Gaby Schumacher

Aber-leider-solo - weshalb-immer-einsam?


Aber-leider-solo betrachtete sich als eine wichtige Persönlichkeit, auf die mit Sicherheit die Welt mit Sicherheit nicht verzichten wollen würde, es auch gar nicht könnte. Denn: Aber-leider-solo war absoluter Intimus der Menschheit. Er war schlichtweg unentbehrlich. Der Helfer schlechthin, ging es darum, sich in einem Lebensbereich eine Vorrangstellung zu sichern. Seine Tipps für taktisch raffinierte Rhetorik waren äußerst gefragt. Sie trafen fast immer ins Schwarze, brachten den Bittstellern vielfachen Erfolg und auch sogar Ruhm ein. Allerdings lief ihnen dabei völlig zu Recht der zweifelhafte Ruf hinterher, ziemlich egoistisch und überheblich zu agieren. Aber damit konnten sowohl Aber-leider-solo als auch die recht große Schar seiner Anhänger wunderbar leben. Gedanken daran, was sie mit dieser ihrer Haltung anrichteten, drückten sie nicht.

Er charakterisierte sich selbstherrlich als immens klug. Ihm machte keiner so schnell etwas vor. Und Übertölpeln kam schon gar nicht in Frage. Dazu war er zu gewitzt und war der Überzeugung, er hätte strenggenommen den Professorentitel verdient. Pech: Den gab es für Persönlichkeiten wie ihn nun mal nicht! Da unser eingebildeter Held sich sowieso als eine Art geistiger Kaiser dieser Welt einstufte, war allerdings von übertriebener Bewunderung seiner überragenden Tüchtigkeit dringendst abzuraten. Die wäre für die ohnehin schon ver-rückte Psyche unseres Helden letztendlich absolut tödlich geworden. Hoher Preis für seine Überlegenheit: Er ging seinen Weg allein.

Die Ferienzeit ist die Zeit der Entspannung, der Befreiung von beruflichen Pflichten. Ja, es ging manchmal doch ungerecht zu auf dieser Erde. Unserer hochgestellten Persönlichkeit sprach man nämlich kein Anrecht auf Urlaub zu. Nicht einen einzigen Tag, nicht eine einzige Stunde. Ja, noch nicht einmal eine winzig kleine Minute lang. Sein Arbeitsvertrag hatte die Ferien einfach übersehen!
Strenggenommen hätte Aber-leider-solo deshalb in Depressionen verfallen können. Doch dafür war er zu klug. Er wusste Rat. Diesmal dann allerdings nicht zum Nutzen der lieben Mitgeschöpfe, sondern ausschließlich zu seinem eigenen Vorteil!
„Ich kehr` dieser verflixten Stadt den Rücken. Mach´ einen Spaziergang am Fluss entlang. Dort herrscht Stille. Stille ist mein Urlaub!“ Sprach´s und machte sich auf den Weg.
Doch die Stadt war groß. Zu riesig für die Sehnsucht nach einsetzender Ruhe. Unser „Filou“ seufzte. Es klingelten ihm bei all dem Lärm um ihn herum die Ohren. Sein Schädel brummte.
„Am besten, ich hör` drüber weg. Ich will ausspannen. Wenigstens für ein paar Minuten!!“
Dummerweise war der Himmel anderer Ansicht. Der hatte einen Plan, der unserem Aber-leider-solo überhaupt nicht gefallen sollte. Er würde sich noch wundern!

Bereits in der nächsten Seitenstraße fing das Theater an. Mit einem seiner immens klugen Gedanken hatte er sich ausgerechnet, hier dürfte er für kurze Zeit den Stress vergessen. Irgendwie war dieser seiner Auffassung nach immens kluge Gedanke, für ihn überraschend, wohl doch nicht so wahnsinnig klug gewesen.
Zwei etwa 5-6jährige Jungen zankten sich dort mitten auf der Straße wie die Rohrspatzen., die sich etwas beweisen wollten. Konkurrenzdenken setzt bekanntlich bereits im Kleinkindalter ein. Später in weit fortgeschrittenerem Alter sind sie dann darin reif für die olympische Goldmedaille. Die kleinen Mädchen untereinander übrigens nicht minder. In der Absicht, sich gegenseitig zu demonstrieren, wie sehr sie bereits rhetorischer Raffinessen mächtig seien, bedienten sich also diese Beiden voreinander des Gebrauches eines gewissen, besonders vornehmen Anteils der deutschen Sprache. Damit auch möglichst viele ihrer lieben Mitmenschen in Bewunderung ihrer diesbezüglichen Tüchtigkeit ausbrächen, meckerten sie nicht etwa nur halblaut vor sich, sondern veranstalteten ein unüberhörbares Schreikonzert. Nämlich in Lautstärke 300 quer über die Straße. Der Hauptfigur dieser Geschichte dröhnte von dem Gebrüll der Kopf. Leider hatte der arme Kerl es nicht geschafft, rechtzeitig seine hochstehenden Ohren zuzuklappen. Zu dem Zwecke, bestimmte Wort- bzw. Satzfetzen daran zu hindern, sich durch diese relativ groß ausgefallenen Hörorgane in seinen Verstand einzugraben. Was vernahm er da? Das durfte doch nicht wahr sein: „Du bist dämlicher als die Polizei erlaubt! Ich bin viel schlauer als Du Dämlack!“ Das Gegenüber jenes kecken, kleinen Meckerfritzchens jedoch, ebenfalls nicht auf den Mund gefallen, wehrte sich. Zudem war es offensichtlich schon ein wenig versierter im Gebrauch bei weitem ausgefeilterer Schimpfwörter: „Aarschloch! Halte bloß die Klappe, sonst verwemse ich dich. Bin viel stärker als Du kleiner Pimpf.!“ Stellte es fest und spuckte auf den Boden. Genau vor die Füße seines kleinen Gegners, der prompt anfing zu heulen. Spucken war eine tolle Ausdrucksform, zeigte Stärke und Überlegenheit. „Schade eigentlich, dass ich den nicht getroffen habe!“ bedauerte es Junge2 mit hämischem Grinsen. „Das sag ich meinem Papa Der ist ganz groß, viel größer als Du. Da kriegst Du Senge, dass Du als Babybrei nach Hause kommst!“ kam die Antwort von Junge1. Aber, selber erschrocken dieser seiner recht vorwitzigen Bemerkung wegen, zockelte der dann vorsichtshalber schnellstens gen Heimat. Um sich bei seinem Papa auszuheulen.
Geschockt hatte Aber-leider-solo zugehört. So wurden seine Ratschläge in der Praxis genutzt? Bereits von den Jüngsten? (Für ein paar Sekunden war „Urlaub“ vergessen. Er grübelte wieder!). So drängte sich ihm unwillkürlich der Gedanke auf: „Wenn die Kleinen sich schon so aufführen...? Was machen dann bloß erst die Erwachsenen??“ Seltsam, er kannte sich selbst nicht wieder. Niemals in seinem Jahrtausende Jahre alten Leben hatte er sich darüber Kopfzerbrechen gemacht. Nein, im Gegenteil! Eigentlich war er all diese doch nicht so ganz kurze Zeit lang eher fast geplatzt vor Stolz in dem Bewusstsein, zu welch phänominalen Triumphen er zumindest der einen Hälfte der Menschheit verholfen hatte. Über die andere allerdings hatte er verächtlich die Nase gerümpft.
Besorgniserregend, dieser Wandel. Anscheinend wurde er langsam alt!!
Unsere nervlich arg gebeutelte, überaus wichtige Persönlichkeit fühlte nach diesem Zankerlebnis mit den beiden Rotzlöffeln entschieden seine Überzeugung bekräftigt, dass auch ein solch bedeutendes Wesen wie er endlich dringendst Urlaub brauchte. Auch er wollte ausspannen. Er bestünde darauf, er verzichtete nicht!
Hoch erhobenen Hauptes ob dieser von geballter Restenergie zeugenden Entscheidung, machte er sich flugs auf den Weg. Auf den weiten Weg zum Fluss. Verließ im Eiltempo diese Stätte, (ääh!)...dieses Gässchen des Grauens, wanderte durch Straßen, Sträßchen wie auch durch Gassen. Und noch mehr winzige, verwinkelte Gässchen. Mit überaus blasierter Miene. Immerhin, so lobte er sich, hatte er nach nur einer halben Stunde Fußmarsch bereits einen der Vororte seiner überaus geliebten Stadt erreicht. Was war er doch für ein beachtenswert tüchtiger Kerl. Wider seiner felsenfesten Erwartung, schon bei Ankunft in diesem Vorort endgültig der Hektik entkommen zu sein, sollte sich leider eindrücklichst erweisen: Dass man in manchen Dingen besser den Pferden das Denken überlässt. Geht`s nämlich ´mal schief, haben die eine bequeme Ausrede: „Uns kann man nichts vorwerfen. Wir sind ja bloß Tiere. Und nach menschlicher Aussage können die ja nicht denken, oder eben oft nur falsch!“ Das war aber beileibe nicht das Einzige, was ihm durch den Kopf schoss. Nein, Menschen hauten sich grübelnd unter Umständen sogar ganze Nächte um die Ohren, um sich am nächsten Morgen schreckensbleich ob der durchwachten Nacht eingestehen zu müssen: „Der Mensch denkt, aber der Himmel lenkt. Und gewinnt dann doch!“
Denn auch Vororte waren riesig. Zu groß für seine Sehnsucht nach Stille. Dummerweise hatte er in seinen Überlegungen nicht bedacht, dass solch enge, verwinkelte Gässchen liebend gerne in dann nicht ganz so schmale, da mehrspurige Umgehungsstraßen münden. Voll des lebhaften, nicht gerade geräuscharmen Treibens. Entsetzt registrierte er: Der Krach hätte ihn wieder! Nein, der hatte sich mindestens verdoppelt. So, wie der auf sein armes strapaziertes Gehirn einhämmerte. Die Kulisse der Hektik vereinnahmte ihn, ließ ihm wahrlich keinerlei Pause zum Luftholen. Erst recht nicht zum Ausspannen. Er hätte sich dem zu stellen! Frustriert ergab er sich in sein Schicksal und tauchte ein in den Lärm des alltäglichen Lebens: Motorengeheul, heulende Bremsen, Fahrradklingeln, quietschende Reifen, hupende Fahrzeuge, kreischende Motorräder, bimmelnde Straßenbahnen. Das alles war ja schon schlimm genug. All das verursachten Menschen. Die Autofahrer, die ihre Fahrkünste vorführten. Dann für das Heulen und Quietschen verantwortlich wurden. Die Motorradfahrer, die verzweifelt versuchten, ihr Prestige gegenüber den Autofahrern aufzumöbeln(Sie waren auch „Wer“), nicht diesbezüglich ins Hintertreffen zu geraten. Sie holten zu diesem Zwecke alles aus den Motoren heraus, was heraus zu holen war. Entsprechend nervtötend war das Gebrumm. Und dann erst die Straßenbahnen. Diese riesigen Ungetüme, die es doch absolut nicht nötig gehabt hätten, sich so aufzuspielen. Aber: Sie bimmelten sich die ganze Fahrzeit lang die schrille Straßenbahnklingel fast aus deren Halterung. Als müssten sie dem irren Straßengetöse das berühmte I-Tüpfelchen aufsetzen. Als wäre das alles nicht schon grauenhaft genug!
Doch es kam noch viel schlimmer. Damit hatte unsere bedeutende Persönlichkeit nun wirklich gar nicht gerechnet. „Urlaub!“ schrie es in diesem immens klugen Kopf. „Ich brauche Ruhe!“ Die allerdings lag noch in weiter, weiter Ferne. Denn auf jenen Straßen fand man nicht nur fahrbare Untersetzer jeglicher Größe und Bauart. Nein, dort wimmelte es massenweise von untersatzlosen Menschen, die sich doch dann aus genau diesem Grunde tatsächlich, wie unchic, auf ihren eigenen Beinen fortbewegten. Bummelten, eilten, rannten. Vorzugsweise ohne Links- und Rechtsschauen auf die Fahrbahn rannten. Das wiederum führte zu vermehrtem Lärm. Wie ja auch zu verstehen war. Denn mit solchen Aktionen hatten die Autofahrer, die gerade extrem konzentriert im Autoradio den neuesten Fußballergebnissen gelauscht hatten, nicht gerechnet. Sie fühlten sich zu Unrecht gestört. Schließlich hatte gerade Schalke 04 gewonnen. Wie konnte denn just in einem solchen Augenblick ein Mensch...?? Aufgebracht stürzte ein solcher Fußballfan aus seinem Wagen, schnappte sich den nächstbesten Fußgänger am Kragen, schüttelte ihn und brüllte los: „Als Pfannkuchen solltest Du enden, du Vollidiot! Deinen Grips zu gebrauchen, ist wohl nicht gerade deine Stärke. Da haste wohl die Schule geschwänzt, als „Verkehrsregeln dran waren“, du Hohlkopp!“ Der dermaßen höflich angesprochene, zugegebenermaßen relativ erschrockene Passant sammelte sich aber erstaunlich fix und blieb seinem Gegenüber, was die kunstvolle Schimpferei anging, in Nichts etwas schuldig: „Haben Sie eigentlich ´ne Meise? Ich werde dich anzeigen, du Prolet. Als gewalttätigen Halunken!“ Vor lauter Erregung war er doch tatsächlich beim „Du“ gelandet! Selbst diese nunmehr freundschaftlichere Anrede entschärfte die Situation zwischen den Beiden keineswegs. Im Gegenteil. Mittlerweile standen sie nämlich nicht mehr allein da mitten auf der Fahrspur: Sondern waren von der bereits erwähnten, sich nun schnell vermehrenden Schar hupender Autos eingekreist. Auch hatte sich ein beachtlicher Menschenauflauf zusammen gefunden. Und alle schimpften, brüllten, krakeelten sich die Seele aus dem Leib. Allein vor sich her, viele gegeneinander. Und die Meisten von ihnen, ohne überhaupt zu wissen, worum es eigentlich ging. Das war ein komplettes Schimpfwörterlexikon, was da auf die Nerven unserer ohnehin erschöpften, wichtigen Persönlichkeit einschlug. Diesem bedeutenden Anteil der Schöpfung wackelten mittlerweile nicht nur seine Nervenstränge beachtlich, sondern auch die Beine. Auf denen er sich mühsam ob dieses schrecklichen Durcheinanders zu halten versuchte. „Bloß ducken und nichts als weg hier!“ flüsterte er mit letzter Kraft. Nutzte die Lücke zwischen zwei sich erbost anfeindenden Fußballfans(sie schwärmten leider für verschiedene Vereine!), und floh durch die aufgebrachte Menschenmenge davon. „Und zu all dem habe ich beigetragen? An all dem trage ich meinen Anteil an Schuld?“
Sein Gewissen meldete sich, gönnte ihm keine Ruhe, beanspruchte den Rest seiner ohnehin schon arg strapazierten Nerven. „Das ist dein Werk!“ flüsterte es ihm zu. „So gedankenlos hast du all die Jahrtausende agiert!“ „Nein!“ murmelte entsetzt unsere gar nicht mehr eingebildete Persönlichkeit kraftlos zurück. „Das will ich nicht länger verantworten. Das werde ich ändern!!“


Wovon unser immens kluger Kerl nichts ahnte: Er war nicht der einzige immens kluge Kerl auf Erden. Da gab es doch tatsächlich sogar in seiner eigenen, von ihm so heißgeliebten Stadt noch eine andere, überaus wichtige Persönlichkeit. Nicht ganz so snobistisch eingestellt, nicht ganz so überheblich, nicht ganz so rabiat wie er. Doch ebenfalls sehr selbstbewusst, ehrgeizig und der eigenen Charakterisierung nach auch ähnlich gescheit. Gab auch Ratschläge in taktischer Rhetorik. Hatte ebenfalls eine nicht unerhebliche Fanschar. Eines unterschied sie: Dessen Taktik war irgendwie dezenter, ein Quäntchen vornehmer. Sein Name: Weshalb-immer-einsam. Aber auch jene in ihrem Wirken dezentere, ein Quäntchen vornehmere Persönlichkeit sehnte sich nach Urlaub. Fühlte ebenfalls die Kräfte schwinden. Kein Wunder: Auch sie lebte schon Jahrtausende an Jahren. Auch jenem schlauen Kopf hatte der Arbeitsvertrag jeglichen Urlaub untersagt. Auch ihm war kein einziger Tag, keine einzige Stunde, noch nicht einmal eine einzige, kurze Minute der Erholung zugestanden worden. Wie unsere überaus bedeutende Persönlichkeit Nr.1 empfand auch er das als maßlose Ungerechtigkeit: Alle arbeitenden Wesen hatten Anspruch auf freie Zeit, auf Urlaub. Er brauchte auch eine Atempause, musste sich von den Strapazen seiner Jahrtausende währenden Arbeit erholen. Wie unser immens kluger Freund aus dem entgegen gesetzten Teil der Stadt versank auch er nicht etwa in Depressionen dieser ungerechten Ferienregelung wegen. Dafür war er ebenfalls zu gescheit. Auch er wusste sich zu helfen. Ähnlich wie der ihm gänzlich unbekannte Kollege bestünde er auf seinem Urlaub.
So ganz rein zufällig wählte auch er die Flucht aus der Stadt, die Wanderung zum Fluss. Freute sich auf die Ruhe der Vororte. Ersehnte die Stille während des Spazierganges entlang jenes Gewässers. Doch auch auf ihn warteten himmlische Überraschungen der ganz besonderen Art. Die unseren Weshalb-immer-einsam zwängen, vorübergehend „Urlaub“ zu vergessen. Seine Denkarbeit wieder aufzunehmen. Ähnlich wie schon unsere immens wichtige Persönlichkeit Nr.1 schlenderte er durch die Straßen und Sträßchen. Spazierte durch Gassen und Gässchen. Auch seine Hoffnung auf einsetzende Ruhe wurde zunichte gemacht. Gerade wollte er ob der vermeintlichen Stille erleichtert tief durchatmen, da ging es auch schon los. Vor ihm in diesem winzigen Gässchen lagen sich zwei kleine Mädchen ganz offensichtlich in den Haaren. Sie standen, was den Sprachgebrauch angeht, den kleinen Jungen kaum nach. „ Gib mir sofort meine Puppe wieder her!“ heulte das eine, wahrscheinlich in entsprechendem Alter. „Wie gemein Du bist. Wie kannst Du meine Lizzie einfach an den Haaren ziehen? Du Hexe!“ Ebenso wie vordem unser kleine Junge Nr.1 war auch das Gegenüber jener kleinen Heulsuse des Meckerns mächtig, führte das jetzt mit Wonne vor : „Mensch, das ist doch bloß ´ne Puppe. Wie dämlich du bist!“ Zog einen hämische Grimasse und setzte noch eins obendrauf: „Lauf doch jetzt zu Mami wie ein kleines Baby, bähh-bääh!“ Hatte zur Folge, dass die kleine Puppenmutter ihr Kind verzweifelt an sich riss und laut brüllend von dannen stürmte. Um sich bei ihrer Mama Trost zu holen. Weshalb-immer-einsam hatte traurig und mitleidig zugehört. Traurig darüber, dass seine Ratschläge solcherlei Wirkung zeigten. Doch zur Untätigkeit verdammt, verließ er schleunigst die Stätte(ääh...das Gäasschen) dieser Auseinandersetzung und setzte seinen Weg fort. In der Annahme, dann endlich Ruhe zu finden. Doch auch er hatte sich offensichtlich nicht vor Augen gehalten, dass winzige Gässchen mit Vorliebe in dann mit lautem Leben gefüllte Straßen münden. So erreichte er eine Straßenkreuzung: Dröhnender Lärm plagte seine armen Ohren. Von wegen Stille, von wegen Erholung! Stattdessen Krach von allen Seiten und äußerst geschäftiges Treiben. Ebenfalls nicht nur fahrbare Untersetzer sämtlicher Bauart und Größen, sondern ein hin und her wimmelndes Menschenmeer, dass per pedes zu den unterschiedlichsten Zielen eilte. (Obwohl das als unchic galt.) Auch hier aufheulende Motorräder, hupende Fahrzeuge, kreischende Bremsen, bimmelnde Straßenbahnen. Deren Klingeln dem ganzen Lärm noch das I-Tüpfelchen aufsetzten. Seufzend hatte unser Held Nr. 2 einzusehen, dass er den Gedanken an Urlaub vorläufig zu vergessen hatte. Dass der Krach ihn wieder hätte, sich mit verdoppelter Kraft auf seine armen Ohren stürzte. Leider hatte auch unser Weshalb-immer-einsam nicht rechtzeitig seine ebenfalls nicht so kleinen Hörorgane zugeklappt. Zum Zwecke, Wort- bzw. Satzfetzen zu ignorieren. Bei dem, was er dann zu hören bekam, schlackerten ihm dieselben ganz beträchtlich. Nicht nur Kinder verstanden es anscheinend, sich mit Hilfe rhetorischer Mittel runterzuputzen. Nein, ihm blieb die traurige Erfahrung nicht erspart, dass auch Mädchen weit fortgeschritteneren Alters dann allerdings weit ausgefeilterer Sprüche kundig waren. Da auf der anderen Straßenseite ging es hoch her. Zwei Frauen waren mit ihren Fahrrädern zusammen gestoßen. Hatten ihre Gedanken wahrscheinlich bei ihrem Liebsten gehabt. Waren unsanft aus ihren Träumen gerissen worden und entsprechend sauer: „Aufpassen geht wohl nicht, wie? Doofe Kuh!“ Höhnte Frau Nr.1 wütend, wollte wieder aufsteigen und ihren Weg fortsetzen. Doch das weibliche Gegenüber stellte sich ihr quer in den Weg, ließ die „doofe Kuh“ nicht auf sich sitzen. Plante, zu beweisen, dass sie rhetorisch besser wäre: „Du hast sie wohl nicht mehr alle, wie? Haste mal was von Vorfahrt gehört, du Schlampe?“ Doch das reichte noch nicht. Ihr Gegenüber wirkte zu wenig beeindruckt. Da war noch mehr nötig: „Du hast soviel Grips wie ´ne Hauswand, du bescheuertes Stück!“ So, das hatte gesessen. Frau Nr.1 schlotterten ganz offensichtlich die Beine vor Schreck. Erbleichte, da spontan keiner passenden Erwiderung mächtig, kletterte zum zweiten Male auf ihr Vehikel und düste schleunigst von dannen. Deprimiert hatte unser Held Nr.2 dieses Wortgefecht verfolgt. Und dazu hatte seine Ratschläge in Sachen rhetorischer Taktik beigetragen? Auch sein Gewissen meldete sich, gab ihm keine Ruhe: „Das ist der Erfolg deines Jahrtausende währenden Treibens. Das geht auf dein Konto!“ „Nein, oh nein!“ stammelte Weshalb-immer-einsam. „Das wollte ich nicht. Davon hatte ich keine Ahnung. Das werde ich ändern!“ Gar nicht mehr selbstbewusst, sondern ausgesprochen zerknirscht ging er seiner Wege. Wanderte ich Richtung des Flusses. Freute sich auf den ruhigen Spaziergang entlang des Wassers. Dort würde er endlich Ruhe finden. Stille war sein Urlaub.


Ohne von einander zu ahnen, wanderten unsere beiden Helden zum Fluss. Beide in trübe Überlegungen versunken. Aber-leider-solo gar nicht mehr überheblich, sondern ausgesprochen geknickt. Weshalb-immer-einsam gar nicht mehr so ehrgeizig, sondern sehr traurig. Am Fluss verhielten sie beide. Standen per Zufall nebeneinander, sahen dem vorbei sprudelnden Wasser zu. Genossen die Ruhe, die Stille. Mit einem prüfenden Blick zum Nachbarn stellte unser Aber-leider-solo fest: „Der wirkt auch nicht fröhlicher als ich!“ Mit einem ebenfalls forschenden Blick zu seinem Gegenüber erkannte unser Weshalb-immer-einsam: „Der ist auch so traurig wie ich!“ Beide stutzten, lächelten einander an. Begannen ein Gespräch, vertrauten sich diese ihre Gedanken an.

Das „Als“ und das „Wie“ wurden Freunde.
Es kommt nur auf die Perspektive an!

Gaby Schumacher, 20. Mai 2004

Liebe Leser!

Etwas zum Nachdenken....
Über Kritik und Kommentare zu dieser Geschichte wäre ich sehr froh!

Gaby Schumacher
Gaby Schumacher, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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