Alexander Lutsch

Ein fast perfekter Plan

Nur noch wenige Minuten und er würde zuschlagen. Peter hatte feuchte Hände, als er die scharfe Butterfly aus der Jackentasche zog und die Spitze blank im Licht einer Laterne schimmerte. Für ihn war es das erste Mal, eine strafbare Handlung zu begehen, doch er brauchte das Geld, und zwar jetzt...

Die Tür zum Hintereingang des kleinen Geschäfts öffnete sich quietschend. Peter stand in einer Wandnische und beobachtete die Lage. Es war ein kühler Oktoberabend und milchig-weißer Nebel lag in der Luft. Peter fröstelte und zog den Jackenkragen hoch. Eine dunkle schmächtige Gestalt kam aus dem Gebäude. Sie verschloß die harte Gittertür und kam langsam die enge Gasse entlang, zwei Beutel schleppend, in Peters Richtung.
"Jetzt oder nie" murmelte er und zog sich hastig eine Strickmütze über den Kopf. Er wartete, bis die Person an ihm vorbeikam und stürzte blitzschnell hervor.
Den Mann packte die Furcht, als er das Messer an seinem Hals spürte. Er begann zu zittern.
"Los, Alter. Du weißt, was ich will!" drängte Peter den Mann an und deutete mit dem Messer auf die schwarzen Beutel, welche die Einnahmen des heutigen Tages beinhalteten.
Dieser verharrte einen Augenblick, bevor er sich jedoch vernünftigerweise entschied, lieber nichts zu riskieren und dem Wunsch seines Peinigers nachzukommen. Er schluchzte und übergab ihm die zwei Beutel.
"Gut so." sagte Peter. "Und mach nur keinen Unsinn. Verstanden?"
Der Mann schluchzte. "Ja. Bitte, nur tun sie mir nichts. Ich habe..."
"Halt's Maul" Dann nahm er den Knauf des Messers und schlug zu.
Bewußtlos sank der Mann auf den Boden.
Peter zog sich die Mütze vom Kopf und flüchtete mit der Beute. Alles lief wie geschmiert.

Tagelang hatte Peter an einem Plan getüftelt, wie er schnell zu Geld kommen würde. Alles hatte er sich genau überlegt, bevor er handelte. Durch seine Spielleidenschaft hatte der 28-jährige Schulden gemacht, die er schnellstens begleichen mußte, den er verkehrte nicht in bester Gesellschaft. Er hatte den Job als Verkäufer in einem Feinkostladen in der Innenstadt. Doch dort verdiente er zu wenig. Da kam ihm diese Idee. Anfangs kam sie ihm ziemlich verrückt vor. Doch je mehr er darüber nachdachte und zu dem Schluß kam, das es doch so einfach war, an das Geld heranzukommen, plante er die Sache bis in jede Einzelheit. Seiner Meinung nach so gut, daß man kaum Verdacht schöpfen könnte. Eigentlich tat es ihm leid, jemanden so niederzuschlagen. Er war kein gewalttätiger Mensch. Doch der Alte, dem der Laden gehörte, war in seinen Augen ein Sklaventreiber. Oft ließ er ihn Überstunden machen und sogar am Wochenende arbeiten. Und dafür erntete er niemals irgendein Lob. Bei dieser Gelegen! heit konnte er sich dafür rächen.
Für ein Alibi hatte er auch schon gesorgt. Am frühen Nachmittag des Tages, an dem er seinen Plan in die Tat umgesetzt hatte, hatte er sich eine Bahnfahrkarte von Stuttgart nach Karlsruhe gekauft. Später würde er, wenn überhaupt nötig, aussagen, daß er nur seine Großmutter besuchen wollte, welche sehr naiv war und in ihrer Leichtgläubigkeit alles machen würde, was er ihr sagen würde. Er war nämlich noch der einzige Verwandte, der einzige Mensch, den sie hatte und der sich um die alte Frau kümmerte.
Den Überfall verübte er um 20.15 Uhr nach Ladenschluß. Sein Zug sollte schon um 19.45 Uhr mit Zwischenstopps bei allen Städten, welche auf dem Weg lagen, fahren.

Wie geplant, stieg er in den Zug von Stuttgart Richtung Karlsruhe. In den Zugabteilen war viel los. Niemand kümmerte sich um den anderen, jeder versuchte nur, während der Fahrt einen guten Platz zu ergattern. Der Schaffner kam und markierte seinen Fahrschein. Das war der wichtigste Beweis für einen möglichen Verdacht. Bei der nächsten Station stieg er dann unbemerkt wieder aus und fuhr mit einem Taxi in die Nähe des Feinkostladens. Es war wenige Minuten nach zwanzig Uhr.

Als Peter dann am Montag zur Arbeit erschien, tat er verwundert, als er die Polizei am Tatort sah. In einer kleinen Gruppe bemerkte er seinen Chef, der gerade mit zwei Polizisten sprach. Peter ging hin und fragte, was los sei. Der Polizist auf der rechten Seite von seinem Chef fragte ihn gleich, wer er sei und ob er ihm nicht einige Fragen stellen könnte.
"Aber sicher doch, Herr Kommissar", antwortete Peter und legte eine Unschuldsmiene auf. "Fragen sie ruhig, schließlich ist es doch ihre Arbeit"
Der Kommissar, ein älterer Mann hohen Körperbaues räusperte sich. "Wo waren sie vergangenen Freitag um zwanzig Uhr?"
"Freitag bin ich mit dem Zug nach Karlsruhe gefahren."
"Und was haben sie dort gemacht?"
"Ich war Einkaufen. "
Der Kommissar sah ihn mißtrauisch an.
"Wissen sie, ich bin gerade in eine neue Wohnung gezogen, da brauche ich noch einige Sachen. Und außerdem habe ich meine Großmutter besucht."
"Ach..." Der Kommissar machte sich von allem genau Notiz, doch die Antworten schienen ihn nicht zu befriedigen. "Und um wieviel Uhr nahmen sie den Zug, wenn ich fragen darf?"
"Den um... ach, warten sie, ich habe noch die Zugfahrkarte." Wie geplant holte Peter den Schein aus der Hosentasche und gab sie dem Kommissar. "Hier, bitte!"
Der Kommissar bedankte sich mit einem Nicken und überprüfte den Schein sorgfältig. Dann sah er zu Peter hoch. "Ein Alibi haben sie ja, wie ich sehe. Doch, wo bitte sind sie noch einmal ausgestiegen?"
"Ach so, Karlsruhe Hauptbahnhof."
Der Kommissar starrte ihn ungläubig an und wandte sich mit stillem Blick an Peters Chef, der Peter mit glasigen Augen anstarrte. Dann wandte er sich wieder zu Peter, der sich fragte, wieso sie ihn so schief anguckten.
"Ist etwas nicht in Ordnung?" fragte er unschuldig.
Der Kommissar steckte die Zugfahrkarte in die Manteltasche und holte Handschellen hervor, die er Peter dann anlegte, während er ihm seine Rechte vorlas.
Noch immer irritiert schaute Peter den Kommissar fragend an. "Was machen sie, ich habe doch ein Alibi!"
"Gut durchdacht, Junge. Doch du liest wohl keine Zeitung, was?"
"Aber wieso?" Peter verlor seine Selbstsicherheit. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Mit großen Augen blickte er die Männer vor sich an.
"Der Zug hat Karlsruhe nie erreicht. Er ist kurz zuvor entgleist."
Diese Nachricht traf Peter wie ein Schlag. Es hätte alles gut werden können. Doch wer hätte dies mit einbeziehen können in diesen fast perfekten Plan...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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