Werner Gschwandtner

Brücke zum Verrat 3

Altruismus

 

10

 

Colonel Thomas Request setzte den Fernstecher ab, noch verhielten sich die Briten ruhig. Aber wie lange noch? Jeden Augenblick konnte der Sturm, die Attacke gegen die Unions-Miliz losgehen.

Es dunkelte. Doch damit hatte Request gerechnet. Mit Einbruch der Finsternis loderten unzählige Feuer auf. An allen wichtigen Positionen waren riesige Holzscheiterhaufen errichtet worden, diese knisterten hoch empor und Lagerfeuer spendeten genügend Licht.

Wieder hob Request den Fernstecher, aber jetzt konnte er nicht mehr viel erkennen. Mit bloßem Auge sah er da schon mehr.

 

„Colonel“, Admiral Samuel Wallace trabte hoch zu Ross dem Städtchen Chervil entgegen, „Colonel Request“, rief er noch einmal.

„Ja, sie wünschen?“

„Colonel“, Wallace richtete sich Arrogant in seinem Sattel auf, „in Anbetracht ihrer Situation wäre es Ratsam, sie Sir Kapitulieren. Ein Sieg über meine Truppen ist auf keinen Fall möglich. Ersparen sie ihren Männern den grausamen Tot und lassen wir die Angelegenheit mit Ruhe und Besonnenheit ausklingen.“

„Es tut mir leid Admiral. Aber Sie wissen das ich dass nicht Befehlen kann. Diese Nacht entscheidet über Leben und Tot. Wenn wir Leben, dann sind wir Frei und Unabhängig. Sollten wir aber Sterben, dann ist der Tot die vernünftigere Wahl. Denn für uns kann es kein Leben unter der britischen Knechtschaft mehr geben Sir.“ endete Request heroisch.

Wallace knirschte wütend mit den Zähnen. Er riss sein Pferd herum und schüttelte drohend die Faust. „Wie sie wollen Request. Dann sterben sie und ihre Männer den Tod der Narren.“

Im Galopp entfernte sich Admiral Wallace. Der Colonel wusste, der Angriff konnte nun jeden Augenblick erfolgen.

 

Die Streitmacht King Georges hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt und traf bereits dreiundzwanzig Stunden nach dem Aufbruch, in South Carolina ein. Durch das Kommunikee Benjanns wusste der König, das sich die Letzte entscheidende Schlacht in dem Städtchen Chervil abspielen würde. Unterwegs, kurz nach den Falcon Mountains, traf George II. auf die Division, die aus dem Süden zum siebenten Regiment aufschließen sollte.

 

Schüsse peitschten. Querschläger sausten durch die Luft und surrten unangenehm über die Köpfe der Miliz Soldaten hinweg. Request beobachtete den Gegner genau. Jetzt schickte Admiral Wallace die erste Welle gegen die Stadt Chervil.

„Männer“, Request vermittelte Stärke, ließ jedoch keine Illusionen offen, „die ersten Stürmer kommen. Zielt genau, je mehr wir erwischen, desto besser ist es. Und der Himmel möge uns gnädig sein.“

Schon stürmten über hundert Soldaten los. Zuneckst basierte überhaupt nichts. Dann, bevor die Briten auf zwanzig Fuß der Stadtmauer näher gekommen waren, feuerten die Schützen. Die vordere Reihe brach zusammen. Auch die zweite hatte nicht viel mehr Glück. Die letzten, die sich noch auf den Beinen befanden, versuchten die Mauer zu erreichen. Aber noch innerhalb der nächsten fünf Schritte fanden auch sie den Tod.

„Zweite Welle“,

Hörte Request Wallace aufgebracht schreien. Im selben Augenblick liefen erneut hundert Briten los. Auch hier wurde die Strategie Requests beibehalten.

„So erreichen wir nichts. Die sitzen in Deckung und knallen einen nach dem anderen ab. Wir haben bereits über zweihundert Mann verloren“, Vize-Admiral Edward Louis versuchte Samuel Wallace zur Vernunft zubringen. Louis brachte hart in Erinnerung, das Wallace geschworen hätte, die Miliz Zufall zubringen, „auf diese Weise schaffst du das nie. So unterzeichnest du deine eigene Niederlage. Wie glaubst du wird der König dieses Ergebnis aufnehmen?“

Wallace blickte Louis grimmig an. Seine Augen verengten sich, sein Atem wurde flacher. Doch dieser Zustand dauerte nur wenige Sekunden an, dann entspannte sich Wallaces Antlitz. Er überlegte kurz und sprach schließlich nicht dagegen. Im inneren wusste der Admiral das der Vize recht hatte. Deswegen sagte er und befahl danach.

„Gut Edward, du hast nicht einmal so Unrecht. Übernimm das Kommando für die Reiter Truppe. Reitet diese Hunde nieder.“

 

11

 

Die französische Verstärkung unter der Führung von Captain Frank „Silverstar“ Benjann und Marshal Gall Sion erreichten endlich das Flussbett des Red Stones. Die Nacht war weit Fortgeschritten. Nur wenige Kilometer vor ihnen zog die Armee George II. dahin. Benjann erkannte die königlichen Banner. Der Captain gab seinem Pferd die Sporen. Im Galopp fegte der Brite hinter seinen Landsleuten her. Endlich holte er sie ein.

„Mein König“, Benjann setzte sich neben den Hengst King Georges und senkte sein Haupt zur Demut, „ich danke Ihnen dass sie umgehend gekommen sind. Die Lage ist mehr als ernst.“

„Vielen Dank für die Begrüßung Captain“, King George blickte nur auf die Rangabzeichen, „aber wer sind Sie?“ fragte er.

„Mein Name ist Benjann Majestät, Captain Frank Benjann. Ich lies ihnen ein wichtiges Kommunikee zukommen.“

„Ah“, entfuhr es dem König, „sie sind diese Soldat, der sich gegen seine obersten Befehlshaber gestellt hat.“

Wieder senkte der Captain sein Haupt. Dann erklärte er.

„Ganz so ist es nicht Majestät. Admiral Woodard übertrug mir eine Mission. Er sagte mir dass die Friedensgespräche von vorn herein Unterwandert worden waren. Er legte mir nahe, alle Offizier, bis hin zum niedrigsten Soldaten unter die Lupe zu nehmen. Und das tat ich dann auch.“

„Konnten Sie den Verräter Entlarven?“ King George hatte bemerkt dass ihnen eine Garnison folgte, „und welche Männer sind da hinter uns?“

„Nein, wirklich Entlarven konnte ich die Schuldigen nicht. Aber ich glaube zu wissen wer die Männer sind, die den guten Namen Englands in den Dreck gezogen haben.“ Benjann machte eine kurze Pause, dann führ er fort. „Die Männer die hier hinter uns nachkommen sind fünfhundert Mann der französischen Seegarde. Ich ersuchte die Franzosen um Hilfe.“

„Sie haben eine menge eigeninitiative bewiesen Captain. Aber aus welchen Grund sollten die Männer, die sie mir Schriftlich genannt haben, diesen Verrat begehen?“

„Des Rangs, der Orden wegen.“ Benjann gab offen seine Ansicht kund. „Vize-Admiral Shannon Fulbright stieg zum Admiral auf. Colonel Samuel Wallace wurde zum neuen Vize und Lieutenant Edward Louis wurde zum Colonel ernannt. Dadurch, das der Krieg weiter ging und dadurch, das Fulbrights Regiment um beinahe ein doppeltes stärker war, erhoffte sich der Ex-Vize einen schnellen Sieg und damit mit allen dafür zustehenden Ehrungen.“

King George hörte die Äußerung.

„Wiesen sie was aus dem Unabhängigkeitsschreiben geworden ist?

Benjann nickte.

„Das habe ich. Woodard überreichte es mir bevor er seine Ansprache hielt, wo er erschossen worden ist. Erschossen von Wallace, er hatte als einziger ein Gewehr in der Hand. Der Lauf war damals noch warm gewesen. Doch Fulbright lies ihn vom Hacken. Das alles sprach Bände, deswegen musste ich in den Untergrund. Ich wäre ansonsten sicherlich nicht mehr am Leben.“

Nachdenklich setzte der König seinen Ritt fort. Das was Benjann gesagt hatte, ergab einen Sinn. Für eine halbe Stunde lies George II. rasten, dadurch hatten die Franzosen eine Gelegenheit auf zuschließen.

 

Vize-Admiral Edward Louis wusste eigentlich nicht wie ihm geschah. Ohne dass er es eigentlich wollte saß er nun auf seinem Ross und kommandierte zehn weitere Reiter in die Schlacht.

„Dann wollen wir mal hoffen, das wir dass überleben. Vorwärts“, Louis zog sein Schwert und lies zum Angriff blasen. Die Soldaten gaben ihren Tieren die Sporen und galoppierten, ebenfalls Säbel schwingend, gegen die Stadt Chervil.

„Was machen diese Wahnsinnigen denn da?“

Es war weit nach Mitternacht. Während einige Männer immer wieder Holz in die Feuersäulen warfen, sicherten alle anderen Milizleer die Front. Jetzt waren die Reiter nur noch wenige Meter von der Stadtmauer entfernt.

„Haltet die Stellung Männer“, Request gebot Standhaftigkeit, „Feuer erst auf meinen Befehl.“

Die Soldaten verstanden ihre Aufgabe. Entschlossen packten sie die Gewehre fester und legten zielgenau an. Dann warteten sie auf die Freigabe des Colonels.

„Achtung Männer, Feuer.“

Die Gewehre bellten auf. Pferde, aber auch einige Reiter wurden getroffen. Vize-Admiral Edward Louis wurde durch den Sturz seines Rosses aus dem Sattel gehoben. Er segelte hoch in die Lüfte und knallte schließlich hart auf den Erdboden auf. Etwas benommen bleib er eine Zeitlang liegen, doch dann rappelte er sich Vorsichtig in die Höhe. Hier befand er sich im Toten Winkel, von der Stadt aus konnte er nicht gesehen werden, das gab ihm die Change diese Verfluchten Mauern zu Überwinden.

Wieder krachte eine Salve. Die übrigen Reiter, die versucht hatten Chervil zu Fuß zu erreichen, wurden nieder gestreckt. Für die Unions-Miliz war die Stadt ein Geschenk des Himmels.

Endlich, nach einigen Metern Robbarbeit, langte Louis an die bereits teilweise brüchigen Mauern der Stadt Chervil. Hier, unweit des Haupttores gab es einen breiten Spalt, er könnte grade durch kriechen. Vorsichtig bahnte sich Louis einen Weg hindurch.

 

12

 

Noch war die französische Armee und die King Georges gute zwei Kilometer von der Stadt Chervil entfernt. Doch die Gewehrsalven konnten die Männer bereits vernehmen. Donnernd hallten sie in der Ferne.

„Wir sollten uns beeilen“, Captain Benjann ersuchte den König um eile. Dieser stimmte dem zu. George gab seine Order an die Admiralität und diese agierte. „Vorwärts Männer, doppeltes Tempo.“

 

Edward Louis spähte in die Dunkelheit. Er sah einige Männer in wartender Position. An diesen musste er vorbei, wenn er den Versuch starten wollte Colonel Thomas Request zu töten. Vorsichtig setzte er sich in Bewegung.

Colonel Request und Captain Marine kontrollierten in diesen Moment die Ausgangsposition der Briten. Langsam graute der Morgen.

„Die Nacht hätten wir Überstanden“, der Colonel straffte sich, „aber ich denke mal das Wallace erst jetzt seine missen Tricks einsetzten wird.“

„Wiesen Sie was heute ist?“ Marine trat einen Schritt näher.

Leicht lächelnd nickte Request. „Ja mein Freund, es ist Neujahr. Wenn die Sache damals wie geplant abgelaufen wäre, dann hätten wir diesen Silvester bereits als Freie, unabhängige Nation feiern können.“

„Statt dessen hocken wir in dieser Ruinen Stadt und müssen um unsere Leben kämpfen“, der Captain war äußerst verbittert.

Ein Geräusch hinter ihnen ließ beide Männer wirbelten herum. Eine Gestalt hüpfte aus der Dunkelheit auf die beiden Offizier zu und brüllte schaurig.

„Fahr zur Höhle Request. Das ist dein Ende.“

Der Säbel blitzte auf. Zum tödlichen Stoß, das Schwert nach vorne gerichtet, stürmte Vize-Admiral Louis auf den Colonel zu.

Doch da, im allerletzten Moment, warf sich Captain Jack Marine in den Weg des Briten. Die Klinge bohrte sich tief in den Leib des Soldaten. Im selben Moment zog Request sein Schwert blank.

„Das war deine letzte Tat Unhold“, Request war außer sich vor Zorn, „für deine Sünden wirst du nun Büßen müssen.“

„Starke Worte von einem Milizleer. Sei auf der Hut, damit ich dir diese Worte nicht wieder zurück in deinen Hals stecke.“

Louis griff an. Request parierte gekonnt und ging zum Gegenangriff über.

„Du schlägst wie ein altes Weib Louis. Zaudernd und Faul. Hast wohl Angst vor dem Sterben?“

„Kümmere dich um deinen eigenen Kampfstill“, Louis versuchte Herr der Lage zu bleiben, „sonst habe ich dich in wenigen Sekunden getötet.“

Immer härter schlug nun Request auf den Vize-Admiral ein. Dieser konnte zwar die Paraden abwehren, es gelang Louis aber nicht mehr einen einzigen Gegenschlag zu starten. Request trieb den doch etwas unerfahrenen Briten immer höher auf die Stadtmauer hinauf.

Dann kam der große Fehler Louis’. Er holte zu einem unsicheren Seitenhieb aus und der Colonel nutzte die Gelegenheit um den Tod Jack Marines zu Rächen. Das Stahl bohrte sich in das Herz des Soldaten und Edward Louis gurgelte auf. Sein Säbel flog durch die Luft. Mit beiden Händen nach der Wunde greifend, setzte der Vize-Admiral der britischen Armee einen Fuß nach hinten, doch da war nichts mehr. Nur noch die gnadenlose Schwerkraft. Mit rudernden Armen versuchte der sterbende Mann nach einem Halt zu finden, doch da war nichts. Schreiend stürzte Louis in die Tiefe. Es folgte ein dumpfer Aufprall, dann wart alles wieder still.“

Colonel Request atmete ein paar Mal tief durch. Der Kampf hatte ihn viel Kraft gekostet. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, suchte er den bereits toten Kollegen, Captain Jack Marine, auf.

„Gott möge sich deiner tapferen Seele annehmen. Aber in diesen Zeiten ist der Tod oft eine Befreiung. Eine Befreiung aus der Tyrannei der Engländer. Deine Seele ruhe in Frieden.“

Admiral Samuel Wallace, hoch zu Ross, hatte das Schauspiel auf den Mauern des Städtchen Chervil genau beobachtet. Schön langsam geriet der ehrgeizige Offizier in Wut. Seine Arroganz

„Weshalb schickt Request seine Männer nicht Mann gegen Mann in die Schlacht?“ Wallace setzte das Fernglas ab. „Dann wäre bereits jetzt alles entschieden.“

Einen Entschluss fassend, lies er seine Soldaten das Städtchen vollkommen umziegeln.

„Bleibt aber außer Schussweite. Wir werden die Bande aushungern und auf die Verstärkung warten.“

Die britische Armee gehorchte. In Windeseile wurde eine Menschenmauer um die Stadt errichtet und Admiral Wallace, trabte erneut auf seinem Pferd, Chervil ein Stück entgegen.

„Hey Request“, Wallace rief nach den Namen seines Gegners, „ich mach dir einen allerletzten Vorschlag.“

Fünfzig Mann erhoben sich und ließen ihre Gewehrläufe über die Palastrate schauen, dann zeigte sich Colonel Thomas Request.

„Sprechen Sie Admiral. Aber ich sage ihnen gleich, wir werden nicht weichen. Wir werden uns nicht ergeben und wir werden uns auf keinen Kampf Mann gegen Mann einlassen.“

„Hören Sie mir zu Request“, unterbrach der Admiral ungeduldig, „seien Sie kein Dickschädel. Für sie gibt es hier nichts zu gewinnen. Aber Sie können alles verlieren, nämlich Ihr Leben. Seien Sie vernünftig und kommen Sie mit Ihren Männern unbewaffnet aus dem Stadttor. Einer nach dem anderen. Dann werde ich von einer vollkommenen Exekution absehen. Was sagen Sie dazu?“

Ohne ein Wort zog sich Request zurück. Die fünfzig Gewehre schossen auf einmal los. Doch Wallace befand sich weit außer Reichweite. Die Kugeln gingen ins Leere. Es war auch mehr ein ritueller Akt.

„Soll das ihre Antwort sein?“ Wallace wendete sein Ross. „Dann fahren Sie endgültig zur Höhle.“

Tief getroffen, in seinen Stolz, riet Wallace zurück. Er bedauerte jetzt dass er hier keine Kanonen zur Verfügung hatte. Aber die Verstärkung musste ja bald eintreffen, dann würde sich das Blatt schlagartig ändern.

 

13

 

Der Beschuss hatte aufgehört. Colonel Request entschied die Munition zu sparen und Admiral Wallace hielt einen Sicherheitsabstand von gut hundert Fuß ein. Die Sonne hatte sich mittlerweile hoch in den Himmel erhoben. Bald war die Mittagsstunde.

 

„Wir befinden uns nur noch zwei Kilometer von der Stadt Chervil entfernt“, Captain Frank Benjann hatte den König mit den Führer der französischen Garnison bekannt gemacht. Marshal Gall Sion hatte den King freundlich begrüßt, aber dennoch zeigte sich eine Spannung zwischen den Männern.

„Wenn ich fragen darf. Gibt es zwischen England und Frankreich Probleme?“

King George blickte den Captain mit klarem Blick an. Die Art, wie dieser Offizier so manches Problem angegangen war, faszinierte den Monarchen.

„Im Sinne der Königshäuser nicht. Aber unser lieber Freund Gall Sion warb vor drei Monaten um die Hand meiner Tochter. Ich war dagegen und lehnte ab. Der Stolz dieses Mannes ist noch nicht darüber hinweg gekommen.“

Captain Benjann hatte die Umgebung im Auge behalten. Jetzt erschien in der Ferne, der schwache Umriss des Kirchenturms von Chervil.

„Da“, rief „Silverstar“, „Chervil.“

Die Truppen schritten nun wieder schneller aus. In den kommenden neunzig Minuten sollte die Stadt erreicht sein.

 

Die Minuten vergingen. Auf dem Schlachtfeld hatte sich nichts verändert. Admiral Wallace hoffte zwar das seine Verstärkung jeden Augenblick eintreffen würde, er ahnde aber nicht, wer da noch alles kommen sollte. Bisher, hatte sich Wallace, mit Intrigen und Gewalt verschafft, was er sich gewünscht hatte. Er war zum Admiral aufgestiegen. Er kommandierte ein Regiment und wenn er es klug anstellte, dann könnte er sich womöglich auch eines Tages zum König von England krönen lassen. Doch das waren Zukunftsträume und noch ein gutes Stück von ihm entfernt.

Ein lauer Wind erhob sich. Er strich von südlicher Richtung her und lies das sachte Geräusch von Hufen und Männerschritten auftönen.

„Meine Verstärkung“, dachte Wallace erfreut, „jetzt kann Request etwas erleben.“

Zwanzig Minuten später fühlte sich Admiral Wallace nicht mehr so Sieges sicher. Unvorbereitet trat er seinem König gegenüber und erstattete Bericht.

„Ich habe die Rebellen Miliz in dieser Stadt eingeschlossen. Meine Pflichten habe ich als Englischer Offizier erfühlt. Darf ich deswegen fragen Majestät, weshalb Sie nach Carolina gekommen sind?“

„Deswegen“, King Georges winkte Captain Frank Benjann trat an die Seite des Herrschers. Wallace erkannte den Mann und rief nach seiner Wache.

„Abführen“, gebot Wallace schroff, „nehmt den Deserteur in Gewahrsam.“

„Halt“, King George gebot Einhalt, „ich bin mir nicht sicher wer hier ein Deserteur ist. Es gibt da verschiedene Beschuldigungen gegen Sie mein lieber Admiral.“

Wallace erblasste. Jetzt wusste er im Moment nicht weiter. Alle, die ihm die Stange halten hätten können, waren Tod. Er stand alleine da.

„Ich verstehe nicht ganz.“

„Habe geduld, Trompeter“, der Soldat stand stramm, „blase zum Waffenstillstand.“

Während der Trompeter diesen Befehl nachkam, erhob sich George II. und nahm den nun durch geschwitzten Admiral beiseite.

„Ich empfehle Ihnen ein vollkommenes Geständnis ab zulegen. Nur das könnte Ihren Hals retten.“

Wallace schwieg. Er blickte zu Boden und wandte sich ruckartig ab.

„Dann nicht.“

Die britische Armee zog sich zusammen. Die Belagerung von Chervil war vorbei. King George lud Colonel Request zu einem Gespräch ein. Er und seine Männer könnten als freie Männer die Mauern verlassen. Request nahm diese Angebot an, traute dem Frieden aber noch nicht. Deswegen ging er alleine.

Die Verhandlung war nur von kurzer Dauer. Benjann legte den Unabhängigkeitskontrakt vor. Im selben Kuvert befand sich noch ein Brief von Admiral Francis Woodard.

„An King George, England. Wenn sie diesen Brief zu lesen bekommen, dann bedeutet das, das ich nicht mehr lebe. Damit habe ich ihre Erwartungen, was die Verräter aus unseren reihen betrifft, enttäuscht. Ich konnte nicht mehr feststellen wer die Drahtzieher hinter diesem Komplott sind, aber ich habe eine kleine Liste mit potenziellen Namen. Samuel Wallace. Er könnte einer der Hintermänner sein. Aber er hat nicht den Verstand als Ausführender. Edward Louis. Er ist ein Untergebener Wallaces. Der Kopf dieser Miesere vermute ich ihn Vize-Admiral Shannon Fulbright. Ich hoffe, am Ende obsiegt die Gerechtigkeit.“ gezeichnet F. Woodard. Admiral des englischen siebenten Regiments.

Einige Minuten des Schweigens folgten auf diese Niederschrift. Wallace wurde bereits scharf bewacht. Da er keine Angaben machte, schien er die Anklagepunkte indirekt zu zugeben. Aber als Geständnis konnte man Wallaces schweigen nicht interpretieren.

King George autorisierte Captain Benjann die Unabhängigkeit für die Koloniestaaten zu verkünden. Auf diesen Fuß folgte die Beförderung zum Admiral der Streitmacht Englands.

„Ich, Admiral Frank „Silverstar“ Benjann. Bevollmächtigter des Königs George II. aus England. überreiche hiermit die Unabhängigkeitserklärung ihnen.“ Benjann reichte das Dokument weiter. „Colonel Thomas Request. Diese Verfügung ist ab sofort Rechtskräftig und Unanfechtbar. Ab diesen Tag, den 01. Januar 1778 ist Amerika Frei.“

 

14

 

Im Lager wurde gefeiert. Colonel Request unterhielt sich angespannt mit den französischen Marshal. Admiral Benjann schickte indessen Reiter los, die, die Frohe Kunde im Land verbreiten sollten.

Samuel Wallace, bereits seiner Titel enthoben, blickte aus dem Zelt, in dem er gefangen gehalten wurde. „Noch ist nicht aller Tage Abend“,  Wallace wollte seine Niederlage nicht eingestehen. Verbissen dachte er über seine Rache nach.

Die beiden Wächter, die vor dem Zelt standen, waren Soldaten seines Regiments. Wallace schrie auf. Er taumelte und stürzte hart zu Boden. Ein schauriges Röcheln drang aus seiner Kehle.

Einer der beiden Soldaten warf einen Blick in das Zelt. Wallace lag zitternd auf der Erde, schnell hastete der Offizier zu dem Gefangenen und kniete sich nieder. Darauf hatte Wallace nur gewartet. Ein kräftiger Fausthieb schmetterte den Briten zu Boden. Eiligst nahm Wallace den Revolver an sich und huschte zum Ausgang. Die zweite Wache stand jetzt mit dem Rücken direkt vor dem dekretierten Admiral. Wallace hob den Arm, der Kolben sauste nieder und beförderte den Soldaten in das Reich der Träume. Eiligst, schlich er nun aus dem Zelt. Lautlos bewegte sich Wallace weiter.

Alles das, was sich nun abspielte lief sehr schnell ab. King Georg erklärte Marshal Gall Sion noch einmal warum er gezwungen war seinen Heiratsantrag ab zulehnen. Colonel Request stand unweit des Königs und Admiral Frank Benjann trat in diesen Moment zu den Männern.

„Alle schön auf einen Haufen beisammen“, dachte der ehemalige Admiral irre, „aber Request gehört mir als erster.“

Mit Schaum vor dem Mund, ein leichter Anfall von Wahnsinn überschattete die Wahrnehmung des Briten bereits, stürzte Wallace laut schreiend aus dem Dickicht, hinter dessen er sich Verborgen hatte.

Den Hahn des Revolvers gespannt zielte er auf Request. „Dein Sieg ist nicht von all zu langer Dauer“, mit irr leuchtenden Augen sprang Wallace auf den Colonel zu.

„Nein“, Wallace hörte den Aufschrei Benjanns. Doch da krümmte er bereits den Finger. Der Hahn schnellte gegen die Zündungskammer und heizte das Schießpulver an.

Colonel Request war für einen Moment geschockt. Wie der verflixte Teufel aus der Schachtel stürmte Wallace mit gezogener Waffe auf ihn los. King George und Marshal Sion waren ebenso Fassungslos. Mit diesem Ereignis hatte niemand gerechnet.

Admiral Benjann erkannte die Absicht Wallace. Zweifellos wollte sich der gestürzte Intrigant an Thomas Request rächen. Dabei war doch er es gewesen, der den vermeintlichen Mörder Zufall gebracht hatte. Benjann hörte das Schnappen des Hahns. Im selben Moment, als Colonel Request seine Waffe zog, die Feuerkammer Wallaces aufqualmte und der Schuss unendlich laut los bellte, warf sich Benjann vor den Colonel. Er spürte den Schmerz. Die Kugel trank stechend in seinen Brustkorb. Noch im Fallen hörte Benjann die Waffe Requests feuern. Sein letzter Blick sah, wie Wallace die Arme in die Höhe warf, sein Revolver wirbelte durch die Luft. Doch als Benjanns Gesicht das Gras berührte, hatte der Brite bereits das Bewusstsein verloren. Die Kugel hatte die Rippen durchschlagen und war in der Lunge stecken geblieben. Als Colonel Request den Offizier herum drehte, schoss bereits ein breiter Blutstrom aus seinen Mund. Der Tod hatte sich über diesen jungen Briten gelegt. Frank „Silverstar“ Benjann hatte sich geopfert um ein anderes Leben zuschützen. Auch Samuel Wallace wurde durch die Kugel Requests getötet. Doch dieser kleine Trost machte Benjann nicht wieder lebendig. Die neuen Friedensgespräche und nahenden Unabhängigkeitsfeierlichkeiten wurden schon zu Beginn von düsteren Schatten überflutet.

 

Am 02. Januar 1776 wurde Frank Benjann in die beinahe freie amerikanischer Erde beigesetzt. Colonel Thomas Request, seine Kompanie, sowie die französische Delegation und George II. wohnten dieser Zeremonie bei. Request hielt die Totenrede.

„Er war ein Brite“, Requests Worte klangen Hohl und sehr leer, „nach Admiral Woodard der zweite den ich wirklich Vertraut hatte. Er stand für sein Wort ein und handelte nach reinem Gewissen. Heute an diesen ersten Tag der Unabhängigkeit sind wir zusammen getreten um den Offizier Admiral Frank „Silverstar“ Benjann die aller letzte Ehre zu erweisen. Er tritt nun eine neue Reise an, in eine hoffentlich gerechtere Welt. Wir werden sie nie vergessen.“

King George trat nun an das offene Grab und segnete die Stätte.„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“, der König tröpfelte ein wenig Weihwasser auf den Sarg, „aus Staub wurdest du geboren, zu Staub sollst du wieder werden. Dein Leben stand im Dienste der Gerechtigkeit. Dein Tod hinterlässt Trauer in den Herzen deiner Kameraden. Wir nehmen Abschied und sagen Lebe wohl.“

„Amen.“

Marshal Gall Sion und Colonel Request beendeten die Grabrede mit diesem Abschluss, dann griffen die Männer zu den Schaufeln und schütteten das Grab zu. Ein Kreuz wurde gezimmert und der Name, der Rang, die Geburtsdaten und eine Widmung vermerkt. Dann kam das Heiligensymbol an seinen Platz, am Kopfende des Grabes.

Eine leichte Prise erhob sich. Ein blutiger Krieg, der Konflikt der Freiheit war beendet. Die 13. Kolonien Nordamerikas verhandelten hart. Dann, beinahe ein halbes Jahr später, am 04. Juli 1776 waren sie Frei. Jetzt hing es an ihnen selber, was sie mit dieser neu gewonnenen Freiheit tun würden.

 

 

« Brücke zum Verrat

Teil 3, „Altruismus »

© Werner Gschwandtner

www.litterarum.at

„Der Treff für Jung & Junggebliebene“

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Werner Gschwandtner).
Der Beitrag wurde von Werner Gschwandtner auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Werner Gschwandtner als Lieblingsautor markieren

Buch von Werner Gschwandtner:

cover

Und ich glaube von Werner Gschwandtner



Ein Mädchen mit einer Atypischen Pneumonie. Eltern am Rande der Existenz. Intrige und Schicksalsschläge. Und dennoch gibt es Hoffnung, Glaube und Zuversicht. Familiäre Erzählung in der Weihnachtszeit. Modernes Märchen welches durchaus wahr sein könnte. Werner Gschwandtner, litterarum.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Drama" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Werner Gschwandtner

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Schuld war nur der Alkohol von Werner Gschwandtner (Krimi)
Keine hundert Jahre für Dornröschen! von Jürgen Berndt-Lüders (Drama)
Bücher zu verschenken von Karin Ernst (Wie das Leben so spielt)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen