Joana Angelides

Eine Kirche irgendwo in Indien



Ich weiß nicht, wie sich die da oben das vorstellen. Wir Engel haben es schon sehr schwer!

Da habe ich einen Bau-Plan, der muß noch aus der Zeit vor Christi-Geburt stammen!

Hier, da wo ich jetzt stehe, soll ich eine Kirche bauen? Bin ich Petrus?
Da steht ein Multiplex-Kino und ein Einkaufszentrum. Am Plan ist das ein großer leerer Platz.
Vielleicht bin ich aber auch in der falschen Stadt?

Der Bürgermeister wird sich schön bedanken, wenn ich das abreißen lasse. Außerdem gibt’s ja eine Menge Kirchen in der Umgebung, die sowieso nicht voll sind.

Also, wozu brauchen wir eine Neue?

Manchmal sind die da oben schon sehr schrullig und die Administration läßt zu wünschen übrig.

Da schickten sie mich doch vor einigen Jahren nach Indien. Engel kann man ja hin und her schicken, wir haben ja keine sehr starke Standesvertretung, sprich Gewerkschaft. Die stecken scheinbar mit dem Chef unter einer Decke, äh Wolke!

Also, wo waren wir? Ahja in Indien!
Wo man hinblickte Hindu! Da stand nur ein einzelner Mann, ich glaube Untergruppe Franziskaner, der sollte nun alle missionieren.

Der wußte gar nicht wo er anfangen soll! Rückfrage im Himmel anläßlich eines Abendgebetes ergab, Schritt für Schritt, nichts übereilen.

Zuerst einmal schickten sie mich zur Unterstützung, weil ich Erfahrung habe beim missionieren. Meinen die da oben!
Es ist mir einst gelungen, eine einsame ältere Frau dazu zu bringen in einer verlassenen Fabrik eine kleine Notküche für Bedürftige einzurichten.
Es waren aber einige kleinere Albträume aus dem Archiv nötig und dann ein silberner Traum mit Engel, die sie im Himmel belohnen. Hat immerhin sechs Monate gebraucht, dann war sie so weit.

Sie hat gekocht und alle sind gekommen! Sie wurden alle bekehrt und beteten täglich vor der Essensausgabe. Ohne Essen hat das allerdings nicht funktioniert. Das nennt man glaube ich, Nötigung.
Naja, irgendwas muß man schon bieten!

Gleich als wir ankamen hat nun der Geistliche hier im tiefsten Indien begonnen, einen Brunnenschacht zu graben. Denn ohne Bewässerung geht gar nichts. Ich kann ihm ja nicht helfen, bin ja nur ein Engel. Aber ich habe zu Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht, die Wolken hin und hergeschoben und ihm ein wenig Schatten gebracht.

Da sind dann doch einige der Bauern aus der Umgebung gekommen und haben erstaunt geschaut. Aus Mitleid und weil sie ja nichts zu tun haben, so ohne Wasser und in großer Hitze, haben sie ihm dann geholfen.
Es hat funktioniert und das Wasser konnte aus der Tiefe heraufgeholt werden. Wir feierten einige Tage durch. Dann wurden Kohl und diverses Gemüse angebaut. In der Wartezeit auf die Ernte zimmerten sie sogar eine kleine Kirche und hörten dem Pfarrer zu, was er ihnen so alles aus der Bibel vorlas. Ich war tief befriedigt, es ist mir doch tatsächlich gelungen, eine Kirche zu bauen, sogar mitten in Indien!

Sie bekamen Medikamente und kleine Kreuze, ließen sich taufen und sangen die Kirchenlieder mit großer Begeisterung. Sie schwörten ihrer alten Religion ab und die Kinder bekamen christliche Namen, die ihnen der Pfarrer zwar vorsagte, die sie aber schwer aussprechen konnten.

Die Ernte stand bevor, das täglich gegossene Gemüse war eine Pracht! Der Kohl lag dunkelgrün und saftig in den Krumen, auch das andere Gemüse war bereits reif.

Die Einwohner kamen täglich zu dem Feld um den Erfolg zu besehen.

Dann kamen sie. Nämlich die Rinder, Kühe und Bullen aus der ganzen Umgebung und begannen langsam und genüßlich den Kohl und das Gemüse zu fressen. Es war ein Selten gewordenes Festmahl für sie.

Fassungslos stand der Pfarrer am Rande des Feldes, einen Holzknüppel schwingend, und mußte zusehen, wie die zu Christen missionierten Brüder und Schwestern sich schützend vor das liebe Vieh stellten, weil es ihnen schließlich ja heilig war, Christentum hin oder her.

Sie hatten sich sowieso gewundert, wieso in den Geschichten, die der Pfarrer vorlas, so wenig von den heiligen Kühen die Rede war. Nur einmal wurde von einem goldenen Kalb geredet und eine Kuh in einem Stall in Bethlehem erwähnt.

Irgendwas lief da schief, doch mich trifft keine Schuld, ich habe meinen Auftrag erfüllt, die Kirche steht, dort irgendwo in Indien!


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.11.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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