Volker Hofmann

@ Inigo Lopez de Onaz y de Loyola

Sehr geehrter Ignatius,

ich wähle als Anrede den Namen, mit dem Sie sich an der Pariser Universität einschrieben und unter dem Sie heute bekannt sind. Obwohl es mich auch reizt, Sie als den baskischen Adligen und Ritter zu sehen. Frauengeschichten haben etwas, sie sind per se gefeit gegen historisches Desinteresse. So sind die Menschen eben.
Mich fasziniert die Widersprüchlichkeit dessen, was Sie auf dieser Welt hinterlassen haben. Natürlich habe ich über Sie gelesen, und wohl kaum ein Leben wurde vermittels seiner Auswirkungen so authentisch so weit in die Zukunft getragen.
An einem theologischen Disput ist mir nicht gelegen, denn als Atheist verschließe ich mich dem Glauben der hinter Ihren Handlungen steht. Die Handlungen und deren Folgen allerdings beschäftigen und interessieren mich, es läßt sich also nicht vermeiden, die Aspekte des Glaubens zum Bestandteil der Gedanken werden zu lassen. Allerding, das möchte ich betonen, wirklich nur als Faktoren, sozusagen mathematisch.
Der von Ihnen gegründetet Jesuitenorden hat es zu einer Berühmtheit gebracht, wie es keiner anderen Organisation gelungen ist.
Zu Ihrer Zeit waren die Richtlinien, die sie dem Orden für die Zukunft mitgaben, schon revolutionär zu nennen. Deswegen erweckten Sie ja wohl auch das Interesse der Inquisition. Einen Orden, der in den Zielen an konservativen und auch reaktionären Gedanken kaum zu überbieten ist, in eine sehr progressive äußere Form zu packen, ist eine bewundernswerte Idee. Und man darf feststellen, daß gerade auch diese Form es dem Orden und seinen Mitgliedern ermöglichte, die unzweifelhaft großen Leistungen zu erbringen.
Ich bewundere den Orden für seine Geradlinigkeit was die Strategie betrifft, und, ja, auch für die mittlerweile sprichwörtliche Schlitzohrigkeit und Geschmeidigkeit in der Taktik und im Detail.
Mit meinem Menschenbild stehe ich, das gebe ich zu, häufig verständnislos und kopfschüttelnd vor den Informationen, die ich über den Orden bekomme. Andererseits zeigt uns die Geschichte, daß ein wie auch immer gearteter Glaube gerade dann zu extremen Leistungen fähig ist, wenn der Gläubige, der Leistende, in einem äußerlich streng reglementierten Umfeld lebt. Und auch hier wieder: Keine andere Organisation konnte dieses Umfeld äußerlich so offen gestalten und dennoch so eng. Einer der größten Widersprüche für mich, treffend formuliert durch Prof. Oswald v. Nell-Breuning, SJ: "Jesuiten - das sind kasernierte Individualisten.".
Die Konstitutionen und die Exerzitien sind extrem streng und für einen Freigeist sicher abstoßend. Der monarchische Aufbau des Ordens, mit einem General an der Spitze, ist ebenso widersinnig wie passend und wirkungsvoll. Im Glauben an Gott (diesen spreche ich keinem Ordenmitglied ab und die einzelnen Ordensmitglieder brachten immer wieder Beweise dafür, gerade in der Missionstätigkeit) dient der Orden dem Papst (oder dem Vatikan), der, gelinde ausgedrückt, nicht immer rein christlich orientiert zu handeln scheint. Meine Überzeugung und meine Weltanschauung sind natürlich davon geprägt, daß ich aus der reformierten Ecke komme. Und da wiederum liegt mir Luther mehr als Calvin.
Ihre Vorgaben, Ignatius, haben die Zeit überdauert, jedenfalls so weit es die äußeren Formen betrifft. Und offenbar ist das auch einem Teil der inhaltlichen Vorgaben gelungen.
Meine Frage ist: Jetzt, da der Kampf gegen die Reformation unnötig und sinnlos geworden ist, welche Ziele würden Sie heute für Ihren Orden definieren? Fast befürchte ich, es wären die gleichen.
Als der Orden verboten wurde, waren es der alte Fritz, seines Zeichen königlicher Freigeist, und Katharina II., die dem Verbot des Vatikans widersprachen (Friedrich II.) oder es schlicht ignorierten (Katharina II.) Diesen beiden unterstelle ich, sich mit dem Thema "Jesuiten" beschäftigt zu haben, und auch wenn es bestimmt keine idealistischen Gründe waren, die sie so handeln ließen, so finde ich dieses Handeln dennoch positiv.
Die heute stärkste Religion huldigt dem Gott Mammon. Wenn überhaupt, so bedient man sich dabei überlieferter Religionen in scheinheiliger frömmelnder Art, um etwas darzustellen, was man nicht ist. Und da ist mir die widersprüchliche Wahrhaftigkeit Ihres Ordens wirklich lieber.
Ist der Begriff "Loyalität" eigentlich von Ihrem Namen abgeleitet? Ich weiß es nicht, aber es würde mich nicht wundern. Wenn nicht, dann ist die Ähnlichkeit zumindest ein netter Gag des Schicksals - und dann sage noch einer, das Schicksal hätte keinen Humor!

Mit vorzüglicher Hochachtung

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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