Klaus-Peter Behrens

Das Tor zwischen den Welten Teil 4

Die Mine von Medara

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Die Mine von Medara lag tief im Düsterwaldgebirge. Dunkle, dichte und nur schwer zu durchdringende Wälder zogen sich bis hoch in die mit ewigem Schnee bedeckten Berge hinauf. Reißende Gebirgsbäche und Legenden über zweifelhafte Bewohner dieser Region sorgten dafür, dass Wanderer und Abenteurer in dieser Gegend kaum anzutreffen waren und selbst der örtliche Tourismusverein die Gegend zum Outback erklärt hatte. In dieser unerfreulichen Region lag die sagenhafte Mine der Zwerge, die nicht gerade für ihre Sanftmut bekannt waren.
Ein besonders repräsentatives Beispiel dieses reizbaren Volkes war Gart, der mit einer Größe von hundertfünfzig Zentimeter ein wenig größer war, als der durchschnittliche Zwerg. Sein Haar und sein Bart waren grau und lang, wie bei allen Zwergen. Die von der vielen Arbeit im Bergbau steinhart gewordenen Muskeln ermöglichten es ihm, nicht nur die Spitzhacke, sondern auch seine riesige Axt spielend zu handhaben. Diese Fähigkeit hatte Gart, der zu der Art Zwerge gehörte, die lieber reisten, schon so manchen Verhandlungserfolg gesichert. Wer einmal einen tobenden Zwerg mit einer Axt gesehen hat, wird dies kaum in Abrede stellen. So kam es, dass die Zwergengilde mit Vorliebe Gart auf Handelsreisen schickte, was diesem nur recht war. Nun stand in Kürze eine neue Geschäftsreise in die mehrere Tagesreisen entfernte Küstenstadt Wehrheim an, und Gart war entsprechend gut gelaunt, als er aus dem Verwaltungsbüro der Zwergenmine zu den tiefer liegenden Werkstätten und Lagerräume unterwegs war, um die geplante Lieferung vorzubereiten. Der Weg dorthin war weit, denn die Mine von Medara war unzählige Etagen tief in den Fels eingegraben. Stollen, Lager- und Werkstätten, Wohnquartiere und sonstige Räume verbanden sich zu einem Labyrinth, in dem jeder Außenstehende zweifellos sein ganzes Leben auf der Suche nach dem Ausgang verbringen könnte, ohne ihm jemals auch nur nahezukommen. Für Zwerge hingegen sollte dies prinzipiell kein Problem darstellen, zumal diese nie müde wurden, mit ihrem unfehlbarem Orientierungssinn zu prahlen. Tatsächlich kam es jedoch immer wieder vor, dass Zwerge vermißt wurden und erst Jahre später wieder auftauchten, um zu verkünden, sie seien nur einmal falsch abgebogen.
Doch mit derartigen Gedanken beschäftigte sich Gart nicht, als er pfeifend einen der Gänge entlang schlenderte. Plötzlich jedoch vernahm er ein ungewöhnliches Summen. Verwundert sah er sich in dem zwergenleeren Gang um. Nichts war zu sehen. Zögernd ging er weiter und lauschte. Das Summen wurde lauter. Gart war nun leicht beunruhigt. Mit einer gewohnheitsmäßigen Bewegung nahm er seine Axt vom Rücken, wo sie in einer speziellen Lederhalterung befestigt war und blieb stehen, um das Geräusch besser lokalisieren zu können. Doch das schien von überall her zu kommen. Er kannte alle Geräusche von Medara, aber dieser tiefe, vibrierende Ton war ihm fremd. Das Vibrieren nahm stetig zu und die Fackeln begannen zu flackern. Das war wirklich seltsam. Vielleicht hatten seine Kollegen ja einen Gang zu tief gegraben und irgendwelche Dämonen geweckt, die nun gereizt durch die Gänge liefen. Doch Gart verwarf den Gedanken sogleich wieder. Welcher halbwegs vernünftige Dämon würde sich schon in eine Zwergenmine trauen? Während er noch überlegte, gab es plötzlich einen lauten Knall und eine gleißende Farbexplosion, so dass der Zwerg erschrocken ein paar Schritte zurückwich und schützend eine Hand vor die Augen hob. Mitten im Gang erschien aus dem Nichts eine Öffnung, die in allen Farben erstrahlte und den Blick auf einen langen, gewundenen, endlos erscheinenden Tunnel freigab. Wie von Geisterhand wurden zwei Menschen aus dieser Öffnung heraus geschleudert und landeten unmittelbar vor den Füßen des entsetzten Zwerges. Mit einem saugenden „Plopp“ verschwand die Öffnung und Gart, der nun wieder den vertrauten Gang vor Augen hatte, sah verblüfft auf die Eindringlinge herab. Menschen in Medara, das hatte es noch nie gegeben.


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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