Nando Hungerbühler

Pestis (1331-1351)

Pestis
(1331-1351)


Im Jahre des Herrn 1331, erwachte im Fernen Asien, im Lande China, etwas das seit Sechshundertjahren geruht hatte.
Von des Menschen Geist längst vergessen, berichteten nur noch Alte Schriften von jener Pein, jenem Schrecken die mit Ihm kommen würden.

Die Musik spielt zum Tanze auf,
der lange Schlaf soll Enden,
die Welt sich Meiner Gewahr werden,
die Zeit ist Mein,
wunderschön soll Mein Werk sein.

Von Cathay komm Ich her,
wandle in die Welt hinaus,
werd jedes Land bereisen,
jede Hütte besuchen,
alle Menschen Liebkosen.

Keine Füße gehen der Wege,
kein Leib ist zu erblicken,
kein Antlitz zu fürchten,
dennoch bin Ich da,
ganz in Eurer Näh.

Euer Lachen ist vertraut,
Euer Flüstern nicht Fremd,
Eure Lust gern Beobachtet,
von jenem ohne Fleischeskleid,
von Mir der unter Euch wandelt.

Eine Pandemie ist mein Begehr,
enden sollen alle Wege,
mehren will Ich die Gräber,
die Hoffnung Welken sehen,
alle Seelen möcht Ich verschlingen.

Schimpft Mich einen Unhold,
nennt mein Tun Unglück und Verderben,
erblicket in Mir die Qual,
seht das Leiden das Ich bring,
jedoch erkennet in Mir den Schwarzen Tod.

Unbarmherzig hatte Er in China gewütet, bis Ihn sein Sinnen gemächlich aus dem Lande, Richtung des Europäischen Kontinents führte.
Ungezählte Tode forderte Er auf seinem Wege, bis Er im Jahre 1338 vor den Toren der Östlichen Assyrischen Kirche von Issykkul stand.

Ihr Kinder von Mar Addai,
wie Lachhaft sind Eure Gebete,
so Nutzlos das Hoffen auf Verschonung,
kein Glauben kann Mich Schrecken,
möchte Mich an Euren Leibern laben.

Trauert um die Brüder und Schwestern,
fürchtet Euer eigen Sterben,
lest im Buch der Bücher,
seid Euch Meiner Nähe bewusst,
denn der Tod wandelt am Balkaschsee.

Euer Gotteshaus soll Erdunkeln,
Erlöschen will Ich die Kerzen und das Hoffen,
möchte Leichen allerorts Erblühen sehen,
den Duft des Todes in der Luft erhaschen,
dass auch Ihr Nestorianer zu Sterben gedenkt.

Von meiner Gnade sollt Ihr Dahingerafft werden,
Euren Gott im Tode begegnen,
wissend dass noch viele folgen werden,
das Euer Sterben erst der Anfang war,
mein Wüten in dieser Welt erst beginnen mag.

Ohne Hast und ohne Reu wandelte der Schwarze Tod weiter, lies die Mauern der Östlichen Assyrischen Kirche hinter sich.
Seine Wege führten Ihn im Jahre 1345 schließlich an die Ufer der Krim, und Zwölf Dunkle Monate Später in die Strassen der Stadt Astrachan.
Im selben Jahr, dem Jahr 1346, traf der Schwarze Tod auf die Horden der Tartaren.
Jene belagerten voller Kampfeslust die Mauern der Stadt Kaffa, die von den Italienern gehaltenen und Verteidigt wurden.


Oh großer Kahn,
Führer der Altin Orda,
wie Edel sind Deine Goldenen Horden,
wie Kraftvoll die Herzen Deiner Krieger,
deren Seelen Ich so begehr.

Meine Lust brennt Lichterloh,
nage gierig am Leben der Tapferen,
lass gar die Stärksten ersterben,
fürchte Mich vor keinem Schwerteshieb,
werd Euch allen den Tod schenken.

Den Herzschlag vieler habe Ich geraubt,
die Leiber der Altin Ordu erlegt,
85.000 Gräber erhoben,
ohne Gramm Witwentrauer beschworen,
dass mein Hunger kurz gestillt sein mag.


Nachdem der Schwarze Tod, den Horden der Tartaren, den Belagerern von Kaffa, empfindliche Opfer zugefügt hatte.
Reifte bei jenen der Gedanke, die eingekesselten in der Stadt ebenfalls mit dem Geschenk der Pestilenz zu bedenken.

Beladet schwer die Katapulte,
schleudert die Toten Leiber,
jenen die Mir erlegen sind,
lasst sie fliegen über Kaffa`s Mauern,
schenkt Mir Einlass in jene Stadt.

Wandern will Ich in den Strassen,
meine Freud dort finden wo Ihr noch nicht ward,
jene Besiegen die Euren Schwertern so fern,
dass auch Sie Meinen Namen wissen,
Erfahren werden wer der Jäger ist.

Flüchten sollen sie aus der Stadt,
auf Schiffen in die Ferne segeln,
Eurem Schwertstreich entrinnen,
Meinem Kuss nicht entkommen,
Mich zu neuen Ufern tragen.

Pestschiffe möget Ihr Sie nennen,
jene Boote die Meine Lehre bringen,
dem alten Kontinent Meine Schönheit verleihen,
von Euch in Quaranta Giorni gehalten werden,
ohne Mein Marsch durch dies zu hindern.

Im Jahre 1347 war der Augenblick gekommen, in dem der Schwarze Tod mit den Flüchtlingen von Kaffa den Europäischen Kontinent erreichte.
Über Messina und Genua ging Er an Land, verbreitet sich in den folgenden Vier Jahre über den ganzen Kontinent.
Fast willkürlich befiel Er Städte und Länder, während Er andere Regionen gänzlich unberührt lies.

Mein Fuß führt Mich von Nord nach Süd,
wandle über Berg und Tal,
picke das eine Leben,
verschone verschmitzt das andere,
ergötze Mich an Meiner Macht.

Hüpfe von Stadt zu Stadt,
gleite Gnädig an Praha vorbei,
sättige Mich an Avenio,
verschone jene und vertilge diese,
bin der Herr über Sein und Nichtsein.

Wie Lieblich ist dieses Spiel,
Ich bin der Hirte,
der gefürchtete Schlächter,
Ihr seid meine Lämmer,
und niemand wird Euch Erretten.

Die Pestilenz lies alle denselben Tod sterben, machte keinen Unterschied zwischen den Reichen, jenen die Hunger litten oder den Brüdern und Schwestern Gottes.

Mutterherz lass Dich fragen,
wie Tief ist die Trauer die Ich beschwor,
wie schwer die Tränen die Du vergisst,
für das Kind das Ich verzehrte,
das nun Tod in Deinen Armen ruht.

Lasst Euch sagen Leute des Hungers,
auch Ihr werdet dem Kinde folgen,
zusammen mit der Mutter vergehen,
Euer Dorf Leer und Ruh zurücklassen,
mit Mir auf Dunklen Pfaden wandern.

Doch auch Du Reicher Mann mit fettem Wanst,
wirst Dein Lachen noch bereuen,
im Noblen Haus Dein Grabe finden,
wenn Ich durch die Dicksten Mauern schleiche,
um Dich nachts zu umarmen.

An Deiner Edlen Tafel will Ich mich gesellen,
neben den Reichen und Schönen sitzen,
Mich am Sündigen Tun amüsieren,
jeden einzelnen zum Tanze fordern,
die Fröhlichkeit Ersterben lassen.

Kein Mensch wird übersehen,
auch Euch Mönche will Ich besuchen,
das Fleisch unter der Kutte streicheln,
mit Euch in der Bibel lesen,
zusehen wie Ihr an Mir zugrunde geht.

Von Gesunden Brüdern lasst Euch Segnen,
Eure Beichte legt ab,
empfangt das Letzte Sakrament,
ergreifet Meine Knochige Hand,
schließen Eure Augen für immer.

Die Menschen, egal welcher Schicht sie angehörten, waren Machtlos und Panisch. Viele Flüchteten sich in den Glauben, in der Hoffnung durch Busse und Gebete Verschonung zu finden.
Andere wiederum gaben sich dem Aberglauben hin, oder ließen sich von den unwissenden und überforderten Medizinern mit zweifelhaften Ratschlägen und Methoden behandeln.

Ihr Kinder Gottes,
betet um Euer Seelenheil,
das Ende ist Nah,
der Tod Euch gewiss,
Mein Wille geschehe.

Tut öffentlich Busse,
beichtet die Sünden,
gebt Euch der Flagellation hin,
bestraft mit Hieben das welke Fleisch,
Unterhaltet Mich mit Eurer Torheit

Fleht zum Helfer in der Not,
jenem Manne des 228. Tages,
dem Heiligen der Pestkranken,
der schon Lange verlebt,
Euch vor Meinem Tun nicht bewahren wird.

Hört auf die Hippokratischen Stimmen,
folgt Galenos Lehren,
öffnet mit spitzer Klinge die Adern,
lasst in menge Blut zu Tage treten,
und merkte Sterben wie Sinnlos dies ist.

Öffnet die Fenster nie gen Norden,
Schlaft nicht ein zur Tageszeit,
verpönt die Schwere Arbeit,
verflucht die Schönheit der Mädchen,
und wisset dass nichts von dem Euch Schützen wird.

Jedoch griff nicht nur Fanatischer Glauben und Aberglauben um sich, sondern die leidenden
fragten Sich auch wer die Schuld an jener Düsteren Zeit trug.
Viele sahen in dem Schwarzen Tod die Strafe Gottes, während andere die Schuld bei der Minderheit unter dem jeweiligen Volk suchten.

Verfolgt Sie mit geschwindem Schritt,
sucht in jeder Ecke nach Ihren Leibern,
stecht und brennt Sie zu Tode,
jene die von Judas stammen,
und nicht für mein Sein können.

Gebt dem Judenvolk die Schuld,
jene die wenige Tode beklagen,
die auch in Furcht vor Mir leben,
auch an meiner Gnade sterben,
doch nun vor Euren Schwertern flüchten.

Schlagt ihnen mit Wut ins Antlitz,
tötet Frau und Kind,
Sündigt mit ihrem Blute vor Eurem Glauben,
gebt Euch als Narren Preis,
und Tanzet weiterhin mit Mir in den Tod.
Im Jahre 1351 erschien endlich ein Lichtstrahl im Leben der gegeißelten Menschen, der Schwarze Tod, die grausame Pestilenz zog sich Langsam zurück.

Verklingen wird die Schöne Musik,
habt Dankt für den Tanz,
für die Zeit der Freud mit Euch,
dass Ihr meinen Hunger so gut gestillt habt,
so wunderschön für Mich gestorben seid.

Verabschieden werd Ich Mich nun,
25 Millionen Seelen mit Mir nehmen,
von der großen Tat Müde Schlafen gehen,
doch werden wir uns wieder sehen,
fürchtet das Jahr 1400.

Die Welt wird Mich nie Vergessen,
Mein Sein nie missen,
vor Meinem Namen Ewig Schrecken,
denn Mein ist die Herrlichkeit,
und Schönheit des Todes.

Der Schwarze Tod genannt,
wisset die Pestilenz in Mir,
fürchtet jenen Tag,
an dem Ich in meiner Herrlichkeit,
Euch zum Tanze fordern werde.


Ende






Worterklärung

Pestis: Lateinisches Wort für Pest (Seuche)

Cathay: ältere Bezeichnung für China

Pandemie: Aus dem Griechischen abgeleitetes Wort dass eine Länderübergreifende oder gar Weltweite Epidemie beschreibt.

Mar Addai: Aramäischer Name des Apostels Thaddäus

Nestorianer: Theologisch nicht Korrekte Bezeichnung für die Mitglieder der östlichen Assyrischen Kirche ( Assyrische Heilige Apostolische Katholische Kirche des Ostens )

Altin Orda: Tatarische Bezeichnung für die Goldenen Horden (Tartaren)

Altin Ordu: Türkische Bezeichnung für die Goldenen Horden (Tartaren)

Quaranta Giorni: Italienischer Ausdruck für die Isolierung von Menschen für 40 Tage (Quarantäne)

Avenio: Name der Stadt Avignon, wie er im 2.Jahrhundert vor Christus Erwähnung fand.

Praha: Tschechischer Name für die Stadt Prag

Sakrament:

Flagellation: Aus dem Lateinischen Flagellum (Geisel), ist ein anderer Ausdruck für Selbstgeißelung / Auspeitschung des Körpers.

Galenos: Name des Griechischen Arztes und Anatom Galenos von Pergamon (129 bis 199)

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