Farhad Salmanian

Der Alte

(Erinnerungen der Schullehrer)
Übersetzt von: Farhad Salmanian
Es war zum x-ten Mal, dass ich die Schüler aufforderte, auf die Tafel zu achten. Aber keiner hatte offene Ohren für mich. Ich dachte, wenn es so läuft, werde ich die Klasse nicht in den Griff bekommen können. Obwohl nur einige Wochen von dem Schuljahr vergangen waren, konnte ich nicht die Klasse kontrollieren. Die Schüler regten mich durch (alle Art) Unordnung und Ausreden auf. In der Stille des Dorfes begann ich, die pädagogyschen Aufzeichnungen meiner Lehrerausbildungszeit und psychologische Bücher zu lesen. Ich wollte eine Lösung finden, um die Klasse beruhigen zu können. Bei einem meiner Kollegen, der einige Jahre früher früher als ich Lehrer geworden war, holte ich Rat und suchte nach einem Ausweg. “Schlag sie! Schlag sie! Die Lösung ist nur Schlagen und Drohen. Das reicht.,, sagte er.
Unter dem Eindruck seiner Worte und wegen seines Rates schlug ich für ein zwei Tage die Schüler und war streng mit ihnen. Es war umsonst. Einer der Schüler lief einmal aus der Klasse und der Schule davon!
Allmähnlich beruhigte sich die Klasse, aber das Ergebnis meines Unterrichts war schlecht und wenig befriedigend, weil ich meine Aufmerksamkeit und Blick darauf richtete, dass keiner Lärm mache. Ich war von mir selber enttäuscht. Vielleicht lag mein Unglück darin, dass ich Schullehrer der ersten Klasse geworden war. Was war denn mit meinen Kentnissen, die ich im Laufe der Lehrerausbildungszeit errungen hatte, los? Als ich das Lehrerzimmer betrat und die anderen Lehrer erzählen und lachen hörte und sie zufrieden mit ihren Klassen sah, fühlte ich mich noch minderwertiger! Ich sagte zu mir, sie seien erfahrener und erfolgreicher als ich, eine Klasse zu leiten. Aber ich bin nicht imstande, die Schüler zum Schweigen bringen und warum? Warum!? Weil ich oft betrübt, mürrrisch und verschlossen war. Andere Lehrer dachten, dass ich ein eigenwilliger selbstsüchtiger gefühlloser Mensch wäre oder vielleicht auch hochmütig und stolz. Ich litt jedoch unter meinem Mißerfolg bei der Kontrolle über die Klasse. Bald ging mir ein Gedanke durch den Kopf. Warum gebrauche ich die Kunst der Bildaufzeichnung und Malerei nicht? Ich kenne mich ja etwas mit Bildaufzeichnung und Malerei aus, oder? Warum schlage ich denn die Schüler? Am nächsten Tag, als ich in die Klasse eintrat, zeichnete ich an die Tafel das Bild eines Alten. Ein Alter, der lachte, froh war und die Schüler ansah. Mit den farbigen Kreiden färbte ich die Zeichnung und sie wirkte lebendiger.
“Kinder! Der Alte!,, sagte ich. Und ich begann wie die Alten zu reden: “Hallo Kinder! Der Klassenlehrer hat euch viel Komplimente gemacht. Deswegen bin ich hierher gekommen, um euch zu besuchen und euch kennenzulernen. Ich liebe euch alle. Was für gute Kinder! Wie nett, wie ruhig und schweigsam seid ihr! Bravo!…,,
Die Klasse schwieg! Ein Schweigen mit Zufriedenheit und Freude. Die Kinder sahen mich erstaunt an und ich ahmte noch den Alten nach und redete wie der Alte. Ich wechselte die Redensart. Bald spielte ich die Rolle des Alten, bald spielte ich den Klassenleiter, der ich selbt war.
“Danke dafür, dass Sie uns einen kurzen Besuch abgestattet haben.,,
“Ich freue mich auch darüber, dass ich in eure Klasse gekommen bin.,,
“ Ich und diese guten Kinder freuen uns darauf, Sie wiederzusehen. Kommen Sie wieder… ,,
“Unter der Bedingung, dass die Kinder gut lernen. Unter der Bedingung, dass sie die Aufgaben machen… Unter der Bedingung, dass sie mich auch lieben!,,
Dann wandte ich mich den Kindern zu und sagte:”Liebt ihr den Alten?,,
Sie sagten im Chor:”JA…JA…,,
Und der Alte verabschiedete sich und verließ uns!
An diesem Tag kontrollierte ich die Aufgaben der Schüler, ermunterte jeden von ihnen und war mit einigen etwas ernst. Als es zur Pause klingelte, ergriff mich ein Gefühl der Ruhe. Gefühl des Selbstvertrauen und Gefühl des Erfolges. Ich wollte so bald wie möglich in die Klasse zurückgehen. Als ich in die Klasse kam, sah ich den Alten noch lachen! Die Kinder hatten seine lachende Zeichnung von der Tafel nicht abgewischt. Ich gratulierte mir selbst dazu. Der Alte war bei ihnen angekommen. Der mit seinem Lachen und seinem Blick! Für zwei Wochen blieb er unser Besuch. Wenn ich zu viel Arbeit aufgab, protestierte der Alte gegen mich! :” Herr Lehrer! Das reicht aber! Gib meinen Kindern weniger auf!,,
Und sie klatschten ihm!
Manchmal zeichnete ich den Alten runzelig und traurig.
“Alter! Warum bist du traurig?,,
“ I’ bin traurig!,,
“Warum denn? Hab’ ich dich traurig gemacht?,,
“Nee!,,
“Wer denn?Warum?,,
“Ich sage nicht. Ich ruf’ ihn nicht auf.,,
“Okey! Sag mal! Was hat er getan?,,
Die Sorge der Schüler, die ein wenig nachlässig waren, war groß, dass der Alte die Katze aus dem Sack lassen und sie beim Namen rufen wurde. Ich forderte ihn, dieses Mal ihre Fehler zu entschuldigen und die faulen Schüler nicht zu erwähnen. Er nahm an und ich zeichnete ihn wieder lachend und färbte ihn. Ich wurde schon ruhig und sorglos. Der Alte war mein allerbester Helfer zur Kontrolle der Klasse. Der Alte war der allerbeste Freund der Schüler geworden. An meiner Stelle sprach er, entschloss er sich und redete auch. Als die Zeichnung des Alten an der Tafel von Schülern der Schicht Morgens oder Nachmittags abgewischt wurde, erkündigten die Schüler am nächsten Tag nach ihm. Sie erkündigten sich nach dem lachenden Alten, der freundlich redete und sich manchmal aufregte.
Nach und nach war es mir gelungen, die Klasse in den Griff zu bekommen. Ich war mit der Kontrolle der Klasse und meiner Art des Unterrichts zufrieden. An dem Tag, da der pädagogische Erzieher in meine Klasse kam, an die Schüler Fragen stellte und mich wegen so viel Bemühungen ermunterte, fühlte ich, dass ich ein erfolgreicher Lehrer sein könne.
Am letzten Tag, als ich mich von den Schülern trennte, zeichnete ich ins Heft eines jeden Schülers ,,Einen Alten,,.Sie forderten mich auf, in des zweiten Jahres auch ihr Lehrer zu sein und den Alten in die Klasse zu bringen.
Am letzten Tag hatte ich ins Heft eines jeden Schülers einen lachenden Alten als Andenken gezeichnet. Und an der Tafel sah sich der Alte die Kinder an und lachte. Ich war auch lachend und zufrieden damit und fühlte, dass ich die Kinder liebe. Ich erinnere mich noch daran, dass einer der Schüler sagte:” Herr Lehrer! Zeichne neben dem Alten auch eine Alte!,,

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