Uli Garschagen

Traumakrobat

Traumakrobat

-An einem Morgen im November weckte mich der verdammte Wecker um Punkt 6 Uhr in der Früh.
Aus einem scheinbarem Traum gerissen, schlugen sich meine in die Welt schauenden Zwillinge auf.
„Ach du je“, dachte ich mir , „die Nacht ist schon wieder vorbei.“
Wenn der Arbeitstag genauso fix vorüber zieht wie die nächtlichen Ruhestunden, bin ich auch zackerli wieder zu hause. Es war ein Wunschdenken meiner einer.
Nach fünfminütiger Galgenfrist richteten sich meine Beine und der Rest meines Körpers in die Höhe. Raus aus dem Bettchen hieß. Es war nicht gerade der laueste morgen.
Zunächst musste ich die Heizung betätigen, welche sonst automatisch anspringt. Sie schien defekt. War sie aber nicht. Sie wurde warm. Ich liebte sie dafür.
Ich ging in den Frischmachraum meiner Wohnung und drehte rapide den Hahn auf. Ich fror wie ein FKK-Strandmann in der Arktis. Darum drehte ich eiligst den Gockel der Wärme auf. Mein Gesicht verlangte nach Warmen. Es dauerte und dauerte. Nach Minuten des Wartens wurde auch die warme klare Flüssigkeit munter. Sogleich befriedigte ich meine Schädelfront, die mir dankbar des Warmen Wassers wegen war. Sodann waren meine Beißer an der Reihe. Auch diese erfreuten sich der Herrlichkeit der Wärme.
In meinen Augenwinkel versteckte sich schwer erkenntlich eine Portion Knies.
Prima, nickte ich mir im Spiegel zu, hatte der emsige Sandmann in der Nacht richtig schaufeln müssen. Ja, so ist das, wenn man sich solch einen Beruf aussucht.
Während der Säuberung sämtlicher Gesichtsutensilien dachte ich immer an den Film, welcher sich in der Nacht in meinem Kopfe abgespielt haben musste. Ein wunderschöner Streifen muss sich da abgespielt haben, denn ich hatte eine überaus gute Laune. Wie selten an einem Morgen. Doch er fiel mir nicht mehr ein. Dieser sich hartnäckig verschleiernde Traum.
Egal, dachte ich mir. Ich werde schon noch darauf kommen.
Nach der Reinigung verließ ich das Badezimmer und bewegte mich zu meiner Arbeitskleidung.
Socken, T-Shirt, Hose, Pulli und die Weste drüber und schon war ich schaffensfertig.
An den Socken roch ich noch kurz und bescheinigte ihnen einen weiteren 8-Stunden-Arbeitsag an meinen Quanten. Das war nicht immer so.
Die Unterhose wechselte ich nicht. Ich verbrachte die Nacht mir ihr. Wollte sie nicht wecken.
Zum harten Arbeiten, dachte ich mir wie immer, kann ich mir ne´ Frische sparen.
Der nächste Weg brachte mich in die Küche, wo ich zwei Tassen Kaffee aufsetzte. Während der sich zum Brühen aufraffte, ging ich die Treppe hinunter. Ich versuchte die Zeitung wie an jedem Morgen aus dem Briefkasten zu ziehen. Die weigerte sich und wehrte sich nach Kräften. Ich riss und riss an ihr. Meine Füße froren bitterlich. Wie müssen sich die Socken erst gefühlt haben. Es war ein zäher Kampf am Postkasten. Ich gewann ihn. Hatte die neueste Ausgabe beim Ringen aber oberflächlich verletzt. Eine Entschuldigung ersparte ich mir in diesem Fall.
Der Traum fiel mir zwischen den allmorgendlichen Geschehnissen nicht ein.
Oben in der Küche wieder angekommen, setzte ich mich. Der Stuhl knarrschte und knurrte.
Seine Verzapfung schien mir überholungsbedürftig. Ich beruhigte ihn durch sanftes sitzen.
Ich sah zur Kaffeemaschine. Diese hatte mir etwas langsamer als sonst zwei Tassen wohlduftenden Koffeinfreien gebrüht. Ich schenkte mir zum Tagesbeginn eine Tasse ein. Ich nippte und begann die tägliche Ausgabe der Zeitung zu durchstöbern.
Sport, Hier und Heute, Lokalsport und zum Abschluss Lokales war die tägliche Reihenfolge der lückenhaften Lesungen. Nichts neues dachte ich mir. Zu aller letzt noch eben die Todes- und Heiratsanzeigen. Nix passiert im Ort. Nix verpasst.
Der Kaffee duftete zwar, jedoch schmeckte er etwas müde. Wer sollte es ihm verdenken? Ich war es ja schließlich auch noch.
Der Traum fiel und fiel mir nicht mehr ein. Ich grübelte.
Nun war es Zeit. Die Abfahrt zur Arbeit stand bevor.
Ich goss noch schnell die Blumen. Sie verlangten nach Flüssigkeit.
Ich griff mir den Schlüssel und wollte gerade los.
„Stopp“, durchdrang mich ein Gedanke des Vorausschauens. Ich wollte in der Zeitung noch eben nach dem Wetterbericht für diesen Tag sehen.
Das tat ich auch! Es war inzwischen so herrlich gemütlich mollig in der Hütte.

Auf meinem Blick zur Wettervorhersage, traf ich auch zufällig auf das Tagesdatum.
Es war ein Samstag, der .11. November! Mein Geburtstag!
Ich verkniff die Augen und schüttelte das Dingen, auf welchem meine Haare beheimatet sind.
Ich sagte mir, „heut nix arbeiten. Heute ist Samstag und frei, wie an jedem dieser herrlichen Samstage.“
Dann wurde mir einiges sehscharf klar. Ich begriff nach jeder weiteren Sekunde.
Ich hatte versäumt den Wecker abzustellen! War also viel zu früh auf den Beinen.
Es war kein Arbeitsaufstehtag.
Genauso erging es dem warmen Wasser, dem Kaffee, dem knurrenden Stuhl, der sich wehrenden Zeitung und der Heizung. Sie wurden durch mich aus der samstäglichen Gewohnheit gerissen.
Und der mir nicht einfallende Traum war eventuell kein Traum. Oder doch? Einer mit Realitätssinn?
Traum oder nicht Traum. Das ist doch nun egal, dachte ich mir.
Es muss ein Traum gewesen sein, der es in sich hatte. Er ließ das Wissen meines Geburtstages in weite Ferne rücken.
Ich kicherte vor mich hin und reibte mir die Hände.
Hatte ich doch Geburtstag und Gäste zum Leeren des einen oder anderen Gläsleins geladen. Das machte mich heiter.
Aber noch viel mehr genoss ich die Freude auf die mir zustehenden Geschenke.
Das war wohl der Schlüssel zu meiner guten Laune.
So drehte ich die Heizung wieder ab. Entschuldigte mich auch artig bei ihr, wegen des unverhofften Weckens.
Riss mir die Kleider vom Leib und jagte mit ungebremster Geschwindigkeit in mein auf vier Beinen stehendes Bett. Zwei oder drei Stündchen Schlaf waren noch drin.
Gerade im Bett und dem Augenzuschlag nah bimmelte das Telefon!
Telefon: „ Ring ring, ring ring ring.“
So früh wie nie an einem Samstagmorgen.
Dachte ich!
Es war 7.15 Uhr!
Ich ging dran. Am anderen Ende war mein Chef, der mich fragte wo ich bliebe.
Es war Freitag der 10. November. Ein Arbeitstag.
Es war so ein herrlicher Traum.
Ein Traum in dem ich träumte
Gute Laune hatte ich nicht.
Die kam mit den Geschenken am nächsten Tag.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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