Sonja Raab

Arztbesuch mal ganz anders...

Zysten an den Eierstöcken, die finanzielle Lage ist mehr als beschissen, seit Wochen kein Sex wegen einer Pilzinfektion, seelischer Zustand genauso beschissen wie der finanzielle, keine Arbeit in Aussicht, Winter- Depression im Anflug, und zudem eifersüchtig ohne Grund, die Beziehung wankt, ich heule die ganze Zeit.
Also entschließe ich mich dazu, einen Heiler aufzusuchen. Etwas exotisches darf`s sein, ich will weder zu einem Arzt (der mir das Seelische nicht einrenken kann)- noch zu einem Pfarrer (der mir das Körperliche nicht heilen kann), sondern zu einem “Curandero“.
Ein HEILER ist das. Gelernt hat er in Equador, bei den Shuar- Indianern. Offiziell ist er hier in Österreich Energetiker, aber nur wegen dem Finanzamt... auf der Wirtschaftskammer wollte er sich als “Schamane“ anmelden, der Beamte suchte eine Weile unter “S“, dann ließ er es bleiben.
Ich kenne diesen Curandero schon seit mehr als 8 Jahren, allerdings war er damals noch kein Curandero, sondern ein Schamane, und ich habe einige Seminare bei ihm besucht.
Eigentlich kenne ich dieses Revier wie meine Westentasche, aber auch ein Arzt braucht mal einen Arzt und so bat ich ihn um Hilfe.
Vier Stunden Autofahrt nach Tirol, die weißen Schneeberge zwinkern uns aufmunternd zu. Mit meinem Lebensgefährten sitze ich im Auto und die Landschaft rast vorbei, wie die Gedanken in meinem Kopf.
Ein Mäusebussard reisst uns kurz aus dem Gedankenstrom, wir freuen uns, die Geister melden sich also schon.
Ein kurzer Anruf bei ihm, ich sage ihm, daß wir schon ganz in der Nähe sind, er meint, ich könne gleich kommen, er hätte schon Zeit.
Also direkt zu ihm in die Praxis- ein uraltes kleines Häuschen, von aussen sieht es unbewohnt und leer aus.
Als wir eintreten begrüsst er mich mit einer Umarmung, ich freue mich, ihn zu sehen, er ist mir vertraut. Mein Lehrer und Heiler zugleich, ein guter Freund und Ansprechpartner, wenn es um Dinge geht, die man nicht mit den Fingern und Händen be- greifen kann.
Seit 8 Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen.
Ich setze mich, das Häuschen ist doch gemütlicher, als es von außen aussieht, es ist kuschelig warm, ein uralter Tischherd steht mitten im Zimmer, überall Fotos aus dem Urwald von Mexiko und Equador, Ketten aus Samen die es bei uns nicht gibt, Fläschchen und Mappen und ein Tisch mit drei Sesseln in der Mitte.
Eine Weile reden wir über Mexiko, wir lachen, wir rauchen, dann sieht er mich plötzlich an und sagt: “Schauen wir mal, was da so ist... die Nieren `hinken`, du solltest mehr trinken,du hast Verspannungen, Seelenverlust sehe ich keinen, aber im Bauch sitzt was, du isst bestimmt kein Frühstück, Frühstück ist wichtig, etwas warmes am Besten. Ein Auto fährt auch nicht ohne tanken. Wie willst du Abends Energie haben, wenn Du dem Körper Morgens keine zuführst? Klopfe Morgens jeden Tag die Fussohlen ab, und streife die Waden entlang nach oben zur Kniebeuge, das aktiviert.
Nimm Reinigungsbäder, ich verschreibe Dir einen Tee, du hast kalte Füsse, oder?“
Ich nicke immer nur, bin sprachlos...
Dann lassen wir meinen Lebensgefährten sitzen und gehen nebenan, in das Behandlungszimmer.
Ich soll mich auf eine Decke am Boden legen, er dreht meine Arme und Beine herum, es knackst laut, ich muss mich aufsetzen, die beiden Beine sind unterschiedlich lang, wieder hinlegen, es knackst wieder furchtbar laut, ich schreie kurz auf, es tut weh, wieder aufsetzen, die Beine sind gleichlang.
Dann auf den Bauch legen, er drückt dreimal auf meinen Rücken, dreimal knackst es fürchterlich, ich schreie laut auf, dann dreht er meinen Kopf, alles knackst.
Hinterher fühle ich mich, als wäre eine Dampfwalze über mich drüber gefahren, aber es fühlt sich gut an.
Ich lege mich auf eine Liege, muss den Bauch frei machen, er drückt einmal kurz auf eine Stelle, es tut weh, er nickt, und sagt, daß da meine Ängste sitzen, und daß die bestimmt schon manifestiert wären, er fragt, ob ich Probleme im Unterleib habe.
Ja, sage ich, gestern erfahren beim Frauenarzt:Zysten und Pilzinfektion.
Er nickt wieder, beginnt, vom Bauchnabel abwärts zu massieren, es tut weh, mir wird schlecht, wenn mein Lebensgefährte das tun würde, würde er eine Ohrfeige dafür kriegen, keiner fasst mir an den Bauchnabel. Aber der Curandero fragt nicht, er tut einfach.
Etwa 30 Mal streift er die Ängste nach unten weg, dann wird der Bauch weicher, ist nicht mehr verhärtet, mir wird wärmer, die Füsse werden wärmer.
Dann muss ich aufstehen und in ein anderes Zimmer gehen, dort wird eine Ei-äDiagnose gemacht, er hält mir das Ei auf die Stirn, auf die Schultern, die Hände, die Beine, dann schlägt er es in ein Glas mit Wasser, und sieht sofort: “Da sind mindestens drei Neider, die Nieren sehen schlecht aus, merk dir, Nieren müssen funktioNIEREN! Viel trinken! Außerdem ist der Seeleneingang zu weit geöffnet.“
Dann stelle ich mich vor seinen Altar- kein Altar im herkömmlichen Sinne, sondern einer mit seltsamen Figuren die ich nicht kenne, mit Räucherschale und Medizinbeutel und Ahnenstab und gläsernen Totenschädeln aus Mexiko, einem Bild von einem Indianer aus Süfdamerika, mit Federschmuck- sein Lehrer, einige Fotos von Tieren und darüber eine Trommel mit einem Handabdruck, jede Menge Dinge,die ich schlecht einordnen kann.
Der Curandero streift eine Kette über seinen Kopf, mit fremden Samen anstatt Perlen, und Tierzähnen. Dann beginnt er, die Figuren am Altar mit Alkohol zu überschütten und auf spanisch zu beten, er bittet die Geister um Hilfe, er bittet seine Lehrer um Hilfe, er bittet Pacha Mama, die große Erdenmutter um Hilfe, dann beginnt er, mit den Händen ohne mich zu berühren meinen Körper zu untersuchen, er saugt mir Dinge aus dem Körper, oder bläst mir an anderen Stellen etwas in den Körper, er trommelt, er schneidet etwas durch über meinem Kopf, er streicht mit der Hand über meinen Kopf, er pfeift und singt und betet und trommelt, ich stehe da und kann beinahe meine Beine nicht mehr bewegen, ich befürchte das Gleichgewicht nicht halten zu können. Ich schließe die Augen und es fühlt sich an, als würden 300 Leute in dem kleinen Raum anwesend sein, Tiere an mir schnuppern und kratzen,ich höre etwas knurren, die Trommel drückt mich weg, ich sehe mich auf einer Klippe stehen und wegspringen, denke an Selbstmord, aber nein, da wachsen mir plötzlich Flügel und ich fliege in einem großen Bogen über die Landschaft, als Kondor, kreise in der Luft und spüre, wie die Luft mich trägt, ich sehe einen Geparden der um meine Füsse streift, einen weißen Wolken-Strudel, der mich aufsaugt, die Trommel wird immer schneller, ist sie vor mir oder hinter mir? Sie ist vor mir. Der Curandero ist vor mir. Ich öffne kurz die Augen, aber da ist nur der Altar, er steht also doch hinter mir.
Alles beginnt sich zu drehen, die Kerzen auf dem Altar, die Fotos und Bilder, die Ketten und Schalen und der Rauch.
Dann ist alles vorüber und der Curandero bittet mich um einen Kniefall für die Geister, er verlässt das Zimmer und ich knie vor diesem Altar und weine, bin aufgewühlt und berührt, ich sehe mir die vielen Bilder an und bedanke mich für die Hilfe, mir wird klar, daß die Geister schon viel öfter geholfen habe, als ich es wahrgenommen habe.
Viele Ratschläge gibt er mir mit auf den Weg, verschreibt mir Reinigungsbäder und Tees, gibt mir Salben und einen Spray mit, erklärt mir einige Grundsätze, wie zum Beispiel, daß man für sich selbst EIGENVERANTWORTUNG übernehmen muss und nciht die äußeren Umstände dfür sein Glück oder Unglück verantwortlich machen darf.
Daßdie Vergangenheit schon so lange vorbei ist, daß sie schon gar nicht mehr wahr ist, wir leben im HIER und JETZT!
Daß jeder Gedanke, der zu keiner Handlung führte ein sinnloser Gedanke war, daß Rituale wichtig sind, mit den HÄNDEN arbeiten beHANDELN!
Er lässt ein Feuerzeug zu Boden fallen und fragt mich, was passiert ist.
Ich sage: “Ein Feuerzeug ist zu Boden gefallen.“
Er schüttelt den Kopf, macht es noch einmal und sagt:“Was passiert?“
Wieder sage ich: “Das Feuerzeug ist runtergefallen!“
Wieder schüttelt er den Kopf, schaut mich eindringlich an, und sagt :“ICH habe das Feuerzeug fallen LASSEN!!! Und genau da ist der Unterschied, DU entscheidest, was in Deinem Leben passiert und was nicht. Nicht ES entscheidet über Dich...“

Er verrät mir einige Zaubereien, die er in Mexiko gelernt hat, eine davon soll finanzielles Glück bringen. Einen Abend später bekomme ich völlig unerwartet von einem Ex einen Brief, in dem er mir 1000,- Euros schickt und sich entschuldigt, für alles, was passiert ist zwischen uns...
Ich bin platt. Sooo schnell habe ich nicht damit gerechnet. Habe ich überhaupt damit gerechnet? Nein, habe ich nicht.
Ein anderer Zauber soll mir Leute bringen, die zu mir kommen.
Akkupressurpunkte werden mir gezeigt, damit ich wenn ich zu kopflastig bin die Energie besser verteilen kann.
Ich soll mich führen lassen von den geistern, soll vertrauen in sie. Opfer bringen, so oft wie möglich. Soll mir Verbündete suchen ind er Natur, die ich um Rat und Hilfe bitten kann, und die meine 5 Gefässe füllen.
Fünf Gefässe? Ich schaue ratlos.
Ja, das Gefäss der Liebe, der Klarheit, der Beständigkeit, der Ruhe und der Kraft. Für die Klarheit wäre ein Fluss oder Bach ideal, für die Ruhe ein Berg, für die Beständigkeit ein Felsen, für die Kraft ein Baum und für die Liebe ein Ort an dem Moos und Farn wächst, etwas liebliches eben.
Vier Stunden später sind wir entlassen, ich bekomme einen Spezialpreis, weil er mich kennt und mag und gemeinsam mit meinem Lebensgefährten fahre ich am nächsten Tag wieder zurück nach Hause. Kurz bevor wir von der Autobahn abfahren sehe ich einen Mäusebussard auf einem zaun sitzen. Da ist er wieder. Er begrüsst uns zurück... im neuen Leben.
Vollgepackt mit neuen Eindrücken und Ratschlägen und neuem Körpergefühl, Reinigungsbädern und Ritualen, Zaubereien und Tees beginne ich nun mein neues Leben, und habe sogleich damit begonnen, raus zu gehen und mir die fünf Verbündeten zu suchen, die mir von nun an helfen werden.
Ich danke den Geistern für ihre Hilfe. Das war ein wahres Abenteuer!!! Und das alles mitten in einem Tiroler Städtchen...




mit dieser geschichte danke ich meinem lehrer und curandero georg, den geistwesen die mich begleiten und pacha mama für ihre hilfe.
majun
Sonja Raab, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.11.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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