Birgit Seitz

Unsan Döner



Döner ist das Haustier meines Sohnes.
Das nur zur Erklärung.
Nagut, erklären sollte ich vielleicht auch noch, dass Döner eine Wasserschildkröte ist. Er heißt so, weil er so aussieht. Das auch nur zur Erklärung.

Zur Erklärung, warum ich die Leserschaft mit dieser Geschichte beläs...erfreue, kann ich nur sagen, dass mir der heute eingefallen ist, als ich wieder mal das Dönertier sauber machen musste.
Wer sonst?
Ich bin doch schließlich die Mutter. Und Wasserschildkröten sauber machen ist eine echte Buckelarbeit. Das macht doch kein 11jähriger, der schon ein bissel Kenntnisse über Kinderarbeit und Sklavenrechte hat. Dem gehört das Tier doch nur, das muss reichen.

Während des Saubermachens kam mir nämlich so der Gedanke, dass Döner Glück hat. Das Glück, eine Wasserschildkröte zu sein.
Den nimmt niemand aus dem Gehege, Käfig oder sonstwas, um ihn dann begeistert abzuknutschen und mit dem Bäuchlein gegen die Wange zu reiben. Das hat zumindest noch niemand getan.
Ich glaube auch nicht, dass es dazu kommt. Döner kann furchtbar fauchen.
Echt!
Wenn ich den aus dem Becken fische, um wieder mal die verbrauchten Wassermassen der Kanalisation zuzuführen und danach Frischwasser durch die Bude zu hieven, ihn zu diesem Zwecke natürlich erst mal dem Hauptbecken entnehme um ihn in seine Übergangsschüssel zu setzen... dann faucht der.

Mittlerweile weiß ich (Fachliteratur), dass Kröten nun mal fauchen können. Und mittlerweile ängstige ich mich auch nicht mehr, wenn er das tut. Früher dachte ich ja noch, jetzt hat sein letztes Stündlein geschlagen und er macht sogleich den letzten Atemzug. Neinnein, alles völlig normal.
Mittlerweile habe ich auch ein klitzekleines Bissel diebische Freude daran, ihn so keuchen zu hören.
Aber das nur am Rande.
Wahrscheinlich hat Döner selbst auch massiv Freude daran, MICH keuchen zu hören, wenn ich die Wassertonnen hinundherwuchte. Manchmal nicht nur die Wassertonnen, manchmal sogar die Kiesmassen, die ja auch mal gereinigt werden müssen. Und DIE Urlaute, die ICH dann von mir gebe, erinnern ihn bestimmt an alte Zeiten im Urwald.
(Das ist der Beweis, dass ich die Fachliteratur so genau gar nicht gelesen habe. Wasserschildkröten....ahem...kommen die ursprünglich aus dem Urwald?...egal...)

Döner hat auch das Glück, niemals Gassi gehen zu müssen, Ich glaube, ich wäre eine sehr schlechte Wasserschildkröten-Gassi-Führerin.
Mal abgesehen davon, dass ich Morgens gerne lange schlafe und ganz bestimmt keine Lust hätte, bei Wind und Wetter mit dem Viech meines Sohnes vor die Tür zu eiern, macht dieser Eierkopp ja sowieso ins Becken. Und das bleibt eh an mir hängen, das sauber zu machen. Wieso sollte ich ihn also anleinen und rausgehen?

Nunja, und seine Haltungsvorschriften lassen es auch zu, ihn über die Sommerferien mal so ganz ohne Futter vor sich hin leben zu lassen. Wirklich!
Mit anderen Worten, Döners Glück komplettiert sich hier, weil er nicht in Gefahr gerät, mal irgendwann an einer Autobahnraststätte ausgesetzt zu werden.

Obwohl, ich hätte ihn schon manchmal ganz gern irgendwo ausgesetzt.
Immer dann, wenn diese Wuchterei wieder ansteht, also alle zwei Wochen quasi.

Wobei ich sagen muss, dass das liebe Tierlein uns schon ans Herz gewachsen ist.
Seitdem mein Kronsohn in der einschlägigen (Fach-)Literatur nachgelesen hat, dass Schildkröten ein empfindliches Gehör haben, entfällt das Technogebummere aus seinen Gemächern ersatzlos.
Ich werde das Kröt also behalten. Vernünftiger ist das.

Ob er mir wohl fehlen wird, wenn mein Sohn 18 ist und er auszieht?
(Ich meine die Kröte, nicht den Sohn! Er ist nämlich männlich. Die Kröte, wieder nicht der Sohn! Der ist auch männlich. Das hoff ich doch zumindest. Also demzufolge: ob mir die Kröte fehlen wird.)

Ich werde mich bestimmt wehmütig an einige kleine Events erinnern, die mich der Kröte nahegebracht haben.
Als er zum Beispiel zu uns kam...nur aus dem Grund, dass nun mal grade ich keine Tierhaare ertrage, mein Sohn sich aber inständig ein Tier wünschte und Freunde von uns nichts besseres zu tun hatten, uns von den Vorzügen einer Wasserschildkröte vor zu schwärmen.
Jaja, ich hätte lesen sollen, dann hätte ich VORHER gewusst, dass diese Viecher unmittelbar von den Dinosauriern abstammen und auch ungefähr steinalt werden.
In Kenntnis dieses Umstandes habe ich mir in die Hand versprechen lassen, dass Sohn ihn beim Auszug mitnimmt. Dann haben meine Enkel und Urenkel auch noch was davon. Vielleicht erben die ja auch meine Allergie? Wäre ja wenigstens EIN Vorteil dieser Zivilisationsseuche.( Ich meine die Allergie, nicht die Kröte! Und den Sohn auch nicht!)
Apropos Hand. Döner ist jetzt ungefähr so groß wie meine Hand. Als er klein war, war er so groß wie ein Fünfmarkstück. Wenn er also proportional zum Lebensalter so weiterwächst, ist er am Ende seines Lebens ....würgs....okay, ich mag nicht drüber nachdenken. (Von welchem Getier stammen Kröten noch mal ab?...ohoh...)
Wie auch immer. Wir sind immer noch befreundet.
(Meine Freunde und ich, nicht DAS TIER und ich!)

Oder als zum Beispiel mein Patenkind mit Döner „Apokalypse“ gespielt hat. Das war zwar weniger witzig, weil ich das Becken GERADE EBEN sauber gemacht hatte.... aber seitdem weiß Döner eben, wie in Etwa das ist, eine Apokalypse. Klein-Jan hatte nämlich Freude daran, das Kröt zu füttern, wogegen im Prinzip nichts einzuwenden ist. Aber der Lütte hatte ausnahmslos alles an Futter ins Becken gekippt. Also Futterbällchen, Insekten, Maden und noch die andere Sorte Futterstäbchen. Die hatte ich im Mega-Pack angeschafft, weil: günstiger ist das.

Das Licht aus der beckeneigenen Beleuchtung ist nicht mehr auf den Grund durchgekommen, weil die Massen an Futter die gesamte Wasseroberfläche abgedeckt hatten. Nun, Klein-Jan fands wohl prima.
Die Anschaffung weiterer Megapacks Futter hätte ich mir sparen können, weil Döner, geschockt wie er war, einen Winter lang gar nix mehr gefressen hat.
Später habe ich dann nachgelesen (Fachliteratur), dass Kröten in die Winterruhe gehen.

Winterruhe ist toll bei Kröten, sie machen nicht mehr ins Becken uns Futtereste vergammeln auch nicht mehr im Wasser. Sympathisches Haustier, so übern Winter.

Döner ist auch geistig anregend. Das muss man dem Umstand des Umgangs mit einem Viech lassen...der Besitz eines Haustieres ist dem geneigten Besitzer immer wieder Anlass, sich darüber Kenntnis zu verschaffen, wie es denn seinem Artgeno....quatsch...Hausgenossen weiterhin gut ergehen möge.

Via Internet hat man da schöne Möglichkeiten. Ich weiß jetzt zum Beispiel, was der Unterschied zwischen UVA und UVB Strahlen ist. Wie man Schildkrötenfutter selbst herstellt. Ich weiß jetzt auch, dass mich beides nicht interessiert, weil ich immer noch nicht kapiert habe, WELCHE Strahlen denn nun gut sind. Und dass die Herstellung von Futter Schweinegeld kostet und sich nur beim Besitz von ca. 30 Kröten lohnt. Und dass das schon gar nicht in die Tüte kommt!

Wobei...eines mich schon WIRKLICH interessiert:
Wieso kommt bei der Mischung von 20 Litern Wasser mit 24° und weiteren 20 Litern Wasser mit 18° nicht ein arithmetischer Wassertemperaturmittelwert heraus, der dann ja genau 21° betragen müsste??

Könnte mir bei dieser Berechnung mal jemand den offensichtlich existierenden Denkfehler meinerseits erörtern?
Das wäre nett.


Also...bei allem, was die Pflege dieses kleinen Dinosauriers so mühselig und zukunftsträchtig langwierig macht, möchte ich ihn doch nicht missen.
Okay, ja, an der Stelle seines Wohnheimes könnte bequem ein Schrank stehen, oder ein Regal, in das ich den gesamten Kinderzimmermüll endlich mal einsortieren könnte. Nicht zu verachten ist aber die Eigenschaft der Leuchtstoffröhren, nämlich LICHT zu spenden.

Ich glaube manchmal, mein Sohn weiß nicht so recht, wo seine Lichtschalter sind. Die Schildkröte knipse aber ich an, wenn ich morgens reinkomme. Täte ich das nicht, würde mein Sohn bestimmt in seinem Zimmer völlig im Dunkeln tappen. Tages- und Nachtzeiten von Kröten und Kindern sind glücklicherweise fast deckungsgleich. Aktivitätszeiten auch. Eindeutiger Vorteil der Kröte gegenüber z.B. einem Hamster.

Okay, die Lebenserwartung eines Hamsters ist sein absoluter Pluspunkt.

Ich glaube, meinen Hamster damals hat mein Vater einfach in die Mülltonne geworfen, als der mal gestorben war. Oder haben wir den bei Omma im Garten begraben? Weißnichmehr.
Aber egal....Döner könnte man nach seinem Ableben mal zu einem ...hmmm..beispielsweise Aschenbecher recyclen. Oder als Knieschützer für’s Inlineskaten? Das ist doch total umweltfreundlich, nicht?

Achja, wie lieb ich ihn dennoch, den alten Fresskopp.
Leute, respektive Leute mit Kindern im haustierhabenwollenwütigen Alter: nehmt eine Wasserschildkröte.

Sind doch possierliche Kerlchen, die zu beobachten auch immer wieder Freude macht. Ich liebe ja besonders den ängstlichen Hechtsprung Dönerseits vom Stein ins Wasser, wenn ich das Zimmer betrete. Dabei tu ich ihm nun wirklich nur selt...fast n....also nie was. Außer vielleicht, andren Leuten zu beweisen, das Schildkröten keuchen und fauchen können.

Okeh, genug für heute. Ich muss noch Döner ausknipsen und die Tonnen wegräumen und die ausgekippten Wasserlachen wegmachen, damit nicht wieder Omma ausrutscht und sich nen Oberschenkelhalsbruch zuzieht.

Btw: möchte jemand vielleicht schon mal ein Weihnachtsgeschenk für Sohn oder Tochter günstig erstehen?
Mit Becken?



© Birgit Seitz

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.10.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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