Harald Tomaschitz

Der kleine Heinzi

Die Uhr zeigte halb zwölf Mittag. Der kleine Heinzi blickte wie gebannt auf sie. Die Zeiger schienen wie festgenagelt. Weil, so kommt es dem kleinen Heinzi vor, je öfter er auf die Uhr starrte, desto langsamer verging die Zeit. Der kleine Heinzi saß wie auf Nadeln. Die Schulglocke begann endlich zu läuten und schon stürzten sich die Kinder laut schreiend aus der Klasse. Es ist soweit, der lang ersehnte Tag.
HEUTE IST KIRTAG. Schon recht früh, es war noch finster, konnte er die Marktfahrer beim Aufbauen ihrer Schirme und Stände beobachten. Er ist extra etwas früher zur Schule gegangen, damit ihm ja nichts entgeht. Da aber ausgerechnet heute in der ersten Stunde eine Deutschschularbeit angesagt war, traute er sich nicht, zu spät zu kommen. Aber nun war es soweit. Beim Hinauslaufen aus dem Schultor, warf er seine Schultasche in weitem Bogen hinter ein Gebüsch und schloss sich einer Gruppe anderer Buben an. Das Angebot war riesig und der kleine Heinzi wusste gar nicht, wo er zuerst hinschauen sollte. Denn dass, was er suchte und sich schon seit Wochen fieberhaft herbeisehnte, war nirgends zu sehen. Die anderen Buben hatten sich bald ihr Lieblingsspielzeug oder was ihnen sonst wichtig erschien, gekauft. Auf der linken Seite, ganz unten an der Hauptstraße, war er noch nicht. Und wirklich, da sah er es. Ein riesiger Stand mit Tüchern und Leggings, Gürteln und T-Shirts in allen Farben. Zwischen all den bunten Sachen, fast unbemerkt, aber für einen Experten wie er es ist, war es für ihn natürlich nicht zu übersehen. So schwarz und natürlich fast „ORIGINAL“. Das T-Shirt das er schon so lange suchte, „DIE BÖHSEN ONKELZ“.
Der kleine Heinzi war erleichtert. Hatten es die anderen Buben vielleicht noch gar nicht gesehen? Mir egal dachte er sich: „Ich muss es haben, koste es was es wolle !“. Der Seppel und der Karli haben auch schon eines. Dann gehöre ich auch zu ihnen. Mit dem Hunderter in seiner linken Hand und ein Schlottern in den Knien ging er auf den Verkäufer zu. Der wusste natürlich schon im voraus, was der kleine Heinzi wollte. „Ganz billig nix viel kosten“, sagte der Händler. PRIMA QUALITÄT mit Farbdruck nur hundertfünfzig Schilling. Der kleine Heinzi wurde ganz blass um die Nase, denn mit soviel hatte er nicht gerechnet. Er wusste aber von seinem Vater, dass man auf dem Markt fest handeln sollte, weil die schon anfangs mehr verlangen würden. Er wandte sich um, und tat so, als wollte er wieder weggehen, da rief ihm der Verkäufer nach: „Okay für hundert Schilling kannst du haben“. Das war´s und der Hunderter, den er vom Opa zu Weihnachten bekam, wechselte den Besitzer. Das T-Shirt auch und selbstverständlich in Größe XXXXL. (Groß ist modern…). Der Verkäufer gab das T-Shirt dem kleinen Heinzi natürlich unverpackt mit, weil er sehr umweltbewusst ist. Während der kleine Heinzi beim Weggehen in Gedanken sich irgendwo sah, fragte ihn sein Freund Peter, eher etwas neidvoll: „ Ziehst du das T-Shirt über deinen Wintermantel den du als Weihnachtsgeschenk bekommen hast, oder lieber über deinen dicken Daunenanorak?“
Während der kleine Heinzi noch überlegte, was besser sei, konnte man von einem Musikkassettenstand feierliche Musik hören! …Leise rieselt der Schnee... © Harald Tomaschitz 1997

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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