihren Ellenbogen auf. Eigentlich hatte sie den neben Jörgs Arm platzieren wollen. Doch ...

Seien Sie mal so verliebt wie unsere Beiden. Und so hin und weg und futsch. Dann achteten auch Sie auf gar nichts mehr. Nachdenken und als Ergebnis dieser verantwortungsbewussten Gehirntätigkeit sogar noch in dieser außergewöhnlichen Situation bei allen nachfolgenden, eigentlich ach so banalen Aktionen Vorsicht walten zu lassen, war nicht drin. Es passierte eben einfach. Es war nicht mehr zu verhindern. Es kam zu einer grandiosen, für Jörg dann unvergesslichen Liebeserklärung von Seiten Gertis.

Jörg hatte sich wie im 7. Himmel gefühlt...:
Wie gefühlvoll seine Freundin mit ihm umging, wie sanft und zärtlich sie war! Sie war genau so, wie er sich sein Leben lang seine Partnerin erträumt hatte. Er genoss jede Berührung, spürte ihre Lippen auf seiner Haut, ihre Zuneigung für ihn. „Ich empfinde jede Sekunde unseres Zusammenseins Deine Wärme!“, hatte er ihr mal gesagt. In Erinnerung an diese Bemerkung streichelte Gerti ihren Freund innig und legte all ihr Gefühl in diese Liebkosungen. Ihre Blicke versenkten sich ineinander. Die Innigkeit hatte wieder einmal ihren Höhepunkt erreicht.  Allerdings nur für die Dauer einer Sekunde...
Just nach eben dieser Sekunde „einundzwanzig“ fand die lange Zeit der sanften Zuwendung ein jähes Ende. Genau in jenem Moment, in dem Gerti sich wegen der schmerzenden Knochen durch Ellenbogenaufstützen Erleichterung verschaffte. Die ganze ach so romantische Stimmung fiel abrupt in sich zusammen. Es wurde unserem verliebten Pärchen auf relativ drastische Weise vor Augen gehalten, dass anscheinend zuviel Glück auf einen Haufen auch nicht gut tut, dass das Leben so hinterhältig sein kann.

Bisher war sich Gerti eigentlich immer sehr sicher gewesen, über die menschliche Anatomie bestens Bescheid zu wissen. Wo der Kopf, der Bauch, die Beine und usw. ... zu finden wären. Nicht zu vergessen: Die Arme und der Oberkörper. Vor allem der Oberkörper. Der hielt ja eine Menge innerer Bausteinchen parat. So nicht ganz unwichtige Organe wie das Herz und die Lunge. Tja, und da waren noch die sieben Rippen. Bei der Zahl „7“ allerdings stutzte sie. Wieso eigentlich sieben? Gott hatte doch angeblich dem Adam eine geklaut, um aus ihr dann das Vernünftigste zu zaubern, was ihm als I-Tüpfelchen seiner Schöpfungskunst noch hatte einfallen können. Die Eva, die Urmutter aller Frauen. Der Frauen, die sich dann all die Jahrtausende hindurch als genauso überaus „vernünftig“ erwiesen wie damals eben Eva.

Gerade in dem Augenblick machte Gerti diesem Rufe alle Ehre. Im wahrsten Sinne des Wortes so nachdrücklich, dass ihr Liebster es eindrücklichst zu spüren bekam und ausdrücklichst aufjaulte, diesmal allerdings nicht vor Glück und Wonne. „Nein, - soo...“, stimmen Sie jetzt zu, „so klingt kein Lustschrei.“ Es war etwas ganz Anderes zu hören. Jeder Mediziner oder auch sogar jeder halbwegs sensible Mensch diagnostizierte innerhalb des Bruchteils einer Sekunde, dass sich da in jenem Moment die Lust doch sehr in Grenzen hielt und etwas ganz Anderem Platz machte. Gerti war ja nun mal ein extrem zierliches, dünnes Persönchen und dementsprechend extrem dünn, ja spitz, ihr linker Ellenbogen. Der hatte sich, anstatt sich sanft neben Jörgs Oberarm zu stellen, mehr als keck mit Wucht in eben jene so wichtige siebente Rippe dieses männlichen Wesens gebohrt. (Schlussfolgerung der Autorin: Er hatte die also doch noch. An der Schöpfungsgeschichte konnte etwas nicht stimmen!).

In der ersten Sekunde Unverständnis von Gertis Seite aus. Sie war noch weggetreten. Dann zu ihrer Ehrenrettung wachsende Mimik des Erschreckens, danach aufkommendes Mitleid. „Um Gotteswillen, habe ich Dir wehgetan?“, stotterte sie nicht eben geistreich vor sich hin. Doch sie setzte noch eins drauf: „D..das w..wollte..ich..wirklich..nicht!“ Ganz der liebende Freund, versuchte Jörg allerdings schmerzverzerrten Gesichtes noch Haltung zu bewahren. Er erklärte: “Du hast mich ganz schön erwischt - da!“ Mit der linken Hand deutete er auf seine rechte Seite in Höhe des siebenten Knöchleins. Gerti blieben die Worte im Halse stecken. Sioe war ratlos. Was hätte sie da aber auch entgegnen können? Verunsichert und ein wenig verlegen sah sie ihn an. Gequält lächelte er zurück. Äußerst vorsichtig, schmiegte sie sich erneut an ihn, tunlichst darauf bedacht, ja nicht die arme Rippe zu streifen. Ein paar Minuten später: „Wird das langsam besser...? Ob Du da wohl einen blauen Flecken kriegst?“ Bisher war nichts von dem zu sehen. Vielleicht bliebe er ja davon verschont. Jörgs Gesicht jedoch sprach Bände. Seiner Mimik nach zu urteilen, dauerte es garantiert noch mehrere Tage, bis die beleidigte Rippe Ruhe gäbe. Und ob! Denn die Rippe war arg beleidigt. So sauer, dass sie sehr, sehr lange keine Ruhe gab, Jörg stets an seinen Liebling erinnerte. (Den er sonst wohlmöglich vergessen hätte!).

Bald darauf war aus bekanntem Grunde für Jörg ein Besuch beim Hausarzt angesagt. Während der Untersuchung fragte der ihn: „Haben Sie manchmal Schmerzen da an der Seite?“ „Jetzt kaum noch!“, kam die Antwort. „Die Rippe ist angebrochen. Wissen Sie davon?“ Innerlich klappte bei dieser Auskunft Jörgs Kinnlade runter. Äußerlich zeigte er tunlichst eine unbewegte Miene. Jedoch hatte er erhebliche Mühe damit, ein Grinsen zu unterdrücken. So nach dem Motto: „Wenn du wüsstest...!“ Klar, dass dieses tapfere männliche Exemplar nichts Eiligeres zu tun wusste, als seiner Liebsten diese Diagnose bei nächster Gelegenheit unter die Weste zu jubeln. „W..was ..ist..d..die??“ Gerti kriegte im ersten Moment den Mund nicht mehr zu. Im zweiten allerdings hatte dann sie beträchtliche Schwierigkeiten damit, ihrem Liebsten tunlichst das betretene Gesicht zu präsentieren, das unter diesen Umständen ja wohl mehr als angebracht gewesen wäre. Sie spürte förmlich, wie wider ihres doch in Unruhe versetzten Gewissens das Lachen in ihr hoch stieg, von ihr Besitz nehmen wollte. Verzweifelt kämpfte sie es nieder, denn als Urheberin des Ganzen hätte sie anstandshalber „geknickt sein“ zu mimen. Dagegen fiel es ihr merkbar schwer, wenigstens noch ernst zu bleiben.

Vor ihr stand ihr Jörg, den sie so lieb hatte. Auch mit angeknackster Rippe oder vielleicht gerade deswegen. Dieser Mann sah sie an. Mit einer Miene, die verriet, wie angestrengt er sich das Lachen verbiss. Sie sah das spitzbübische Leuchten in seinen Augen und widerstand nicht mehr, prustete los. Befreit fiel er ein.

„Weißt Du was, Schaatz?“, meinte sie schelmisch mit strahlendem Blick zu ihm.
„Was denn, mein Schätzchen?“, fragte er zärtlich, ganz innig.
Aus ihren Augen funkelte der Schalk.
Sie antwortete mit einer Frage. Ebenso zärtlich, gleichfalls ganz innig:

„Schahaatz - wie viiele Rippen hast Duu nohooch??“



Liebe Leseratten!

Äheem!! Ja, was alles so passieren kann im Leben...!!

Über Kommentare und Kritiken zu dieser Geschichte würde ich mich sehr freuen.

Gaby Schumacher
Gaby Schumacher, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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