Stephanie Hermann

Schwarze Milch, sonntags

Ich sollte gehen. Ich hätte gar nicht kommen dürfen.
Er sieht mich an, wie eine verirrte Fledermaus.
Ich gehe gleich, ich muß dich nur noch mal ansehen, damit ich dein Gesicht nicht vergesse. Denn ich komme nie mehr wieder zurück.
Vielleicht einmal noch, um meinen Schal zu holen, den ich absichtlich an deiner Garderobe hängen lassen werde. Vielleicht. Ich überlege noch.
Wenn mein Kopf wieder frei ist von den ganzen Tränen, die sich noch auf der Durchreise befinden. Ich werde erst daheim weinen. Wenn ich allein bin. Wenn mich keiner sieht. Niemand soll wissen, wie weh man mir tun kann. Verzeihung, wie weh du mir tun kannst. Du bist der, der mein Herz angezündet hat und gerade verbrennen läßt. Ich wollte ja gar nicht. Du hast so lang gebettelt, mit mir mal essen gehen zu können.

Nach der Pizza sind wir dann noch auf nen Kaffee zu mir, du hast so gut gerochen, und zwei Monate später fällt dir ein, dass du jetzt doch ganz gern wieder mehr Zeit mit Mara verbringen möchtest. Was soll das für ein Name sein, Mara?
Und ich steh da, wie das personifizierte Klischee. Es gab keine Vorwarnung. Da waren keine Mara- Photos in den schwarzen Bilderrahmen. Da waren keine Urlaubsgrüße von ihr an der Pinnwand in deiner Singleküche. Da stand “elf Uhr Zahnarzt“ und meine Handynummer auf kleinen, gelben Post- its.

Ich war glücklich. Und du auch- Abstreiten zwecklos. Ich hab dich nicht eingeschränkt. Ich hab nicht zuviel geredet, keine Schuhe gekauft zwei Monate lang, keine “bin ich zu dick“- Frage... Verdammt, ich kann sogar rückwärts einparken. Deine Freunde fanden mich toll.

Ich will nicht “Warum“ sagen. Es pocht hinter meinen Schläfen und gleich blutet meine Unterlippe, weil ich so fest zubeiße, nur um es nicht aus meinem Mund zu hören. In den meisten Fällen ist das “Warum“ nur ein kläglicher Versuch, etwas zu hinterfragen, dass keine Logik beinhaltet.

Mara hat einfach mehr Glück.
Wahrscheinlich ist sie hübscher, dünner, größer, kleiner, blonder, beherscht das Karma Sutra oder kocht besser. Wahrscheinlich hast du nie aufgehört, sie zu lieben. Mich hast du aber auch geliebt. Ich hab es gesehen. Wenn du mich festgehalten hast, während der Fc- Bayern gegen Juventus Turin verloren hat, hast du mich geliebt. Vielleicht wirst du Mara in zwei Monaten sagen, dass sie jetzt gehen kann, weil du dich geirrt hast, als du mir gesagt hast, dass es nicht klappen wird mit uns.

Ich gehe jetzt nach Hause, muß morgen wieder ins Büro. Ich muß schlafen. Kamillenteebeutel auf meine Augen legen, die in einer Stunde geschwollen und rot sein werden. In ein paar Wochen werde ich dann einschlafen, ohne zu weinen.

Als ich zur Tür gehe, nehme ich meinen Schal. Ich will nie mehr wieder kommen müssen. Es tut schon genug weh. Ich schlinge ihn ungefähr dreiundzwanzig Mal um meinen Hals, wie eine bunt gestreifte Cobra.
Ich werde noch Kekse essen, wenn ich zu Hause bin. Mit Milch.





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.10.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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