Silvana Hoffmann

Und der Tod fährt Fahrrad!

Da kam er, der Tod.
Er flog über die Strassen und die Wiesen, über Bäume und Häuser.
Wie er aussah?
Wie eine Schlechtgemalte Figur aus einem Uraltkomik.
Als Bote unterwegs, nicht aufzuhalten.
Dringend hatte er eine Lieferung zu überbringen.

Worauf er kam?
Nein, nicht auf einem Besen. Auch hatte er nicht seine Sense dabei.
Auf einem Fahrrad kam er angeradelt. Unter seinem Arm trug er ein Paket mit der dicken und lesbaren Aufschrift:
„Per Boten und Unterschriftspflichtig!“
Das Paket sah schwer und groß aus.
Was da wohl sein Inhalt war.

Gekonnte lenkte er sein Fahrrad an den hupenden Autos vorbei, die sich über die Dreistigkeit und seine unverschämte Fahrweise ärgerten.
Er drehte sich um und drehte allen eine lange Nase und rief ihnen ein: „Du kannst mich mal!“ zu.
Lächelte er dabei?
Man konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen, da es mit Pusteln, Narben und Pickeln übersäht war.

Wie sah er aus?
Er trug alte Turnschuhe die zerrissen und ausgetreten waren. Gemeinsam waren sie sicherlich schon lange unterwegs. Überbrachten bestimmt unzählbare solcher Päckchen. Seine Waden waren kräftig, aber sein Rücken war gebogen. Verkrümmt und verkümmert.
Kaugummi kauend und einen militärischen Kurzhaarschnitt tragend.

Seine Arbeitszeit betrug 7 Tage die Woche und die Stunden nicht zu zählen. Ja, es können nur 24 an einem Tag sein. Auch der Tod hat da eine zeitliche Begrenzung. Dennoch bekam er den Wochenend- und Feiertag-Zuschlag.
Immer zuverlässig und sich nie verspätend überbrachte er zur vollsten Zufriedenheit die Post.
Kam oft unerwartet.

Woran er vorbeilief roch es nach verrotteten Blumen, Sträucher und verbrannten Rasen.
Sein Auftreten war immer sehr geschäftsmäßig. Unnahbar. Solide. Unpersönlich.
Wenn man das von ihm je behaupten kann.

Langsamer wurde sein Tritt in die Pedalen.
Ich betrachtete das Geschehnis noch eine ganze Weile.
Beobachtend sah er zu den Hausnummern und versuchte sie mit zugekniffenen Augen zu lesen.
Das Paket hielt er noch unter seinem Arm. Hatte er es vergessen?

Bei genauerer Betrachtung konnte man erkennen, dass das Packpapier schon mehrmals benutzt sein musste. Risse waren mit Klarsichtfilm zugeklebt und es war eine Fertigschleife aus Schmuck zu sehen.
Was war der Inhalt? War es schwer?
Erkennen konnte man nichts.
Was passierte, wenn man es hin und her bewegte?
Klapperte es?
Klimperte es?
Gab es Laute von sich?

Plötzlich verschwand er. Ich wische mir die Augen und verschwand vom Fenster.
Kaum an ihn noch gedacht klingelte es an meiner Tür.

Ich blickte durch den „Spion“.
Vor der Tür stand der Tod.
Er wischte sich mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn und ich sah ihn Kaugummikauend in die Augen.
Wenn ich die Tür jetzt nicht öffnen würde, würde es das Paket auf der Fußmatte liegen lassen? Brauchte er eine Empfangsbestätigung?
Klingelte er noch mal oder würde er nach kurzer Zeit fahren?
Er tat es und ich öffnete ihm.

Ja, ich habe den Tod gesehen, mitten in seine Augen und ich hatte keine Angst.
Dann schob er mir mit seinen knöchernen Fingern das Päckchen entgegen, hielt mir die Empfangsbestätigung entgegen.
Lächelnd konnte ich den Empfang bestätigen.
Es war nicht mein Name und auch nicht meine Anschrift.

Vorsicht, wenn es bei Euch klingelt!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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