Wolf-Alexander Melhorn

Die Steine - eine Fabel:

 






Sterne sprühten ihre Kälte in den Sand;
Schatten türmten sich bedrohend,
behende stets der zuckenden Beweglichkeit des Feuers weichend.







Es war wohl gegen Mitternacht:
„So hatte es sich einstens zugetragen.“
begann da plötzlich einer….








Es lebte einst
ein großer Herrscher.
Gütig,
doch mit weiser Strenge,
lenkte er die Fährnis seines Reiches,
dass jeder ihn darob verehrte.







Eines Nachts erschien jedoch ein Geist vor ihm;
in Gestalt von einem Jüngling,
stark und schön.
Der legte ihm ein Kästchen vor,
das zierlich klein,
aus Edelholz,
mit ziselierter Schnitzerei
und reich belegt
mit Gold und Edelsteinen.




Der Geist verneigte sich,
ihn ehrend,
bevor er achtsam seine Worte setzte:

„Fünf Steine bringe ich Euch, Herr,
denn Ihr seid auserwählt,
sie zu besitzen.
Bis zur Schwelle Eures Lebens!
Dann gebt sie dem,
der gleichfalls würdig,
sie wiederum der Zukunft zu bewahren.“







Das waren seine Worte.
Behutsam öffnete er ihm danach die Kostbarkeit in seinen Händen
und Licht,
- das niemand je beschreiben kann an Pracht und Farbenfülle -
ergriff von allem Irdischen Besitz.



Der Jüngling wies auf einen Edelstein
mit einer Strahlkraft ohnegleichen
und gab den Worten dabei viel Bedeutung:.
„Er ist die Macht!“


„ Und dieser hier....“
Vorsichtig griff er sich den Stein heraus
und hob sein Funkeln in den Raum:
„Der ist die Kraft !“



Sachte legte er die Pracht zurück
und griff nach einem dritten Kleinod:
„Der hier, Gebieter,
mit seiner leuchtend prallen Brechung allen Lichts,
ist der Reichtum!“



Bedächtig wies er auf den nächsten Edelstein
und seine Stimme hatte dabei einen tiefen Schmelz:
„Die Schönheit, Herr.“
- und es bedurfte weiter keiner Worte!



So ward ein jedes Schmuckstück knapp benannt,
obwohl es eigentlich noch viel zu sagen gab,
zu solchen Schätzen!
Doch es gab sonst kein Wort mehr der Erklärung
- als habe Sprache dazu keine Kraft.





So sagte er
zum fünften Edelstein,
den selten herber Glanz umhüllte,
auch nur,
wie nebenbei:
„Die Liebe“.











Der Herrscher fühlte sich benommen.
als die Erscheinung ihn verlassen,
und wähnte anfangs,
nur geträumt zu haben
- bis er die Steine selbst berührte
und tief ob seiner Pflicht erschrak!




Der Tag brach danach irgendwann herein
und fand ihn weiter sinnen.




Zuletzt befahl er,
diese Unvergleichlichkeiten sicher zu verwahren,
ließ sie auch später nochmals vor sich bringen,
doch wiederum
durchschauerte ihn tief
die Bürde ihres Lichts!










Doch weiter lief die Zeit mit ihm,
dem unbekannten Ziel entgegen
- so unbeirrt wie immer!
Bevor sie ihn jedoch,
nach Jahren,
endlich ruhen ließ,
blieb ihm,
- nun Greis! -
noch auszuführen,
was so verbindlich aufgegeben.









Lange sann er auf das beste Tun,
vergeblich jedoch alles Mühen!
Zuletzt befahl er daher,
alle zu benennen,
die würdig seien,
solchem Auftrag zu genügen.


Doch als er die mit Augen sah
und über jeden reiches Lob vernahm,
fiel die Entscheidung doppelt schwer!

Denn wonach wird ein Mensch gewogen?
Wieso ward der genannt als Würdigster?
Nicht jener?
War denn nicht jeder würdig,
dieser Ausgewählten?








Der Tag verging.
Dann traf er die Entscheidung,
die Steine sorgsam zu zerteilen,
- was ihm ja nicht verboten worden.



Und jeder dieser Ehrenwerten
erhielt ein Stück davon,
das ihm,
nach Größe, Wert und Pracht,
Gewähr erschien,
selbst bleibend kleinen Unterschieden zu entsprechen.


Danach gab er den Auserwählten auf,
wenn dereinst ihre Sterbestunde nahe,
zur weiteren Verwahrung ihr Stückchen Stein
nun ihrerseits dem ihnen Würdigsten zu übergeben.


Beim fünften Stein riet Sachverstand ihm jedoch ab,
auch diesen aufzuspalten:
Es hieß,
der sei mit Sicherheit zu spröde,
als dass selbst Handwerkskunst ihn teilen könne,
ohne mehr
als Staub zu hinterlassen!




Doch was da tun?

Nach langem Hin- und Herbedenken
winkte sich der Herrscher eine junge Frau heran.
mit einen Kind in ihren Armen,
das selig zu der Mutter strahlte.

Dem gab er wortlos jenen Stein!
Die Mutter würde der Belehrung nicht bedürfen!






Die gleiche Nacht verstarb der Greis.












Was gut gemeint,
war gleichwohl doch gescheitert!
Denn wahre Würde,
- wie sie ausbedungen! -
verpaart sich nur mit Größe
– nicht jenem seichten Wert,
den Dritte etwas zuerkennen
oder
– schlimmer noch! –
man sich gar selber zugesprochen!


Es sahen jedoch viele,
wen der alte Mann auf seine Art beschenkte,
wer welchen Edelstein erhielt
und folglich auch,
was jeder damit später tat!
Soweit der Herrscher sich dem Urteil Dritter anvertraute,
statt seine Last des Auftrags selbst zu schultern,
ward seinem Geben das Versagen folglich mitgeschenkt!

Es floss der Steine wegen nämlich bald schon Blut!
Verstanden doch zu viele das Geschehen falsch
und trachteten aus Neid,
von diesen Steinen selber welche zu besitzen!
So glitten diese,
immer schneller,
- blutgetaucht! -
durch vieler Menschen Hände;
gelangten schließlich selbst in fernste Länder
- und wurden weiter aufgeteilt!
So weiß auch heute niemand,
wer sie gerade
- und wie lange -
im Besitze hat!
Auch was sie einem bringen,
zerrinnt ihm im Ergebnis oftmals schnell!
Wie Menschen immer schon gewesen.






Gesondert zu erwähnen
ist jedoch der Verbleib des fünften Steines!


Es sei erinnert,
dass der Weise selbst das Kind erwählte!
Er konnte sich daher nicht irren!

Und dennoch blieb daran ein Zweifel!
Nicht an der Wahl an sich,
vielmehr am Schweigen,
mit dem er das Geschenk bedacht!





Ein Vorwurf war ihm daraus
gleichwohl nicht zu machen!
Ein Kind,
der Worte des Verstehens
noch nicht mächtig
- was sollte er zu dem denn auch gesprochen haben?
Doch da war immer noch die Mutter!
Sie hätte einen Auftrag weitergeben können!
So,
wie sie auch den Stein verwahren sollte!









Wer jedoch meint,
der lebenskluge Greis
sei vielleicht uneins mit sich selbst gewesen,
was Liebe für die Menschen wirklich ist,
der deutet ihm sein Schweigen falsch!
Er wusste,
was er tat
und handelte aus gutem Grund!
Denn wo die Liebe noch Erklärung braucht,
da ist sie nicht!
So wenig,
wie sie teilbar ist!







Das war dem Weisen wohl bewusst,
als er den unzerteilten Stein verschenkte!
Nicht so den andern,
die nur sahen,
dass eine was erhalten hatte,
ohne scheinbar
es erdient zu haben!





Die Mutter des beschenkten Kindes
fand sich daher schon bald gedrängt,
jedem zu erklären,
was sie doch selber nicht verstand
- nur die Gefahr erzitternd,
die ihr allmählich aus dem Stein erwuchs.
Fiel doch schon fiel das böse Wort von „Zauberei“!
Auch dass der Stein
- in grauer Vorzeit! –
schon getötet habe!







So fanden sich
- wie immer, wo dies möglich ist! -
bald welche,
die planten,
- gläubig-fromm! -
gewaltsam bei ihr einzudringen,
um sich
- im Namen Gottes -
solchen Übels zu entledigen!
Es ward ihr jedenfalls so zugetragen!





Um deshalb Schaden von dem Kind
- und auch sich selber! -
abzuwenden,
stellte sie zuletzt
auch selbst den Wert und Sinn
von dem in Frage,
das ihr,
für den Beschenkten,
damals überlassen;
ersichtlich zwar zur Aufbewahrung,
jedoch vom Schenker scheinbar ohne Grund!



Sie stand mit ihrem Denken nicht allein!

Es lässt sich wirklich nur erahnen,
was wirklich diesen Greis bewog,
nur ihr den Auftrag zu verschweigen,
der als Bedingung jedem Stein verbunden!
Kam vielleicht selber Zweifel in ihm hoch,
weil eigentlich nur einer auszuwählen,
dem er die Schatulle dann als Ganzheit übergebe
– und zwar so unauffällig,
wie er sie selbst erhalten hatte?
Schwieg der Weise folglich bei der letzten Gabe,
weil er in diesem Augenblick begriffen,
wie kläglich er durch seinen Pomp,
mit dem er diese Steine schenkte,
in seiner letzten Prüfung
selbst versagte?

Lähmte ihm daher Betroffenheit die Zunge?






Genaues ist uns nicht bekannt!
Vielleicht,
weil eine Antwort jeden trifft!
Bekundet nur,
dass sich die Frau von diesem Stein,
mit seinem ruhig, tiefen Feuer,
voller Heimlichkeiten und Gefahr,
dann irgendwann erleichtert wieder trennte.





Und jene,
denen sie ihn hingegeben,
trugen ihn,
mit Sprüchen und Gesängen,
auf den geheimnisvollen Berg,
der immer schon der Götter Sitz.

Von dort aus warfen sie ihn weit hinab,
wobei sie Glück der Welt erflehten!



Und so zerbarst er in der Tiefe!





Es kam,
trotz diesen Tuns,
der Welt die Liebe nicht abhanden,
denn eines Tages,
da bekannte sich,
- von irgendwo -
doch das Geheimnis des Juwels!
Da wog dann sein Verlust sehr vielen plötzlich schwer!
Sie suchen seither nach den Splitterresten,
doch niemand kennt mehr deren Form,
noch Farbe!



Wer sich bei dieser Suche dennoch etwas aufgegriffen,
kann jedenfalls nie sicher sein!
Denn wie
muss Liebe sich ihm zeigen?
Nimmt sie doch nichts!
Sie gibt
- und dadurch erst wird ihr dann selbst gegeben!
Ganz anders als die andren Steinen,
die sich vor allem im Besitz beweisen!
Ein kleines Stück,
das wir für uns als Liebe finden,
kann durchaus Teil des Ganzen sein!


Auch wenn es an Gewissheit fehlt,
dem Finder bleibt nur eines:
zu hüten und zu pflegen,
was ihm allein als Liebe dünkt!
Wissen wird er erst,
nachdem er die verloren!








Er erhob sich in dem Schweigen,
durchschritt den Kreis,
der sich um ihn gebildet hatte.

Des Feuers Glut
versickerte dann irgendwann im Dunkel.






 

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