Heidemarie Rottermanner

Für dich!

Michael stand auf der Brücke und blickte in die grauen, tosenden Fluten. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken, die Angst und Verzweiflung schnürten ihm den Hals zu. Es gab keinen Ausweg und er fühlte sich völlig leer und richtungslos. Da riss ihn die Stimme aus seinen schmerzlichen Gedanken.
„Michael, nein so etwas. Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen!“
Der junge Mann drehte sich langsam um. Ungläubig sah er in ein fremdes Gesicht, oder doch nicht? Aber da zog ihn schon der Schulkamerad aus Kindertagen mit sich.
In dem kleinen verrauchten Cafe mit dem schummrigen Licht taute Michael langsam auf. Zaghaft erzählte er Martin von seinen Schwierigkeiten. Die Firma hatte einige Angestellte gekündigt. Er hatte verzweifelt versucht eine neue Stelle zu finden. Doch ohne Erfolg. Er konnte sich nicht verkaufen, so musste es wohl sein.
Martin hatte sofort erkannt, dass sein ehemaliger Schulkamerad in argen Nöten steckte. Die schmutzige ungepflegte Kleidung, das Gesicht, blass, schmal und eingefallen, dies war ihm schon bei der Begegnung auf der Brücke aufgefallen.
„Ich kann mich gut erinnern,“ begann Martin zu reden,“ du hast schon in der Schule sehr viel gelesen.
Deine Leseleidenschaft haben wir Burschen nie verstanden, auch nicht, dass dich das Fußballspiel und unsere dummen Streiche nicht interessierten. Ich vergesse nicht, wie unglücklich du warst als ich dein geliebtes Buch in die schmutzige Pfütze warf.
Ein guter Freund besitzt eine gutgehende, kleine Buchhandlung. Er sucht nun schon seit einiger Zeit einen Mitarbeiter, einen freundlichen, jungen Menschen mit Gespür für die Wünsche der Kunden, belesen , informiert und Liebe zu den Büchern. Das wäre doch genau der richtige Job für dich?“
Michael starrte in die Ferne. Martin wollte ihm helfen, er interessierte sich für ihn und erkannte und schätzte seine Fähigkeiten.
Verstört sah er auf seine zerknitterte Hose und sein schmutziges Hemd. Doch in Martins Gesicht stand Anerkennung und Zuversicht. Da wusste Michael selbst dieses Problem würden sie gemeinsam lösen können. Eine ungeheure Last fiel von seinen Schulten . „Danke Martin,“ Michael atmete frei durch,“ ich bin so froh, dass du mir helfen willst. Du hast recht, diese Arbeitsstelle hat wohl gerade auf mich gewartet.“
Als die beiden jungen Männer die nebelverhangene und nasskalte Straße betraten, sogleich vom hasteten Menschenstrom mitgezogen, umgeben vom elektrischen Glanz der Lichterketten in den überfüllten Geschäften, da spürten doch beide tröstlich, dass Weihnachten nahe war.

Mir ist diese Geschichte eingefallen, als unsere Familie in solch einer Situation war.Heidemarie Rottermanner, Anmerkung zur Geschichte

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