Manuela Schneider

Zwiegespräche II

Zwiegespräche II
13.08.2003

Keiner mag mich. („Sag so was nicht.“) Keiner braucht mich. („Das redest du dir nur ein.“) Für mich gibt es immer einen Ersatz. Egal, wo. Zu Hause, in der Schule. Wenn ich weg wäre, würde es vielleicht niemand bemerken. („Doch, sie brauchen doch einen, der den Müll wegräumt.“)

Warum sagst du so etwas kaltes?
„Weil du das hören willst.“
Das stimmt nicht.
„Du willst deine Realität entdecken. Also musst du verzweifeln.“
Lüge!
„... Und Wahrheit.“

Manchmal sag ich gar nichts. Alles ist still. Kein Geräusch, kein Wort... nichts. Dann wünsche ich mir nichts sehnlicher als ein kleinen Ton von mir. („Doch du schweigst.“) Aber wenn ich mal mit mir rede, dann mache ich mich nur noch trauriger. („Brauchst du Mitleid?“) Nein! Mitleid ist schwach. Schwäche bekommen, heißt selbst schwach zu werden. („Und es sind schon so viele an Schwäche untergegangen.“)

„Menschen haben einen Putzfimmel.“
Einen Putzfimmel?
„Ja, weil sie dreckig sind, versuchen sie immer wieder, sich zu reinigen.“
Das verstehe ich nicht.
„Noch nicht. Warte die Zeit ab, wenn du endgültig schmutzig bist.“

Denke ich, dass ich rein bin? („Doch nichts weiter als ein Stück Dreck.“) Es ist seltsam. („Wie du?“) Mein Selbstwertgefühl sinkt immer weiter und ist vielleicht schon unter „Normalbereich“. („Tief im Keller wird dich keiner suchen.“) Unten ist es kalt. („Und dunkel.“) Menschen fürchten die Dunkelheit. Und alles was sie fürchten, meiden sie auch. („Da hast du den Grund, warum dir jeder aus den Weg geht.“)

Bin ich etwa kalt und dunkel?
„Weder noch.“
Bin ich tief?
„Mehr als du denkst.“
Verloren?
„In der menschlichen Angst.“

Angst ist ok, wenn sie bedingt ist. Sie gehört zum Leben dazu, deswegen fürchte ich mich vor ihr auch nicht. („Du hast Angst vor der Angst.“) Das hab ich gar nicht. Ich weiß, dass Angst Verletzungen mit sich trägt. Aber deswegen vermeide ich sie nicht. („Du ziehst dich nur von ihr zurück.“)

„Du lebst nur in einem Spiegel der Realität.“
Nein, ich lebe auf dieser Erde. Zusammen mit anderen Menschen.
„Warum gehst du Menschen dann aus den Weg?“
Das tu ich doch überhaupt nicht.
„Warum gibt es dann nur vier Menschen, denen du vertraust?“
Vier sind viel.
„Nichts zu hundert.“
Warum ich nicht noch mehr Menschen vertraue? Weil sie sich von mir fern halten.
„Nein, weil du Angst hast wieder verletzt zu werden.“

Wenn jemand einen Fehler macht, versuche ich immer mir die Schuld zu geben. So mögen mich die anderen. Denn sie bekommen dann keinen Ärger. („Aber du hasst dich nur noch mehr.“) Das ist ok. Andere finden mich dadurch sympathisch. Das ist der Preis. Das ist der Gewinn. („Selbsthass für Sympathie.“)
Ich fühle mich merkwürdig. („Noch merkwürdiger als sonst?“) Diesmal ist es was anderes. Beim schreiben verliere ich den Überblick. Kann nicht mehr schweigen, kann meiner Gefühle nicht mehr versperren. Was mache ich, wenn mir das auch in der Öffentlichkeit passiert? („Leben.“)

„Wann hast du das letzte mal mit einen Menschen über deine Gefühle geredet?“
An Silvester 2003.
„Hättest du es ihr auch gesagt, wenn du kein Alkohol getrunken hättest?“
Ja.
„Sicher?“
Sehr wahrscheinlich.
„Ganz sicher?“
Bestimmt.

(„Kannst du dich auch an den Tag erinnern, an dem du das letzte mal geweint hast?“) Ja, kann ich. („Wann?“) Heute. („Warst du allein?“) .... („War niemand da?“) Das geht dich nichts an. Hör auf mich auszufragen. Hör auf in meine Seele einzudringen. Hör doch endlich auf in mich zu fließen. („Ich bin du. Ich – Du. Das ist alles das Gleiche.“) Geh weg! Verschwinde! („Du kannst nicht vor dir selbst wegrennen. Deine Beine sind zu langsam.“) Warum tust du mir nicht den Gefallen und gehst? („Dein Körper kann deiner Seele nicht entfliehen.“)

„Warum hast du denn geweint?“
Mir hat etwas weh getan.
„Dein Herz?“
Nein.
„Hast du dich allein gefühlt?“
Nein. Wenn, dann hätte ich jemanden anrufen können.
„Warum hast du´s dann nicht gemacht?“

Ich will mich schwach machen, weil ich ein Mensch bin. Menschen sind nur feige. Wenn es zu viel wird, verschwinden sie einfach. Ohne Rücksicht auf andere. Ob Trauer oder nicht, sie gehen. („Sogar deine eigenen Eltern haben dich verlassen. Deine Mutter ist weg und dein Vater kapselt nun endgültig ab. Tut dir das nicht weh?“)

Wieso willst du Antworten in meiner Seele finden?
„So was nennst du Seele?“
Was meinst du?
„Dieses schwarze Loch durchflutet mit unendlicher Trauer, nennst du Seele?“
Sei bitte nicht so zu mir.
„Wie denn? So ehrlich?“

Nur weil ich einige geliebte Menschen verloren habe, heißt das nicht, dass ich nicht mehr vertrauen kann. („Für dich ist Vertrauen eine Lebensaufgabe.“) Für ´die Vier´ würde ich alles tun. Ich glaube ihnen alles. Vertraue ihnen blind. („Woher willst du wissen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht?“) Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich wieder eine menschliche Schwäche. („Von denen du schon zu viele hast.“)

Ich glaube nicht an Reinkarnation.
„Ich auch nicht.“
Aber wenn ich wieder geboren werde, wäre ich gerne ein Stein.
„Wieso?“
Die können nicht fühlen.
„Mehr als du...“

Ich bin für mich genauso wichtig wie der Staub in einer alten, ungereinigten Ecke. Niemanden kann ich meine Hilfe anbieten. („Weil du ja auch nicht helfen kannst.“)
Hab ich solche harte Worte wirklich verdient? („Nachdem, was du getan hast, hättest du es noch schlimmer verdient.“)

Aber einige werde ich nie verlieren.
„Glaubst du, dass sie für immer bleiben?“
Ich glaube daran und vertraue ihnen.
„Und wenn du wirklich mal durchdrehen solltest?“
Wäre es besser sich zu entfernen...
„Bevor du auch sie verletzt.“

(„Du bist ja so was von egoistisch, eingebildet und arrogant.“) Wieso? Für die Menschheit wollte ich immer nur das Beste. Für alles und jeden nur das Gute. („Indem du deine eigene Welt aufbaust, ziehst du dich aber vor allem zurück.“) Damit sich niemand an mir verbrennen kann. („Dabei bestehst du doch nur aus Eis.“)

„Du liebst alles, was du hasst.“
Ich hasse nur mich.
„Also hasst du alles, was du liebst?“
Niemals! Behaupte nicht so etwas!
„Dabei fällt es dir so schwer zu lieben.“
Wenn sie da sind, kann ich vergessen.
„Aber nicht entfliehen.“

(„Kannst du dich noch an das Gefühl dieser starken, wärmenden Arme erinnern?“) Bitte, fang nicht damit an. („Wie beschützt du dich gefühlt hast?“) Bitte, bitte, bitte.... nicht.... („Wie dein Herz auf einmal ganz leicht wurde, wenn er nur ein liebes Wort zu dir gesagt hat und dir sein ganzes Vertrauen geschenkt hat?“) Nein. Ich weiß nicht was du meinst. Ich will nicht wissen, was du meinst. („Und warum weinst du dann gerade wieder?“) Lass´ mich doch. („Er gab dir die Liebe, die du gebraucht hast.“) Habe alles verdrängt. Ich weiß nicht wovon du redest.
(„Oder das selbe Gefühl als du damals bei ihr in den Armen gelegen hast?“) .... („Sie war so lieb und einfühlsam.“) .... („Du weinstest wie ein Kleinkind – wie jetzt.“) ... („Du hast dich an ihr festgeklammert, wie ein Baby, dass ängstlich im Dunkeln gesessen hat und Mama endlich kommt.“) ... („Du wolltest keinen von beiden loslassen. Wie lange hattest du dich nach so etwas gesehnt? Wärme, Geborgenheit und vor allem Liebe?“) ... und doch hab ich ihn gehen lassen.

„Du hättest ihn aufhalten können.“
Ich weiß. Hab ich aber nicht.
„Dafür hasst du dich noch mehr, hab ich Recht?“
Ja.
„Hör auf zu weinen und freu dich lieber, dass sie und die drei anderen noch da sind?“
Tu ich. Und ich bin ihnen so dankbar.
„Doch der Schmerz seines Verlustes bleibt...“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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