Volker Hofmann

@Annett vom idealen Mann (Polemik inbegriffen)

Hier steh ich nun, ich armer Tor....
Es war Liebe, die mich vor vielen Jahren zweimal ein überzeugtes "Ja" sagen ließ. Anlaß dieser beiden Aussagen waren ernst klingende Fragen zweier würdiger Personen, ihre Fragen bezogen sich auf die Zukunft einerseits und auf die junge Frau, mit der ich mich seit einigen Jahren verbunden fühlte, andererseits. Ich war mir sicher. Soweit ich es aus meinen damaligen Erfahrungen heraus sein konnte.
Geprägt von einem bildungsbürgerlichen, konservativen Elternhaus glaubte ich ihr und mir diese Worte.
Sechs Jahre und drei Kinder später sah es etwas anders aus. Mein Gehirn war seit geraumer Zeit permanent vom Alkohol vernebelt, ich entsprach nur noch in meinen Gefühlen für Frau und Kinder dem, als der ich die Ehe begonnen hatte. Aber meine Gefühle waren, obgleich vorhanden, nicht mehr erkennbar. Mein Verhalten gegenüber meiner Frau und meinem Umfeld war eine Zumutung, der Führerschein war das zweite Mal im Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer langfristig sichergestellt worden.
Meine Frau warf mich raus, zu Recht.
Die oben erwähnten Gefühle, die Liebe zu Frau und Kindern gaben mir die Kraft, vom Alkohol loszukommen. Der die Realität leugnende Alkohol wurde ersetzt durch die die Realität leugnende Hoffnung. Von einem auf den anderen Tag trank ich nicht mehr. Zu spät.
Heute, weitere sechs Jahre später, lese ich über den idealen Mann und vergleiche die Aussagen in dem Text mit den Eindrücken aus der Zeit nach der Trennung.
Zynisch bin ich geworden, ein misanthropisch angehauchter Fatalist. Aus der Liste meiner Werte und Ideale habe ich einiges gestrichen, und anfangs glaubte ich wirklich, auf die materialistisch-monetären Aspekte des Lebens weitestgehend verzichten zu können und dennoch irgendwann das zu finden, was mir persönliches Glück und die Basis der Zufriedenheit geben kann. Weit gefehlt!
Ja sicher, immer wieder hörte ich davon, daß Treue in einer Partnerschaft das wichtigste sei, daß es auf die inneren Werte ankäme, daß Freiheit wichtig und nur durch gegenseitiges (berechtigtes) Vertrauen realisierbar sei. Meine Ideale, meine Werte, ich hatte sie bei einer Frau gefunden! Welches Gefühl für die jeweilige Frau sich zuweilen daraus in mir entwickelte, brauche ich nicht näher zu erläutern.
Ich stehe verständnislos ..... nein, nicht vor der Ablehnung, auch wenn diese von Mal zu Mal bitterer schmeckt. Ich stehe verständnislos vor einer emotionalen Wegwerfgesellschaft, die ihr Glaubensbekenntnis auf der Registrierkasse tippt, die zu digital produzierter Retortenmusik um das goldene Kalb tanzt, die ihr Glück aus dem Kontoauszugsdrucker zieht. Die "alten" Werte und Ideale führen sie zwar im Munde, nicht aber im Schilde. Allen Ernstes wurde mir zu "zielgruppenorientierter Gestaltung" meines Äußeren und meines Denkens geraten - damit ich mein Glück finden kann! Und nur nicht festlegen; nein, immer in dem Bewußtsein, daß es bald wieder vorbei sein kann. Das Schlupfloch von früher, durch das sich aus einer Beziehung zu entfernen mühsam und schmerzhaft war, ist einer Hintertür gewichen, die ebenso groß und protzig ist wie der Haupteingang. Und steht auch über dem Haupteingang immer noch "Bis daß der Tod euch scheidet", so trägt die Hintertür in modernen Lettern das Mott! o "Was geb' ich auf mein dummes Geschwätz von vorgestern". So etwas nennt sich, wie ich höre, Fortschritt.
Ich habe die Frau gefunden, die mein Glück sein könnte. Ich liebe sie auf meine Art, intensiv und ohne jeden Zweifel. Ich bin sicher, unbeirrbar und "gefangen". Sie hat alle Attribute, die mich sie lieben lassen, inklusive aller Fehler und Schwächen. Bis auf eines: Sie liebt mich nicht, will mich nicht lieben.
Liebe ist Arbeit, Partnerschaft ist Geben und Nehmen. Treue heißt, bereit zu sein, die Liebe zum Partner ggf wieder zu lernen. Treue ist Sturheit, und nicht die Reaktion auf Schmetterlinge im Bauch. Liebe ist mehr als eine Variante von Harndrang. Die Ehe des Großvaters jenes Monarchen, dessen Regierungszeit den Begriff "wilhelminisch" prägte, zeigt einige bemerkenswerte Ansätze zum Thema Liebe.
Der letzte Satz ist wichtig: "Und dem es reicht, unser bester Freund zu sein."
Auch das habe ich immer wieder gehört, diese abgedroschenen Phrasen von "Freundschaft - ja, Liebe - nein". Liebe kennt keine Zwischentöne, Liebe ist absolut, Freundschaft kann nur ein (zugegeben: existenzieller) Bestandteil der Liebe sein. Wo auf einer Seite Liebe ist, kann das Verhältnis keine reine Freundschaft sein.
Der Mann, dem ihr wie beschrieben gefallt, muß stolz sein - stolz auf seine Partnerin und seine Gefühle. Und von dem erwartet ihr, daß es ihm genügt, euer bester Freund zu sein?
Ich stelle fest, ihr sucht keinen Mann/Partner, sondern die von Luft lebende eierlegende Wollmilchsau, einen anspruchslosen Hofnarren ohne Stolz (schade nur, daß man(n) eine ganze Menge Stolz braucht, ein Narr zu sein). Es zeugt von beeindruckendem Optimismus, zu glauben, daß frau einem solchen Mann irgendwann begegnet. Diese Spezies dürfte rar sein. Zumindest hoffe ich das.

Das ist also meine angekündigte Reaktion auf "Der ideale Mann" von Annett Boger. Es hat Spaß gemacht, es zu schreiben - mit Herzblut sozusagen. Daher auch die Tipfehler. Im Eifer des literarischen Gefechtes.... *ggg*Volker Hofmann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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