Rolf Habel

ich rede und du hörst jetzt zu!

Gibt es Heilung, kann ich gesunden? Nein, ich bin krank und bleibe es. Alleine das hier so auf zu schreiben, da möchte ich mir selbst sagen, ja hab ich sie noch alle zusammen? Ja spinn ich denn ? Nein, tue ich nicht. Ich sehe das ganz klar. Doch du, der du vielleicht gar nicht weißt, was 12 Jahre sexueller Missbrauch durch den eigenen Vater bedeutet, bist sicherlich der Überzeugung, das könne mann doch überwinden. Das ist doch schon so lange her? Mann muss nach vorne schauen. Vielleicht gehörst du sogar zu jenen Menschen, die sagen, du musst verzeihen, sonst gibst du ihm ja immer noch Macht über dich. Diesem Schwein, fügst du vielleicht noch hinzu. Schüttelst den Kopf, weil du dir grade versuchst vorzustellen, wie das wohl abgelaufen ist. Ich weiß jetzt nicht, was für Bilder dir durch den Kopf gehen? Doch ich merke, wenn du jetzt weiter nachdenkst, deine vielleicht aufkommende Wut und höre dich schon so Sachen aufzählen, was, deiner Meinung nach, mit solchen Schweinen, mit solchen Monstern angestellt werden sollte. Und dann sagst du, den eigenen Sohn vergewaltigen, wo gibt es denn so was.
Und ich bereue augenblicklich, dir meine Geschichte erzählt zu haben. Wieso? weil ich wieder einmal merke, verstehen kannst du mich nicht. Ist nicht schlimm, bin ich gewohnt, macht nix. So und jetzt langsam fängst du an sauer auf mich zu werden. Du möchtest mir sagen, du hast es ja nun auch nicht leicht gehabt, doch ist das ein Grund in Selbstmitleid zu versinken? Bin ich denn selbstmitleidig? Nein, ganz und gar nicht. Das kann ich mir gar nicht leisten. Denn ich muss damit leben.


Und? reden wir noch? Echt ? Ok, dann noch mal von Vorne. Also, mein Vater ist kein Schwein oder Monster und es wäre unerträglich für mich, wenn er in irgendeiner Weise gefoltert und grausam ermordet worden wäre. Vergewaltigt hat er mich nicht. er war extrem schwach und mitleidserregend. Doch genug von dem. Denn ich möchte über heute sprechen, denn ich schaue nach vorne. Und genau da sehe ich dann die Ungeheuer und Monster. Du nicht? Der Missbraucher ist die Spitze vom Eisberg. Ganz oben auf diesem Berg sehen wir dann ein paar Tage in den Nachrichten Bilder von suchenden Polizisten und mutmaßlichen Tätern. Da schaut jeder hin. Würden diese Bänder öffentlich gezeigt, die Täter oft herstellen, auch da würde jeder hinschauen. Jeder, nicht nur der Pädophile, du vielleicht auch. Nur, sieht noch jemand die Eltern? Jahre später, die ihr Kind so verloren haben? Es ist wie bei einem Unfall, der Moment, in dem jemand sein Bein verliert, ist kurz, für den Betroffenen oft sogar nicht wahrnehmbar. Später wird er lernen müssen, was es bedeutet, ohne dieses Bein zu leben. Doch in der Zeitung sahen alle nur diesen Augenblick. Na er wird schon zu recht kommen, nicht wahr?
Nehmen wir doch mal jetzt noch an, dieser Mensch wäre von einem Besoffenen überfahren worden und dieser hätte Fahrerflucht begangen. Hätte einfach einem talentierten, jungen Sportler die Zukunft geraubt, wäre nie gefasst worden. Ich glaube, du kannst dir vorstellen, was das Unfallopfer ab diesem Zeitpunkt lernen muss. Es würde lange dauern, bis er nicht in jedem Autofahrer einen potenziellen Täter sähe. Und es würde auch lange dauern bis er wieder damit leben könnte. sich daran „gewöhnen“ würde, das Tag für Tag, Stunde um Stunde immer wieder betrunkene Menschen sich ans Steuer setzen mit der Einstellung, wird schon gut gehen, soviel habe ich doch gar nicht getrunken. Er müsste sehr aufpassen, nicht zu verbittern.


Na, sind wir uns etwas näher gekommen? Verstehst du mich jetzt ein wenig besser? Kannst du dir vorstellen wie es mir geht, wenn ich sehe, dass ständig die Seelen von Kindern „überfahren“ werden. Sei es durch Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung oder einfach nur durch dumpfe Achtlosigkeit.
Du glaubst gar nicht welche Wut in mir hochkommt, wenn ich sehe, wie wenig die meisten Menschen bereit sind, sich ihrer persönlichen Probleme bewusst zu werden. Da soll es immer der oder die andere Schuld sein, wenn’s dann im Bett nicht klappt. Da geht er dann eben auf den Babystrich. Im Puff ist’s doch viel zu teuer ! Sie will ja nicht mehr oder hat ihn sogar ausgelacht. Da muss doch wieder das Selbstbewusstsein hergestellt werden. Und? hat er gesagt, die vierzehnjährigen sollen mit drücken anfangen und sich so ihr Geld verdienen? Er doch nicht!!!
Oder sie muss ihrem elfjährigem Sohn eben alle ihre Schwierigkeiten erzählen oder sogar vorwerfen, denn er, ihr Mann hört ihr ja schon lange nicht mehr zu. Und zur „Belohnung“ darf dieser Sohn dann Mama massieren oder mit Cremes einschmieren, damit sie sich endlich mal wieder entspannen kann. Denn sie muss ja schließlich auch immer für die anderen da sein, auch für ihn, den Sohn.
Tja. der ganz normale Wahnsinn!!! Und mit welchen Gesetzen gehen wir gegen solche „Eltern“ vor?
Ich habe da ganz bewusst Fälle von sexuellem Missbrauch entworfen, die häufig genau so stattfinden, doch als solche leicht abgestritten werden können und werden. Und gerade solche Abstreiter sind häufig Befürworter der Todesstrafe.
Solange wir nicht achtvollen Umgang mit uns unsern Kindern vorleben, werden wir auch immer Täter mit übelsten Absichten großziehen. Und, verstehst du, da sitzt meine Angst. Ich sehe da kein Licht, hab so wenig Hoffnung. Und kämpfe jeden Tag mit der Verbitterung.
Danke, du hast mir ja wirklich lange zu gehört!!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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